Snape-Fiction

 

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Disclaimer: Es sollte mittlerweile allgemein bekannt sein, daß die hier verwendeten Figuren natürlich geistiges Eigentum von J.K. Rowling und kommerzielles Eigentum von Warnerbrothers sind.
Lediglich die paar unbekannten Charaktere, habe ich mir ganz allein ausgedacht, aber das ist nicht der Rede wert. Sie sind quasi Statisten in einer Mammutproduktion.
Da ich noch nie eine Fanfiction geschrieben habe - zumindest keine, die ich freiwillig veröffentlicht hätte - hoffe ich, daß es Euch trotzdem gefällt.


Der Vorfall in der Heulenden Hütte von Nic



1



Mißmutig sah Severus von seinem Teller auf und beobachtete die Eulen, die in die große Halle geflogen kamen. Jeder schien Post zu bekommen, nur er nicht. - Warum auch? Wer sollte ihm schon schreiben?
Seine Eltern schienen verdammt froh zu sein, ihn aus dem Haus zu haben. Wie konnte er da so etwas wie ein Zeichen der Zuneigung erwarten?
Es scherte sie ja nicht einmal, daß er mehr oder weniger in Lumpen herumlief.- Und das obwohl sie sich wirklich nicht über einen Mangel an Geld beklagen konnten.
Der Gerechtigkeit halber mußte er hinzufügen, daß seine Mutter seit Jahren krank war, aber ob es für eine Entschuldigung ausreichte, ihn immer wieder zu vergessen, zweifelte er stark an.
Er versuchte nicht laut aufzuseufzen und konzentrierte sich statt dessen auf seinen Teller, der einfach nicht leer werden wollte. Lustlos stocherte er in den Würstchen herum, spießte eines auf seine Gabel, brachte es aber nicht über sich abzubeißen.
Wieder schweifte sein Blick durch den Raum und blieb am Lehrertisch hängen. Was hatte Dumbledore doch gleich gesagt? - Wenn er jemanden brauchte der ihm zuhört, er wäre jederzeit für ihn da.
Severus schüttelte unmerklich den Kopf.
Der einzige, der sich je für ihn interessiert hatte war Lucius Malfoy und manchmal wollte er besser nicht wissen, aus welchen zwielichtigen Gründen. Severus war einsam, aber nicht blind. Der junge Mann, der vor zwei Jahren die Schule verlassen hatte, hatte ihn nie mit einer anderen Miene bedacht, als anmaßende Arroganz. Selbst wenn ein vier Jahre jüngerer Schüler ihm Nachhilfe in Zaubertränke gab, schaffte er es, aufgeblasen zu wirken, direkt so, als ob er dem anderen einen Gefallen tun würde.
Er sah schnell weg, als Dumbledore versuchte seinen Blick zu fangen und wieder hinunter auf seinen Teller.
"Na, Snivellus! Angst das die Würstchen beißen?" selbst ein paar der Slytherins kicherten bei den Worten Sirius Blacks. Severus Snape biß die Zähne zusammen. Noch hatte er den Vorfall am See im vergangenen Schuljahr nicht vergessen und er hatte sich fest vorgenommen, sich früher oder später dafür zu rächen. Ja wohl!
"Oder überlegst du, ob du dir etwas von dem Bratfett in die Haare schmieren solltest? - Die sehen ja fast sauber aus!"
Das kam von Potter, wem auch sonst.
Severus legte im Zeitlupentempo seine Gabel ab, faltete die Serviette, die auf seinem Schoß gelegen hatte sorgfältig zusammen und stand auf.
"Was denn, du willst schon gehen?"
Er hatte es doch gewußt - Dumbledore würde ihn im Stich lassen. Wenn vier Slytherins an den Gryffindor - Tisch gegangen wären, dann wäre McGonnegall sofort in die Bresche gesprungen und Dumbledore auch, doch umgekehrt...
Der dünne, schlacksige Junge erhob sich, griff nach der Tasche, die neben ihm auf dem Boden stand und sah die vier Rumtreiber, wie sie sich selbst nannten, mit einem vernichtenden Blick aus tiefschwarzen Augen an.
Lediglich Remus Lupin hatte den Anstand, zur Seite zu treten und ihn vorbei zu lassen.

"Warum läßt du dir das gefallen?"
Das hatte er sich auch schon oft genug gefragt. Er zuckte die Schultern.
"Sie sind einfach die Aufregung nicht wert!"
Er hoffte, daß das plausibel genug klang, während sich sein Innerstes dagegen aufbäumte und sich sehr wohl aufregte.
"Ich finde du bist ein Feigling, Snivellus."
Bellatrix Black sah ihn unter ihren schweren Augenlidern hervor an und leckte sich aufreizend die Lippen.
Er hätte lachen mögen.
Er ein Feigling? - Nun, vielleicht, doch nicht so sehr, wie sie eine Schlampe war.
Allerdings, was sollte er von Blacks Cousine schon erwarten? Die zwei konnten einander zwar nicht ausstehen, aber es war immer noch das selbe Blut und wenn sie schon so auf ihre Reinblütigkeit achteten, dann sollten sie auch darauf achten ihre schwarzen Schafe gleich zu eliminieren, wie bei Rassehunden zum Beispiel. - Dann hätten sie wirklich etwas, worauf sie stolz sein könnten: Hundertprozentig vererbte Grausamkeit! - Einfach super.
Severus sah das sich auf dem Sofa vor dem Kamin aufreizend räkelnde Mädchen verachtend an. - Ein Blick den ihn so schnell keiner nachmachen konnte.
"Also gedenkst du nicht irgendwas zu tun, um denen eines auszuwischen?"
Doch, das gedachte er allerdings, aber ihr würde er sich sicherlich nicht anvertrauen. Er griff nach seinem Verwandlungskunst Buch und versuchte an etwas anderes zu denken. Wie es jedoch schien hatte sich Bellatrix gegen ihn verschworen:
"Ich meine, ich hätte diese Hunde schon letztes Jahr dran gekriegt, als sie dich so haben in der Luft hängen lassen. Stell dir vor diese kleine Gryffindor - Göre wäre nicht gekommen und hätte Potter in die Familienjuwelen getreten, dann hätten wir mit ansehen müssen, wie du ohne Unterhose in der Luft gehangen hättest..."
Severus, der das Gefühl hatte, als ob es sie nicht weiter gestört hätte, ihn unten ohne zu sehen, bekam rote Ohren, die seine langen Haare zu seinem Glück jedoch verbargen.
Sie fing an, ihm gehörig auf die Nerven zu gehen.
Er nahm seine Sachen und verschwand in den Jungenschlafsaal.



2



Der Abend war ungewöhnlich kalt und klar, aber Severus mochte die Frische der eisigen Luft, die ihm um die Nase wehte.
Gerne hätte er die hereinbrechende Nacht genossen, doch er lag auf der Lauer. - Bellatrix hatte Recht, es war Zeit, es diesen "Gryffindors" heimzuzahlen.
Es war nun eine Woche vergangen, seit sie ihn einen Feigling genannt hatte. - Er hatte es nicht vergessen. Mehr noch, es nagte in einer Weise an ihm, die er sich nie hätte träumen lassen.
Es schien wie der Fluch seiner Kindheit zu sein.
Nie war er gut genug, nie war er mutig genug, nie war er hübsch genug um ein "guter Snape" zu sein. Manchmal fragte er sich ernsthaft, ob sein Vater sich je die Mühe gemacht hatte, in den Spiegel zu sehen.
Severus war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten.
Seine Mutter, ja, die war schön gewesen, aber vor allem war sie jetzt tot...-
Interessierte es irgend jemanden, daß seine Mutter vor wenigen Tagen gestorben war? Offenbar nicht.
Die Eule mit der Nachricht war erst heute eingetroffen - seinem Vater schien es eine Lappalie zu sein.
Er haßte diese Welt!
Und wenn er nicht bald heraus kriegte, wie er sich an der Potter - Gang für all die Gemeinheiten, die sie ihm zukommen ließen, rächen konnte, dann würde er vermutlich noch platzen vor unterdrückter Wut und Demütigung.
Mühsam versuchte Severus eine Träne weg zublinzeln.
Auf einmal sah er sie: Madame Pomfrey, zusammen mit Remus Lupin, wie sie über den vom Reif bedeckten Rasen huschten, gerade so als ob sie nicht gesehen werden wollten.
Es war nicht das erste Mal, daß er sie auf diesem Wege verschwinden sah. Ein Blick auf seinen Taschenkalender bestätigte es ihm, es war Vollmond, wie immer.
Höchst merkwürdig, in der Tat!



3



Es war die innere Unruhe, die ihn wieder nach draußen getrieben hatte, obwohl es nicht ganz ohne Risiko war. Wenn ein Lehrer ihn erwischte, dann hatte er ein echtes Problem.
"Na Snivellus!"
Severus fuhr erschrocken herum. Dort standen sie: Potter, Black, Lupin und ihr unfähiger, kleiner Freund Peter Pettigrew und grinsten ihn fies an. - Okay, Pettigrew grinste ihn dümmlich an, aber was machte das schon, er tat eh nur das, was die anderen wollten. Er war SO leicht zu beeinflussen.
Er zuckte etwas zusammen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte.
"Na dann komm doch mal mit mir mit, wenn du so gerne in meiner Nähe bist."
Er sah sich hilflos von Sirius Black in Richtung des verbotenen Waldes geführt.
Lupin, Pettigrew und Potter waren spurlos verschwunden. - Natürlich, der Tarnumhang!
Severus hatte ihn nur einmal per Zufall gesehen, als James ihn nach einer kleinen Eskapade mit Filch in seiner Tasche verstaut hatte. Er hätte daran denken müssen.
Nun saß er in der Klemme, denn immer näher kamen sie der schwarzen Wand, die der Wald zu dieser Tageszeit darstellte.
"Was soll das?"
Zu seinem Entsetzten stellte Severus fest, das er stotterte. Black lachte höhnisch auf.
"Was denn, Snivellus, du hast angst? Ts ts ts!"
Severus starrte zornerfüllt mit seinen unergründlichen Augen zurück und fragte sich, ob er in seinem ganzen Leben, schon einmal einen solchen Haß empfunden hatte, wie Black gegenüber.
"Ich wollte dir nur etwas zeigen."
Sirius deutete gen Himmel, wo gerade prächtig der sichelförmige Mond hinter den Zinnen und Türmen von Hogwarts aufging und alles in ein mystisches, blaues Licht tauchten.
"Ist das nicht schön, Snivellus?"
Er beachtete den sarkastischen Unterton des anderen nicht.
Seine Mutter hatte den Mond auch immer besonders gemocht.
Als er noch klein war, hatten sie in solchen Nächten manchmal stundenlang draußen Kräuter gesucht. Bevor er es verhindern konnte, kullerte eine Träne seine blasse Wange herunter und fiel von seinem Kinn herab.
Das würde nie wieder sein.
"Du hast herausgefunden, warum Remus immer bei Vollmond verschwindet, nicht war?"
Es war eigentlich keine Frage, es war eine Feststellung.
"Er ist ein Werwolf!" flüsterte der bekümmerte Slytherin.
"Ja das ist er." stimmte Black leise zu.
"Aber ist es nicht zu gefährlich, ihn im Wald einfach laufen zu lassen? Er geht doch auf Jagd."
Sirius legte einen Arm um die Schultern des schmächtigen anderen und es schien, als ob er den Unterschied zwischen seinem prächtigen selbst und dem mickrigen Jungen neben ihm damit noch betonen wollte.
"Was bist du doch dumm, Severus! Denkst du, Dumbledore würde das zulassen? Er wird in ein sicheres Versteck gebracht. Du kennst doch die peitschende Weide, oder?"
Wieder dieser leicht drohende Ton, der alles andere als eine Frage war.
Severus fragte sich allmählich, ob er irgendwie gelähmt war. Wie sonst hatte er es geschafft seine Wut so lange unter Kontrolle zu halten, ohne Black einen ganz gemeinen Fluch auf den Hals zu hetzten? Er kannte ja, dank seines Vaters, genug davon.
"Nun, Sevvy, du mußt nur den Knoten unten am Stamm mit einem langen Stock berühren, und der Baum steht still, dann kannst du in den Tunnel kriechen, der sich zwischen den Wurzeln der Weide befindet..."
Nur ein kurzes Rascheln und Severus wußte, das er nun wieder allein war. - Warum hatte Black ihm das anvertraut?
Warum hatte er quasi einen Freund verraten?
Das tat kein Gryffindor! Er tat es einfach nicht.
Nachdenklich machte er sich auf den Rückweg zum Schloß. Er mußte vorsichtig sein, daß er nicht Filch oder seinem scheußlichen Katzenvieh in die Hände lief.
Doch alles, was ihm begegnete, war ein riesiger, schwarzer Hund, der ihn unfreundlich anknurrte und dann davon lief, bis er im Schatten von Hogwarts mächtigen Mauern verschwand.



4



Nach zwei weiteren Wochen hatte Severus es nicht mehr ausgehalten.
Er war in einen leeren Klassenraum geflüchtet um endlich weinen zu können.
Die Trauer um seine Mutter brach ihm fast das Herz - und niemand war da, der ihn trösten konnte, nicht das es überhaupt jemand versucht hätte.
Wie konnte er nur so ungerecht urteilen und annehmen, das er ihr völlig egal war?
All die Briefe, die er nun, nach ihrem Tod erhalten hatte, weil seine Großmutter sie ihm geschickt hatte, bewiesen, wie sehr sie sich um ihn gesorgt hatte.
Er hatte eine Mutter gehabt, die ihn liebte, die ihn vermißte und er hatte es nie erfahren.
Und wie kam Großmutter Potter an diese Briefe, sie hatte doch schon seit Jahren keinen Kontakt mehr zu ihnen?
Seine Oma!
Er konnte sich nur an ein einziges Mal erinnern, als er ihr begegnet war: Es war Weihnachten gewesen. Sie hatte ihm eine Dose Kekse mitgebracht - und James hatte einen kleinen Kinderbesen bekommen.
Seine Mutter war so wütend gewesen und war augenblicklich aufgebrochen. Zusammen mit einem völlig verstörten dreijährigen Severus, der an einem der recht leckeren, selbstgebackenen Kekse gekaut hatte.
Es hatte ihn nicht wirklich gestört.
Er fand Kekse viel besser, als einen blöden Besen, zumindest damals noch.
Erst später hatte er begriffen, das man weder ihn noch seine Mutter in der Familie akzeptierte. Sie hatte Severin Snape nicht heiraten sollen!
Ihre Eltern hatten ihr nie vergeben.
Nun war sie tot.
Christine Snape, geborene Potter, war tot.
Es schien, als ob selbst ihre Mutter nun sah, was sie verloren hatte. - Das machte es ihm nicht einfacher.
Er vermißte sie mehr, als je zuvor in seinem Leben. Sehnte sich nach der Sicherheit und Wärme einer Familie, die zusammenhielt...
Als er endlich keine Tränen mehr hatte, beschloß er, das er wieder zurück in den Gemeinschaftsraum gehen mußte.
Draußen war es mittlerweile dunkel. Nur wenige Sterne zeigten sich am Nachthimmel.
Er war gerade in den nächsten Korridor gebogen, als er....
"Ach sie mal einer an, ein Schüler der nicht schlafen kann..."
Peeves, war eine kleine Treppe hinunter geschwebt und lag nun vor ihm mitten in der Luft, als würde er es sich auf einem Standlaken gemütlich machen. Die Ellenbogen hatte er im Nichts aufgestützt. Das Lächeln des Poltergeistes, verhieß nichts Gutes.
"Ich weiß nicht was es bedeuten soll, doch Filch findet das gar nicht toll. - Ob ich ihn informieren soll? Dann Freut sich Filchy sicher doll." dichtete er in schlechten Reimen.
"Würdest du mich bitte durchlassen?!"
Severus wußte, daß ihn das sicherlich nicht weiter brachte, aber er hatte weder die Lust, noch die Kraft, etwas anderes zu tun.
"Ach, hat der arme, kleine Hosenscheißer geweint?"
Peeves Lächeln wurde noch breiter, als er die Tränenspuren auf Severus´ Gesicht sah.
"Was hat er denn, der Kleine? Kann er seinen Teddy nicht finden? Da muß er seine Mami fragen!" seine gestellte Besorgnis war Übelkeit erregend, fand Severus. Wut schäumte in ihm auf.
"Ich kann meine Mutter nicht fragen, weil sie tot ist!"
brüllte Severus, nur um gleich darauf zusammen zu zucken.
Es war das erste Mal, das er es laut ausgesprochen hatte.
"Och, das tut mir aber leid!"
Peeves klang alles andere als bedrückt.
"Läßt du mich jetzt endlich vorbei?!"
"Nö!"
"Laß mich jetzt durch, oder ich..."
"Was denn, was denn?"
"Peeves, das reicht jetzt!"
Minerva McGonegall war hinter ihm aufgetaucht.
Schmollend zog der lästige Geist ab.
Aber für Severus war das lediglich der Wechsel vom Regen in die Traufe.
"Was zur Hölle machst du um diese Uhrzeit außerhalb deines Gemeinschaftsraumes?"
"Ich..." stammelte Severus Snape vor sich hin. Er konnte ihr schlecht sagen, das er ein ruhiges Plätzchen zum weinen gesucht hatte. Was sollte sie von ihm denken?
"Hast du wieder wem hinterher spioniert?"
"Hab ich noch nie..."
"Red keinen Unsinn, Junge! Pettigrew hat mir davon berichtet, wie du ihm hinterher geschlichen bist."
"Wann soll das gewesen sein?"
Severus konnte es sich zwar denken, doch...
"Ich führe keine Schriften darüber, aber wenn das auch nur noch ein einziges Mal vorkommt, das ich dich so spät noch herum schleichen sehe, dann kannst du dich auf was gefaßt machen! Und ehe ich es vergesse, fünf Punkte Abzug für Slytherin und ich denke eine kleine Strafarbeit kann auch nicht schaden. Wie wäre es, wenn du Hagrid dabei helfen würdest, die Pflanzen Winterfest zu machen. Du siehst aus, als könnte dir frische Luft nicht schaden. Und nun geh!"
Er trottete deprimiert von dannen.



5



Die Sonne schien golden durch die hohen Bogenfenster der großen Halle, als Severus durch die schwere Eichentür trat und sich auf den Weg zu seinem Platz machte, der fast am Ende des Tisches lag.
Er spürte den strengen und mißbilligenden Blick McGonegalls förmlich auf sich ruhen, scheinbar hatte sie den Vorfall am vergangenen Abend nicht vergessen. Gerade jetzt beugte sie sich zu Dumbledore herüber um sich mit ihm zu unterhalten. Der hagere Junge hatte das ungute Gefühl, das er das Hauptthema in diesem Gespräch sein würde.
Severus tat sich eine Scheibe Toast auf den Teller und beschmierte sie mit Butter. Hunger hatte er eigentlich nicht.
Wieder sah er hinauf zum Tisch der Lehrer und sah, das Dumbledore nickte und dann genau in seine Augen sah.
Das reichte!
Severus stand auf und verließ das Frühstück, ohne auch nur von seinem Brot abgebissen zu haben.
Er wollte es sich nicht wirklich eingestehen, doch er brauchte Trost. - Aber zu Dumbledore zu gehen, der scheinbar nicht viel mehr in ihm sah, als Professor McGonegall, die ihn für einen naseweisen Widerling hielt, konnte er nicht.
Es war ja klar, das er auf dem Weg runter in die Kerker Peeves in die Arme laufen mußte und scheinbar konnte auch der sich ziemlich gut an den Vorfall gestern Abend erinnern.
"Ach, da haben wir ihn ja wieder! Unsere kleine Heulsuse!"
Gackerte er und gab sich aufrechte Mühe, das auch jeder im Umkreis von etwa dreihundert Metern ja mitbekam, was er sagte.
"Willst du wieder mal heulen gehen?"
"Laß mich durch!"
Severus wußte nun ganz sicher, das dieser Tag die Hölle werden würde.
Er war nur froh, das Lucius Malfoy nicht hier war, der würde die Sache dann auch noch in dreißig Jahren aufrollen.
"Was wenn nicht? Brichst du dann in Tränen aus, so wie gestern?"
"Ach, hat Snivellus gestern rumgeheult?"
Natürlich - die Pottergang!
Sirius Black grinste schadenfroh über sein ganzes, sonnengebräuntes Gesicht und baute sich vor dem Slytherin auf.
"Was ist passiert? Hast du durch Zufall dein Gesicht im Spiegel gesehen und dann Angst bekommen? - Snivvy, das kann ich verstehen."
"Na warte!"
"Was dann, fängst du dann wieder an zu flennen?"
"Porcesium Alere!"
Es war wundervoll mit anzusehen, wie der eitelste Junge der ganzen Schule plötzlich eine bezaubernde Schweineschnauze statt einer Nase im Gesicht trug.
"Ich werde dir schon zeigen..." jaulte der Getroffene.
"Ach was denn? Wie gut du grunzen kannst? Jetzt siehst du zumindest nach dem aus was du bist."
Ein paar der nun auftauchenden Slytherins kicherten hämisch.
"Cirrocrispatus Oriri!"
Aha, Potter eilte seinem Freund zur Hilfe. Severus spürte, wie sich sein Haar zu Locken ringelte.
"Ach, sieh mal einer an, wie heldenhaft die Gryffindors wieder sind. - Vier gegen einen!"
Die Ironie in seiner Stimme war giftiger als Eisenhut.
Für einen Augenblick sahen sich die Gryffindors auch tatsächlich prüfend an, so als ob sie feststellen wollten, ob sie auch so unehrenhaft weitermachen sollten, doch...
"Densater! Capvirilliere! Densaugeo!"
Schneller als sie wieder zu sich kommen konnten, hatte Severus jedem von ihnen ein nettes Andenken verpaßt.
Er sah nur kurz zurück auf die völlig bedröppelten Rumtreiber und machte sich dann wieder auf den Weg. Lupin hatte herrlich schwarze Zähne, Pettigrew glich mit seinen wachsenden Hauern immer mehr der kleinen Ratte, die er war und Potters schwarze Haarpracht hatte nun einen wunderschönen giftgrünen Ton.
Das Gackern von Peeves, der nun auf die "heldenhaften" Gryffindors losging, klang ihm noch in den Ohren.
Das war zumindest ein kleiner Triumph.

Es geschah im Zaubertränkeunterricht, dem Lieblingsfach von Severus, auch wenn er sich manchmal fragte, warum.
An Professor Solanum und ihrem Unterricht lag es definitiv nicht. Sie sah ihn hämisch und von oben herab an, was wohl auf die herrliche Lockenpracht zurückzuführen war, die Severus immer noch hatte. - Die würde auch erst mit dem nächsten waschen raus gehen.
"Und heute, werden wir uns mit dem Vielsaft - Trank beschäftigen. Wer kann mir die Eigenschaften dieses Trankes nennen?"
Severus Hand schoß in die Höhe, doch die Lehrerin ignorierte ihn, genau wie sonst auch.
"Sirius, wenn du bitte an die Tafel kommen würdest..."
Noch eine Frau, die auf den Charme dieses Kerls reingefallen war, dachte Severus bitter.
Wofür strengte er sich eigentlich jedes mal in Zaubertränke so an? Er würde doch nie dran genommen werden.
Und dabei wußte er mehr, als diese verdammte Lehrerin, die lediglich bei den kosmetischen Tränken als Koryphäe zu bezeichnen war. - Dann war sie auch noch die Hauslehrerin von Slytherin, obwohl sie nie in diesem Haus gewesen war.
Sie war nicht einmal in Hogwarts gewesen, sondern am Salemer Institut für Hexen.
Diese Schule ging wirklich den Bach runter, wenn er so darüber nachdachte.
Professor Dulcea Solanum ging mit einem deutlich vernehmbaren Klappern ihrer hochhackigen Absätze durch die Reihen der Schüler, wandte jedoch selten den Blick von Sirius Black, der, sehr zu Severus´ Bedauern, seine normale Nase wieder hatte.
"Warum schreibst du nicht mit?"
Severus zuckte zusammen, er hatte nicht bemerkt, wie die Lehrerin hinter ihn getreten war.
"Ich habe bereits alles aufgeschrieben, Professor."
Sie riß seine Unterlagen an sich sah sie an, aber las sie nicht.
"Gut! Aber dann sitz nicht so nutzlos in der Gegend rum. Sortier den Vorratsschrank, wenn du eh schon alles weißt."
Widerstrebend gehorchte Severus. - Das war immer noch besser, als sich diesen Totentanz anzutun.
Bedauerlicherweise bekam er auf diese Weise nicht mit, wie Sirius sich vorne über seine Unterlagen gebeugt hatte - Professor Solanum war ausnahmsweise anderweitig beschäftigt und sah ihn gerade mal nicht an - und das Pergament mit einem leichten Wink seines Zauberstabes in etwas eindeutig anderes als eine Hausaufgabe verwandelte.
Potter beschäftigte sich währenddessen ausgiebig mit der Tasche und um es kurz zu machen, waren am Ende der Stunde alle Unterlagen Severus Snapes unwiederbringlich verloren.

"Snape! Würden sie bitte noch einen Augenblick bleiben. Ich habe mit ihnen zu reden!"
Der Tonfall Professor Solanums bedeutete nichts Gutes.
"Was bitte schön soll das sein?"
Sie hielt seine Hausaufgaben angewidert in die Höhe. - Oder viel mehr das, was mal seine Hausaufgaben gewesen waren. Severus schluckte, als er die ersten Zeilen gelesen hatte und wurde rot.
Diese Frau glaubte hoffentlich nicht wirklich, das er DAS DA verfaßt hatte.
Es war ein höchst unanständiger Liebesbrief.
"Das...!" Ihm fehlten die Worte.
"Da stimme ich ihnen zu, Mister Snape, das empfinde ich auch als eine Unverschämtheit. Sie werden eine passende Strafarbeit bekommen, sobald mir etwas auf eine derartige Unverschämtheit eingefallen ist."
Ihr amerikanischer Akzent war noch grauenhafter als sonst.
Wie konnte man einzelne Wörter nur so dehnen und trotzdem so undeutlich sprechen, als hätte man ein ganzes Plumeau im Mund?
Angewidert wischte er sich etwas von ihrer Spucke aus dem Gesicht, - noch ein Grund dieser Frau nicht allzu nah zu kommen - und nickte betreten.
Leugnen würde eh nichts nützen, glauben würde sie eh Sirius Black, nicht ihm.

Betreten und äußerst zornig machte er sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum um seine Hausaufgaben zu machen. Zum Glück hatte er ja schon gut vorgearbeitet, denn er hatte nicht das Gefühl, als würde heute ein besonders guter Tag zum konzentrieren sein.
Er schmiß seine Tasche in die Ecke neben seinem Bett und griff nach einem Handtuch. Als aller erstes würde er duschen, damit seine Haare endlich wieder lockenfrei waren.
Nachdenklich stand er, als er fertig geduscht hatte, Grimassen schneidend vor dem Spiegel. Wenn er lachte sah er Potter sogar ähnlicher, als es ihm lieb war, er mußte es unbedingt vermeiden, daß irgend jemand eine verwandtschaftliche Verbindung zu ihnen herstellte. - Es war nicht das erste Mal, das er sich das vornahm und in der Tat hatte er in den vergangenen Jahren immer weniger das Gesicht auch nur zu einem Grinsen verzogen.
Als er sich genug betrachtet hatte und Black Recht geben mußte, daß er wirklich nicht sehr ansehnlich war, trocknete er sich vollständig ab, rubbelte die Haare so lange mit seinem Badetuch, bis sie trocken waren und in alle Richtungen abstanden. - Ein weiteres Erbstück der Familie Potter.
Nachdem er anschließend mühsam, fast eine viertel Stunde lang, seine Haare glatt gekämmt hatte, war er endlich ruhig genug, um sich an die Hausaufgaben zu setzen.
Doch er traute seinen Augen nicht.
Der Aufsatz für Verwandlung, den er schon fast fertig gehabt hatte, war verschwunden, ebenso die Aufgaben für Kräuterkunde, an der er Tagelang gesessen hatte, um sie so vollständig wie nur irgend möglich zu machen. Auch die Aufsätze für Zauberkunst, Verteidigung gegen die dunklen Künste und alles andere waren weg. Einfach so!
Doch dafür quoll sein Ranzen über mit bescheuerten Muggelillustrierten - und dann auch noch für Frauen! -, rosa Liebesbriefchen, Make up und einem Mädchenschlüpfer.
Er mußte noch einmal hinsehen, um zu prüfen, ob dies auch wirklich seine Tasche war. Zu seinem Entsetzen gehörte sie tatsächlich ihm.
"Ich bringe Potter um!"
"Na endlich mal eine erfreuliche Nachricht!"
Bellatrix war gerade in den Gemeinschaftsraum getreten. Severus seufzte innerlich und schloß hastig seine Schultasche. Sie gehörte nicht gerade zu den Menschen, die er gerne um sich hatte und dann folgte ihr auch noch dieser dämliche Rudolphus Lestrange. Einer von Malfoys Stiefelleckern Nummer eins.



6



Die Arbeit in den vergangenen Tagen, um all die Sachen wieder aufzuarbeiten, die verloren gegangen waren, war immens. Und dann war da ja auch immer noch die Strafarbeit bei Hagrid.
Mit seiner üblichen schlechten Laune und in eine dicke Jacke gehüllt stapfte Severus am Samstagmorgen über den Rasen auf die Hütte am Waldrand zu. Der hühnenhafte Mann erwartete ihn bereits.
"Na Severus? Was hast du angestellt?" fragte er freundlich ohne die Spur eines Vorwurfs.
Als ob die McGonegall ihm das nicht brühwarm erzählt hätte. Trotzdem antwortete er:
"Bin erwischt worden, als ich des Nachts durch das Schloß getigert bin."
"Na das kommt schon mal öfters vor. Biste nich der einzigste."
Hagrid versetzte dem schmächtigen Kerl neben ihm einen Rippenstoß, der den anderen fast von den Füßen haute und grinste.
"Wir müssen den Garten Winterfest machen. Sonst friert alles kaputt. - Du siehst aus, als könnste ´n bißchen frischer Luft vertragen."
Severus bekam, noch ehe er einen Kommentar geben konnte, eine Mistgabel in die Hand gedrückt und Hagrid führte ihn um die Ecke der Holzhütte zu den Beeten.
"Das Stroh muß um die Erdbeerpflanzen geschichtet werden, damit kannste anfangen."
Severus würde es wohl nie zugeben, aber es machte ihm Spaß hier draußen zu sein und etwas körperlich zu arbeiten.
Nach einiger Zeit wurde sein Kopf wunderbar frei und seine sonst so fahlen Wangen glühten vor Eifer.
Nachdem alle Erdbeerpflänzchen sorgfältig abgedeckt waren, banden sie Büsche an Pfähle, damit der Schnee sie nicht herunter drücken würde und ernteten das, was sich noch im Garten gehalten hatte.
Als sie fertig waren, wurde es bereits dunkel. Severus hatte das Gefühl, sich kaum noch auf den Beinen halten zu können, so müde war er. Hagrid gähnte.
"Na Severus, wie wäre es mit einer Tasse Tee, bevor du dich wieder auf den Weg ins Schloß machst? Die hast du dir ehrlich verdient."
Der Riese öffnete die Tür und ließ Severus ein, dessen Finger steif von der Kälte geworden waren.
"Irgendwas bedrückt dich doch, oder Junge?"
Severus versteifte sich und richtete seine Aufmerksamkeit auf das tolpatschige Hundebaby von Hagrid, das vor dem Kamin in einem Körbchen an einem Knochen kaute.
Eigentlich wollte er lieber nicht daran erinnert werden, warum er überhaupt vor ein paar Tagen des Nachts im Schloß erwischt worden war. Doch die Versuchung sich endlich jemanden anzuvertrauen war letzten Endes einfach zu groß.
Auch hatte er die letzten Tage einfach zu viel zu tun gehabt um über etwas anderes nachdenken zu können, als über Schulaufgaben, nun kam alles zurück, was er so erfolgreich verdrängt hatte.
"Ich..." setzte er an, doch verstummte wieder, ehe er nach mehrmaligem tief durchatmen fortfuhr:
"Vor ein paar Tagen, da habe ich einen Brief von meinem Vater bekommen..."
"Aber das ist doch nett, daß er dir auch mal schreibt. Professor Dumbledore hat mal gesagt, das dir sonst immer nur deine Mutter schreibt."
"Nun, sie kann nicht mehr schreiben. Sie ist tot."
Hagrid stellte betroffen seine Tasse ab und sah auf das Häufchen Elend, das vor ihm saß.
"Hast du das denn niemanden gesagt?"
Der gutmütige Mann schien fassungslos.
Severus schüttelte den Kopf.
"Es interessiert doch eh keinen!" die Bitterkeit in der Stimme des jungen Mannes war hart, aber Hagrid mußte zugeben, das Severus als Außenseiter immer irgendwie unter den Tisch fiel. Man übersah, wenn er jemanden brauchte und schob ihm ebenso alles zu, wenn es einem gerade in den Kram paßte.
Severus nahm einen weiteren Schluck Tee und sah hinaus aus dem winzigen Fenster. Die Mondsichel hing noch tief über dem dunklen Wald.
"Also wolltest du an dem Abend nur etwas allein sein, als du erwischt worden bist." Es war keine Frage, sondern eine Erkenntnis.
Severus nickte, ohne den Blick vom Fenster zu wenden, dann stand er abrupt auf.
"Ich denke, ich sollte jetzt gehen, Hagrid. Vielen Dank für den Tee und..."
Die restlichen Worte konnte Hagrid schon nicht mehr verstehen, denn die Tür war bereits hinter dem Jungen ins Schloß gefallen.



7



"Hast du von dem schlimmen Unfall in Zaubertränke gehört?"
eifrig war Bellatrix auf ihn zugelaufen, wieder im Schlepptau von Lestrange, der offenbar nun zu ihrem ständigen Gefolge gehörte, und flötete ihm schon aus zig Metern Entfernung die neusten Neuigkeiten zu.
Severus hatte in der Tat etwas von dem Tumult mitbekommen, der vor gut einer Stunde losgebrochen war. Doch was genau dahinter steckte, wußte er natürlich nicht.
"Ha, diese blöde Emeline Cox hat ihren Kessel in die Luft gejagt."
"Doch sicher nicht ohne dein tatkräftiges mitwirken, oder?"
Severus schwante Übles.
Emmy Cox war die erklärte Konkurrentin Bellatrixs Nummer eins. Eine clevere Ravenclaw mir kurzen, roten Haaren und so strahlend blauen Augen, das höchstens die von Dumbledore mithalten konnten.
Warum Bellatrix sich jedoch so in die Sache hineinsteigerte, war ihm schleierhaft, denn wirklich hübsch war das arme Mädchen nicht. - Im Gegensatz zu Bellatrix Black.
Bellatrix, die eine dramatische Pause eingelegt und sich in einem Sessel vor den Kamin hatte fallen lassen, lächelte zuckersüß und diabolisch.
"Ach Severus, du kannst mich immer so leicht durchschauen, wir wären ein vortreffliches Paar. Stell dir vor unsere Kinder..."
Das war etwas, was er sich nicht vorstellen wollte. Vortrefflich war es schon gar nicht.
Das wäre ein Alptraum!
Zum Glück schien Lestrange das auch so zu finden und er schenkte Severus einen bitterbösen Blick, ehe er die Hand seiner Angebeteten ergriff und diese Besitz ergreifend küßte. Wieder lächelte sie hintergründig.
"Aber wie du siehst, Severus, ist Rudolphus sehr eifersüchtig."
Ja, zum Glück, dachte Severus höhnisch.
Er wurde das ungute Gefühl nicht los, das sie IHN eifersüchtig machen wollte. Nun, wenn sie also schon eine Grube grub, dann würde ER alles daran setzten, SIE auch selber hinein fallen zu sehen.
"Bella, was genau ist passiert?"
"Och, weißt du, wir haben da diesen Trank gebraut und da habe ich doch ganz aus versehen ihren Kessel explodieren lassen."
"Du meinst doch hoffentlich nicht den Trank, den wir vorige Woche geübt haben, oder? - Das Mädchen wird fürs ganze Leben gezeichnet sein!"
"Sie ist doch nur ein dreckiges Schlammblut!" rechtfertigte sie sich.
"Sie ist in erster Linie ein Mensch!" brüllte Severus zurück.
"Du solltest aufpassen, was du sagst, Severus." Rudolphus Lestrange kam seiner Auserwählten zur Hilfe.
"Du solltest langsam wirklich überlegen, ob du für uns oder gegen uns bist."
Am liebsten hätte Severus gesagt, das er nur für sich selbst war, aber das würden die anderen beiden wohl kaum akzeptieren. Langsam fragte er sich, ob er nicht doch ein Feigling war. - Meine Güte, die Beiden waren ein Jahr jünger und nicht einmal annähernd so clever wie er - aber sie waren nicht allein, er schon.
Bellatrix wußte, wann sie gewonnen hatte. Mit einem aufreizenden Augenaufschlag in seine Richtung verschwand sie, zu seiner Erleichterung, zusammen mit Lestrange im Schlepptau.
"Severus?"
Er wirbelte herum.
Hinter ihm stand Narzissa.
Ließ ihn die Familie Black heute eigentlich gar nicht mehr in Frieden?
"Ich wollte dir erst einmal sagen, daß mir das mit deiner Mutter Leid tut. Und dann..."
Severus starrte sie an. Woher wußte sie das?
"Woher...?"
"Lucius! - Bitte sei vorsichtig, Severus. Ich weiß, was du denkst, aber... - Tu besser was sie wollen, wenn dir dein Leben lieb ist. Da ist etwas ganz großes im kommen. Ich fürchte mich, aber ich weiß, daß einer allein nichts dagegen machen kann."
Sie drückte ihm vorsichtig die Hand, die sie genommen hatte, dann verließ auch sie den Raum und ließ Severus Snape allein mit seinen Gedanken.
War es das, warum Malfoy immer um ihn herumscharwenzelt war, obwohl er ihn eigentlich nicht mochte?
Weil etwas "Großes" im kommen war und er ihn dazu brauchte?

Er hatte viel zum nachdenken in dieser Nacht. Der Mond schien in sein Fenster und machte ihm das Einschlafen auch nicht viel einfacher.
Ruhelos warf er sich von eine Seite auf die andere, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und sich hinunter in den Gemeinschaftsraum schlich.
Severus war müde, sehr müde sogar, nachdem er ja all seine Hausaufgaben hatte noch mal machen, aber warum fand er dann keine Ruhe?
Es war das, was Narzissa gesagt hatte: Etwas großes ist im kommen... - Aber was?
Lucius hatte oft Andeutungen gemacht, aber nie etwas konkretes gesagt.
Macht, grenzenlose Macht, das war es, wonach Malfoy strebte. Er kannte diesen Typ Mensch, sein Vater war genauso gewesen: kaltherzig, gemein, brutal, grausam und hinterhältig. - Würde Severin Snape sich dieser Gruppe, oder was immer es war auch anschließen?
Würde er, Severus, es tun wollen?
Eigentlich strebte Severus nach etwas ganz anderem. - Liebe und Zuneigung. Vielleicht in ein paar Jahren eine Familie zu haben und ein Haus irgendwo im Grünen, weit weg von all dem Schlechten dieser Welt.
Aber er war ein Slytherin, das prädestinierte ihn nicht gerade dafür auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen. Er verabscheute all die Schatten, aber er hatte nicht wirklich eine Wahl.
Er starrte in das Feuer des Kamins und wünschte sich nichts sehnlicher, als jemanden, mit dem er reden konnte.
Erst als seine Füße so kalt waren, das sie fast blau wurden, schlüpfte er wieder in sein Bett.
Der Mond war hinter den dunklen Wäldern verschwunden und, obwohl es noch tausend Fragen gab, noch tausend Dinge, die geklärt werden mußten, schlief er fast augenblicklich ein und hoffte nur, das auch nur einer seiner tausend Träume in Erfüllung gehen würde.



8



Diesmal geschah es während der Pause.
Severus Snape hatte sich, obwohl es in Strömen regnete und die Schüler eigentlich drinnen bleiben durften, nach draußen begeben um allein zu sein. Vor allem die erneuten Annäherungsversuche Bellatrix Blacks waren im zusehends auf die Nerven gegangen.
Um sich einigermaßen vor den kalten Güssen zu schützen, hatte er es sich auf einem herbeigezauberten Stuhl unter einem der Erker bequem gemacht und las. - Professor McGonegall hatte ihnen viel aufgegeben und wenn er ehrlich mit sich selbst war, dann mußte Severus zugeben, das Verwandlung sein bei weitem schlechtestes Fach war.
Er markierte sich einige ihm relevant erscheinende Zeilen mit einem Bleistift und dachte an nichts anderes, als daran, wie man sich selbst in ein Tier verwandeln kann, nur weil man es will.
Ein Animagus würde er sicherlich nie werden, so viel stand fest, es sei denn, er wollte es riskieren, ewig auf vier Pfoten durch die Gegend zu laufen, denn er zweifelte an der Fähigkeit, sich wieder zurück verwandeln zu können.
Und genau da, hörte er es: Stimmen, die sich langsam in seine Richtung bewegten. Gut, vielleicht bewegten sich nicht gerade die Stimmen, aber die Besitzer derer. - Die Herumtreiber!
Schlagartig hörte Severus auf zu lesen, den Blick allerdings noch immer stur auf die Seiten des dicken in Leder gebundenen Buches gerichtet und lauschte. Es war immer besser zu wissen, worauf es die vier abgesehen hatten.
"Die Hausaufgabe von der McGonegall ist doch wohl mindestens so schön, wie ein Stückchen Sahnetorte. Alles was wir tun müssen, ist nicht zu sehr ins Detail zugehen, um nicht aufzufliegen. Das könnte ärger geben." hörte er James Potter sagen. Pettigrew kicherte nervös.
"Wir sollten auch nicht schreiben, das du dich in einen Hirsch verwandeln würdest, Peter sich in eine Ratte oder ich mich in einen Hund, sonst entdecken sie uns am Ende auch so. So viele Hunde gibt es ja nicht in Hogwarts." Mahnte Sirius, über das ganze Gesicht grinsend.
Die anderen stimmten kichernd mit ein und dann sahen sie den zusammengekauerten Jungen auf seinem wackeligen Stuhl mit dem aufgeschlagenen Buch auf den Knien.
"Hey, Snivellus! Lernst du auch schön fleißig?"
Severus antwortete nicht, sondern starrte weiterhin angestrengt auf das geschriebene vor ihm.
"Wir haben dich was gefragt!" raunzte James.
Scheinbar war er sich nicht ganz sicher, wie viel und ob überhaupt Severus etwas mitbekommen hatte.
"Ja, ich bin gerade dabei, den Stoff für Professor McGonnegall nachzulesen." erwiderte er schließlich träge und hoffte, das sie ihn dieses eine Mal einfach in Ruhe lassen würden. Natürlich lösten sich all seine Hoffnungen in Luft auf...
"Ach, sieh mal einer an, Verwandlung... - Bist du da nicht eine völlige Niete, Snivelly?"
Sirius griff nach dem Buch, warf einen Blick auf die Seite und warf es dann über seine Schulter.
"Hast du nicht was besseres zu tun, als das hier zu lernen? Du begreifst es eh nicht! Evanesco!"
Mit einem Wink seines Zauberstabes, verschwand der Stuhl, auf dem Severus saß und der Junge fiel auf den matschigen Boden. Dreck spritzte nach allen Seiten.
"Ups!" Sirius tat so, als hätte er ganz aus versehen Severus´ Sitzplatz in Luft aufgelöst und die anderen drei kringelten sich vor Lachen. Nun gut, Lupin schien das alles nicht ganz so witzig zu finden, wie Peter und James.
"Weißt du was?" hörte Severus gerade James seinen besten Freund fragen, als er sich wieder auf die Beine rappelte.
"Tarrantallegra!"
Severus fing unkontrolliert an zu tanzen. So wild bewegten sich seine Beine, das er es nicht einmal schaffte, seinen eigenen Zauberstab zu ziehen.
"Finite Incantatem!" sagte Remus Lupin ruhig, mit einem nur sehr leichten Schmunzeln auf den Lippen.
Severus stand ebenso plötzlich wieder still, wie er angefangen hatte zu tanzen und fast hätte es ihn ebenso aus dem Gleichgewicht gebracht.
"Snivellus! Du kannst ja tanzen!" johlte Peter Pettigrew und hielt sich vor lauter Lachen den Bauch.
Severus reichte es, doch kaum hatte er den Zauberstab gezückt, da...
"Expelliarmus!" ...flog er ihm auch schon aus den Händen.
"Weißt du, was eigentlich noch viel witziger wäre?"
Scheinbar hatten James Potter und Sirius Black noch immer nicht genug, denn sie steckten gefährlich grinsend die Köpfe zusammen.
"Das ist famos!" hörte er gerade, wie James zustimmte.
"Meine Damen und Herren, hier sehen sie Severus Snape, die tanzende Sensation!" röhrte Sirius. Severus war froh, das außer ihnen niemand draußen war.
"Diffindo!" - seine Robe reichte nur noch bis zu den Knien und entblößte seine dünnen, käseweißen Beine mit den knubbeligen Knien.
"Cirrocrispatus Oriri!" - schon wieder hatte er einen Lockenkopf und dann:
"Tarrantallegra!" - wieder tanzte er wie wild, ohne auch nur das geringste dagegen tun zu können. Zu seinem größten entsetzten jedoch verschwanden alle vier lachend hinter der nächsten Mauer und bald war er sicher, das sich niemand mehr hier in der Nähe befand.
Wenn nicht bald jemand kam, um ihm zu helfen, dann würde er zu spät zum nächsten Unterricht kommen... Wenn nicht bald jemand kam, dann würde er sich hier eine ganz gewaltige Erkältung holen... Wenn nicht...
Es kam niemand.
Langsam dämmerte es und noch immer konnte er seine Beine nicht unter Kontrolle kriegen. Er hatte das Gefühl, das seine Lungen jeden Augenblick bersten müßten, sein Herz hämmerte gegen seinen Brustkorb.
Erst als es schon vollkommen dunkel war, hörte er eine Stimme nach ihm rufen. Er erkannte die Stimme nicht und konnte die Gestalt, die sich nur als Silhouette gegen den dunklen Himmel abhob, niemanden zuordnen. Alles was er sah war, das der Umriß zu einem nicht sehr großen Mädchen gehörte.
"Finite Incantatem!" sie richtete ihren Zauberstab auf ihn und noch ehe sich seine Beine wieder richtig still standen, da hatte sie sich auch schon umgedreht und lief davon.
Jetzt mußte er sich schon von einer kleinen Göre wie der da helfen lassen!
Er war nicht ärgerlich auf die Kleine, sondern viel mehr auf sich selbst.
Es dauerte noch ein paar Minuten ehe er wieder fähig war, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er las seinen Zauberstab vom Boden auf, der in den Matsch getreten worden war und schlich sich möglichst unauffällig zurück.
Wie er es geschafft hatte, ungesehen in seinen Schlafsaal zu kommen, wußte er nicht, doch er war zum ersten Mal am heutigen Tag, wirklich vollkommen dankbar für etwas.
Und gerade als ihm, nachdem er sich eine ausgiebige dusche gegönnte hatte, die Augen zufielen, erinnerte er sich an etwas. - Black, Potter und Pettigrew waren Animagi.
Jetzt würde er sie kriegen!



9



Severus fühlte sich schlecht, seine Nase lief und als Madame Pomfrey ihm einen Gegentrank verpaßte, empfand er es auch nicht gerade als angenehm, das ihm die Ohren rauchten. Immerhin, Professor McGonegall hatte mehr Geduld mit ihm, als es gewöhnlich der Fall war und den Unterricht bei Binns verschlief er mehr oder weniger. Zaubertränke war dann schon etwas anstrengender, aber da er Professor Solanum bei weitem überlegen war, brauchte er auch hier nur einen geringen Teil seiner Aufmerksamkeit, um der Stunde zu folgen.
Was ihn eigentlich beschäftigte, außer hämmernden Kopfschmerzen und Muskelkater in den Beinen, war das Gespräch, das er gestern mit angehört hatte.
Sobald die letzte Unterrichtsstunde vorüber war, verschanzte er sich in der Bibliothek, wo er den ganzen restlichen Tag verbrachte um über Animagi zu lesen, nur unterbrochen von gelegentlichem Nase putzen oder niesen.
Hin und wieder machte er sich eine Notiz und lange nach dem Abendessen, das er schon wieder versäumt hatte, hatte er alles zusammen, was er brauchte.
Severus mußte zugeben, das er vermutlich noch länger hier gesessen hätte, doch Madame Pince schien nicht davon begeistert zu sein, selbst einen so eifrigen und ruhigen Schüler länger als bis neun Uhr um sich zu haben.
Alles was Severus nun noch machen mußte, war seine These zu beweisen und dann würde Dumbledore endlich einsehen müssen, das seinen heiß geliebten Gryffindors doch nicht ganz so blind zu trauen war.
Er schlief gut in dieser Nacht.
Viel zu gut, als das es ihm noch angenehm gewesen wäre.
Doch den Grund dafür sollte er erst am Tage darauf erfahren und bitter dafür büßen. Alles womit er sich jetzt beschäftigte, war der Sandmann.
Er kuschelte sich tiefer in seine Kissen und kurierte seine Erkältung aus.



10



Es fiel ihm nicht leicht, sich an diesem Tag auf den Unterricht zu konzentrieren, obwohl er wieder vollkommen hergestellt war.
Zu oft drifteten seine Gedanken in die Zukunft ab, was vielleicht hilfreich gewesen wäre, würde er Wahrsagerei als Fach belegt haben. Doch er versuchte es, so gut es ging, Professor Perth zu umgehen.
Wahrsagerei war doch nur was für Leute, die sich vor der Zukunft fürchteten. -
"So wie du." Fügte ein kleines Stimmchen in seinem Kopf hinzu. Severus ignorierte es, ebenso wie die vorwurfsvollen Blicke Professor Flittwicks.
Mühsam raffte er sich wieder dazu auf, dem Unterricht zu folgen, nur um drei Minuten später wieder im Geiste irgendwo anders zu sein.
Flittwick ließ ihn in Ruhe.
Sobald der Unterricht zu Ende war, eilte er, wie schon am Vortag, hinunter in die Bibliothek und stöberte wieder in den Büchern, als bedeute es sein Leben.
Er hatte zwar bereits alles herausgefunden, was er wissen mußte, doch es gab auch noch andere Sachen, die ihn interessierten und so vertiefte er sich in sein Buch und fühlte sich unter den wachsamen Augen Madame Pince´s sicher vor den Rumtreibern.
Er konnte es sich nicht leisten, das auch nur irgendwer jetzt ein besonders wachsames Auge auf ihn hatte, sonst wären alle Bemühungen am Ende noch umsonst gewesen.
Woher hätte er auch ahnen sollen, das schon jemand Verdacht geschöpft hatte?
Hinter einem der Bücherregale, gut verborgen vor dem dünnen, dunkelhaarigen Jungen, stand Sirius Black. Und die Gewißheit, das sein Geheimnis erraten worden war, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Severus wußte es! Er mußte etwas unternehmen. Sein Blick fiel auf ein zierliches Mädchen mit rötlichem Haar, das nach einem Buch suchte und er faßte einen Entschluß.
"Severus?!"
Snape starrte von seinem Buch auf, in das er so vertieft gewesen war, das seine Nase fast die Seiten berührt hatte.
Konnte es sein, daß Black ihn gerade mit seinem richtigen Vornamen angeredet hatte? Oder litt er unter Halluzinationen?
"Was ist?" er schaffte es nicht ganz, seine Überraschung aus der Stimme zu verbannen, doch Black verzog nicht einmal andeutungsweise das Gesicht zu einem Grinsen.
"Ich soll dir etwas ausrichten." Er sah dem Slytherin fest in die Augen.
"Von wem?" Severus Snape konnte sich nicht vorstellen, das irgendwer ausgerechnet Sirius Black los schicken würde, um ihm etwas auszurichten.
"Sibylla." Nun huschte ein etwas anzügliches Lächeln über sein Gesicht, ehe er fortfuhr:
"Du weißt doch, die kleine hübsche in dem Jahrgang unter uns. Ich soll dir sagen, daß sie morgen auf dich wartet und zwar..." er beugte sich vor um Severus ins Ohr zu flüstern,
"an einem sehr guten Versteck. Na, kannst du dir denken wo?"
Snape starrte ihn an.
Zum ersten, konnte er sich kaum vorstellen, das ihn tatsächlich ein Mädchen treffen wollte, das konnte nur eine Finte sein - zum Zweiten war morgen Vollmond, er konnte gar nicht zu ihr, selbst wenn...
Er starrte Black weiterhin an, der bedeutsam in eine Ecke deutete, in der mehrere Gryffindor - Mädchen zusammensaßen und die Köpfe zusammensteckten. Eine von ihnen, eine junge Frau mit blondem Haar, war ein wenig rot angelaufen.
"Es ist ihr ganz schön peinlich. Weiß auch nicht, warum sie ausgerechnet mich gefragt hat, dir das auszurichten."
"Und du meinst, das sie wirklich morgen abend in der Heulenden Hütte sein wird? Was ist mit Lupin?" Er versuchte, nicht allzu unsicher zu wirken, als er dies fragte.
"Mann, denkst du wirklich, der wird immer an der selben Stelle versteckt? - Was denkst du, wie schnell da einer dahinter kommen würde?"
Sirius stand auf, machte ein wegwerfende Handbewegung und ging davon.
Severus blieb zurück, tief in Gedanken versunken.
Wer zum Geier war diese Sibylla?
Warum wollte sie ihn überhaupt treffen?
Warum in der heulenden Hütte?
Warum an Vollmond, wo es gefährlich war?
Und warum ließ sie es ausgerechnet durch Black ausrichten, der bekanntermaßen nicht gerade sein Freund war?
Mit einem mühsam unterdrückten Seufzer klappte er das Buch zu und händigte es Madame Pince zurück.
Das alles war so abgrundtief lächerlich, daß er sich blöd vorkam, überhaupt nur einen Moment Ansatzweise in Erwägung gezogen zu haben, das es stimmen könnte.
Nein, er würde seinen Plan genauso verfolgen, wie er es sich vorgenommen hatte und auch ein Mädchen konnte daran nichts ändern.
Severus würde erst Lupin auflauern und zusehen, wohin er gebracht wurde und dann, ja dann würde er auf Potter, Black und Pettigrew warten und sehen, was sie zusammen trieben.
Ja, das war eine gute Idee.
Er, Severus Snape würde schon beweisen, das nicht alles Gryffindor war, das wie Gold glänzte.



11



Wenn es überhaupt möglich war, so beteiligte er sich am nächsten Tag noch weniger am Unterricht, als am Tag zuvor.
In Zaubertränke brachte ihm das sogar eine Fünf ein. Doch er pellte sich ein Ei drauf.
In Verteidigung gegen die dunklen Künste, seinem anderen Lieblingsfach, starrte er nur aus dem Fenster und in den Nebel der Welt da draußen.
Abschirmzauber interessierten ihn heute nicht.
"Snape! Können sie mir bitte sagen, wo sie eigentlich mit den Gedanken sind?"
Professor Smith, den Dumbledore letztes Jahr angestellt hatte sah ihn aus verträumten, wenn auch ärgerlichen, hellbraunen Augen an, die die Aufmerksamkeit des Mannes lügen zu strafen schienen und viele Schüler zu dem Trugschluß leiteten, das er eher harmlos war.
Professor Henry Smith war weder so gewöhnlich, wie sein Name, noch war er zu unterschätzen, das wußte Severus. Er schätzte den Mann sehr.
Um so mehr schämte er sich schon fast, als er leise murmelte, das er sich heute einfach nicht wohl fühle.
Smith nickte nur und fuhr mit der Stunde fort.
Als der Unterricht vorüber war, zählte Severus bereits die Minuten, bis er sich fertig machen mußte, um auch ja rechtzeitig auf der Lauer zu liegen.
Er stocherte nervös und lustlos in seinem Essen herum und stellte fest, das niemand auch nur eine blöde Bemerkung darüber machte. Vermutlich hatte es sich herumgesprochen, das es ihm "nicht gut ging".
Sobald er sich sicher sein konnte, das niemand Verdacht schöpfte, verschwand er in der Dunkelheit des Herbstabends.
Er war froh, daß es aufgehört hatte zu regnen und es nur noch neblig war. Der Nebel verbarg ihn perfekt im Schatten der Schloßmauer, gab ihm aber doch die Möglichkeit, den vom Mond beschienenen Grund verhältnismäßig gut zu überblicken.
Er mußte nicht einmal lange warten, als auch schon Remus Lupin zusammen mit Madame Pomfrey über den Rasen eilte, sie waren eh schon recht spät dran - und natürlich gingen sie, wie Severus es erwartet hatte, in die Richtung der peitschenden Weide.
So viel zum Thema Sirius Black zu trauen!
Nach einer halben Stunde, kam die Krankenschwester wieder zwischen den Wurzeln des Baumes zum Vorschein. Sie war, was er selbst aus dieser Entfernung sehen konnte, ziemlich außer Atem.
Severus schätzte, das er davon ausgehen konnte, das sie sich beeilt hatte, den sich in eine Bestie verwandelnden Jungen, so schnell wie ihr nur möglich war, hinter sich zu lassen.
Die arme Frau, wußte Dumbledore eigentlich, was er ihr jeden Monat zumutete?
Langsam wurden seine Kleider durch die feuchte Luft klamm und seine Hände waren bereits steif gefroren, doch er ignorierte es, so gut es ging. Er mußte einfach auf Potter und die anderen warten.
Und dann geschah es.
Severus stockte der Atem.
Eine schlanke Gestalt huschte aus dem Eichenportal und lief, sich immer wieder über die Schulter blickend über den Rasen und direkt auf die peitschende Weide zu. - Die Gestalt eines Mädchens. Er konnte ihr langes Haar unter der Kapuze ihres Umhanges hervor wehen sehen und sogar, wie sich das Mondlicht in den hellen Locken fing.
Severus erstarrte.
Sie lief direkt in ihr verderben!
Erst, als sie schon zwischen den Zweigen des mächtigen Baumes verschwunden war, vermochte es Severus sich zu rühren.
So schnell er konnte, lief er zu dem Baum, griff nach einem auf der Erde liegenden Stock, scheinbar den, den auch das Mädchen benutzt hatte und berührte den Knoten am Stamm der Weide, so wie es Black ihm einmal gesagt hatte.
Er rutschte und schlitterte in einen dunklen Gang, tief unter der Erde.
"Lumos" flüsterte er um etwas sehen zu können und lauschte auf Schritte. Aber nichts hallte in dem Tunnel wieder.
Er setzte sich in Bewegung und stellte fest, das auch seine Füße kaum ein Geräusch machten. Der torfige Boden des Gewölbes schien jedes Geräusch zu verschlucken.
Endlos zog sich der Gang hin.
Bald befand er sich nicht mehr auf weicher Erde, sondern auf hartem Felsuntergrund. Nun hallte auch endlich jeder seiner Schritte von den Wänden wieder und verschluckten jedes andere Geräusch.
Wer wußte schon, wie viel Vorsprung das Mädchen hatte?
Er war kein besonders guter Läufer und dann hatte er ja auch noch den Stock suchen müssen. - Gut eigentlich war er fast darüber gefallen, aber das ließ er dennoch nicht gelten.
Das Herz hämmerte ihm bis zum Halse.
Verflucht, er hatte doch nur die Rumtreiber ausspionieren wollen und statt dessen mußte er nun ein Mädchen retten, das sich mit ihm hier hatte treffen wollen - und dabei kannte er sie nicht einmal. Hatte Black ja eigentlich überhaupt nicht geglaubt.
Er hatte wirklich keine Lust, gerade jetzt sein Urteil zu überdenken. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
Black war ein verdammter Hurensohn! -
Besonders, wenn er ihr nicht davon abgeraten hatte, wo er doch wußte, wofür dieses verfluchte Haus benutzt wurde.
"Mutter, wenn du irgendwo da oben im Himmel bist, dann leg bitte ein Wort für dieses Mädchen ein - und auch für mich. BITTE!"
Severus war so verzweifelt, das er gerne an alles glauben würde, so lange es nur irgendwie half.
Er versuchte das Seitenstechen zu ignorieren, das ihn mehr und mehr quälte.
Wehe, wenn ihn auch nur einmal noch jemand als Feigling bezeichnen würde!

Hörte dieser Gang denn nie auf?
Gerade als er das gedacht hatte, spürte er, das es ganz leicht bergan ging. Er blieb kurz stehen, um einen einigermaßen klaren Gedanken fassen zu können, ehe er sein Ziel erreichte. In noch immer sehr weiter Entfernung hörte er etwas und dann dämmerte es ihm, was er hörte: Lupin, den Werwolf und - Schritte.
Hastige Schritte.
Jemand lief!
Aber wo, wohin?
Er versuchte zu orten, woher die Schritte stammten, ob sie vor ihm waren, oder ob ihm vielleicht jemand folgte.
Er schaffte es nicht.
Das Echo war zu stark, die Schritte schienen um ihn herum zu sein, auf jeder Seite und sie schienen immer schneller zu werden.
Er legte wieder los. Lief so schnell, wie noch nie zuvor in seinem Leben. Und endlich, nach einer halben Ewigkeit, sah er etwas helles.
Das Ende des Tunnels!
Das Heulen des Werwolfes war immer lauter geworden und ließ ihn alle Haare zu Berge stehen.
Er schlüpfte durch das Loch und landete in einem ziemlich schmutzigen, verwahrlosten Flur.
Alles in dem Haus schien kaputt zu sein.
Die Vorhänge waren zerrissen, die Möbel zertrümmert, Geschirr lag in Scherben über den Fußboden verteilt und über ihm konnte er die ruhelosen Schritte des Ungeheuers vernehmen, spürte schon fast den heißen Atem des Tieres auf seiner Haut und das Entsetzten packte ihn.
Es fiel ihm wie Schuppen von den Augen:
Black hatte ihn hereingelegt.
Er war einem Geist hierher gefolgt.
Es gab kein Mädchen, das in Gefahr war. Wenn dann würde er sie schreien hören. Es sei denn, sie war schon tot. - Aber so schnell?
Gut, sie konnte schlecht geahnt haben, was sie hier erwartete, dennoch schob er diesen Gedanken weit von sich.
Wahrscheinlicher war, daß er Black in einer Verkleidung gefolgt war - oder auch einem Mädchen, das Bescheid wußte und dann, anstatt in den Tunnel zu verschwinden, hatte er - oder sie - sich den Tarnumhang von Potter übergeworfen.
So und nicht anders mußte es gewesen sein.
Das zumindest war logisch.
Er verabscheute sich wegen seiner Gutgläubigkeit und weil er auf die Hoffnung hereingefallen war, das sich jemand mit ihm hatte treffen wollen.
Dann hörte er die Treppe knarren und ein tiefes, kehliges Knurren.
Lupin war wieder auf den Weg nach unten.
"Snape!"
Severus fuhr herum.
"Snape, beeile dich, er kommt!"
James Potter stand hinter ihm. Sein Brustkorb hob und senkte sich schwer und er hielt den Zauberstab gezückt.
Das unheilverkündende Grummeln hinter ihm wurde immer lauter. Er drehte sich um und sah...
...nichts mehr.
James hatte ihn gepackt und durch den Eingang zum Tunnel geschubst.
"Impedimenta!" hörte er Potter brüllen und ein kurzes, erstauntes Aufheulen des Monsters, das er gerade gesehen hatte. Dann sackte er in sich zusammen.
Er konnte nicht mehr.
Warum hatte Black ihn hierher geschickt - nein, ihn sogar mit einer Hinterlist hierher gelockt?
Er verstand es nicht.
Das war etwas anderes, als wenn sie ihn demütigten und ihm weh taten.
Diesmal hatte man ihn töten wollen!



12



Als er wieder aufwachte, lag er im Krankenflügel.
Es war hellichter Tag und die Oktobersonne schien in einem goldnen Streifen direkt auf sein Bett.
Er war allein hier, oder so dachte er.
Sobald er sich aufsetzte, um etwas von dem Wasser zu trinken, das in einem Kelch auf seinem Nachttisch stand, öffnete sich die Tür des Büros der Krankenschwester, aber es war nicht Madame Pomfrey, die heraustrat, sondern Albus Dumbledore.
"Nun, Severus, wie ich sehe, geht es dir wieder besser nach dem Schrecken der vergangenen Nacht. Du wirst noch eine Weile hier bleiben, bis sich die Gerüchteküche wieder etwas beruhigt hat, mein Junge."
Er ließ sich neben Severus auf einem Hocker nieder sah den Slytherin, der blaß und noch immer zitternd im Bett lag milde an.
"Und Severus, ich muß dir das Versprechen abnehmen, daß du keiner Menschenseele anvertraust, was du gestern Nacht gesehen hast!"
Severus wollte widersprechen, doch die blauen Augen des Direktors, so mild sie auch waren, ließen keine Widerworte zu. Zorn wallte in ihm auf. Warum kamen DIE bloß immer ohne Strafe davon?
"Sie sind... - Ich meine, sie haben..." versuchte er, es zumindest irgendwie zu erklären, doch da öffnete sich die Tür und Minerva McGonegall trat ein. Ihr Gesicht war verschlossen und man konnte deutlich sehen, das ihr etwas ganz und gar nicht gefiel.
"Albus, warum zum Teufel hat Black eine Strafarbeit aufbekommen? Er hat doch gar nichts angestellt. Oder gibt es etwas, wovon ich nichts weiß?"
"Minerva, das ist meine Entscheidung. Und laß dir gesagt sein, es wird nicht die einzige Strafarbeit sein, die er dieses Jahr zu verrichten hat und auch nicht die dreckigste. Ich werde dir alles bei einer schönen Tasse heißer Schokolade erzählen."
Der Direktor erhob sich.
"Und was ist mit Snape?!" sie blickte mit gerecktem Kinn in die Richtung des Kranken.
"Ich denke, Severus hat seine Lektion gelernt und nun sollten wir ihn besser alleine lassen, er erwartet Besuch."
Dumbledore zwinkerte ihm zu und, als Minerva McGonegall sich bereits umgedreht hatte, stellte er eine große Schachtel mit Schokofröschen auf den Nachtschrank des enttäuschten Jungen und verließ den Krankenflügel.
Schon wieder war er im Stich gelassen worden.
Am liebsten hätte Severus sich umgedreht und geweint, aber er wollte es nicht noch einmal riskieren, irgendwem hier eine Schwäche zu zeigen.
"Ich wollte dir nur gute Besserung wünschen, Severus."
Hastig blinzelte er die Träne weg, die sich doch seiner Kontrolle entwunden hatte und ihm in den langen, schwarzen Wimpern gehangen hatte.
Er drehte sich um und sah eine kleine, schüchterne Zweitklässlerin vor sich stehen, die ihn verlegen ansah.
Er kannte sie aus der Bibliothek.
"Hier!"
Sie reichte ihm eine Dose mit selbstgebackenen Keksen.
Severus schluckte überrascht.
"Sirius hat mir erzählt, daß er meinen Namen für irgendeinen Streich benutzt hat und was immer auch passiert ist, ich wollte nur sagen, das ich nichts damit zu tun habe. Ich habe Potter Bescheid gesagt, damit..."
Sie sah ihn aus großen, wunderschönen grauen Augen an, strich ihm über die Hand und verschwand so schnell wie sie gekommen war.
Es schien, als hätte er doch einen Schutzengel gehabt...



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