Ihr Leben für sein Leben

 

 

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Autorin: Hagazussa



Ihr Leben für sein Leben



Madeleine de Vallois war sich ihrer Wirkung natürlich bewusst, als sie an ihrem ersten Abend in Hogwarts die Große Halle betrat. Alle Blicke richteten sich auf sie - wie immer. Die Blicke der weiblichen Anwesenden konnte man zunächst staunend, dann durchaus feindselig nennen. Die der Männer und Jungen wechselten von Erstaunen zu schierer Anbetung.
Madeleine de Vallois lächelte leise; sie kannte diese Reaktionen. Als Enkelin einer Veela war eine überirdische Schönheit ihr Erbteil, und Madeleine trug es mit bescheidenem Stolz.

Professor Dumbledore hatte sich erhoben; er kannte Madeleine bereits, hatte er sie doch für den freiwerdenden Posten als Lehrerin für Muggelkunde eingestellt. Aber auch ihn traf Madeleines Erscheinung wie ein Blitz, und er fragte sich kurz, ob es weise von ihm gewesen war, ein solch perfektes Wesen hierher zu bringen, ein Wesen, das Begierden, Neid und Eifersucht wecken musste.

Dumbledore hielt eine knappe Begrüßungsrede und stellte die neue Lehrerin vor; dann platzierte er sie neben Snape. Der war ein so kalter Fisch, ihn würde Madeleines Nähe sicher nicht aus der Fassung bringen...

Severus Snape starrte seine neue Kollegin an; er war unfähig, auch nur ein Wort zu sagen. Gott sei Dank würde das seiner Umwelt nicht auffallen, sprach er doch auch sonst nicht all zuviel. In seinem Innern tobte ein wahrer Sturm: diese Frau war ein Traum, er hatte noch nie so etwas wie jetzt empfunden, sein Herz schlug ungestüm.
Madeleine konnte kaum älter als 18 Jahre alt sein, ihre Gestalt war zart und fast zerbrechlich, wie die eines jungen Mädchens, doch zugleich von vollendeter Weiblichkeit. Ihr ebenmäßiges Gesicht mit den riesigen Augen besaß einen unbeschreiblichen Liebreiz, ihre Lippen wie Rosenblätter, ihre Augen tiefgrün, fast leuchtend. Eine glänzende Mähne goldseidenen Haares wallte über ihre Schultern.

Was war das? Sie lächelte ihn an, sie redete mit ihm; in Snapes Ohren war nur Rauschen. Er riss sich kräftig zusammen und versuchte, ihre Worte zu verstehen. Sie sprach mit einem charmanten französischen Akzent - der hier aus praktischen Erwägungen nicht wiedergegeben wird -, und ihre Stimme war wie Samt.
"Sehr erfreut, Sie müssen Professor Snape sein, der große Zaubertränkemeister. Sie sind auch in meinem Land sehr bekannt", hauchte Madeleine, und ihr Lächeln war so strahlend und warmherzig, dass es Snape den Atem nahm. Wegen des fehlenden Atems konnte er natürlich nichts erwidern.
"Ich bin eben erst in Hogwarts angekommen, ein wunderbares Schloss und eine großartige Schule. Haben Sie nach dem Essen ein wenig Zeit für mich, vielleicht könnten Sie mein Fremdenführer sein?" fragte ihn Madeleine freundlich.
Snape nickte, ihm war schwindelig vor Glück.
Die männlichen Kollegen in der näheren Umgebung machten alle ein saures Gesicht, jeder hätte gern für Madeleine den Fremdenführer gespielt, wieso musste es ausgerechnet Snape sein?
Madeleine wunderte sich etwas über Snape und überlegte kurz, ob er vielleicht stumm war. Unwahrscheinlich bei einem Lehrer.

Nach dem Abendessen griff Madeleine spielerisch nach Snapes Arm und zog ihn aus der Halle.
"Wo fangen wir an, Professor Snape? Es ist alles so riesig, es wird ewig dauern, bis ich mich daran gewöhnt habe."
Wieder nickte Snape nur; Madeleine kam erneut der Gedanke an eine mögliche Behinderung, inzwischen zog sie das ernsthaft in Erwägung.

Und Snape führte seine schöne Kollegin durch das gesamte Schloss. Nach den ersten 20 Räumen legte sich seine Verwirrung etwas, und er sagte das eine oder andere erklärende Wort.
Gegen 2 Uhr morgens war die Führung beendet, Madeleine war ganz froh, ihr taten nun doch etwas die Füße weh. So ganz hatte sie nicht erwartet, dass Snape ihr wirklich jede Besenkammer zeigen würde. Aber ihre Höflichkeit und ihr gutes Herz hatten ihr verboten, Einwände zu erheben.
Todmüde fiel sie schließlich in ihr Bett. Hogwarts war beeindruckend. Und sehr groß. Und Snape offenbar ein ausgesprochen hilfsbereiter Mann, leider etwas still für ihren Geschmack. Madeleine kuschelte sich in ihre warme Decke und drückte ihre niedliche kleine Katze an sich, die ihr erst vor wenigen Tagen zugelaufen war. Tiere liebten Madeleine, und Madeleine liebte Tiere. Tief und erholsam war ihr Schlaf in dieser Nacht.

Schnell lebte sich Madeleine in Hogwarts ein; ihre Unterrichtsstunden waren beliebt, es herrschte ein Gedränge in ihrem Klassenzimmer wie sonst bei keinem anderen Lehrer. Und nicht nur die Jungen begeisterten sich plötzlich für das eher dröge Fach Muggelkunde; nein, auch die Mädchen kamen in Scharen. Madeleine war einfach eine wunderbare Lehrerin, sie war freundlich und geduldig und voller Humor. Bald schon wurde sie zur Vertrauenslehrerin des Hauses Ravenclaw berufen. Niemand der Kollegen neidete es ihr, im Gegenteil, alle freuten sich über Madeleines Anwesenheit in Hogwarts; sie hatte dem Leben hier etwas Strahlendes verliehen.

Madeleine hatte bereits einige Wochen in Hogwarts verbracht, da geschah etwas Dramatisches:
Der Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste entpuppte sich als der nichteheliche Bruder von Lucius Malfoy. Da er Lucius so gar nicht ähnelte und außerdem immer ganz nett mit den Muggelgeborenen getan hatte, war das zunächst nicht aufgefallen. Lucius Malfoy war ja nun bekanntlich bekennender Todesser - er saß grad in Untersuchungshaft wegen diverser Verbrechen, u.a. Bildung einer kriminellen Vereinigung - und da war anzunehmen, dass der Bruder auch nicht viel taugte. Der Lehrer sollte daher der Schule verwiesen werden, stahl sich aber sicherheitshalber vorab davon.
Nun war seine Stelle vakant.

Dumbledore berief eine außerordentliche Lehrerkonferenz ein. Verteidigung war ein so wichtiges Fach, das konnte man nicht einfach wegen Lehrermangels ausfallen lassen.
Snape hatte schon seit Jahren auf diese Chance gehofft. Genaugenommen jedes Jahr, denn bei der Auswahl seiner Lehrer für Verteidigung hatte Dumbledore immer irgendwie Pech gehabt. Vielleicht würde Dumbledore nun endlich ihn, Snape, mit dem Amt betrauen?

Auf dem Weg zur Konferenz traf Snape Madeleine. Ihr Anblick raubte ihm wie immer den Atem, er liebte sie ohne Zweifel. Leider hatte er sich noch nichts getraut, so dass er nicht wusste, was sie für ihn empfand. Außerdem war da natürlich jede Menge Konkurrenz, jedes männliche Wesen im Schloss warb um Madeleine.
Seite an Seite legten Snape und Madeleine den Weg zu Dumbledores Arbeitszimmer zurück.
"Was meinen Sie, Severus, wie will Professor Dumbledore so schnell jemanden finden für -". Ein markerschütternder Schrei unterbrach Madeleines Worte.
Nur kurz sahen sich Severus und Madeleine an; hierbei fiel Snape nicht zum ersten Mal auf, dass Madeleines Augenfarbe sich ab und an veränderte; war sie in heiteren Momenten von einem fast goldenen Grün, so hatte sie sich nun verdunkelt und glich eher einem unergründlichen Waldsee.
Madeleine und Snape stürmten in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.
Eine grässliche Szene bot sich ihnen:
Auf dem kalten Steinboden lag Harry Potter, bleich, leblos und mit seltsam verrenkten Gliedmaßen.
Vor ihm stand der Lucius-Malfoy-Bruder; er hielt seinen Zauberstab noch ausgerichtet. Kein Zweifel, er hatte Potter getötet. Potter, der letztlich die wahre Identität des Lehrers aufgedeckt hatte, indem er zufällig einen genaueren Blick auf den Stammbaum der Blacks und Malfoys im Grimmault Place geworfen hatte (dummerweise enthielt der Stammbaum auch die nichtehelichen Abkömmlinge); der Rest war dann Routine gewesen; ein wenig observieren, ein Wahrheitsserum, das übliche eben, aber das spielt hier an sich keine Rolle.
Jedenfalls war Potter tot.
Snape stand wie angewurzelt; was hatte ihn der kleine Klugscheißer genervt, sein Tod kam jetzt aber doch etwas überraschend.
Madeleine zögerte nicht, sie griff ihren Zauberstab und sprach einen 24-Stunden-Lähmzauber auf den bösen Mann. Der fiel gleich um und machte keinen Mucks mehr.
Dann kniete sich Madeleine neben Harry. Sie fühlte kurz seine Stirn und murmelte: "Es ist noch nicht zu spät." Ihr lieblicher Mund presste sich auf den Potters, es wirkte, als wollte sie ihn küssen. Snape gefiel das nicht so recht.
"Anima!" hauchte Madeleine nun. Was dann geschah, konnte Snape später nur ansatzweise berichten:
Madeleine und Harry hoben leicht vom Boden ab, eng hielt Madeleine Harry umschlungen; aus ihrem Mund kam eine Art rauchiger Nebel, der Harry in Mund und Nase drang. Plötzlich zuckte Potter und holte mit einem zischenden Geräusch tief Atem. Langsam berührten Madeleines und Harrys Körper wieder den Boden.
"Was war das? Was ist denn los?", keuchte Harry. Benommen löste er sich aus Madeleines Umarmung; ihr zarter Kopf ruhte noch an seiner Schulter.
"Madeleine, oh bitte nicht!" rief Snape und stürzte zu der regungslosen Frau.
"Was hast du getan?", fragte er sie und legte seine Arme um ihren zierlichen Körper.
"Ich habe ihm seine Seele zurückgegeben... das einzige Mittel gegen den Avada-Fluch!" sagte Madeleine mit schwacher Stimme.
"Aber kaum jemand auf der ganzen Welt beherrscht diesen Spruch, und dieser Gegenfluch kostet den Retter das Leben!", schrie Snape.
"So ist es. Lebe wohl, Severus." Ein sanftes Lächeln spielte um Madeleines fein geschwungene Lippen als sie ihre letzen Worte sprach. Sie starb in Snapes Armen. Potter war das alles etwas unangenehm, daher verdrückte er sich schnell in Richtung Gryffindorgemeinschaftsraum.

Ganz Hogwarts trauerte, schwarz beflaggt war das Schloss in diesen Tagen und Snape ein gebrochener Mann; die Stelle für Verteidigung kriegte er außerdem schon wieder nicht.


Ende


 

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