Und es ward Schatten - Kapitel 3

 

 

Zurück

 

Zurück zur 
Startseite


 

Kapitel 3

Ich schlug meine Augen auf und erblickte die weiß gestrichene Decke unseres Schlafzimmers.
Ich hatte geträumt.
Der Überfall auf die Anpheras lag nun schon ein halbes Jahr zurück, doch der Traum verfolgte mich immer noch oft.
Es war mir sehr schwer gefallen, Soleya davon zu erzählen.
Sie sagte, ich hätte das einzig mögliche getan und ich solle mich nicht damit quälen.
Aber ich tat es.
Einige Tage nach der Aktion kehrte ich zurück an den Ort des Verbrechens, um William Anphera zu besuchen.
Ich erzählte ihm alles, was an jenem Abend passiert war.
Auch daß ich seine Frau und seine Tochter umbracht hatte und ich wiederholte, was sie zuvor gesagt hatte.
Er machte mir keine Vorwürfe für das, was ich getan hatte, aber ich fühlte mich furchtbar.
Ich sah diesen Mann dort sitzen, gebrochen und hoffnungslos, und wußte, daß allein ich Schuld an seinem Unglück war.

Ich besuchte ihn in der folgenden Zeit noch manchmal, aber er sprach nur wenig und zog sich immer mehr von der Außenwelt zurück, bis er eines Tages seine Sachen packte und nach Australien in die Einsamkeit ging.
Hier hatte er es nicht mehr ausgehalten, wo ihn alles an seine tote Familie erinnerte.

Ich spürte, wie Soleya sich im Schlaf umdrehte und mich damit aus meinen Gedanken riss.
Ein Blick auf die Uhr sagte mir, daß es Zeit wurde, aufzustehen.
Langsam stand ich auf, bemüht, meine Frau nicht zu wecken.
Ich nahm eine frische schwarze Robe aus dem Schrank und zog mich an.
Dann ging ich die Treppe hinab in die Küche.

Unsere Küche war nicht besonders groß.
An den Wänden hingen Schränke aus hellem Holz, vor dem einzigsten Fenster des Raumes, aus dem man direkt auf den zu unserem Haus führenden Weg sah, stand ein eckiger Tisch.
Auf dem Tisch befand sich eine blaue Vase, in die Soleya frische Blumen stellte, die sie bei ihren Spaziergängen pflückte.
An diesem Tag enthielt die Vase Sonnenblumen.
Die Küche war stets erfüllt von einem zarten Geruch, der sich aus den Blumen und den Gewürzen, die in einem Regal standen, ergab.

Während die Kaffeemaschine arbeitete nahm ich einige Scheiben Graubrot aus dem Schrank und bestrich sie mit Erdbeermarmelade.
Dann stellte ich alles auf ein Tablett und trug es vorsichtig nach oben.

Soleya war inzwischen aufgewacht, lag aber noch im Bett.
Als ich eintrat lächelte sie und ich stellte das Frühstück auf den Nachttisch.

"Mußt du schon los?", fragte sie.

"Ja. Ich möchte vor dem Frühstück noch mit Albus reden. 
Es könnte sein, daß ich heute abend erst später nach Hause komme. Ich denke Voldemort wird wegen gestern noch mit mir sprechen wollen."

Sprechen. Ja, das wollte er bestimmt. Und nicht nur das.
Aber ich wollte jetzt weder darüber nachdenken, noch meine Frau zu sehr beunruhigen.
Sie war sich der Gefahren durchaus bewußt.
Und wir hatten in der vergangenen Nacht bereits alles besprochen, was es zu diesem Thema zu sagen gab.

"Ist okay. Ich werde auf dich warten", erwiderte sie schlicht.

Ich gab ihr einen sanften Kuss, dann sagte ich: "Bis heute abend!" und verließ das Zimmer.
Anschließend ging ich in das Nebenzimmer und betrachtete meine Tochter Judy.
Leise schlich ich zu ihr und strich ihr eine Haarsträhne aus dem schlafenden Gesicht.
Ihr Mund zuckte und ich mußte lächeln.
Dann ging ich wieder hinaus auf den Flur und schloß behutsam die Tür.
Ich stieg die Treppe hinab und verließ das Haus.

Es dämmerte bereits und der wolkenlose Himmel versprach einen strahlend schönen Sommertag.
Zügig ging ich den schmalen Weg herab, bis ich schließlich zu einer kleinen Eiche kam.
Sie war erst wenige Meter hoch und noch recht schmal.
Ich hatte sie gepflanzt, als ich das Haus baute.
Sie markierte die Stelle, an der der Schutzzauber, der das Apparieren auf unserem Grundstück verhinderte, endete.

Ich konzentrierte mich und apparierte an einen extra dafür vorgesehenen Punkt in einiger Entfernung des Schloßes.
Ich eilte weiter, vorbei am See und an Hagrids Hütte, und erreichte nach wenigen Minuten das Eingangstor.

Ich betrat die Halle und ging weiter durch Flure und über Treppen, die um diese Uhrzeit noch menschenleer waren.
Ich bemerkte, wie die Personen in den Bildern mir neugierig nachblickten.
Einen Moment war ich versucht, mich umzudrehen und sie zurecht zu weisen, doch dann ging ich einfach ruhig weiter.
Schließlich erreichte ich den Wasserspeier.
Ich murmelte das Passwort und er sprang beiseite.
Über die Wendeltreppe gelangte ich vor die Eichentür zu Professor Dumbledores Büro.

Ich klopfte an und war erleichtert, als ich sofort ein "Herein!" vernahm.
Also hatte ich ihn nicht geweckt.
Ich trat ein und sah Dumbledore, der an seinem Schreibtisch saß und mich freundlich anlächelte.

"Guten Morgen!", begrüßte ich ihn.

"Guten Morgen, Severus! Setzt dich doch!", forderte er mich auf.

Ich setzte mich in einen der beiden Stühle, Dumbledore gegenüber.
Sofort spürte ich, wie sich etwas auf meiner linken Schulter niederließ.
Es war Fawkes, der Phönix des Direktors.

Dumbledore schmunzelte.
"Er scheint dich wirklich zu mögen. Er ist nicht bei jedem so zutraulich, wie bei dir."

"Ich bin nicht hier, um mich um deine Haustiere zu kümmern!", brummte ich und versuchte, den Phönix von meiner Schulter zu scheuchen.
Aber er ließ sich nicht vertreiben und schließlich ich gab auf.

"Ja, ich weiß", führte Dumbledore unsere ins Stocken geratene Unterhaltung fort.
"Ich habe heute Nacht eine Eule vom Ministerium erhalten. Sie hatten die Todesser, die die Wallners überfallen wollten, umstellt. Aber leider haben diese sich nicht ergeben, sondern bis zum Schluß gekämpft. Sie schreiben, nur einer sei ihnen entwischt. Wurdest du von ihnen gesehen? Bist du tatsächlich der einzigste, der überlebt hat?"

Ich nickte und fügte hinzu: "Ja, ich wurde gesehen und soweit ich weiß, ist keiner außer mir entkommen."

Dumbledore sah mich nun ehrlich besorgt an und ich begann, mich sehr unwohl zu fühlen. "Wie du siehst, lebe ich noch. Also guck mich nicht so an, als wäre ich schon tot", entgegnete ich finster.

Dumbledore ging nicht auf meinen, nicht sehr respektvollen, Ton ein.

"Erzähl mir, was genau passiert ist. In dem Brief des Ministeriums wurde nichts über die Aktion selbst gesagt."

Ich schilderte ihm die Geschehnisse der vergangenen Nacht, erwähnte jedoch nicht, daß mich ein Fluch der Auroren getroffen hatte.
Ich wollte seine Sorgen nicht noch steigern, außerdem mußte ja nicht jeder erfahren, daß ich einen Moment lang nicht aufgepasst hatte.

"Ich fasse mal zusammen: Du warst also der Leiter der Aktion? Und hast als einzigster überlebt? Das läßt dich für Voldemort in keinem besonders guten Licht erscheinen."

"Das mußt du mir nicht erzählen. Ich weiß das selber!" unterbrach ich ihn. "Was hätte ich tun sollen? Mich auch töten lassen?", fragte ich gereizt.

"Natürlich nicht!", antwortete Dumbledore scharf. "Du mußt verstehen, daß ich mir Sorgen um dich mache. Schließlich bist du mein Freund. Und ich war es, der dich gebeten hat, diesen Job für mich zu machen."

Seine Stimme hatte zum Schluß wieder die gewohnte Freundlichkeit angenommen.

Ich hatte keine Lust, weiter über dieses Thema zu sprechen. Darum stand ich auf, setzte Fawkes von meiner Schulter auf seinen Käfig und ging zur Tür. "Entschuldige mich bitte. Ich muß noch einmal in mein Büro. Wir sehen uns dann ja gleich beim Frühstück."

Dumbledore nickte und ich verließ das Zimmer.



Erzählt von Professor Dumbledore:

Seufzend ließ ich mich in meinen Sessel zurückfallen. Das Gespräch mit Professor Snape hatte mich beunruhigt.
Voldemort würde ihn bald zu sich rufen und ich wollte mir lieber nicht ausmalen, was er dann mit ihm machen würde. Vielleicht würde er Snape nicht töten, aber bestrafen würde er in sicher. Und Voldemorts Strafen waren grausam.

Zum wiederholten Male fragte ich mich, ob es richtig gewesen war, Snape diesen Gefahren auszusetzen.
Natürlich, rein theoretisch hätte er den Auftrag ablehnen können, doch ich wußte, daß er das niemals getan hätte.
Nicht Severus Snape.
Aber konnte ich das wirklich von ihm verlangen?
Konnte ich meinem Freund, als den ich Snape betrachtete, diese Bürde auftragen?
Eine Bürde, die ihn, als er sie das erste Mal zu tragen hatte, fast zerstört hätte?

Und er war nicht mehr der einzige, der sie zu tragen hatte.
Auch seine Familie litt unter seiner Spionage-Arbeit.
Ich hatte seine Frau Soleya kurz nach ihrer Hochzeit kennengelernt.
Damals wußte sie bereits von dem gefährlichen Nebenjob ihres Mannes.
Sie war eine starke und gläubige Frau, die mir nie irgendwelche Vorwürfe gemacht hatte, daß ich Snape dieser Gefahr aussetzte.

Aber konnte ich von ihr verlangen, daß sie sich damit abfindet, daß ihr Mann eines Tages vielleicht nicht mehr nach Hause kommt?
Ich fragte mich manchmal, ob ich ihn damals auch gefragt hätte, wenn er zu der Zeit schon verheiratet gewesen wäre.
Wahrscheinlich hätte ich es trotzdem getan.

Und vielleicht war es sogar besser so, daß Snape nun eine Familie hatte.
Die Familie bildete ein Gegenpol zu seiner Arbeit.
Sie brachte ihn auf andere, positivere Gedanken, gab ihm Halt und einen Grund, weiter zu machen.
Sie machte ihn stärker. 

Plötzlich spürte ich, wie sich mein Phönix auf meinen Schoß setzte und ich wandte meine Aufmerksamkeit wieder der Gegenwart zu.

"Na, Fawkes! Du machst dir auch Sorgen um unseren finsteren Freund, nicht wahr?"
Ich lächelte und gab ihm einen sauren Drops, den ich aus meiner Schreibtischschublade gezogen hatte.
Er verspeiste ihn genüßlich und flog dann wieder hinüber zu seinem Käfig.

Ich erhob mich langsam und verließ mein Büro.
Über die Wendeltreppe gelangte ich in den Flur vor dem steinernen Wasserspeier und ich machte mich auf den Weg in die Große Halle zum Frühstück.
Unterwegs traf ich einige Schüler, die offensichtlich verschlafen hatten, und nun eilig durch die Gänge liefen.
Ich lächelte, als ich einen Erstklässler aus Gryffindor beobachtete, der noch Zahnpasta im Gesicht hatte. Ich zwinkerte ihm zu und wischte mir andeutungsweise über den Mund.
Er erschrak, tat es mir dann nach, wobei er rot anlief, murmelte ein schüchternes "Danke!" und rannte seinen Klassenkameraden nach.

Ich traf noch einige weitere Schüler, die mich respektvoll grüßten. Ich erwiderte ihre Grüße freundlich und betrat schließlich die Große Halle.

Einige Augenblicke verharrte ich und betrachtete die fröhlich quasselnde Schülerschar, dann ging ich hinüber zum Lehrertisch.
Professor Snape war schon da.
Er saß auf seinem Stammplatz zwischen Professor Sprout und Professor Lupin, der nun schon seit zwei Jahren wieder als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste arbeitete, und betrachtete finster die zu spät kommenden Schüler, bis er sich schließlich wieder seinem Teller zuwandte.

Ich setzte mich an meinen Platz in der Mitte des Tisches und begann zu essen.

"Professor Snape sieht heute nicht gut aus. Er ist noch blasser, als gewöhnlich. Ist etwas passiert?", fragte mich eine leise Stimme. Es war Professor McGonagall.

"Er hatte heute Nacht eine anstrengende Aktion. Mehr möchte ich im Moment nicht dazu sagen", antwortete ich mit gedämpfter Stimme.

McGonagall nickte. 

Schweigend aß ich weiter und beobachtete, wie sich Snape von seinem Stuhl erhob und die Halle verließ.

Allmählich begannen sich auch die vier Tische der Schüler zu leeren.
Der Unterricht würde in wenigen Minuten beginnen und auch die anderen Lehrer entfernten sich nun nach und nach, um ihre Klassenräume aufzusuchen.

Ich blieb noch eine Weile sitzen und betrachtete die sich leerenden Reihen, dann erhob auch ich mich und machte mich auf den Weg in mein Büro.



 Kapitel 2

  Kapitel 4

 

Zurück