Askaban im Mai oder Ein Liebesbrief

 

 

Zurück zu Kurz-
geschichten

 

Zurück zur
Startseite

 

Autorin: Potionsmaster



Askaban im Mai oder Ein Liebesbrief




Meine Geliebte!

Ich habe nicht mehr viel Zeit. In dieser Nacht kommen sie und ich werde ohne Widerstand mit ihnen gehen.
Sie können mir nichts tun.
Nichts, was ich mir nicht schon selbst angetan hätte.
Ich bin tot. Vor langer Zeit gestorben. Damals, als du aus meinem Leben gegangen bist.
Ich habe dir nie sagen können, was du für mich bedeutet hast.
Ich war zu stolz. Nein, zu dumm.

Ich habe dich bewundert. Natürlich hätte ich das nie offen zugegeben.
Deine Intelligenz. Deine Lebendigkeit. Du warst so übervoll mit Leben.
Deine Lebendigkeit, ja. Ich sog sie gierig in mich auf. Sie ist irgendwo versickert, ertrunken in meiner verbitterten Seele.
Deine Schönheit. Die einer wilden, vom Wind zerzausten Blume, die herrlicher duftete als jede rote Rose.

Alle dachten, dass ich es auf Potter abgesehen hätte. Ein gutes Alibi.
Er war mir schnell gleichgültig.
Du warst es, die mich interessierte. Vom ersten Tag an, als du neu an diese Schule kamst.
Ich sah nicht Potter. Ich sah nur dich. Und etwas in mir drohte zu zerbrechen. Ein schmerzhafter Strahl aus Wärme und Licht war durch meinen sorgsam errichteten Schutzschild gelangt und suchte einen Platz in meiner inneren Finsternis. Ein kleiner, zarter Strahl, aber er machte mich verletzlich.
Es tat so weh.
Ich habe dagegen angekämpft und den Kampf gewonnen. Beinahe.
Habe mich verkrochen und selbst bemitleidet. Habe mir jedes gute Gefühl verboten. Den Luxus des Glücklichseins nicht gestattet.

Meine Maske aus Zynismus, Kälte und Ungerechtigkeit wurde wie eine zweite Haut. Ich vermochte sie nicht mehr abzulegen. Ich habe es auch nie ernsthaft versucht.
Oh wie ich mich dafür hasste.

Immer, wenn ich dich mit anderen lachen sah, fing mein Herz an zu rasen. Ich suchte deine Nähe. Um dich zu demütigen.
Ich wollte mit dir lachen, mit dir reden, mit dir streiten und habe dich nur verletzt. Mein Herz weinte, doch ich tat es immer wieder und immer grausamer.
Du hättest mich hassen müssen. Aber in deinen Augen war kein Hass. Du hast aufbegehrt und später nur noch still gelitten. Still und stolz.
Ich sah deine verzweifelt fragenden Blicke, deine Tränen. Kein Wort der Verzeihung drang je über meine Lippen. Ich hätte dich so gern in meine Arme genommen, über dein Haar gestrichen, meinen Kopf an deinen gelehnt. Manchmal warst du mir so nah, hätte ich mich nur ein winziges Stück bewegt, ich hätte dich berühren können.
Ich verbrannte fast vor Sehnsucht. Wollte dich mit Zärtlichkeiten überschütten. Doch ich spielte stur die Rolle des Unnahbaren. Des unverbesserlichen, eiskalten Bösewichts.
Nur nachts, in meinen Träumen, habe ich dich geliebt.

Einmal, ich habe es tief in meiner Erinnerung bewahrt, hast du meine Hand gehalten. In der Krankenstation, als Voldemort noch lebte und mich als sein Lieblingsopfer auserkoren hatte. Du dachtest, ich wäre ohne Bewusstsein, würde es nicht merken. Ich habe dich in dem Glauben gelassen.
Es war so unglaublich schön, deine Wärme, dein Leben zu spüren.

Oh Gott, ich habe dich so sehr geliebt. Und war doch nicht fähig zu lieben.

Ich habe versagt.

Ich habe auch versagt, als Voldemort dich gewollt hat. Habe ihn herausgefordert, blind vor Angst um dich. Anstatt dich mit Verstand und List zu retten.
Versagt.

Seit diesem Tag ist nur noch Leere in mir.
Dem Tag, als ich dich nach Hogwarts zurückbrachte.
Dem Tag, als ich wieder vor deine Klasse treten musste.
Ich konnte kein Wort herausbringen. Konnte nur auf den einen, den leeren Platz starren.

Mein Herz und meine Seele sind mit dir gegangen.
Ich muss mich sehr verändert haben. Die anderen sahen mich an, als ob ich ein Geist wäre. Ich redete kaum noch. Mit der Zeit redete auch kaum noch jemand mit mir. Nur Dumbledore, er hat sich wirklich um mich bemüht.
Ich ließ niemanden an mich heran. Mein Schmerz war etwas, was mir ganz allein gehören sollte.

Ich bin eine leere Hülle, die mechanisch funktioniert.

Aber nun habe ich Hoffnung geschöpft.
Die wahnsinnige Hoffnung eines Liebenden.
Ich werde dich wiedersehen. Endlich.
Wir werden viel Zeit haben. Alle Zeit der Ewigkeit.
Ich glaube fest daran.

Draußen muss jetzt Frühling sein.
Ich werde einfach deine Hand nehmen und ...

Sie kommen.

Ich habe nur noch den Wunsch, dass es schnell vorbei ist.

Verzeih mir.


Severus Snape
Askaban, im Mai

Dieser Brief gelangte nach einer langen Odyssee in die Hände von Albus Dumbledore.
Er legte ihn auf das Grab von Hermine Granger.




 

Zurück