Die letzte Entscheidung

 

 

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Autorin: Elena



Disclaimer:
Alle bekannten Figuren in dieser Story gehören natürlich J.K. Rowling.

Inhalt:
Albus Dumbledore wartet nach der letzten Schlacht gegen Voldemort auf Severus Snape.

Altersempfehlung:
Keine


Die letzte Entscheidung




Die Schlacht war vorbei, die große Schlacht, von der kaum einer geglaubt hatte, dass man sie gewinnen würde.
Der Jubel über den Sieg war unbeschreiblich. In der magischen Gemeinschaft schien alles Kopf zu stehen und im Siegestaumel vergaßen die Zauberer ihren Alltag, ihre Pflichten und ertränkten in endlosen Feierlichkeiten alle trüben Gedanken.
Voldemort war besiegt und das allein zählte.

Albus Dumbledore saß hoch oben in seinem Turm und genoss den wunderbaren Blick über die Ländereien von Hogwarts. Er konnte sie verstehen, die Zauberer und ihre Freude über die Vernichtung eines der gefürchtetsten Magier ihrer Zeit. Doch er teilte sie nicht.
Teuer war dieser Sieg erkauft, zu teuer. In dem ganzen Jubel wurden scheinbar diejenigen vergessen, die maßgeblich daran Anteil hatten. Nein, man wollte ihren Einsatz nicht schmälern und wusste ihre Verdienste zu würdigen. Sobald die Zaubererwelt zur Ruhe kam, würde sie sich auch an die Helden des Kampfes erinnern.
Inzwischen war Dumbledore auf zahllosen Begräbnissen gewesen und hatte Abschied nehmen müssen von alten Kampfgefährten, von Freunden und Kollegen. Er wusste, dass auch er bald an der Reihe war. Die Schmerzen in seiner Brust konnte er nicht mehr verleugnen. Es waren einfach zu viele Flüche gewesen.
Vielleicht war es auch richtig so? Es wurde Zeit, dass die alten Kämpfer einer neuen Generation Platz machten, einer Generation, zu denen Harry Potter und sein Freund Ron Weasley gehörten. Harrys Anteil an Voldemorts Sturz war entscheidend für den Sieg. Aus dem schlaksigen Schuljungen war ein Streiter des Lichts geworden. Ab jetzt würde er auch ohne sie alle auskommen; ohne Minerva McGonagall, die um Jahre gealtert war und noch immer mit den Folgen der Flüche kämpfte, zu schwach, um als Lehrerin weiter zu arbeiten. Auch auf den kleinen quirligen Professor Flitwick mussten sie verzichten. Ihm war nicht einmal das Wissen um den Sieg vergönnt gewesen, weil ihn kurz vor dem Ende der Schlacht ein tödlicher Fluch traf.
Professor Sprout kam dagegen beinahe glimpflich davon. Doch das Elend, welches sie erleben musste, und die Tatsache, dass sie selber dazu gezwungen war zu töten, hatte die gute Hufflepuff derart zerrüttet, dass sie sich in ihren geliebten Gewächshäusern vergrub und nur langsam die Erlebnisse aufarbeiten konnte.

Albus Dumbledore sah aus dem Fenster und hinüber zum Verbotenem Wald, von wo der Angriff zuerst erfolgte. Dort hatte sich Severus Snape zusammen mit einigen Ordensmitgliedern aufgestellt, um die Todesser abzufangen und die Wucht der ersten Angriffswelle zu mindern. Der Kampf war im wahrstem Sinne des Wortes mörderisch. Doch das Unglaubliche geschah - Snape überstand das Gemetzel nahezu unversehrt. Er hatte sich wie besessen in den Kampf gestürzt und überlebt.
Mit schmerzvoller Miene presste Dumbledore die Hand auf sein Herz. Das Stechen in der Brust wurde wieder stärker. Die Zeit lief ihm davon. Er musste mit Severus reden, so schnell wie möglich. Doch die Eule vom Ministerium, die dessen Entlassung und Rehabilitation bestätigen sollte, ließ auf sich warten.
Nach dem Kampf führten Auroren alle überlebenden Anhänger Voldemorts zu Befragungen und zur Verurteilung ab. Ausnahmslos nahmen sie jeden mit, von dem sie wussten, dass er ein Todesser war oder es vermuteten. Sicher waren sie sich bei jedem, der das Zeichen trug und Severus stand schon immer ganz weit oben auf ihrer Liste. Dumbledore kam zu spät, um zu verhindern, dass sie Snape mitnahmen.
Fünf Tage verhörten Auroren den Zaubertrankmeister. Fünf Tage, an denen der Direktor nicht zu Snape gelangte. Wenigstens reichte sein Einfluss aus, um ihm einen vorübergehenden Aufenthalt in Askaban zu ersparen. Heute, so hatten ihm Beamte aus dem Ministerium versichert, würde Severus Snape nach Hogwarts zurückkehren dürfen. So wartete Dumbledore voller Ungeduld auf seinen Lehrer für Zaubertränke.

Ein klopfendes Geräusch schreckte Dumbledore aus seinen bangen Gedanken. So schnell er konnte, öffnete er das Turmfenster und sah statt der erhofften Eule vom Ministerium einen Raben vor sich. Er trug eine kurze Notiz im Schnabel. Darin bat Snape den Direktor in seine Räumlichkeiten zu kommen. Der Vogel öffnete seine Schwingen und glitt wieder hinaus in den sommerlichen Tag, nachdem er seinen Auftrag erfüllt hatte.
Erleichtert schloss Dumbledore die Augen. Severus war endlich wieder frei und hier in Hogwarts. Er zog sich seine Robe über, glättete seinen Bart und machte sich auf den Weg hinunter in die Kerker des Schlosses. Die Freude, wenigstens einen seiner Kampfgefährten wohlauf zu wissen, verdrängte die Verwunderung darüber, warum Severus nicht zu ihm hinaufkam.

Die Tür zu Snapes privaten Räumen stand weit offen. Das war ungewöhnlich. Doch lebten sie jetzt nicht alle in einer Art Ausnahmezustand?
Der Direktor betrat das Arbeitszimmer und sah sich erstaunt um. Der Zaubertrankmeister schien zu packen. Bücherstapel türmten sich neben Truhen, die schon halb voll waren; Pergamentrollen lagen überall verstreut herum - in den Regalen, auf den Sesseln und selbst auf dem Fußboden.
Dann kam Snape herein, einen weiteren Stapel Bücher heranschaffend. Ihre Blicke trafen sich und Dumbledore erschrak.
Es war der Ausdruck in dessen Augen, der ihn so entsetzte. Waren diese Augen früher wie unergründliche tiefe Tunnel, in denen zuweilen ein sarkastisches Lächeln auftauchte, so strahlten sie jetzt nur noch Kälte aus, eisige Kälte und einen unbändigen kaum unterdrückten Hass.
Albus Dumbledore ließ sich erschrocken in einen der Sessel fallen und zerdrückte dabei einige Pergamentrollen. Er bemerkte die Unmutsfalte nicht auf Severus Stirn. Er sah nur diesen tödlichen Hass in dessen Augen.
"Nein, Severus, bitte nicht. Lass es nicht so enden", murmelte er verstört vor sich hin.
Der Zaubertrankmeister hatte nur ein herablassendes Lächeln für die hilflose Bitte des alten Mannes übrig. Den Stapel Bücher in seinen Händen stellte er auf dem Tisch ab und drehte sich dann zu dem Direktor um. Langsam öffnete er die Knöpfe seines linken Ärmels und krempelte den Stoff auf. Das dunkle Mal der Todesser kam zum Vorschein. Aber es war nicht verblasst, wie es nach Voldemorts Tod hätte sein sollen, sondern leuchtete noch immer gut sichtbar. "Das hier", begann er mit kalter, gleichgültiger Stimme zu sprechen, "war meine Vergangenheit, meine Gegenwart und ist meine Zukunft." Er benutzte fast dieselben Worte wie einst Tom Riddle in der Kammer des Schreckens. "Die Auroren erinnerten mich immer wieder bei den endlosen Verhören daran."
"Severus!"
"Nichts zählte für sie, außer dem Mal auf meinem Arm. Nicht meine Arbeit als Spion, nicht meine Rolle im Kampf. Nicht einmal, dass ich diesem Potter, ihrem alles geliebten und verehrten Harry Potter, mehr als einmal sein Leben gerettet habe."
"Aber ich ..."
"Schweig, alter Mann!", brauste Snape auf, senkte dann jedoch seine Stimme wieder. "Nur zu gern vergaß ich, dass man den Verrat liebt, aber nie den Verräter. Die Auroren haben mein Gedächtnis diesbezüglich wieder aufgefrischt." Snape hielt inne und schaute dann mit ausdrucklosem Gesicht zu Dumbledore. Es sah aus, als ob er in sich hineinhorchte, während er den Ärmel wieder herunterrollte, dann schüttelte er unwirsch den Kopf. "Ich hätte niemals auf dich hören dürfen, niemals dir vertrauen. Sie wenden, um ihre Ziele zu erreichen, die selben verwerflichen Methoden an wie die Anhänger des Lords. Was unterscheidet die Auroren noch von den Todessern?" Snapes Zorn flammte wie ein wildes Ungeheuer auf. "Es ist ein korrupter Haufen von Lügnern und Rassisten. Das wird sich auch in Zukunft nicht ändern."
"Das ist nicht wahr!", erwiderte Dumbledore schwach. "Sie sind nicht alle so."
Eine Weile herrschte ein bedrückendes Schweigen. Snape wandte sich wieder seinen Sachen zu und packte weiter.
Bevor die Stille sie beide erdrückte, versuchte der Direktor die Situation zu entschärfen. Mit viel Zuversicht in der Stimme sprach Dumbledore weiter: "Man hat mir versichert, dass eine Eule vom Ministerium deine Rehabilitation bringen wird. Es ist also vorbei, auch für dich, Severus."
"Vergiss die Eule! Sie wird nicht kommen."
Der Druck in der Brust nahm zu. Dumbledore fror unter den kalten Blicken seines Freundes, den er verloren hatte. Er wusste nicht, was im Ministerium vorgefallen war, aber es hatte Snape dazu gebracht, dorthin zurückzukehren, von wo er kam: zu der dunklen Seite - zurück in die Welt der Schwarzmagier.
Die Erkenntnis traf ihn unvorbereitet. Nach all den Jahren als Kämpfer des Lichts war Severus wieder bereit, auf die dunkle Seite zu gehen. Und er nahm nicht nur seine Fähigkeiten mit, sondern auch sein Wissen über den Orden des Phönix und die Strukturen des Widerstandes.
Schmerzvoll erkannte Albus Dumbledore die Konsequenz dieser Tatsache. Vor ihm stand ein neuer Voldemort und er war gefährlicher als der alte, da er beide Seiten kannte.
"Ich kann das nicht zulassen", murmelte Dumbledore, stand auf und tastete nach seinem Zauberstab.
"Du wirst es nicht zu verhindern wissen, alter Mann!" Snape, der die letzten Bücher und Papiere verstaut hatte, richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
Der Zauberstab des Direktors deutete mit der Spitze auf Snapes Herz. Der Zaubertrankmeister blieb abwartend stehen. Noch immer zögerte Dumbledore. Snape trat näher, bis die Spitze des Stabes unmittelbar seine Brust berührte. "Du solltest es jetzt tun, Albus, denn eine zweite Chance wird es nicht geben." Nur leise war Snapes Stimme zu vernehmen. Verwirrt glaubte Dumbledore, daraus eine unausgesprochene Bitte gehört zu haben.

Nein! Dumbledore brachte es nicht über sich, einen Fluch gegen seinen ehemaligen Kampfgefährten zu richten. In Snapes Augen konnte er lesen, dass dieser es von Anfang an gewusst hatte.
"Du bist schwach geworden", erklärte der Zaubertrankmeister voller Verachtung. Snape schloss die letzte Truhe und verkleinerte mit einem beiläufigen Zauber alles Gepäck in ein handliches Format. Die geschrumpften Truhen hob er vom Boden auf und steckte sie in seine Tasche.
"Warum, Severus?"
"Wer sich mit dem Teufel einlässt, verändert nicht den Teufel, sondern der Teufel verändert ihn!" Snape stand an der Tür. Er sah sich nicht noch einmal in den Räumlichkeiten um, die über 15 Jahre sein Zuhause gewesen waren. Er ging ohne Wehmut, ohne das leiseste Bedauern. Sein letzter Blick galt dem alten Mann im Sessel.
"Ich verabschiede mich, Direktor Dumbledore. Sollten wir uns noch einmal gegenübertreten, dann wird es im Kampf sein. Genießen Sie Ihren Sieg so lange Sie es noch können. - Es war Ihr letzter."

Ende


Elena, März 2005


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