Jadegrüne Augen

 

 

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Autorin: Elena

Disclaimer:
Alle bekannten Figuren in dieser Story gehören natürlich J.K. Rowling.

Jadegrüne Augen



In seinen privaten Räumen war es warm und behaglich, und nicht kalt und klamm, wie sich viele Schüler (und manche Lehrer) die Räume des mürrischen, zynischen und scheinbar ewig übellaunigen Zaubertrankmeisters vorstellen würden.
Professor Snape saß in einem Sessel und studierte die neueste Ausgabe des "Zaubertrankalmanachs", zu dessen Entstehung er einen nicht gerade geringen Teil beigetragen hatte. Mit der schmalen Hand strich er sacht über die Seiten des Buches. Eitelkeit gehörte eigentlich nicht zu seinen Schwächen, aber dennoch konnte er einen gewissen Stolz nicht leugnen. Lange schaute Snape auf das Buch, dann lachte er plötzlich bitter auf. Wenn Voldemort, in seiner unergründlichen Weisheit beschließen würde, ihn persönlich umzubringen - langsam, versteht sich und ganz nach Art der Todesser - dann würde wenigstens dieses Buch seinen Tod überdauern.
"Du kannst den Tee stehen lassen und verschwinden!", hielt der Zaubertrankmeister seinen Hauselfen an, da dessen Geklapper mit Glas und Kanne seine Gedanken störten. Der Hauself war dermaßen ungeschickt, dass er mehr Schaden anrichtete als man je für möglich hielt. Und zum wiederholten Male fragte sich Snape, warum ausgerechnet er diesen Hauselfen zugeteilt bekommen hatte.
"Ich sagte, du kannst die Sachen stehen lassen!", knurrte Snape ohne von seinem Buch aufzusehen. Zu spät! Dem Klirren des Tabletts folgte ein schrammendes Geräusch und dann ein Scheppern. Sein Lieblingsglas zersprang in eine Vielzahl von Teilen, als es auf dem Boden aufschlug.
Ruckartig hob Professor Snape den Kopf. Sein Haar fiel zurück auf die Schulter. Er sollte diesem Hauselfen die Finger in einer Kommode zerquetschen, wie es Malfoy so gern mit Dobby getan hatte. Seine Augen blitzten gefährlich auf. Der Hauself kroch hastig auf dem Boden herum, um die Scherben einzusammeln.
Nur nicht aus der Ruhe bringen lassen, zügelte der Zaubertrankmeister sein Temperament. Er schloss die Augen, zählte in Gedanken die zwölf wichtigsten Zutaten für einen Schattentrank auf und sah dann mit mitleidlosem Blick auf den kleinen Hauselfen mit den verheulten Augen. Ein Longbottom im Kleinformat.
"Raus hier!", zischte Snape. Er stützte das schwere Buch auf der Armlehne seines Sessels ab und griff mit der freien Hand nach seinem Zauberstab auf dem Tisch.
Der Hauself, die Bewegung des Zaubertrankmeisters ängstlich verfolgend, schrie auf, ließ die gerade erst eingesammelten Scherben wieder fallen und schoss wie ein Blitz aus dem Raum.
"Reparo Glas!", murmelte Snape. Die Bruchstücke setzten sich wieder zusammen. Ein Schwebezauber brachte das Glas auf das Silbertablett zurück. Mit den Gedanken bereits wieder bei dem Zaubertränkebuch, legte Snape seinen Zauberstab ab. Dieser rollte über den Tisch und kam erst am Tablett zum Liegen. Zufrieden lehnte sich der Professor in seinem Sessel zurück, zog das Buch wieder auf seinen Schoß und vertiefte sich darin.

Seine Konzentration wurde erneut gestört, weil ein feiner Luftzug die Kerzen auf dem Tisch und an den Wänden leicht flackern ließ, als hätte sich irgendwo eine Tür oder ein Fenster geöffnet und wieder geschlossen. Merkwürdig! Irritiert betrachtete Snape die nun wieder ruhig brennenden Kerzen, dann schaute er zur Tür.
Eine Gestalt stand dort halb verborgen im tiefen Schatten des Eingangs und musterte den Zaubertrankmeister stumm.
Der Professor blinzelte, legte den Kopf leicht schief, als hielte er das, was er sah, für eine Täuschung. Nicht zu fassen, was diese Schüler sich alles erdreisteten. Langsam ließ Snape das Buch wieder sinken. Es war an der Zeit, richtig unangenehm zu werden. Das würde einen gehörigen Punktabzug nach sich ziehen. Seine unheilvoll funkelnden Augen richteten sich auf den ungebetenen Gast und eisig zischte seine Stimme durch den Raum. "Können Sie mir verraten, warum eine Schülerin wie Sie mitten in der Nacht verbotenerweise durch das Schloss schleicht und in die Privatsphäre eines Lehrers eindringt, Miss?"
Natürlich hatte er die große schlanke Gestalt mit den langen dunklen Haaren, den blassen Gesichtszügen und der bemerkenswerten Augenfarbe erkannt. Doch er weigerte sich, sie mit Namen anzusprechen. Zu Höflichkeiten war er nicht aufgelegt.
Schweigen.
Snape klappte das schwere Buch endgültig zu, setzte es hochkant auf seinen Knien ab und stützte die Hände darauf. Seine Haltung hätte ein Beobachter als entspannt, ja sogar lässig bezeichnet, wenn da nicht die unmerkliche Bewegung gewesen wäre, mit der er seinen Oberkörper leicht vorbeugte. In seinem schwarzen Anzug, den dunklen Haaren und mit dem taxierenden Blick wirkte er wie ein Panther: aufmerksam und zum Sprung bereit.
"Ihr Hauself vergaß bei seiner Flucht die Tür zu schließen."
Er hatte schon nicht mehr mit einer Antwort gerechnet und war erstaunt, dass dieses Mädchen vor ihm nun doch noch den Mund auf bekam. Aha, der Elf, er sollte wirklich mal Malfoys Methoden zur Bestrafung von Hauselfen ausprobieren. Kein Wunder, dass hier jeder munter reinspazieren konnte. Was nutzten die besten Schutzzauber, wenn die Tür einladend offen stand?
"Mieses Hauspersonal und schlechte Schüler. Mit Hogwarts steht es wohl nicht zum Besten. Nicht war, Miss?", gab er unfreundlich zurück.
"Konnten Sie sich in den letzten Wochen nicht meinen Namen merken?"
Doch, konnte er. Sie war auffallend genug gewesen, als sie zum ersten Mal in den Unterricht kam. Die Jungen im Raum waren sofort Feuer und Flamme für die neue Schülerin und buhlten um ihre Gunst wie Schausteller auf einem Jahrmarkt. Aber das Mädchen ignorierte sie alle. In dieser Unterrichtsstunde verteilte er jede Menge Strafarbeiten.
Es war nicht ungewöhnlich, dass Schüler aus verschiedenen Gründen mitten im Jahr die Schule wechselten. Das Mädchen kam vor etwa zwei Monaten nach Hogwarts und wurde nach eingehender Prüfung auch in die Zaubertränkeklasse des siebenten Jahrgangs aufgenommen. Inzwischen fragte sich Snape, warum er ihre schlechten Leistungen noch immer ertrug. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf dem Buchrand.
"Mein Name ist Thurman, Reimara Thurman." Mit einigen kurzen Schritten stand sie vor ihm und sah auf den Zaubertrankmeisters reglos herab.
Ob er wollte oder nicht, er musste zu ihr aufschauen. Das schien sich nicht richtig zu entwickeln. Snape strich sich eine Strähne seines Haares aus dem Gesicht und hob nun herausfordernd die Augenbrauen.
"Ich weiß, wer Sie sind!", gab er verächtlich zurück. "Abschlussklasse, erst vor acht Wochen zu uns nach Hogwarts gekommen, eine ziemlich mittelmäßige Schülerin in meinem Unterricht und soviel ich weiß auch in anderen Fächern. Dabei sind Sie nicht dumm, nur unkonzentriert und abgelenkt. Sie mögen kein Quidditch, keine magischen Fächer und sind der Zauberei auch sonst nicht sonderlich aufgeschlossen. Sie sind dem Hause Hufflepuff zugeordnet worden, wo sich besonders die männlichen Bewohner rührend um Sie bemühen. Sie kommen aus Liverpool, Ihre Mutter ..." - War sie gerade zusammengezuckt? Interessant! - "lebt jetzt in London. Sie ist eine Muggel, der Vater, Zauberer, noch vor Ihrer Geburt gestorben. Habe ich etwas Wichtiges vergessen?"
Wieder nur Schweigen und ein undefinierbarer Blick.
Snape musste sich eingestehen, dass dieses Mädchen eine gewisse Ausstrahlung besaß, hinter der sich ein Geheimnis zu verbergen schien. Ganz offensichtlich sollte ausgerechnet er davon erfahren. Warum nur? Für so etwas war Albus Dumbledore viel besser geeignet. Ihre jadegrünen Augen, die so gar nicht zu der eher blassen Erscheinung und dem langen dunklen Haar des Mädchens passen wollten, ruhten abwartend auf ihm.
"Miss Thurman, wenn Sie nun doch nichts zu sagen haben, dann schlage ich vor, dass Sie schleunigst meine privaten Räume verlassen. Sie können auf dem Weg zu Ihrem Schulhaus bereits darüber nachdenken, wie Sie Ihren Mitschülern die zwanzig Punkte Abzug erklären wollen, die ich Ihnen für Ihre Unverschämtheit abziehen werde."
Zitterte sie? Gut! Gleich würde sie noch mehr Grund dazu haben, denn seine Geduld war erschöpft.

Doch anstatt zu verschwinden, beugte sich das Mädchen näher zu Snape herunter. Ihr Umhang streifte seine Hände und ihr langes Haar, das sonst wie ein Schleier über ihren Rücken fiel, rutschte über ihre Schulter. Der Professor sah es zum ersten Mal so dicht vor sich. Es war fein und seidig und so schwarz wie seines, stellte er erstaunt fest. Das war ihm nie bewusst geworden. Fast war er versucht, die Hand danach auszustrecken, um es zwischen den Fingern gleiten zu lassen.
"Erinnern Sie sich an meine Mutter?"
"Wohl kaum, ich glaube nicht, dass wir das Vergnügen bereits hatten." Nein, wirklich nicht, eine Frau mit ebensolchen Haaren? Daran hätte er sich gewiss erinnert.
Das Mädchen lachte auf, ein kaltes sarkastisches Lachen, ein Lachen, das einem Severus Snape durchaus würdig gewesen wäre.
"Wahrlich, ein Vergnügen war es für meine Mutter wirklich nicht!"
Das reichte. Snape legte das Buch auf den Tisch zurück, stieß das Mädchen grob von sich und wollte aufstehen.
"Fass mich nicht an!", schrie sie auf.
Dieses Kind hatte offensichtlich psychische Probleme, war irre, übergeschnappt, hysterisch - was auch immer. Aber in seinen privaten Räumen hatte dieses Privileg nur eine Person, und das war mit Sicherheit nicht Reimara Thurman.
Der Zaubertrankmeister hielt in der Bewegung inne. Diese Verrückte richtete wirklich einen Zauberstab auf ihren Lehrer.
"Bleiben Sie wo Sie sind, Professor!", fauchte das Mädchen und blitzte ihn mit kaum verhohlenem Hass an. Das Wort Professor spuckte sie angewidert aus.
Einen Moment zögerte Snape unentschlossen. Diese Situation war mehr als grotesk, doch der Hass in diesen Augen machte ihn vorsichtiger. Langsam ließ er sich wieder in den Sessel sinken. "Ich muß Ihnen wohl nicht erst klar machen, dass Sie mit dieser Aktion hier von der Schule fliegen werden. Und Ihren Abschluss können Sie auch vergessen."
"Wenn schon! Meine Zukunft sollte Ihre geringste Sorge sein."
Diese Augen. Eine leise Ahnung schien sich aus den Tiefen seiner vergrabenen Erinnerungen herauszuwinden. Doch Snape bekam den Gedanken nicht zu fassen.
"Vielleicht erinnern Sie sich nicht mehr an meine Mutter, weil es nur eine von vielen war? Womöglich sogar nur eine von vielen in jener Nacht?" Der Zauberstab in der Hand des Mädchens bebte vor Zorn und Verachtung. "War es nur reine Bosheit, sie damals in diese Spelunke im Hafen von Liverpool zu verschleppen?" In ihrem Gesicht wechselten die widersprüchlichsten Emotionen einander ab und verzerrten die sonst weichen Züge zu einer Fratze. Ihre schmalen Lippen waren fest aufeinander gepresst.
Liverpool? Er war nur einmal in Liverpool gewesen und das war .... Snape überlegte fieberhaft. Im Auftrag von Voldemort suchten sie einen Zauberer, der es gewagt hatte, die Aufmerksamkeit des Dunklen Lords auf sich zu ziehen. Der dumme Kerl hatte zu allem Überdruss auch noch eine Muggel geheiratet. Voldemort befand sich zu dem Zeitpunkt auf der Höhe seiner Macht, und Snape selbst war noch weit davon entfernt, die Seiten zu wechseln.
Der einstige Todesser begann zu verstehen. Aufmerksam und mit neu erwachtem Interesse sah er das Mädchen an, die wie ein Rachedämon vor ihm stand. Wieso war ihm vorher diese Ähnlichkeit nicht aufgefallen? Die schwarzen glatten Haare, die sehr helle Haut, die leicht gekrümmte Nase und die schmalen Lippen. Nur die grünen Augen hatte sie von ihrer Mutter.
"Du bist ... " Er konnte die Überraschung in seiner Stimme nicht verbergen. Es war, als würde sich endlich eine Tür öffnen und die Erinnerungen dahinter heraufbeschwören. Sie hatten zuerst den Zauberer erwischt und anschließend kümmerten sie sich um sein Muggelweib. Er selbst forderte von den anderen Todessern die Frau mit den auffallenden jadegrünen Augen für sich und sein Vergnügen allein. Da man Voldemorts bevorzugtem Gefolgsmann schlecht etwas abschlagen konnte, bekam er beides.
"Du erinnerst dich also endlich wieder?" Es klang wie ein Triumph. "Ja, ich bin deine Tochter - Vater! Und jetzt bin ich zu dir gekommen, um dir all die Liebe und Herzlichkeit, die du meiner Mutter und mir hast zukommen lassen, zu vergelten."

Es war zu spät.
Snape konnte es in ihren Augen lesen. Für einen Moment fiel sein Blick auf seinen Zauberstab auf dem Tisch. Zu weit weg. Er würde nicht schnell genug sein. Er könnte sie aber mit einem Abwehrzauber stoppen oder ihr den Stab entreißen. Dazu reichte seine eigene Magie allemal aus.
Wollte er das?
Snapes Haltung entspannte sich.
Welch eine Ironie! Dabei hatte der Zaubertrankmeister immer geglaubt, durch die Hand des mächtigsten dunklen Zauberers seiner Zeit zu sterben, aber nun erledigte sein eigen Fleisch und Blut diese Arbeit. Ein verbittertes 17jähriges Mädchen wurde sein Verhängnis.
Das erste Mal seit langer Zeit lächelte er wieder ohne Sarkasmus. Seine Tochter stahl Voldemort die Show. Genugtuung regte sich in ihm. Sie war in der Tat seiner würdig.
Und er ließ mehr auf dieser Welt zurück als seinen Namen in einem Buch über Zaubertränke.

Ende

 

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