Nachtvertrauen

 

 

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Autorin: Maya



„Severus! Warte!“ Ein lautes Rufen drang an mein Ohr, ließ mich hochfahren. Denn es klang merkwürdig fremd, paßte nicht in diesen sonnigen Tag, an dem ich mich entschlossen hatte, eine Weile ganz für mich über die Ländereien Hogwarts zu wandern. Paßte nicht in die warme, friedliche Stimmung, die ich bis eben genossen hatte und zu den fröhlichen Satzfetzen, die von den, sich am Ufer des mächtigen Sees vom Schulstreß erholenden, Schülern zu mir herüber wehten. Dieser eine Ruf schien dies alles zu durchbrechen, hob sich von der Umgebung ab. Denn obwohl es eindeutig die Stimme Professor Dumbledores gewesen war, hatte sie erschreckend anders geklungen. Fremd. Es war nicht die leise und trotzdem durchdringende, angenehm freundliche Tonlage, die ich so gut kannte und die mir im Laufe der Jahre so lieb und teuer geworden war. Etwas war passiert. Ich spürte es, hörte es heraus aus diesen wenigen Worten. Es war weniger die ungewohnte Lautstärke. Es war der Klang, der plötzlich eine nervöse Unruhe in mir aufsteigen ließ. Dieser bittende, beinahe verzweifelte Klang, der unwillkürlich meine Schritte schneller werden ließ.

Eilig lief ich den breiten Kiesweg, der direkt und beinahe schnurgerade zum Haupteingang der Schule für Hexerei und Zauberei führte, hinauf, als bereits die nächsten Worte zu hören waren: „Severus! Bitte laß es mich dir erklären!“ Und wieder war es dieser fremdartige Klang, der meine Nervosität unaufhaltsam steigerte und in mir gleichzeitig eine undefinierbare Traurigkeit und Sorge herauf beschwor.

Endlich hatte ich mich dem riesigen, alten Schloß so weit genähert, daß ich die Herkunft der Rufe, den Standort Dumbledores erkennen konnte. In seine purpurne Robe gehüllt stand er in der hohen Tür zur Eingangshalle und starrte wie gebannt auf eine, ganz in schwarz gekleidete, Person, die offenbar auf dem Weg zum Verbotenen Wald war und mir in einem zügigen Tempo entgegenkam. Es war Severus Snape, der Meister der Zaubertränke in Hogwarts, den der Direktor versuchte zu sich zu rufen. Doch Snape reagierte in keiner Weise, schien ihn kaum wahrzunehmen. Groß, schlank, mit wehendem Umhang näherte er sich mir mit der, für ihn typischen, fließenden, schnellen Gangart.

„Guten Tag, Severus“, setzte ich an, meine Unsicherheit mit Höflichkeit verdeckend, und als er mich fast erreicht hatte, fuhr ich mit freundlicher Stimme fort: „Ich glaube, Albus möchte...“ Weiter kam ich nicht. Denn in diesem Augenblick wanderte der Blick Snapes, der bis zu diesem Zeitpunkt ausschließlich auf den Verbotenen Wald gerichtet gewesen schien, zur Seite und fiel auf mich. Wie erstarrt hielt ich in meiner Bewegung inne und blieb mit einem abrupten Ruck stehen, unfähig, den begonnenen Satz zu beenden. Fassungslos blickte ich zurück in das schmale, bleiche Gesicht, umrahmt von den schwarzen, langen Haaren, das in diesem Moment vollkommen versteinert auf mich gerichtet war. Schließlich wandte er sich wieder von mir ab, ignorierte meine Anwesenheit und rauschte wortlos an mir vorüber. Für einige Sekunden ergriff mich eine unheimliche Kälte, als die eisige Aura, die Snape fast sichtbar auszustrahlen schien, und die ihn abschirmte vor den, die restliche Umgebung, die Menschen und Landschaften angenehm einhüllenden, wärmenden Sonnenstrahlen, mich traf und frösteln ließ. Nur langsam konnte ich mich aus meiner Bewegungslosigkeit lösen, drehte mich dann aber endlich um und sah dem davon schreitenden Snape nach. Der Anblick, der sich mir soeben, als er mir sein zu einer Maske erstarrtes Gesicht zugewandt hatte, geboten hatte, hatte mich zutiefst erschreckt. Es war weniger dieser harte, eiskalte Ausdruck in seinen Gesichtszügen gewesen, den ich, wenn auch nur in abgeschwächter Form, vom täglichen Umgang mit ihm her gewohnt war. Nein, es waren seine Augen, die in mir ein entsetzliches Grauen hatten aufsteigen lassen. Diese, fast schon unnatürlich, tief schwarzen Augen, die sonst so leer, kalt und distanziert wirkten. Denn an diesem Tag waren sie all dies nicht gewesen. Sie hatten einen Ausdruck gezeigt, den ich in dieser Stärke noch niemals in meinem Leben hatte sehen müssen, weder bei dem Meister der Zaubertränke, noch bei irgendeiner anderen Person: Es war Haß. Glühender, lodernder Haß. Er brannte heiß in den, sonst so kühlen, Augen Snapes. So flammend, so alles erfüllend und tief, daß es Snape nicht gelang, ihn in irgendeiner Weise vor mir zu verbergen. Statt dessen hatte er mich angesehen, mit diesem haßerfüllten Blitzen in den Augen. Gefährlich. Vernichtend. Abgrundtief.

Entsetzt beobachtete ich Snape, der unbeirrt weiter gegangen war und nun beinahe den Rand des Waldes erreicht hatte.

„Severus!“ Erneut erschallte das Rufen Dumbledores. Doch dieses Mal war es nicht mehr nur ein Rufen. Es drang nicht nur an meine Ohren, es hüllte mich ein wie eine plötzlich aufkommende Windböe. Es war, als würde Dumbledore seine gesamte Macht, seine Ausstrahlung in dieses eine Wort legen, so alles verdrängend, so stark legte sich dieser Ruf über die Ländereien Hogwarts, über mich. Wie unter der Gewalt eines Imperiusfluches, ohne Chance, mich dagegen zu wehren, drehte ich mich langsam um und starrte auf Albus Dumbledore, der noch immer an der selben Stelle stand, wie vor wenigen Augenblicken, als ich ihn das letzte Mal angesehen hatte. Nur eine so kurze Zeit war vergangen und doch wirkte er völlig verändert. Plötzlich war er kein alter Mann mit weißem, langen Bart und gütig funkelnden Augen mehr. Er schien seine alltägliche Tarnung fallen gelassen zu haben, versteckte seine Macht nicht mehr. Nein, man sah sie deutlich. Diese ungeheure Macht, die selbst der Dunkle Lord Voldemort fürchtete. Sie umgab ihn, ließ ihn größer erscheinen.

Hochaufgerichtet stand er da und plötzlich legte sich eine alles ergreifende, gespannte Stille über die Länder, die das Schloß umgaben. Die Schüler unterbrachen ihre Gespräche, ihr Lachen, selbst die Tiere in dem angrenzenden Wald und auf den Wiesen schienen mit einem Male verstummt. Alle Menschen wandten sich mit einem Schlag von ihren Tätigkeiten ab. Die Schüler ließen ihre Bücher fallen, Hagrid stoppte seine Arbeit, mit der er vor der Tür seiner Hütte beschäftigt gewesen war. Alle erstarrten in ihren Bewegungen, drehten sich, wie unter Zwang, um und sahen regungslos zu Dumbledore hinüber. Keiner konnte sich seiner alles beherrschenden Macht entziehen. Jeder wurde von ihr gefangen und eine kurze Weile verharrten wir alle so, unfähig, den Blick von dem Direktor Hogwarts zu nehmen. Die Welt schien den Atem anzuhalten, nicht zu wagen, auch nur einen Laut zum Beweis ihrer Lebendigkeit abzugeben.

Dann endlich fiel der Zwang von uns ab. Dumbledore, der uns während der gesamten Zeit ignoriert hatte und einzig und allein auf einen Punkt hinter mir fixiert gewesen war, wurde wieder zu dem Dumbledore, den wir alle kannten und dessen zweite Seite, die er uns gerade eindrucksvoll vor Augen geführt hatte, wohl auch manche seiner langjährigen Freunde niemals zu Gesicht bekamen. Langsam drehte ich mich wieder um, wollte sehen, was den Blick des Professors dermaßen hatte fesseln können. Und obwohl ich es am Ausdruck Dumbledores hatte erahnen können, überraschte mich, was ich erkannte: Nicht alle hatten sich der Macht Dumbledores nicht entziehen könne, wie ich fälschlicher Weise angenommen hatte. Severus Snape, die Person, der dieser Ruf gegolten hatte, hatte es getan. Ganz offensichtlich hatte er auch auf diesen letzten, verzweifelten Versuch Dumbledores, ihn zurück zu halten, nicht reagiert, denn während wir anderen bewegungslos dagestanden und zum Direktor geblickt hatten, hatte er nun endgültig den Rand des Waldes erreicht. Für einen kurzen Moment blieb die, in wallendes Schwarz gehüllte, Gestalt dort stehen, an dieser Grenze, die das Ende der gegen Apparieren geschützten Zone markierte und in mir keimte die Hoffnung auf, er hätte es sich anders überlegt, würde dem Bitten Dumbledores folgen. Doch in diesem Augenblick wandte Snape sich noch einmal Hogwarts, dem Schloß, in dem er nun schon seit etlichen Jahren unterrichtete und wohnte, zu und meine Hoffnung erlosch so schnell, wie sie gekommen war. Denn sein Blick sagte mir, die ich dicht genug an ihm dran stand, eindeutig, daß sie sich nicht erfüllen würde. Dieser brennende Haß, der in seinen schwarzen Augen loderte, ließ es mich nur zu deutlich erkennen, was als nächstes passieren würde: Professor Snape starrte noch einen kurzen Augenblick regungslos auf eine Stelle hinter mir, an der ich Professor Dumbledore wußte. Er blickte ihn an und zu meinem Entsetzen steigerte sich in dieser Sekunde sein Haß noch einmal, flammte so hoch, daß mich erneut ein Frösteln überkam, dann endlich disapparierte Snape, verschwand vor meinen Augen, ohne Möglichkeit, zu erfahren, wohin er gegangen war. Einen kurzen Moment lang blickte ich noch regungslos, beinahe ungläubig angesichts dessen, was sich in den letzten paar Minuten abgespielt hatte, auf die Stelle, an der bis eben der Meister der Zaubertränke gestanden hatte, dann machte ich mich zügig auf den Weg hinauf zum Schloß.

Die Stille war inzwischen den vorherigen Geräuschen gewichen, die Welt aus ihrer Starre erwacht. Die Schüler hatten ihre Tätigkeiten und Gespräche wieder aufgenommen, Wortfetzen und Lachen waren erneut zu hören, von Hagrids Hütte drangen die Geräusche einer geschwungenen Axt und zersplitternden Holzes an meine Ohren, die Luft war erfüllt von den sommerlichen Lauten summender Insekten. Und obwohl es oberflächlich schien, als wäre alles wieder so, wie es noch vor einer Stunde, als ich meinen Spaziergang begonnen hatte, gewesen war, wußte ich um die Veränderung, erkannte sie. Spürte sie mehr, als daß ich sie hätte genau lokalisieren können. Es war, als würde die unheimliche Spannung, die uns alle umgeben hatte, weiterbestehen. Unterschwellig, verborgen unter der Decke der Normalität, und doch präsent. Und diese Spannung, übertüncht, aber anwesend, löste in mir eine undefinierbare, unscharfe Angst aus und ließ meine Nervosität weiter steigen. Wieder tauchte der Anblick Snapes vor meinem geistigen Auge auf. Seine Augen, sein Haß. Besorgt fragte ich mich, was diesen entsetzlichen Haß in ihm hervorgerufen, ihn vielleicht auch nur neu entfacht hatte, erweckt nach langer Zeit der Unterdrückung, des Schlafes. Was war passiert, während ich den scheinbaren Frieden dieses sommerlichen Tages genossen, mir den Rücken von den angenehmen, ermutigenden Strahlen der Sonne hatte wärmen lassen?

Endlich erreichte ich die Tür zur Eingangshalle. Dumbledore stand noch immer dort und starrte regungslos zum Verbotenen Wald hinüber, als könnte, wollte er es noch immer nicht glauben, daß Snape gegangen war. Tiefe Sorge umfing mich, als ich in seine blauen Augen sah, deren typisches Funkeln von Traurigkeit und Schmerz fast völlig verdrängt war. Seine aufrechte Haltung war einer Müden gewichen, die Fröhlichkeit, die sein Gesicht sonst auf eine so liebenswerte Art und Weise kennzeichnete, war verschwunden, sein Mund hatte einen wehmütigen Zug angenommen. Dumbledore schien um viele Jahre gealtert.

„Albus?“, fragte ich behutsam. „Was ist passiert?“ Einen Moment lang dachte ich, Professor Dumbledore hätte meine Frage nicht wahrgenommen, er reagierte in keiner Weise. Doch gerade als ich noch einmal nachfragen wollte, öffnete er langsam seinen Mund und antwortete mit heiserer Stimme, aber ohne seinen Blick vom Verbotenen Wald zu heben und mehr wie zu sich selbst: „Ich wollte nicht, daß das passiert. Es hätte nicht geschehen dürfen.“

Unverständlich sah ich ihn an, doch er fuhr fort und der verzweifelte, traurige Unterton versetzte mir einen tiefen Stich: „Ich wollte nicht, daß er es so erfährt.“ Er schüttelte leicht den Kopf, dann wandten sich seine blauen, sorgenvollen Augen mir zu und sahen mich direkt an. „Wahrscheinlich hätte ich es ihm früher sagen sollen. Aber ich konnte, durfte es nicht. Das hätte alles zerstören können.“ Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber daß er es so erfahren mußte. Wenn ich es ihm doch nur hätte erklären können. Wenn ich ihn doch nur hätte aufhalten können...“ Wieder schüttelte er traurig den Kopf. Verwirrt beobachtete ich ihn. Ich hatte nicht ein Wort von dem, was er gesagt hatte, verstanden, doch Dumbledore schien das nicht zu erkennen, war zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt, als daß er darauf achten konnte, daß er es mir ermöglichte, ihm zu folgen, ihn zu verstehen.

„Was immer du getan hast, Albus, ich bin sicher, du hattest eine gute Absicht dabei. Er wird es verstehen, wenn du es ihm erklärst“, sagte ich eindringlich. Dumbledore antwortete nicht sofort. Statt dessen wandte er sein Gesicht wieder dem Verbotenen Wald zu, als hoffte er, der Meister der Zaubertränke würde dort erscheinen, wieder zu ihm zurückkehren. Müde fing er an zu sprechen: „Ja, Minerva. Ich denke, er würde es verstehen, wenn ich es ihm erklären würde. Aber wie soll ich... Hätte ich ihn doch aufhalten können...“

„Er wird zurückkommen, Albus“, erwiderte ich, lächelte ermutigend und bemühte mich, meine Stimme möglichst überzeugt klingen zu lassen.

***




6 Monate später

Schweigend saß ich auf einem alten Stuhl und blickte aus dem Fenster hinaus auf das, was einmal die blühenden Ländereien Hogwarts gewesen war und das nun wie eine einzige dunkle Fläche vor mir lag. Wehmütig erinnerte ich mich an die Gräser, die dort auf den Wiesen einmal gestanden hatten, an den Wald, der sie, wenngleich mit wilden Tieren und Lebewesen durchsetzt, schützend umrahmt hatte. Selbst die kleine Hütte Hagrids, der ich früher nie eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte, vermißte ich nun schmerzlich. Das alles hatte weichen müssen. Weichen, um den Feinden den Schutz zu nehmen. Geblieben war eine kalte, weite Ebene, dieser Tage unerreicht von jedwedem Sonnenstrahl, der dies alles hätte erträglicher erscheinen lassen können. Statt dessen war das Land in der Trostlosigkeit versunken. Grau, neblig. Wie ich mich nach der Sonne sehnte. Nach ihr gierte. Meine Seele, jeder einzelne Teil meines Körpers schien nach ihr zu schreien, zu flehen nach einem Sonnenstrahl mit seinem Licht und seiner Mut bringenden Wärme, und sei er auch noch so klein. Doch es gab keine Hoffnung, ihn zu finden, ihn aufzutreiben, zu spüren. Und das nun schon viel zu lange.

Vor einer Woche bereits hatte die spärliche Wintersonne begonnen sich zu verdunkeln. Heute nun hatte sie den Kampf gegen den Schatten verloren. Wie hatte ich gehofft, sie würde es schaffen, hatte ich auf ein Wunder gehofft. Doch dieser Wunsch war vor einer Stunde ins Reich der Unmöglichkeit gezwungen worden. Vor einer Stunde, als die Sonne kam und die Nacht blieb. Heute würde sich entscheiden, ob diese Kälte, diese Dunkelheit bleiben würde. Oder ob es Hoffnung gab. Lange hatte ich Zeit gehabt mich auf diesen Tag vorzubereiten, denn er kam nicht plötzlich. Nein, er hatte sich angekündigt, als die Überfälle der Todesser sich vor etwa 3 Monaten angefangen hatten zu häufen. Nach einer Phase der Ruhe hatten sie losgeschlagen, stärker, bedrohlicher als jemals zuvor. Wie eine Welle hatten sie die Dunkelheit über das Land verbreitet, scheinbar unaufhaltsam zum finalen Angriff geblasen.

Die Gewißheit, daß dieser Tag kommen würde, hatte uns getroffen, als das Zaubereiministerium eingenommen, die Minister ermordet und die anderen Schulen besiegt worden waren. Hogwarts stand allein. Wie eine Schutzburg des Lichtes. Hier hatten sich die Überlebenden hin zurückgezogen, als es sonst keine Zufluchtsstätten mehr gab. Erfahrene Kämpfer, Auroren, Familien mit Kindern, alle waren sie nun hier versammelt, hatten in den riesigen Gemäuern der Schule eine Unterkunft und den letzten Rest der Hoffnung gefunden. Heute nun würde es sich entscheiden, ob die Allianz des Lichtes versagt hatte oder ob sie würde standhalten können. So lange hatte ich Zeit gehabt. Mehr als die meisten der anderen. Und trotzdem konnte, wollte ich es nicht glauben, daß es nun wirklich so weit war. Fühlte mich nicht bereit.

„Sie haben den äußeren Ring durchbrochen!“, schrie plötzlich eine helle Stimme und riß mich aus meinen finsteren Gedanken zurück in die nicht minder düstere Realität. Erschrocken hob ich meinen Blick und er fiel auf Dennis Creevey, der soeben die Botschaft überbracht hatte und sich nun an seinen Platz begab. Seltsamerweise sahen die meisten der Anwesenden zwar kurz auf, Panik brach jedoch nicht aus. Ruhig blieben sie an ihren Plätzen an den Fenstern und den notdürftig heraus gebrochenen Schießscharten. Sie alle hatten gewußt, daß dies passieren würde, damit gerechnet und sich auf das Unvermeidliche eingestellt. Niemand hatte ernsthaft glauben können, daß der Verteidigungsring, der sich in einigem Abstand um das Schloß herum erstreckte, den Dunklen Lord und sein Gefolge lange würde aufhalten können. Und so war es geschehen. Sie hatten ihn überwunden.

Langsam erhob ich mich von meinem Stuhl und ging hinüber zu einem anderen Fenster. Leise stellte ich mich neben Professor Dumbledore und beobachtete mit ihm stumm den Aufmarsch, der sich weit unter uns vollzog. Schleichend kamen sie näher, bildeten einen weiten Kreis um das Schloß, das sie einzunehmen trachteten. Endlose Reihen dunkler, zunächst nur schemenhaft zu erkennender Gestalten, so weit das Auge reichte. In weiten, schwarzen Umhängen schritten sie ruhig auf uns zu, kesselten uns ein. Geordnet, die Gesichter von den schwarzen Kapuzen verdeckt kamen sie näher, schienen aus der Dunkelheit in der Ferne aufzutauchen, wurden langsam deutlicher, nahmen eine menschliche Figur an. Lauernd. Siegesgewiß. Getrieben von der Gier nach Macht, kontrolliert von den dunklen Künsten ihres Lords.

„Meinst du, er ist hier?“, fragte mich in diesem Augenblick Professor Dumbledore mit leiser Stimme, die unheimliche Stille, die sich eingestellt hatte, durchbrechend. Es dauerte nur einige Augenblicke, in denen ich ihn irritiert anblickte, bis ich begriff, von wem er sprach. „Ich weiß es nicht, Albus“, gab ich ihm die Antwort, die er offenbar erwartet hatte, denn er reagierte nicht, sondern beobachtete weiterhin regungslos die schwarz gekleideten Massen unter uns. Vielleicht war er nicht hier. Aber genauso gut konnte er es sein, konnte sich unter einer dieser Kapuzen Severus Snape verbergen, bereit, sein Leben in einem Kampf gegen die Seite zu lassen, der er so lange gedient hatte. Snape. Ich wußte, daß sich Dumbledores Gedanken auch jetzt um ihn drehten, sich nicht gänzlich verdrängen ließen, egal, wie viele andere Dinge er im Moment zu organisieren, zu bedenken hatte. Lange hatte er gehofft, er würde zurückkehren. Vielleicht noch bis zum heutigen Tag. Doch er war nicht gekommen. War verschwunden geblieben. Ich wußte, daß Dumbledore nach ihm gesucht hatte. Er hatte versucht, ihn über sein fein gespanntes Netz von Informanten ausfindig zu machen, hatte sich in den Gasthäusern nach ihm erkundigt, selbst in die Nokturngasse war er gegangen, um vielleicht dort in den Läden, in denen Snape des öfteren Besorgungen machte, einen Hinweis auf dessen Verbleib zu erhalten. Doch ohne Erfolg.

Noch während ich diesen Gedanken nachhing hatte Voldemort seinen Aufmarsch beendet. Ordentlich und komplex in Reihen sortiert standen seine Anhänger vor uns. Eine endlose Masse schwarz umhüllter Menschen breitete sich vor unseren Augen auf der dunklen Ebene aus. Noch in einigem Abstand, aber bereit, näher zu rücken und das Schloß zu erobern. In diesem Augenblick flog, wie aus dem Nichts kommend, plötzlich ein dunkler, großer Schatten mit einem lauten Flügelschlag an unserem Fenster vorüber, so unerwartet, daß ich unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Kurz darauf hörte ich das zischende Geräusch aufflammenden Feuers nur wenige Meter unter uns, gefolgt von schrillen Schreien. Längst hatte ich die grausame Gefahr erkannt, als jemand aus einem der Gänge entsetzt schrie: „Drachen! Sie haben Drachen!“ Mein Blick wanderte zur Seite zu Professor Dumbledore, der sich in der Zwischenzeit umgewandt hatte. Er hatte damit gerechnet, daß Voldemort im Besitz dieser Tiere sein würde. Zu oft hatten seine Leute in der Vergangenheit Anschläge auf Drachenfarmen verübt, hatten sie Tiere gestohlen, als daß es uns hätte verborgen bleiben können.

„Madam Hooch“, rief Dumbledore und sofort betrat die Angesprochene den Raum. Ihre Haare standen wie gewöhnlich wirr vom Kopf ab, ihre gelben Augen blitzten. Doch auch sie hatte sich verändert, war gezeichnet von unzähligen geschlagenen Schlachten und Strapazen. Eine lange Narbe lief ihr quer von der linken Augenbraue die Wange hinunter, ihre Haare hatten jegliche Farbe verloren, waren nun weiß, so daß sie merkwürdig in dem Dämmerlicht, das den Raum erfüllte, leuchteten und ihr Mund war zu einem dünnen, verbitterten, aber entschlossenen Strich zusammengekniffen.

„Direktor“, erwiderte sie knapp und nickte. Sie wußte, was sie zu tun hatte, wie jeder in diesem Schloß, der fähig war, in irgendeiner Weise diese letzte Zuflucht des Lichtes zu verteidigen. Raschen Schrittes verließ sie das Zimmer und nur kurze Zeit später hörten wir ein lautes Zischen, als die Zauberer auf ihren Besen und den wenigen Hippogreifen, die wir vor den Tötungskommandos Voldemorts hatten retten können, über uns hinweg flogen und den Kampf in der Luft gegen die Drachen aufnahmen.

Gleichzeitig startete in diesem Augenblick der Angriff der Todesser am Boden, und sofort begannen auch die Zauberer in den Fenstern ihre Verteidigung, schleuderten schnell gemurmelte Sprüche hinab in die Menge der heranstürmenden Angreifer. Die vormals dunkle Luft war plötzlich eingetaucht in das grelle, Tod verheißende Licht farbiger Flüche. Sie trafen auf die steinernen, dicken Mauern Hogwarts. Auf diese Mauern, die mir so lange ein beschützendes Heim gewährt hatten. Sie prallten ab von ihnen, von ihrer Stärke und dem Zauber, mit dem sie einst aneinander gefügt worden waren.

Plötzlich hörte ich einen erstickten Schrei hinter mir und drehte mich mit einer ruckartigen Bewegung um. Blaise Zabini war von einem durch das Fenster gedrungenen Lichtblitz getroffen worden und brach ohnmächtig mit einem entsetzten Ausdruck auf dem jugendlichen und doch ernsten Gesicht zusammen. Sofort stürzten zwei Frauen aus dem angrenzenden Gang herbei, hoben ihn behutsam vom Boden auf, trugen ihn aus dem Raum in einen anderen, in dem wir die Krankenstation eingerichtet hatten, und ein anderer junger Mann nahm seinen Platz am Fenster ein.

Traurig blickte ich ihnen nach und wünschte in Gedanken, er würde wieder gesund werden. Und gleichzeitig durchzuckte mich für einen Moment der zweifelnde Gedanke, ob es für ihn nicht besser gewesen wäre, seinem Vater zu Lord Voldemort zu folgen, anstatt sich gegen ihn zu stellen. Denn was hatte ihm sein Mut eingebracht? Ich fühlte mich schuldig. Ich hatte ihn in seiner Meinung unterstützt. Ihn darin bestärkt, für und nicht gegen das Licht zu kämpfen, wie es so viele seiner Hausgenossen taten. Mit einem energischen Kopfschütteln versuchte ich, meine Zweifel beiseite zu schieben, mich zu beruhigen. Er hatte sich für unsere Seite entschieden. Und es war die richtige Entscheidung gewesen.

Der Abwehrkampf um mich herum war weitergegangen, immer öfter hörte ich die dumpfen Geräusche der auf Stein schlagenden Flüche, von den Fenstern strahlte ein unheimliches, farbiges, zuckendes Licht in den Raum und warf seine zitternden Schatten.

In diesem Moment kam Mad-Eye Moody eilig zu Dumbledore und mir herüber gehumpelt. Sein entstelltes Gesicht verzog sich leicht, als er den Mund öffnete und schnell anfing zu sprechen: „So können wir sie nicht aufhalten, Albus. Wir treffen sie zwar von hier oben besser als sie uns in unseren kleinen Scharten, aber es sind zu viele. Irgendwann werden sie das Tor erreichen.“ Dumbledore nickte leicht, woraufhin sich Moody umdrehte und wieder auf seinen Posten zurückkehrte und von nun an anstelle Dumbledores die Kontrolle über die Verteidigung aus den Fenstern heraus übernahm, während Dumbledore und ich den Raum verließen und uns auf den Weg in die Eingangshalle machten, hindurch durch lange Gänge, in denen es, obwohl sie gefüllt waren mit Menschen, erschreckend still war. Das Tor. Der Schwachpunkt jeder Festung. Sollte Voldemort das Tor zur Eingangshalle erreichen, wäre sein Triumph nicht mehr aufzuhalten.

Endlich erreichten wir die riesige Eingangshalle. In ihr und den angrenzenden Hallen und Gängen hatten sich all jene versammelt, die den Kampf zu Boden führen sollten, die Voldemort davon abhalten sollten, bis an das so wichtige Tor zu gelangen. Langsam ließ ich meinen Blick über Teile dieser Gruppe gleiten, die sich aus so vielen völlig verschiedenen Individuen zusammensetzte. Auroren in ihren Uniformen standen neben bleichen, in schwarze Umhänge gehüllten, Vampiren, deren Volk sich wenigstens zu einem Teil unserer Seite angeschlossen hatte. Hagrid mit einer Armee aus Riesen stand in unmittelbarer Nachbarschaft zu Dobby und seinen winzigen, aber trotz allem mächtigen Hauselfen. Und natürlich Zauberer. Zauberer aller Länder, aller sozialen Schichten, aller Altersstufen. Vereint im gemeinsamen Kampf für das Licht.

Mein Blick blieb an einer Gruppe junger Zauberer hängen, die ganz hinten in der Ecke der Halle stand und plötzlich breitete sich eine gewaltige Traurigkeit und Verbitterung unaufhaltsam in mir aus. Sie waren zu jung. Gerade erst der Schule entwachsen, zu jung, um nun bereits ihr Leben in einer Schlacht riskieren zu müssen. All die schrecklichen Dinge mitansehen zu müssen, die sie in wenigen Minuten erleben würden. Verzweiflung überwältigte mich für einen Moment. Warum durften sie nicht in Frieden leben? Warum mußten sie all dies bereits in so jungen Jahren am eigenen Leib erfahren? Was war dies für eine Welt, die es erforderte, daß Menschen, die gerade erst erwachsen geworden waren, gezwungen waren in so drastischer Art und Weise für ihr Glück, um ihr Überleben kämpfen zu müssen? Dabei waren diese Zauberer in der Ecke noch nicht einmal die jüngsten in diesem Kreis. Es gab noch jüngere. Kinder, die in diesem Augenblick in einer Schule sitzen und für das spätere Leben lernen sollten, doch die statt dessen nun hier vor mir standen. Mit trotzig erhobenen Gesichtern, in denen ich, trotz all der Bemühungen der Kinder, die Angst nur allzu deutlich sah. In ihren bleichen Gesichtszügen, mühsam zusammen gekniffen, um aufsteigende Panik oder Tränen zurückzuhalten. Und vor allem in ihren Augen. In diesen jungen, unerfahrenen Augen, in denen sich die Angst so stark widerspiegelte, daß es mir beinahe den Atem nahm.

In diesem Moment schien ein Ruck durch die Menge zu gehen, so daß auch ich unwillkürlich den Blick in die Richtung wandern ließ, in die sich die Köpfe wandten. Er fiel schließlich auf Professor Dumbledore, der nur einige Meter von mir entfernt vor der Eingangstür stand. Doch er war nicht mehr der Dumbledore, der sich eben noch sorgenvoll neben mir befunden hatte. Er hatte sich verändert. Gerade aufgerichtet stand er dort, scheinbar unverrückbar, und gebot mit einer knappen Handbewegung der Menge zu schweigen. Augenblicklich trat eine totale Stille ein, nur gestört von den gedämpft nach hier unten durch dringenden Kampfgeräuschen.

Von Dumbledore schien mit einem Male eine Art Lichtschein auszugehen, so mächtig und strahlend war seine Aura, als er mit warmer, Mut einflößender Stimme begann zu sprechen: „Ich bin mir sicher, hier in diesem Schloß werde ich keine Person finden, die sich unserer momentanen Lage nicht deutlich bewußt ist. Darum, und auch, weil uns die nötige Zeit dafür fehlt, werde ich keine lange Rede halten, wie sie manche von euch vielleicht erwartet haben. Nur zwei Dinge möchte ich noch kurz zur Sprache bringen, bevor wir gleich dort hinaus gehen. Erstens möchte ich noch einmal verdeutlichen, daß niemand von euch gezwungen wird, mir zu folgen. Und niemandem, der, aus welchen Gründen auch immer, es vorzieht hier in diesem Schloß zu bleiben und von dort aus zu kämpfen, wird in irgendeiner Weise ein Vorwurf gemacht werden.“

Er machte eine kurze Pause, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, bevor er mit seiner leisen, aber deutlich hörbaren Stimme fortfuhr: „Zweitens möchte ich euch dringend bitten, Todesflüche mit Bedacht zu verwenden. Natürlich werden sie in manchen Situationen unvermeidlich sein. Auch werden wir von Voldemort und seinen Gefolgsleuten kaum solch eine Gnade erfahren. Aber trotz dieser Tatsache und der Rachegefühle, die sicherlich viele von euch, wie auch ich, empfinden, denkt bitte daran, daß es Menschen sind gegen die wir nun kämpfen müssen. Und als solche sollten wir versuchen sie zu sehen.“

Eine kurze Zeit der Stille trat ein, als Dumbledore seine Ansprache beendet hatte. Rache. Glühend und gefährlich. Sowohl für das Leben der Gegner, als auch für das eigene. Wer in diesem Raum verspürte sie nicht? Jeder hatte Verluste zu beklagen, hatte um Freunde, Verwandte weinen müssen. Meine Gedanken verweilten für einen Moment voller Trauer und Verbitterung bei meiner Familie, meiner Schwester und ihren Kindern, all den langjährigen Freunden, den Schülern, die hatten sterben müssen. Und nun den Mördern entgegentreten, ihnen Gnade gewähren, die sie niemals gezeigt hatten? Ihnen ohne dieses brennende Rachegefühl begegnen? Es schien mir, wie wohl den meisten, unmöglich.

Wie konnten wir vergessen? Vergeben? Und doch wußte ich, tief in mir, daß Dumbledore Recht hatte. Wir durften nicht Vergeltung suchen, indem wir uns ihrer Mittel bemächtigten. Denn das hieße, sich auf eine Stufe zu stellen mit ihnen, die man bekämpfte. Nicht viel besser zu sein, als sie es waren. Und trotz all dieser Vernunft konnte ich die Rachewünsche, die heiß lodernde Wut nicht gänzlich verdrängen. Spürte sie in mir. Zu tief, um sie zu übertünchen. Zu entsetzlich stark, um sie zu vergessen.

In diesem Augenblick begann sich das große, hölzerne Tor langsam zu öffnen, ließ einen immer größer werdenden Spalt entstehen, durch den sogleich die Geräusche der kämpfenden Todesser, Drachen und Verteidiger fielen. Schließlich hatte sich das Tor gänzlich geöffnet und gemeinsam mit Dumbledore führte ich den langen Zug aus Zauberern, Hauselfen, Riesen, Vampiren und allen anderen, die sich unserem Kampf angeschlossen hatten, hinaus ins Freie.

Schwermütig warf ich im Hinausgehen einen letzten Blick auf die dicken, beschützenden Wände neben und über mir, diese alten, zum Teil deutlich von der Zeit gezeichneten, aber trotzdem standfesten Wände, hinter denen ich einen Großteil meines Lebens verbracht hatte, und eine Traurigkeit überfiel mich plötzlich, als wenn ich nun für immer mein Heim, mein Zuhause verlassen und in eine ungewisse Zukunft aufbrechen würde, mit dem Wissen um die Gefahr, es möglicherweise niemals wieder betreten zu können.

Schließlich traten wir ins Freie. Dorthin, wo zu dieser Zeit die schwache Wintersonne die Wiesen und den riesigen See bescheinen sollte. Dorthin, wo statt dessen eine kalte, dunkle Ebene voller Feindseligkeit auf uns wartete. Und nicht nur auf Todesser würden wir treffen, das war mir bewußt. Denn nicht nur Zauberer kämpften in den Reihen des Dunklen Lords. Wie auch wir, hatte die Gegenseite Verbündete, wie Trolle und auch einige Vampire, gewonnen. Und nun rückte sie in mein Sichtfeld, die mächtige Armee Voldemorts. Zum ersten Mal sah ich sie nicht nur aus der Ferne, von einem Fenster des Schloßes weit über ihnen, sondern von Angesicht zu Angesicht.

Für einen Moment lang stockte mir der Atem, als ich in die Kälte trat, diesen Anblick vor Augen. Diese schwarze, bedrohliche Wand, erfüllt von Haß und Zerstörungswut, darauf ausgerichtet, uns, mich zu vernichten. Es dauerte nur einige Sekunden, dann wandten sie sich uns zu, die unter großen Kapuzen verborgenen Gestalten, und begannen, uns ihre Tod bringenden, farbigen Willkommensgrüße voller Energie entgegen zu schleudern. Noch konnten sie uns kaum etwas anhaben. Schnell gemurmelte Abwehrsprüche schützten uns, lenkten die Lichtblitze von ihrem Ziel ab, während wir langsam, geschlossen voranschritten.

Lange marschierten wir so, eine Ewigkeit, wie es mir schien, dann hörte ich in der Ferne hinter mir das laute, mächtige Zuschlagen des Tores zur Eingangshalle, geschlossen von den wenigen, die die Aufgabe übernommen hatten, die riesige Tür hinter uns zu verbarrikadieren. Erneut breitete sich eine tief dringende Melancholie in mir aus, als ich dieses Geräusch vernahm. So hart, so endgültig hatte es geklungen. Und gleichzeitig spürte ich, wie Wut und Rachegefühle in mir aufstiegen, als ich die schwarz umhüllten Todesser betrachtete. Sie, die so viel Leid über die Menschen, über mich gebracht hatten. Die so viele Unschuldige auf grausame Weise gefoltert hatten, so daß ihnen der Tod schließlich beinahe als Erlösung erschienen sein mußte. Die niemals Gnade gezeigt hatten. Und während sich diese kochende Wut langsam in mir ausbreitete, mich erfüllte, schritt ich scheinbar ruhig auf sie zu.

Immer näher kamen sich die Fronten. Immer näher rückte der Zeitpunkt bis zur unmittelbaren Konfrontation. Und dann schließlich erreichten wir sie, begannen sich die Parteien zu vermischen, kämpften wir nun eins gegen eins, während ich weiter hinten in den Reihen die Einschläge der Flüche, abgeschossen von dem hoch hinter uns liegenden Schloß, hörte. Innerhalb weniger Sekunden verwandelte sich die vormals kalte, beinahe gespenstisch stille, dunkle Ebene in ein riesiges, grausames Schlachtfeld. Die Luft war mit einem Male erfüllt von buntem, zuckendem Licht, vermischt mit den entsetzlichen Schreien der getroffenen Menschen.

Der erste Mensch, den ich tötete. Seine Augen, als mein Fluch ihn in die Brust traf. Das plötzliche Weichen des Haßes in den grünen Augen. Verdrängt durch einen Ausdruck des Entsetzens, des Schmerzes, bis schließlich auch dieses, das letzte Zeichen der Lebendigkeit erlosch. Voller Grauen mußte ich mit ansehen, wie er zu Boden sackte, sich sein Mund zu einem leisen Stöhnen öffnete, bevor er für immer verstummte. Was ich angerichtet, mit einem heiser hervorgestoßenen Zauberspruch verursacht hatte. Vernichtet. Ich wußte in diesem Moment, als mein Fluch diesen Menschen, den ich nicht kannte und niemals kennen würde, traf, daß ich diesen Anblick, diesen Ausdruck auf dem sterbenden Gesicht, daß ich dieses Bild niemals wieder loswerden, vergessen würde. Es würde mich verfolgen, in meinen Träumen, in den Stunden des Wartens und Ruhens. Würde mich nicht mehr verlassen von dieser Sekunde, diesem Tag an. Wenn ich ihn überleben sollte.

Und gleichzeitig mit dieser bitteren Erkenntnis, die sich meiner bemächtigte, erlosch die Wut in mir. Verrauchte der brennende Wunsch nach Rache. Und doch durfte ich nun nicht aufhören, so sehr ich mir das in diesem Moment auch wünschte. Mir wünschte, ich könnte mich in eine stille Ecke zurückziehen und trauern. Trauern um den Menschen, den ich soeben ausgelöscht hatte, um all jene, die am heutigen Tag ihr Leben verlieren würden.

Doch der Kampf stoppte nicht, setzte sich statt dessen fort. Und ich mußte teilnehmen, meinen Part in diesem Krieg leisten. Kämpfen und dabei weitere Bilder sammeln, die sich für immer in meinem Kopf festsetzen, sich in mein Gedächtnis unlöschbar einbrennen würden. Und das tat ich. Duckte mich unter Lichtblitzen drunter weg, immer auf der Hut vor neuen Angriffen, und schleuderte meinerseits Flüche gegen Personen, von denen ich nicht einmal das Gesicht unter der Kapuze erkennen konnte und die dennoch Menschen, Individuen mit Träumen und Familien waren.

Plötzlich drang ein gewaltiges Brüllen an mein Ohr. Dröhnend. Grausame Brutalität und Stärke verheißend. Ich hatte genug Erfahrungen im Laufe meines Lebens sammeln können, um zu erkennen, was dort auf uns zukam, auf uns losgelassen wurde. Nur einige Sekunden später bestätigte sich die Erkenntnis, sah ich ihn. Ein Bergtroll, größer als alle seine Artgenossen, denen ich bis zu diesem Augenblick begegnet war. Wie ein riesiger, grünlich grauer Berg stand er vor mir, einen hölzernen Knüppel in den klauenartigen Händen haltend. Schwerfällig kam er näher, durchschritt er die Reihen der ihm Platz machenden Todesser, bis er schließlich nur wenige Meter vor mir stehenblieb.

Schnell hob ich meinen Zauberstab, doch bevor ich oder irgendeiner der anderen, um mich herum stehenden, es verhindern konnten, holte er aus. Schwang seinen Knüppel durch die Menge, scheinbar mühelos, todbringend. Verzweifelt versuchten die Angegriffenen auszuweichen, seinem unaufhaltsamen Schlag zu entkommen. Doch nur wenigen gelang es. Zu energisch, zu entschlossen und mächtig war die Bewegung des Ungeheuers. Ich sah, wie die Menschen zu Boden fielen, durch die Luft geschleudert wurden. Starben. Eine heiß lodernde Wut stieg plötzlich in mir auf, als der Troll nach seinem ersten verheerenden Schlag den häßlichen Mund zu einer grinsenden Fratze verzog und in ein entsetzliches, stumpfes Lachen ausbrach. Sich freute, über die Schwäche seiner Gegner.

Flammende Wut gegenüber diesem Untier, das allein zu seinem Vergnügen in diese Schlacht gezogen zu sein schien. Erfüllt von Abscheu hob ich mit einer schnellen Armbewegung meinen Zauberstab und schrie einen Spruch. Ebenso unzählige andere Zauberer neben mir. Plötzlich erlosch das furchtbare Gelächter. Mit einem erstaunten Ausdruck auf dem unförmigen Gesicht starrte der Troll auf uns hinab, begann unsicher zu schwanken und endlich nach viel zu langer Zeit, fiel er. Klappte förmlich nach vorne und schlug lang auf dem Boden auf. Er war tot. Leblos und stinkend lag er vor mir im Staub. Und obwohl ich tief in mir erkannte, daß dies der falsche Moment dafür war, stand ich dort, blickte auf ihn und spürte, wie sich ein Gefühl des Triumphs in mir ausbreitete. Ein Gefühl der Vergeltung.

Nur einige Sekunden hatte ich so regungslos verharrt, als mir meine Unaufmerksamkeit auf schmerzliche Weise vor Augen geführt wurde. Ein scharfer Stich durchfuhr plötzlich meinen linken Arm. Mit einem erschrockenen Keuchen wandte ich mich ruckartig um, konnte jedoch nicht ausmachen, woher der Fluch gekommen war. Schnell atmend untersuchte ich die getroffene Stelle mit einem flüchtigen Blick. Der Fluch hatte mich nur gestreift, hatte meinen Arm an der Seite aufgeritzt. Blut sickerte durch den dicken Stoff und färbte ihn rot.

„Minerva!“ Mit gezogenem Zauberstab drehte ich mich so schnell ich konnte demjenigen entgegen, der mich beim Namen gerufen hatte. Zwei hellbraune, erschöpfte Augen sahen mich an, tief in den eingefallenen Höhlen liegend. Mein Blick wanderte weiter über die kurzen, inzwischen völlig ergrauten Haare, über das schmale Gesicht und ich erkannte Remus Lupin, der mich besorgt anblickte. „Du bist verletzt“, fuhr er mit heiserer Stimme fort. Ohne auf meine Einwände zu achten, zog er eilig einen weißen Stoffetzen, der früher einmal ein Bettlaken gewesen sein mußte, aus dem mitgenommenen Umhang und wickelte ihn mir um den verletzten Arm, um die Blutung zu stillen, während um uns herum das Kampfgeschehen weiter tobte.

„Danke, Remus“, sagte ich leise, als er fertig war und zwang mich zu einem, kaum gelungenen, Lächeln. Lupin nickte kurz, dann wandte er sich von mir ab. Einen kurzen Moment lang noch blieb mein Blick an der schmalen Gestalt hängen, die leicht humpelnd durch die Kämpfenden davon ging, bis er aus meiner Sicht verschwunden war. Eingetaucht in den nicht enden wollenden Krieg, in das Gewirr aus kämpfenden, schreienden Menschen.

In diesem Augenblick, mit den Gedanken noch bei meinem ehemaligen Kollegen und langjährigen Freund, hörte ich es. Das leise, unterdrückte, aber dennoch deutlich vernehmbare, keuchende Atmen eines Menschen. Eines Menschen, der direkt hinter mir stand. Und in der selben Sekunde wußte ich, daß es kein Freund war, der sich da vorsichtig an mich heran geschlichen hatte. Daß es ein Todesser war, bereit mich zu töten.

Ich erstarrte. Panik breitete sich in mir aus, überwältigte mich, während ich mich zwang, ruhig stehen zu bleiben. Kalter Schweiß brach mir aus, mein Herz raste. Wieder war ich zu unachtsam gewesen. Zum zweiten Mal innerhalb so kurzer Zeit. Doch dieses Mal würde es kein Entkommen geben, kein Entrinnen. Ich hatte nicht genügend Zeit, konnte nicht schnell genug reagieren. Den Fluch nicht abwehren. Ich wußte es. Spürte es. Spürte den auf meinen Rücken gerichteten Zauberstab, den auf mich gehefteten Blick. Es war vorbei. Wie oft hatte ich mir diesen Moment vorgestellt, wie lange hatte ich Zeit gehabt, mich auf das Unvermeidliche einzustellen. Und doch war es anders.

Verzweiflung stieg in mir auf, brannte in mir. Warum dauerte das so lange? Warum zögerte, quälte er mich so lange? Ergeben, doch voller kalter Wut, voller Entsetzen schloß ich langsam die Augen. Spürte, wie sich mein Brustkorb heftig hob und senkte, während ich gleichzeitig das Gefühl hatte, die Angst würde mich ersticken. Mit geschlossenen Augen stand ich dort, wütend, verzweifelt, wie ich es noch niemals zuvor erlebt hatte. Wartend. Doch nichts geschah. Kein Fluch wurde gesprochen, kein vernichtender Blitz traf mich.

Zögernd öffnete ich meine Augen, hob meine Hände zum Zeichen meines Ergebens und drehte mich vorsichtig, langsam um, mit einem Kloß im Hals, der drohte, mir den Atem zu nehmen. Doch ich erblickte nicht das haßerfüllte, unbekannte Gesicht eines entschlossenen Todesser, das ich erwartet hatte. Entsetzt starrte ich in zwei mir bekannte, jugendliche blaue Augen. In eine schwarze Todesserrobe gehüllt stand er vor mir, die Gesichtszüge zu einem furchtbaren Ausdruck der Furcht und Unsicherheit verzerrt, den Zauberstab zitternd auf mein Herz gerichtet. „Vincent Crabbe“, stieß ich leise hervor und mein Blick glitt über das kräftige, schweißüberzogene Gesicht meines ehemaligen Schülers, der bei der unerwarteten Nennung seines Namens zusammenzuckte, als hätte er sich verbrannt. Angsterfüllt starrte er mich an.

So verharrten wir eine Weile, bis er schließlich langsam, zögernd den Mund öffnete. Entsetzt wartete ich darauf, daß er sich überwinden, nun den tödlichen Fluch aussprechen würde. Doch er tat es nicht. Statt dessen fing er mit schwacher Stimme stockend an zu reden: „Professor...“ Plötzlich hielt er inne. Seine Augen weiteten sich in einem furchtbaren Ausdruck des Erstaunen. Seine angespannten Gesichtszüge erschlafften, als ihn der Fluch in den Rücken traf. Die blauen Augen blickten mich noch einen Moment lang angsterfüllt und, wie es mir schien, vorwurfsvoll an, dann erstarb jegliches Leben in ihnen, während die Beine des jungen Mannes unter ihm nachgaben und er unaufhaltsam zu Boden sackte.

Tränen liefen mir über die Wangen, als ich noch einen letzten Blick auf diesen jungen Todesser warf, der sich gescheut hatte, mich zu töten und nun an meiner Stelle leblos vor mir lag, getroffen von einem tödlichen Fluch unbekannter Herkunft. Vielleicht war es einer der Kämpfer des Lichts gewesen, der versuchte hatte, mich zu retten, vielleicht einer der Todesser, der die vermeintliche Schwäche seines Partners hatte bestrafen wollen, vielleicht auch ein Querschläger, abgegeben, ohne zu wissen, wen er schließlich treffen würde.

Erschüttert, beinahe blind, stolperte ich weiter, ziellos, nur weg von diesem Gesicht, das mich anklagend anzusehen schien. Weg von den Grausamkeiten dieses Krieges. Dem Schrecken entfliehen, der Dunkelheit entkommen. Orientierungslos, die Flüche nicht beachtend, die um mich herum zischten, irrte ich über das Schlachtfeld, bis ich schließlich einen schützenden Berg erreichte, hinter dem ich in Deckung ging. Es war einer der Trolle, die sich Voldemorts Armee angeschlossen hatten. Wie Vincent Crabbe. W

ieder tauchte sein unsicheres Gesicht vor meinem geistigen Auge auf. Es war erst knapp über ein halbes Jahr her, daß er diese Schule nach Vollendung des siebten Schuljahres verlassen hatte. Vor einem halben Jahr. So lange her. Weit entfernt, wie ein Traum, diese Zeit, als die Sonne noch schien, als der Schatten nur unterschwellig zu spüren gewesen war. Vincent Crabbe. Er hatte sich, im Gegensatz zu seinem Freund Gregory Goyle, gegen die Seite des Lichts entschieden, war seinem Vater zu Voldemort gefolgt. Vielleicht aus Überzeugung, vielleicht aber auch nur aus Bequemlichkeit, aus Angst, von der Familie ausgestoßen zu werden, auf sich allein gestellt zu sein. Nun war sowohl Crabbe, wie auch sein Freund, tot. Müde lehnte ich mich an den stinkenden Haufen Troll hinter mir. Und während der Kampf um mich herum weiter tobte, stand ich regungslos dort, unfähig, die grausamen Dinge, die passierten, aus meinem Bewußtsein zu verdrängen, aus zu sperren. Zu viel, zu brutal, zu erschreckend, war es, um es zu ignorieren.

Ich sah, wie Oliver Wood, ein anderer ehemaliger Schüler von mir, ganz in meiner Nähe tot zusammenbrach. Getroffen von einem Fluch, der nicht von einem der hier unten Kämpfenden gekommen war, sondern von irgendwo, weit über uns. Von den Fenstern, den Scharten des mächtigen Schloßes, das hinter uns aufragte und das wir zu verteidigen suchten. Getötet von einem Lichtblitz, abgefeuert aus den eigenen Reihen. Freundliches Feuer. So nannten es die Muggel. Eine zynische, eine makabre Bezeichnung für einen Vorfall, bei dem ein Mensch, ein Mensch voller Hoffnungen und Visionen, sterben mußte. Auf brutale Art und Weise des Lebens beraubt wurde. Einen Vorfall, der einem Menschen nichts ließ, außer dem Wissen, daß er einen Freund getötet hatte. Eine Schuld, die er niemals wieder gut machen, geschweige denn würde vergessen können.

Ich sah einen großen, schlanken Mann mit bleichem Gesicht und hellblonden Haaren weinen. Draco Malfoy. Von der Last seiner Tat gekrümmt stehend. Gebeugt über seinen Vater, den er getötet hatte. Mit herabhängenden Armen stand er über ihm, den dunklen Zauberstab mit seinen dünnen Finger krampfhaft umklammert. Blickte auf ihn nieder, auf den Mann, der vergeblich versucht hatte, seinem Sohn seinen Weg aufzuzwingen. Weinend, bis seine grauen Augen, unter denen sich die schwarzen Ringe deutlich von der blassen Haut abhoben, keine Tränen mehr hatten. Weinte um ihn, von dem er geglaubt hatte, sich vollständig gelöst zu haben.

Ich sah, wie langjährige Bekannte, Freunde, Partner im Kampf für das Licht fielen. Wie sie getroffen zu Boden sackten, ihre Lebensenergie erlosch. Wie Sirius Black starb. Er, der die Hölle Azkabans überlebt, Jahre der Verfolgung hinter sich gebracht hatte, bevor er endlich freigesprochen worden war und er sich ausschließlich der Verfolgung von Todessern hatte widmen können.

Ich mußte hilflos mit ansehen, wie er stürzte und leblos liegen blieb. Wie Remus Lupin einen furchtbaren, markerschütternden Schrei ausstieß und zu seinem toten Freund hinüber rannte, sich nieder kniete und vergeblich versuchte, Sirius ein Zeichen des Lebens abzuringen. Wie er sich endlich wieder erhob, das freundliche, gutmütige Gesicht zu einer grausigen Maske des Haßes verzerrt, in wilder Raserei und Rachedurst um sich schießend, bis er schließlich selbst getroffen wurde und tot neben Sirius Black zusammensackte.

So viele entsetzliche Dinge mußte ich beobachten, hören, während ich dort hinter dem Troll stand und mich eine tiefe Mutlosigkeit überwältigte. Mit einem Male fühlte ich mich furchtbar alt, verbraucht. Die Trauer und der Schmerz, den ich verspürte waren so gewaltig, daß ich kaum glaubte, sie noch länger ertragen zu können. Doch gerade in diesem Moment, in dieser finsteren Stunde, in der für mich jede Hoffnung verloren schien und ich mich nur noch nach Ruhe, nach Frieden, und sei es für immer, sehnte, in dieser Sekunde fiel mein Blick auf Albus Dumbledore, der nicht weit von mir entfernt kämpfte.

Groß und mächtig stand er dort und ließ die Angriffe an sich abprallen, scheinbar unbesiegbar, ungebrochen schlug er breite Schneisen in die Reihen der heran stürmenden Todesser. Seine helle Macht strahlte von ihm aus, so daß er auf mich wie ein beruhigender Hort des Lichtes inmitten der trostlosen Dunkelheit wirkte. Plötzlich schien etwas von seiner Energie, seiner Entschlossenheit auf mich überzugehen, mich zu stärken. Mit neuem Mut straffte ich meinen Körper und versuchte, zu Dumbledore zu gelangen, zu ihm, der von dieser tröstenden Wärme und einem strahlenden Licht eingehüllt war.

Vorsichtig bemühte ich mich, mir einen Weg zu ihm zu bahnen, hindurch durch die kämpfenden Massen, doch schon bald wurde mein zielstrebiges Wandern unterbrochen, wurde ich in Kämpfe verwickelt. Und wieder tötete ich. Wurden Menschen neben mir getötet. Nicht nur dort, auf dem Boden, auch in der Luft, hoch über unseren Köpfen, wo die Besenreiter und Hippogreife versuchten, die Drachen unschädlich zu machen. Meist weit von uns entfernt trafen ihre Gewalten aufeinander. Nur manchmal gelang es einem der Drachen nach unten durch zu stoßen, doch wurden sie schnell von unserer Abwehr abgefangen und wieder in die Höhe getrieben, so daß wir von ihrem tödlichen Feuer verschont blieben. Und langsam schien es, als würde unsere Seite die Oberhand gewinnen, breitete sich Hoffnung in mir aus, als wir weiter und weiter vorrückten, während die Reihen der Todesser sich langsam begannen zu lichten und zurückgedrängt wurden, weg von dem Schloß in unserem Rücken.

Dann kam er. Ruhig schritt er durch seine Anhänger und unsere Kämpfer, die von plötzlicher Ehrfurcht und Angst erfüllt vor ihm zurückwichen. Der Dunkle Lord. Voldemort. In einen silbernen, weiten Umhang gekleidet näherte er sich langsam Dumbledore, bereit nun diese Schlacht zu entscheiden. Mit einem siegessicheren Ausdruck auf dem abstoßenden, schlangenartigen Gesicht und einem gefährlichen Glitzern in den rot glühenden Augen ging er auf den Mann zu, der der Einzige war, dessen Macht er fürchtete. Der einzige, dessen Heim er so lange nicht anzugreifen gewagt hatte. Der einzige, der seinen Triumphmarsch zur Weltherrschaft noch stoppen konnte. Haß stieg zum wiederholten Male an jenem Tag in mir auf. Rasende Abscheu gegen diese unmenschliche Figur, die es sich anmaßte, die Erde in die Dunkelheit zu stürzen. Diese kalte Person, die unendlich vielen Menschen den Tod und Leid gebracht hatte, nur weil sie nicht in sein Idealbild des Menschen paßten, weil sie ihm nicht folgten oder sich gegen ihn gestellt hatten. Oder einfach, weil es dem Dunklen Lord Vergnügen bereitete, Unschuldige zu ermorden, sich immer neue grausame Foltermethoden auszudenken und diese auszuprobieren. Weil er die Angst in den Augen der von ihm zum Tode Verurteilten genoß, sie brauchte, als Beweis seiner Macht.

In diesem Moment erreichte Voldemort eine Stelle, von der aus er freie Sicht auf seinen Erzfeind Professor Dumbledore hatte und von der aus er seinen Angriff, den Kampf beginnen konnte. Doch zu meiner Überraschung tat er dies nicht. Statt dessen hielt er in seiner Bewegung inne, stoppte und blickte starr auf den Ort, an dem ich Dumbledore wußte. Für einige Sekunden verharrte er so und mir schoß der irrsinnige Gedanke durch den Kopf, er würde sich ergeben, denn für einen Augenblick lang dachte ich, etwas in seinen roten Augen aufglimmen zu sehen, wie zwanghaft unterdrückte Zweifel, beinahe Widerwillen gegen das, was er zu tun plante. Doch dieser Ausdruck, dieses leise Zögern verschwand so schnell wieder, wie es gekommen war und wich dem gewohnten, harten Glitzern, so daß ich meinen Gedanken nicht einmal völlig zu Ende gedacht hatte, bevor ich ihn bereits in das Reich der Einbildung verbannte. Nun endlich griffen die dürren, langen Finger des Dunklen Lords in seinen Umhang, zogen, beinahe zärtlich, den schwarzen Zauberstab hervor und richteten ihn auf Dumbledore. Nur den Bruchteil einer Sekunde später war der Weg zwischen den beiden mächtigsten Zauberern unserer Zeit erfüllt von gleißendem Licht. Der entscheidende Kampf hatte begonnen.

Plötzlich vernahm ich hinter mir ein gefährliches Geräusch und bemerkte aus dem Augenwinkel heraus die rasche Bewegung einer schwarz ummantelten Person. Reflexhaft wirbelte ich herum und sprach, beinahe schon zum Instinkt geworden, einen Fluch. Ein grüner Lichtsstrahl blitzte auf, breitete sich aus und traf den, in die Todesserrobe gekleideten, Menschen in die Bauchgegend. Ein unterdrücktes Stöhnen war zu hören. Mein Blick suchte das Gesicht unter der Kapuze und mit einem Male erstarrte ich in kaltem Entsetzten, als er direkt auf zwei schwarze Augen fiel. Scharf sog ich die Luft ein, als ein furchtbarer Verdacht in mir aufflammte, während der Todesser vor mir zu Boden fiel und mit dem Gesicht zur Erde liegen blieb.

Von eisigem Grauen erfüllt stand ich kurze Zeit wie gelähmt dort und blickte hinab auf den leblosen, gänzlich von der schwarzen Robe verdeckten Körper. Dann endlich löste ich mich aus meiner Starre und ging langsam in die Knie. Zögernd näherten sich meine Finger dem dunklen Stoff, bis ich mir einen Ruck gab, den Menschen vorsichtig an der Schulter packte und ihn auf den Rücken drehte. Unsicher ließ ich meinen Blick hinauf wandern, bis er schließlich gänzlich auf dem Gesicht liegen blieb. Und nun erkannte ich, daß es sich um eine junge Frau, vielleicht gerade fünfundzwanzig Jahre alt, handelte, die ich nicht kannte.

Meinen Atem und Herzschlag nur langsam wieder beruhigend, schloß ich die Augen. Er war es nicht. Eine Welle der Erleichterung überkam mich. Doch gerade, als ich mich wieder erheben wollte, um zu sehen, wie sich der so wichtige Kampf zwischen Dumbledore und Voldemort entwickelte, spürte ich plötzlich, wie sich eine Hand um meinen Arm legte und sich wie ein Schraubstock zusammenzog. Erschrocken öffnete ich die Augen und sah, daß die junge Frau, die ich getroffen hatte, erwacht war. Hastig griff ich nach ihrem Zauberstab, der nur wenige Zentimeter von ihr entfernt lag, warf ihn weg, so daß es ihr unmöglich wurde, ihn zu erreichen und richtete den meinen vorsorglich auf die verletzte Frau.

Schwer atmend lag sie vor mir, ihre Hand noch immer krampfhaft um meinen Arm geschlossen und blickte mich mit einem schmerzerfüllten, ängstlichen Ausdruck in den Augen an, die, wie ich nun erkannte, nicht schwarz, sondern tief dunkelbraun waren. Ihr blasses Gesicht, das umrahmt wurde von langen, dunklen Haaren, wirkte extrem angespannt, sie schien heftige Schmerzen zu haben. Gequält öffnete sie langsam ihre schmalen Lippen und versuchte offenbar, etwas zu sagen, aber nur ein leises, heiseres Stöhnen war zu hören. Doch es war leicht zu sehen, was sie von mir wollte. Ihre Augen flehten um Hilfe, um Gnade. Die Augen einer Todesserin. Die Person, die vermutlich kurz davor gewesen war, mich zu töten. Sie war eine Frau, die vermutlich etliche Morde und andere Aufträge für den Dunklen Lord begangen hatte. Was wußte eine Todesserin von Gnade?

Verbittert wollte ich mich erheben. Ich hatte schon viel zu lange hier gehockt, viel zu lange mein Glück, nicht von einem ihrer Partner angegriffen zu werden, strapaziert. Doch die Hand an meinem Arm zog mich wieder nach unten. Bittend. Zwang mich, in ihre Augen zu sehen, zu erkennen, daß sie ein Mensch war. Seufzend ließ ich mich wieder nieder und warf einen flüchtigen Blick auf die Wunde, die ich ihr zugefügt hatte. Sie war nicht allzu tief, aber doch gefährlich, wenn sie nicht behandelt würde. Doch dazu hatte ich keine Zeit. Nicht in diesem Augenblick, in dem sich die Schlacht zu entscheiden schien. Mit zwei leise gemurmelten Sprüchen linderte ich ihre Schmerzen und ließ sie in eine tiefe Ohnmacht fallen. Mehr konnte ich nicht für sie tun.

In diesem Augenblick vernahm ich lautes Jubeln ganz in meiner Nähe. Ruckartig stand ich auf, von einer ängstlichen Spannung erfüllt, was dieses Frohlocken ausgelöst hatte. Und auf welcher Seite. Hektisch sah ich mich um, versuchte in den Gesichtern der um mich herum Kämpfenden zu lesen, was passiert war. Doch zu sehr schienen sie alle aufeinander konzentriert, durften sich nicht ablenken lassen, als daß ich etwas hätte erkennen können.

Panik stieg in mir auf. Was war mit Professor Dumbledore? War er etwa... Verzweifelt schob ich diesen entsetzlichen Verdacht beiseite. Nein, das durfte nicht sein. Zu wichtig war er für uns, zu sehr schmerzte allein der Gedanke, ohne ihn weiter kämpfen, weiterleben zu müssen. Und dann endlich sah ich ihn. Sah ich sein Leuchten nur wenige Meter von mir entfernt. Eilig, von aufkeimender Hoffnung getrieben stürzte ich auf ihn zu. Kämpfte mich durch die Reihen von Freund und Feind, vollständig auf mein Ziel, auf den brennenden Wunsch, ihn zu erreichen, erfüllt, bis er schließlich vor mir stand. Unversehrt. Groß. Mächtig. Und vor ihm auf dem Boden auf furchtbare Art und Weise verrenkt lag der Dunkle Lord. Geschlagen von Albus Dumbledore bei dem Versuch, dessen Schule einzunehmen. Getrieben von Haß in seiner reinsten Form, von dem Wunsch nach der Weltherrschaft.

So nah war er diesem Ziel gekommen, beinahe in greifbare Nähe schien es gerückt. Und doch war er letztendlich gescheitert. Das heiße Gefühl des Triumphes mischte sich mit Hoffnung, als ich ihn so dort liegen sah. Mit dem selben entsetzlichen Ausdruck in den Augen, den ich an diesem Tage schon so oft hatte erblicken müssen. Erstaunen. Ungläubiges Erstaunen lag in den toten roten Augen, die, obwohl der abgrundtiefe Haß endlich erloschen war, noch immer eine grausame Brutalität ausstrahlten.

Das erste Lächeln dieses Tages, zu dem ich mich nicht zwingen mußte, das echt, wenn auch schwach war, umspielte meine Lippen, als ich meinen Blick von dem geschlagenen Voldemort zu Professor Dumbledore hinüber wandern ließ. Hochaufgerichtet und strahlend hell stand er vor mir, seine blauen Augen funkelnd auf den niedergeworfenen Feind gerichtet, den Zauberstab noch immer auf den Dunklen Lord zielend, als könnte er es noch nicht fassen, daß er nun nicht mehr aufstehen, angreifen würde. Liebevoll nahm ich dieses Bild in mich auf, wollte es bewahren. Eine kurze Zeit verharrte ich so, gebannt auf den Direktor Hogwarts blickend, dann machte ich einige Schritte auf ihn zu und legte ihm meine Hand vorsichtig auf den, den Zauberstab haltenden Arm.

„Albus?“, fragte ich leise. Nur zögernd schien sich Dumbledore von Voldemort lösen zu können, von der Gestalt, die einmal sein Schüler, später dann sein erbittertester Feind gewesen war und den er nun nach einer so langen Zeit des daraufhin Arbeitens vernichtet hatte. „Du hast gesiegt, Albus. Voldemort wird Hogwarts nicht einnehmen, egal was heute noch alles passieren wird. Es gibt Hoffnung, Albus“, fuhr ich mit einem angedeuteten Lächeln fort. Doch noch immer war Dumbledores Blick auf den Dunklen Lord gerichtet, als er langsam, zögernd antwortete: „Und doch... war es... beinahe zu einfach.“

Verwirrt verstummte ich für einen Augenblick, bevor ich mit einem zuversichtlichen Unterton in meiner Stimme sagte: „Möglicherweise haben wir ihn immer überschätzt. Möglicherweise haben wir ihm eine Kraft zugesprochen, die er nie hatte.“ Endlich wandte Dumbledore sich mir langsam zu, trafen mich seine blauen Augen, von denen diese gewaltige Wärme und Güte auszugehen schien, die ich in den vergangenen Stunden des Kampfes so schmerzlich vermißt, nötiger gebraucht hatte als jemals zuvor. „Vielleicht hast du Recht, Minerva.“

Erleichtert bemerkte ich, wie sich seine Lippen zu einem dankbaren Lächeln verzogen und ich spürte in mir eine warme, innige Zuneigung zu diesem Mann aufsteigen, der mir allein durch seine Anwesenheit, seine Ausstrahlung Mut gab, zu einer Zeit, als ich gerade geglaubt hatte, diesen endgültig verloren zu haben. Und es gab mir Kraft, Energie, an seiner Seite weiter zu kämpfen. Denn das mußte ich. Voldemort war zwar gefallen, doch die Schlacht setzte sich fort, noch immer standen Massen an Todessern vor uns, nicht bereit, sich zu ergeben. So schoß ich weiter meine todbringenden Flüche ab, tötete junge, unerfahrene Gesichter, die mich beinahe ängstlich ansahen, tötete alte, die mir haßerfüllt entgegen funkelten, bevor sie für immer erloschen. All jene, von denen ich nicht wußte, aus welchen Gründen sie sich der dunklen Seite angeschlossen hatten, ob aus Überzeugung, Zwang der Familie, Bequemlichkeit oder einfach nur dem Glauben, sie würden nur so eine Chance haben, schließlich auf der Seite der Sieger zu stehen. Und langsam rückten wir vor, drängten die schwarzen Gestalten zurück, lichteten wir ihre Reihen, während meine Hoffnung stieg, diesen furchtbaren Kampf in nicht allzu ferner Zeit beenden zu können, ihn zu gewinnen.

Gerade richtete ich mich nach einem gewonnenen Zweikampf auf und versuchte, mir einen genaueren Überblick über unsere Situation zu verschaffen, als plötzlich der Boden unter meinen Füßen zu beben begann. Zunächst nur schwach, kaum spürbar, nach nur wenigen Sekunden sich zu einem gewaltigen Zittern steigernd, das mich Mühe haben ließ, auf den Beinen zu bleiben. Irritiert ließ ich meinen Blick hinüber zu Dumbledore huschen, der jedoch in Kämpfe mit einigen Todessern verwickelt und somit zu beschäftigt war, um mir sagen zu können, was hier vorging, mich zu beruhigen.

Blitzartig duckte ich mich vor einem heran sausenden Fluch, den ich aus den Augenwinkeln heraus wahrgenommen hatte, gerade noch rechtzeitig, um seiner tödlichen Wirkung zu entgehen. Um mich herum ging die Schlacht weiter, wurde weiter gekämpft, während die Gegner versuchten, sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Plötzlich riß mich ein erneuter, heftiger Erdstoß von den Beinen, zwang mich auf die Knie. Einen Moment lang sah ich nichts mehr, außer die Beine neben mir kämpfender Menschen, lange zerschlissene Umhänge.

Panisch versuchte ich, wieder auf die Beine zu kommen. Mich mit der Hand am staubigen Boden abstützend, richtete ich mich schließlich schwankend auf. Was ich dann sah, verschlug mir für einige Sekunden den Atem, so unfaßbar, so unerwartet war es in mein Sichtfeld gerückt, daß es mir merkwürdig unwirklich schien. Doch es war keine optische Täuschung, kein Irrtum. Es war real, der Grund, warum der Boden begonnen hatte, sich zu bewegen. Sich zu wehren, gegen das, was nicht weit von hier entfernt mit ihm passierte:

In einem weiten Kreis um das Schlachtfeld herum wuchs etwas auf dem vormals ebenen Untergrund. Entstand aus ihm. Erdwälle hoben sich aus den Tiefen der Erde, wuchsen, langsam, aber scheinbar unaufhaltsam in die Höhe. Schlossen einen Kreis um uns. Kesselten uns Kämpfende ein. Wie gelähmt beobachtete ich, wie ein unnatürlich gleichmäßiger Ring entstand, während der Boden unter meinen Füßen weiter zuckte und zitterte, als wollte er mit aller Kraft gegen die Gewalt angehen, die ihn in so brutaler Weise verformte, ihm Stücke entriß und in die Luft hob. Endlich war es zu Ende, die Folter der Erde stoppte und mit ihr deren Gegenwehr. Ein kreisförmiger Damm hatte sich um die, noch immer in ihren Kampf vertieften, Menschen geschlossen, sie gefangen genommen. Ein Damm von gleichbleibender, gewaltiger Höhe und Breite. Nur an einer Stelle, gegenüber dem Schloß war ein noch höherer Berg erschienen. Und auf diesem Berg tauchte in diesem Augenblick ein weiterer Todesser, wie aus dem Nichts kommend, auf. Apparierte dort, wo man es eigentlich nicht konnte. Nicht können sollte.

Dann war die Luft plötzlich erfüllt von dem Geräusch flatternder Umhänge und auf dem Wall um uns herum apparierten Todesser. Standen dicht gedrängt da und blickten auf uns Kämpfende hinab. Und sie waren nicht allein. Dies wurde mir mit einem Schlag bewußt. Zu deutlich war ihre Anwesenheit zu spüren, als daß ich sie hätte nicht bemerken können. Zu eisig war die Kälte, die sich mit ihrem Erscheinen über uns, über mich legte. Bitterkalt. Durchdringend. Ohne Chance, ihr zu entkommen. Dementoren. Ich spürte sie, sah sie schließlich. Wie neblige, dunkle Gestalten hatten sie sich hinter den wartenden Todessern versammelnd. Hungrig. Unmenschlich. Eine undefinierbare Furcht mischte sich in mir mit der unerbittlichen Kälte, verstärkte sie. Unsicher bewegte ich mich in Richtung Dumbledore, von dem sehnlichen Wunsch getrieben, sein Licht zu sehen, seine Wärme zu spüren, der es vielleicht gelingen würde, diese brutale Kälte zu vertreiben.

Als ich ihn endlich beinahe erreicht hatte, fiel mein Blick erneut auf den einen Todesser, der noch immer alleine auf dem Hügel stand und ich erstarrte, blieb wie fest gefroren stehen, unfähig, mich zu rühren. Wie gebannt blickte ich hinauf zu der, in wallendes Schwarz gehüllten, Gestalt. Wie gelähmt, gefangen in der Starre, beobachtete ich, wie der Todesser seine, in weite, schwarze Ärmel gekleideten, Arme seitlich seines Körper wegstreckte und sie langsam, beinahe bedächtig, in Richtung Himmel hob.

Sofort begann sich die Luft, wie weiße Nebelschwaden, um ihn zu drehen. Immer stärker wurde dieses Gebilde, wie eine undurchsichtige Windhose rotierte sie um die schwarze Gestalt, bis es sich schließlich von ihr löste und aufstieg, den Todesser mit nun wieder gesenkten Armen zurücklassend. Nur einige Sekunden später hatte sich die Windhose in einen mächtigen Orkan verwandelt, der sich zunächst über den Himmel ausbreitete, dessen Ausläufer jedoch auch uns, die auf dem Boden standen, erreichten. Ein heftiger Wind drohte mich zu Boden zu werfen, aus dem Gleichgewicht zu bringen. Verzweifelt, noch immer erfüllt von völliger Überraschung versuchte ich, mich dagegen zu stemmen, stehen zu bleiben. Versuchte durch die Nebelschwaden, die dieser unnatürliche Wind mit sich führte, zu Dumbledore zu gelangen. Auf Schutz und Sicherheit hoffend, irrte ich einige Schritte orientierungslos durch die weiße Wand, die sich um mich herum ausgebreitet hatte. Und dann endlich, als ich schon entmutigt aufgeben wollte, fand ich ihn, klammerte mich an ihn.

„Was um Himmels Willen ist das, Albus?“, fragte ich geschockt von dem Anblick, der sich mir und allen anderen auf diesem Schlachtfeld bot. Dumbledore schien einen Moment lang zu zögern, dann jedoch öffnete er langsam den Mund und antwortete mit heiserer Stimme: „Das ist tief schwarze Magie. So dunkel, daß es keinen Namen für sie gibt.“ Angst stieg unaufhaltsam in mir auf, bemächtigte sich meiner, egal, wie sehr ich auch versuchte, es zu verhindern, angesichts dieses Tonfalls, in dem Professor Dumbledore zu mir gesprochen hatte. So müde, traurig, nur ein Abglanz seiner selbst.

Eine kurze Stille folgte, bevor er leise, so daß ich Mühe hatte, ihn zu verstehen, fortfuhr: „Es ist ein kalter, ein licht- und hoffnungsloser Weg, dieser Weg, dem Voldemort weiter gefolgt ist, als all seine Vorgänger zu gehen wagten.“ Wieder herrschte für einen Moment Schweigen, Ruhe, nur durchbrochen von dem tosenden Heulen des Sturmes und den dadurch gedämpften Geräuschen der tobenden Schlacht. Das endlose Zischen der Tod und Verderben bringenden Flüche, die markerschütternden Schreie der getroffenen Menschen und weit über uns das Brüllen der, gegen das Zentrum des Orkans kämpfenden, Hippogreife.

„Hast du ihn jemals betreten?“, erkundigte ich mich unsicher, selbst nicht wissend, ob oder wenn, welche Antwort ich erhoffen sollte. Zu grausam erschienen mir alle Erwiderungen und ihre Bedeutungen, die er mir auf diese Frage geben konnte. Zu sehr ahnte ich, daß beide Möglichkeiten würden Verderben bedeuten. Denn selbst wenn Dumbledore diese grauenhafte Art der Magie beherrschen würde, so hatte er sie doch niemals zuvor gezeigt. Und wer konnte voraussagen, welch zerstörerische Wirkung ihr dunkler Gebrauch, und sei es auch im Kampf für das Licht, auf uns alle und besonders auf Dumbledore selbst haben würde? Doch wenn er sie nicht hatte, diese zweifelhafte Fähigkeit, wie sollte es dann noch Hoffnung geben? Wie sollten wir diesen, scheinbar so übermächtigen, Feind dann noch in die Knie zwingen?

All diese zerrissenen Gedankenfetzen schossen mir, innerhalb der bangen Sekunden durch den Kopf, während ich Dumbledore ängstlich wartend ansah. Dieser wandte schließlich seinen Blick langsam von der Stelle ab, an der ich den Todesser wußte und auf die er bis zu diesem Moment regungslos gestarrt hatte, als könnte er ihn durch die Wand aus Nebel hindurch sehen, und ließ ihn nun auf meinem Gesicht ruhen. „Nein“, sagte er heiser. „Ich beherrsche einige Arten der schwarzen Magie, doch diesen Weg bin ich niemals gegangen, denn er verleiht zwar Macht in ihrer reinsten Form, doch nimmt er zu vieles, das ich niemals bereit wäre zu geben.“

Erneut machte er eine kurze Pause, hielt er inne, als sträubte er sich innerlich, weiter zu sprechen. „Der Weg der dunklen Macht, Minerva, fordert einen hohen Preis von den wenigen, die ihn beschreiten. Und je mehr du meinst zu gewinnen, desto mehr geht dir für immer verloren.“ Bei diesen letzten Worten, während der Sturm mit einem Mal wieder abflaute, der Nebel sich verzog und die Kampfgeräusche um uns herum wieder an Lautstärke und Heftigkeit zunahmen, sah mir Dumbledore zum ersten Mal seit Beginn unseres Gesprächs direkt in die Augen und unwillkürlich versetzte es mir einen tiefen Stich, erschrak ich, als ich zurückblickte. In diese freundlichen, strahlenden Augen, die mir so viel bedeuteten, die mir so sehr geholfen hatten, während der Zeit des Kampfes und ohne die ich nicht lange würde weiter kämpfen können. Denn in diesem Moment war ihre Güte, ihre Wärme überdeckt, überzogen von einem Schleier aus Wehmut und Trauer, wie ich sie erst selten bei Dumbledore gesehen hatte. Und es machte mir Angst, diesen Ausdruck wahrnehmen zu müssen, gerade jetzt, da ich in einem so großen Maße von seiner Entschlossenheit, seinem Optimismus abhängig und so wenig in der Lage, ihn zu stärken, ihm seine Zuversicht wiederzugeben, war.

In dieser Sekunde verstummte plötzlich das Kampfgewirr um uns herum, erloschen die blitzenden Flüche, stoppten die Schreie, die schnell gerufenen Zaubersprüche. Eine eisige, eine gespannte Stille legte sich mit einem Male über das Schlachtfeld, verschluckte jeden Laut, der sie hätte durchbrechen können. Doch Dumbledore und ich verharrten weiter so, reagierten nicht, blickten weiter regungslos einander an. Für diesen einen, kurzen Moment schien ich nur noch diese hellblauen Augen wahrzunehmen, war der Rest der Welt ausgesperrt aus meinem Bewußtsein. Und gleichzeitig kroch der furchtbare Verdacht in mir auf, daß dies vielleicht das letzte Mal sein würde, daß ich dieses Funkeln, das so typisch für Dumbledore war und das mir selbst jetzt noch Wärme, Mut spendete, daß ich dieses wundervolle Funkeln würde sehen können. Doch obwohl ich es ahnte, war ich in keiner Weise darauf vorbereitet, was dann geschah.

Noch immer war kein Laut zu hören, noch immer schien das Schlachtfeld, die Welt wie erstarrt, als ich verzweifelt, aber ohne etwas dagegen tun zu können, mit ansehen mußte, wie Dumbledore langsam den Blick von mir nahm. Und während seine Augen noch wanderten, noch den Auslöser für die plötzliche Stille zu suchen schienen, sah ich einen neuen Ausdruck in seinen Augen, den ich dort nicht kannte. Ich sah Angst. Nicht deutlich, wie ich sie in so vielen Augen an diesem Tag gesehen hatte. Noch übertüncht von der strahlenden Aura, dem Licht, das den neben mir stehenden Mann umgab und ihn scheinbar vor allen Schrecknissen und Gefahren an diesem Ort beschützte. Und doch war sie da. Noch unterschwellig, als könnte Dumbledores Wille sie vielleicht doch noch zurückdrängen, doch trotzdem präsent.

In diesem Moment fand der Blick Dumbledores sein Ziel, hielt inne, erstarrte. Kaltes Entsetzen breitete sich in mir aus, als ich beobachten mußte, wie das Funkeln, wie alle Freundlichkeit, alle Güte und Kraft, wie selbst die Angst in den hellblauen Augen erlosch und nichts zurück ließen, als den trostlosen, müden und schmerzerfüllten Ausdruck eines alten, gebrochenen Mannes. Den Ausdruck eines geschlagenen Menschens, der soeben alle Hoffnung, alle Träume verloren hatte. Voller Entsetzen ließ ich meinen Blick dem Dumbledores und der anderen versammelten Kämpfer folgen, bis er schließlich an dem Todesser auf dem Hügel hängenblieb und ich scharf die Luft einsog. Wie gelähmt starrte ich auf die Gestalt, die in der Zwischenzeit ihre weite Kapuze abgenommen, sich zu erkennen gegeben hatte.

Und ich erkannte ihn. Trotz der Entfernung, die zwischen uns lag. Trotz der äußeren Veränderungen, die er seit unserem letzten Treffen durchlaufen hatte. Ich erkannte sein schmales Gesicht, das nun mehr einem Toten denn einem lebenden Menschen ähnelte, so ausgemergelt, so ausgehungert war es, dermaßen spitz standen die Wangenknochen hervor, dermaßen scharf geschnitten war die Nase. Erkannte die bleiche Haut, deren Farbe sich inzwischen zu einem unnatürlichen leichenblaß gesteigert hatte und die sich merkwürdig kontrastreich abzeichnete von den, bis unter die Schulterblätter reichenden, schwarzen Haaren, die in fettigen Strähnen über die knochigen Schultern fielen, und dem wallenden Todesserumhang, den der Wind um seinen mageren Körper legte und hinter ihm wehen ließ. Und ich erkannte seine schwarzen Augen, die so tief diese dunkle Farbe zeigten, wie ich es bei keinem anderen Menschen jemals gesehen hatte. Groß und dürr stand er regungslos dort oben und starrte hinab auf uns, die ihm scheinbar hilflos ausgeliefert waren.

„Professor Snape, Sir?“, hörte ich in diesem Moment eine schwache, zerbrechliche Stimme weiter vorne. Es war Draco Malfoy, der die Gestalt auf dem Hügel bei seinem Namen nannte. Fragend. Zutiefst verunsichert. Mit einem ungläubigen, verzweifelten Ausdruck in den stahlgrauen Augen blickte er zu seinem ehemaligen Professor hinauf.

Er war einer der ersten, die starben, als Snape in diesem Augenblick seine linke, skelettartige Hand ausstreckte und mit einer einzigen, kleinen Bewegung eine Welle der Zerstörung auf ihre vernichtende Reise schickte. Ich sah, wie sich sein junges Gesicht zu einem Ausdruck des ungläubigen Entsetzens, des Schmerzes verzerrte, sich seine Augen geschockt weiteten, wie sein Kopf mit den hellblonden Haaren in der Menge der niederstürzenden Menschen verschwand. Ich sah, wie sich die Welle ausbreitete, alle Kämpfer des Lichtes mit brutaler Gewalt zu Boden schleuderte, wie sie sich ihren Weg bahnte, unaufhaltsam näher kam.

Dann, plötzlich, als sie mich beinahe erreicht hatte, umfing mich mit einem Male ein warmes, helles Licht, das von dem neben mir stehenden Dumbledore ausging. Ausstrahlte über die in seiner Nähe stehende Menge, ein verzweifelter Versuch, möglichst viele Menschen vor der tödlichen Wirkung der auf uns zu brausenden Welle zu bewahren. Dann erreichte sie mich. Riß mich von den Beinen, schleuderte mich in die Luft und ließ mich wenige Meter entfernt wieder fallen. Hart schlug ich auf den staubigen Boden auf und für einige Sekunden wurden mir die Sinne geraubt, wurde mir schwarz vor Augen. Doch ich hatte überlebt. Mit schmerzenden Gliedern lag ich dort im Dreck, kurze Zeit unfähig, mich zu rühren. Und doch lebte ich.

Mühsam setzte ich mich langsam auf, ein leises Stöhnen nicht unterdrücken könnend. So verharrte ich, bis der pochende Schmerz in meinem Rücken ein wenig nachgelassen hatte, ich mich schwer atmend erhob und mich umsah. Kaltes Grauen stieg in mir auf, legte sich über, erfüllte mich, als ich meinen Blick über das Feld schweifen ließ, auf dem bis eben gekämpft worden war. Nun war die Ebene bedeckt von leblos übereinander gestürzten Menschen, niedergemäht bei dem erfolglosen Versuch, der verheerenden Zerstörungswut der Welle zu entkommen, zu überleben.

Dann fiel mein Blick auf ihn. Auf ihn, der all dies getan, all diese Menschen und Kämpfer für das Licht ermordet hatte. Brutal hingerichtet, ohne ihnen die Chance zu geben, sich zu wehren, sich zu ergeben, diesen Tag zu überstehen. Vernichtet. All die Träume, Hoffnungen, all das Leben. Auf Severus Snape, der in der Zwischenzeit von dem Hügel hinabgestiegen war und nun weiter voranschritt durch die von ihm Getöteten. Über das Schlachtfeld wanderte, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen. Mit einer knappen Handbewegung ließ er die leblosen Körper zur Seite schweben, bahnte sich unaufhaltsam seinen Weg, ging mit raschen, fließenden Schritten zwischen ihnen durch. Das kalkweiße Gesicht starr nach vorne gerichtet, die schwarzen Haare und die Todesserrobe hinter sich her wehend. Kalt. Emotionslos. Ein Abbild des Todes, den er mit sich brachte.

Ungerührt schritt er vorbei an toten Menschen, die er einmal gekannt hatte. An Verletzten, die hilflos auf der Erde lagen und vor Schmerzen wimmerten. Ging geradewegs zu auf Albus Dumbledore, der ihn, noch immer von einem leuchtenden Lichtschein umgeben, am Ende des Pfades, den Snape geschaffen hatte, erwartete. Doch auch dieses Leuchten und die gerade Haltung, die Dumbledore angenommen hatte konnte mich nicht trösten, konnte mich nicht den Ausdruck in seinen Augen übersehen lassen. Gebrochen.

Gebannt starrte ich auf das sich mir bietende Bild. Diese beiden Menschen, die sich langsam aber unaufhaltsam näherten. Der eine warm erleuchtet, beinahe strahlend hell, der andere ganz in Schwarz gehüllt, umgeben von einer kalten, tödlichen Aura. Freunde. Einst.

Dann hob Snape mit einer ruhigen Bewegung seinen rechten Arm und richtete seine klauenartige, weiße Hand mit der Handfläche nach vorne auf Dumbledore, der noch immer regungslos da stand und ihm entgegen blickte, mit diesen Augen, die so schmerzerfüllt, so furchtbar alt aussahen. Plötzlich ging ein giftig grüner, dicker Lichtstrahl von Snapes Hand aus. Bahnte sich seinen Weg durch die Luft, auf Dumbledore zu. Entsetzt beobachtete ich, wie dieser noch immer nicht reagierte, erst kurz bevor der Tod bringende Blitz ihn erreichte, den Zauberstab, beinahe zögernd, unwillig, hob und dem zischenden Fluch entgegen richtete. Ein weißer Strahl ging von dem Stab aus, traf den grünen nur einige Meter vor Dumbledores Brust, vermischte sich mit ihm. Eine nervöse, überwältigende Spannung breitete sich in mir aus, schien mich förmlich zu ersticken, als ich beobachtete, wie zwischen der ausgestreckten Hand Snapes und dem Zauberstab Dumbledores ein dickes Band grünlichen Lichtes entstand.

Für eine Ewigkeit, so schien es mir, verharrten die beiden so. Schwebte der Strahl beinahe bewegungslos über der Erde, starrten sich Snape und Dumbledore ruhig in die Augen. Dann schließlich begann die Hand des Direktors zu zittern. Zunächst nur schwach, kaum wahrnehmbar, dann immer stärker. Tränen der Verzweiflung rannen mir über die Wangen, als ich schließlich mit ansehen mußte, wie Albus Dumbledores Gegenwehr erstarb. Wie er langsam in die Knie ging und den Zauberstab fallen ließ. Den Kampf verlor. Und gleichzeitig kochte die Wut, der Haß heißer in mir, als ich es selbst an diesem Tag zuvor erlebt hatte. Steigerte sich ins Unermeßliche, als ich sah, wie Dumbledore den Blick senkte, erschöpft zu Boden ging. Seine blauen, hoffnungslosen Augen schloß.

„Du dreckiger Verräter!“, schrie ich voller Abscheu, meinen Haß nicht länger unter Kontrolle, und stürzte auf Snape zu, der ruhig weiterging, mich ignorierend. Flammend heiß bahnte sich meine Wut einen Weg hinaus. Ohne zu überlegen sprang ich vor, richtete meinen Zauberstab auf dieses kalte, unnahbare Gesicht und rief einen Fluch, spie ihn förmlich aus, hoffend, er würde diese Gestalt, die einmal mein Kollege und Freund gewesen war, vernichten. Erfüllt von Rachegefühlen, stärker als ich jemals geglaubt hatte, sie verspüren zu können.

Es geschah zu schnell, um ihm auszuweichen. Zu schnell, um zu reagieren, abzuwehren. Zu schnell prallte mein Fluch von Snape ab, wurde auf mich zurück geschleudert, traf mich. Schneidender Schmerz durchfuhr mich, raubte mir die Sinne. Ein entsetztes Keuchen entwich mir, als ich mit schmerzhaft verzerrten Gesichtszügen rückwärts taumelte. Stolperte. Die Hände krampfhaft auf meinen Bauch gepreßt. Schwer atmend stieß ich gegen eine Wand. Lehnte für einen Moment daran. Versuchte mich mit blutverschmierten Händen an der ledrigen Oberfläche abzustützen, mich aufrecht zu halten. Sank an ihr zu Boden, während ich noch immer voller Erstaunen, voller Entsetzten auf das bleiche, kalte Gesicht Snapes starrte. Unfähig, zu begreifen, was passiert war. Nur wissend, daß ich getroffen war. Es spürend. Den beinahe unerträglichen Schmerz, der sich von meinem Bauch in alle Teile meines Körpers erstreckte. Mich drohte zu überwältigen. In mir den Wunsch weckte, zu schreien. Zu sterben. Ungläubig, kraftlos sackte mir der Kopf auf die Brust. Fiel mein Blick ab von der Person, die mir das angetan hatte. Wanderte hinunter zu der Stelle, an der mich mein eigener Fluch getroffen hatte. Meinen zitternden Händen, die vergeblich versuchten, das austretende Blut zurückzuhalten. Dem Stoff meiner Robe, der sich rot färbte.

Mühsam hob ich meinen Kopf, ließ ihn endlich wieder fallen, gegen den stinkenden Berg, der einmal ein Bergtroll gewesen war, und an dem ich lehnte. Fast unwillkürlich wanderte mein müder Blick nach oben, richtete sich auf den Himmel über mir. Den Himmel, der nun befreit war von jeglichem Kampfgeschehen. Die Menschen, Hippogreife, selbst die Drachen, weggewischt durch die brutale Kraft des Orkans. Der Himmel, der eigentlich hellblau sein sollte, erleuchtet von der weißlichen Wintersonne. Vielleicht überzogen von einigen nebligen Wolken, die getrieben von einem schwachen Wind unter ihm entlang zogen, nicht wissend, wohin ihr Weg sie schließlich führen würde.

Statt dessen war er dunkel. Die Sonne verborgen hinter grauer Trostlosigkeit. Mit kraftlosen Augen versuchte ich, sie zu finden, hinter den Schatten zu entdecken. Nur einen kurzen Blick auf sie zu erhaschen, auf ihre Helligkeit, ihre Wärme. Sie zu spüren. Vergeblich. Kein noch so kleiner, wärmender Lichtstrahl erreichte mich, konnte die Wand durchdringen. Und so blieb nur der Schmerz, der mich hin und wieder leise stöhnen ließ und die Kälte, die ich in diesem Augenblick stärker verspürte, als zuvor. Die eisige Kälte der Dementoren. Sie durchdrang meinen Körper, setzte sich in ihm fest, als wollte sie ihn niemals wieder freigeben. Löste Wellen des Zitterns in mir aus. Nur Kälte und Schmerz. Und die Müdigkeit, diese endlose Müdigkeit, die sich langsam immer weiter in mir ausbreitete, sich steigerte. Meine Lider zu schließen drohte und meinen Blick weg lenkte von dem Himmel über mir, ihn auf den Boden fallen ließ. Zu den Menschen, die dort um mich herum, im Staub lagen. Tot. Mit geöffneten Augen, die mich mit dem erstarrten Ausdruck des Entsetzens anzusehen schienen. Anklagend. Junge, zarte Gesichter, angstvoll verzerrt. Die Hände voller Schmerz in die Erde gegraben. Colin Creevey. Das helle Haar fiel ihm in Strähnen über die blauen Augen. Verbargen den Schmerz in ihnen fast völlig. Scheinbar. Eine dünne Blutspur rann ihm aus dem jugendlichen Mund, halb geöffnet in einem längst verstummten Schrei. In seiner zerrissenen Gryffindorrobe lag er vor mir. Den hellen Zauberstab, mit dem ich ihn so oft hatte die Verwandlungszauber in meinem Unterricht ausführen sehen, noch immer krampfhaft in der schmalen Hand haltend.

Gequält sah ich auf ihn nieder. Auf all die leblosen Körper, die in meiner Nähe lagen. Schüler, Freunde, Todesser. Fast schien es mir wie eine Erlösung, als das Bild vor meinen Augen endlich unscharf wurde, mich nur noch Konturen wahrnehmen ließ. In diesem Moment drang ein Ruf an mein Ohr. Gedämpft, von unbekannter Herkunft, aber doch zu verstehen. „Lauft ins Schloß! Zurück ins Schloß!“ Kurz darauf begann die Flucht derer, die noch fähig dazu waren. Die, wie ich, durch Dumbledores Licht der tödlichen Wirkung der alles vernichtenden Welle entronnen waren. Dumbledore. Für einige Sekunden tauchte sein Antlitz vor meinem geistigen Auge auf, der Ausdruck in ihnen, als er mich zum letzten Mal direkt angesehen hatte. Dann wich dieses Bild dem Realen. Schemenhaft sah ich Beine an mir vorüber hasten, zerschlissene Umhänge an mir vorüber ziehen. Konturen rennender Menschen. Manche stolpernd, sich kaum auf den Beinen halten könnend. Humpelnd. Sich in wilder Hast vorwärts schleppend. Endlose Reihen schienen undeutlich an mir vorüber zu ziehen. Angsterfüllt fliehend. Dann endlich verwischten auch diese unscharfen Bilder, verwandelten sich in vorbei huschende Schatten, bis sie schließlich gänzlich einer völligen Dunkelheit wichen. Beinahe friedlich nahm sie mich in ihre Arme, dämpfte die Kälte und den Schmerz.

„Professor!“ Wie aus weiter Ferne drang ein leises Rufen an mein Ohr. Wie durch Watte hörte ich es, war zu müde, um zu reagieren. „Professor!“ Wieder dieser Ruf, beinahe bittend, flehend. Hallte in mir wieder, wurde langsam lauter. Riß mich aus der Dunkelheit, der Realität entgegen. „Professor McGonagall!“ Immer weiter näherte ich mich dem Bewußtsein, durchdrangen mich immer stärker die Kälte und der Schmerz, denen ich zu entkommen gehofft hatte. „Professor!“

Langsam, widerstrebend öffnete ich meine Augen und ein unscharfes Bild zeichnete sich vor ihnen ab, wurde allmählich genauer. Schwerfällig hob ich meinen Blick und er fiel auf ein junges, Sommersprossen überzogenes Gesicht. Braune Augen sahen ängstlich auf mich nieder. „Longbottom“, stieß ich heiser hervor, woraufhin sich mein ehemaliger Schüler hektisch zu mir hinunter beugte. „Kommen Sie, Professor McGonagall! Wir müssen hier weg!“ Einen Moment lang blickte ich auf den Jungen, der mich unsicher ansah. Dann schüttelte ich leicht meinen Kopf. Ein schmerzvolles Stöhnen brach aus mir heraus, als diese kleine Bewegung den Schmerz in meinem Körper noch einmal sprunghaft ansteigen ließ.

Nervös blickte mir Neville Longbottom entgegen. „Aber, Professor, Sie können nicht hierbleiben!“ Seine Stimme hatte einen panischen, hohen Tonfall angenommen. „Sie müssen hier weg! Ich werde Ihnen helfen!“ Mühsam sah ich ihm in die furchterfüllten Augen. Tränen liefen ihm über die Wangen. „Sie können mir nicht helfen, Longbottom. Gehen Sie“, brachte ich leise hervor, doch er rührte sich weiterhin nicht von der Stelle. Blieb einfach dort stehen und starrte auf mich hinab.

In diesem Moment trat eine weitere Person in mein Sichtfeld, der ich jahrelang die Lehrerin für Verwandlung und Hauslehrerin gewesen war. Es war Hermine Granger. Mit bleichem, schmalem Gesicht stand sie neben ihrem ehemaligen Klassenkameraden, gegenüber dem sie merkwürdig alt wirkte. Die langen, dicken Haare zu einem strengen Zopf gebunden, der Mund zu einem dauerhaften Ausdruck der Verbitterung zusammen gekniffen. In den braunen Augen, die tief in ihren Höhlen lagen, eine Trauer, die seit dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern und Ron Weasleys nicht aus ihnen gewichen war. „Gehen Sie“, wiederholte ich und verzog mein Gesicht unwillkürlich, als mich erneut ein stechender Schmerz durchfuhr. Für einige Sekunden ließ meine ehemalige Schülerin ihren Blick auf mir ruhen.

„Komm, Neville“, sagte sie dann mit ihrer spröden Stimme, nahm ihn am Arm. Kurz hielt sie inne, richtete ihren Zauberstab auf mich und murmelte eine Spruch. Sofort spürte ich erleichtert, wie die Schmerzen in meinem gequälten Körper nachließen, wie die Kälte wenigstens etwas wich. Dankbar sah ich sie an, woraufhin sie knapp nickte. Dann ging sie, Neville Logbottom mit sich führend, verschwanden die beiden aus meinem Sichtfeld.

„Wartet! Bleibt hier!“, hörte ich plötzlich eine heisere Stimme rufen. Eine Stimme, die mir nur zu gut bekannt war und die ich nicht noch einmal zu hören zu hoffen gewagt hatte. Ruckartig drehte ich meinen Kopf zur Seite. Und dort sah ich ihn. Nur wenige Meter von mir entfernt stand Albus Dumbledore und versuchte die Menge aufzuhalten. Doch obwohl von ihm noch immer ein schwaches Leuchten ausging und er aufrecht stehen konnte, war sein Ruf doch zu schwach, zu gebrochen, um die panische Flucht zu verhindern.

Schon war der Großteil der Menschen, die noch laufen konnten, hinter uns verschwunden, mit dem Ziel, das Schloß zu erreichen. Hilflos mußte der Zauberer, der den Dunklen Lord besiegt hatte, mit ansehen, wie sich nun auch die Letzten in diese Richtung aufmachten. Groß und hell stand er nur knapp neben mir, seinen zerbrochenen Zauberstab unbeachtet auf dem Boden liegen lassend und blickte der schwarzen Gestalt entgegen, die ihn inzwischen erreicht hatte. Schweigend standen sich die beiden Männer gegenüber. Trafen sich hellblaue, schmerzerfüllte, traurige Augen mit den schwarzen Severus Snapes. Zum ersten Mal an diesem Tag sah ich direkt in sie hinein, auch wenn er mich nicht beachtete, mich ignorierte und weiter regungslos auf Dumbledore starrte. So tief schwarz. Der Haß, der bei meinem letzten Treffen mit Snape in ihnen gelodert hatte, war erloschen. War einer, alles verdrängenden, Leere, gewichen. Eiskalt. Emotionslos. Ausgebrannt. Als wäre alles Leben schon lange aus ihnen gewichen.

„Was hat er dir angetan, Severus?“, fragte in diesem Moment Dumbledore heiser und durchbrach so die unheimliche Stille, die sich über uns gelegt hatte. Mit einer flüchtigen Bewegung streiften seine Augen Voldemort, der tot am Boden lag, bevor sein Blick wieder an Snape hängen blieb. Seine hellblauen Augen. Seine Stimme. So voller Trauer, Wehmut, Schmerz, daß es mich innerlich zu zerreißen schien.

„Er, Albus?“, erwiderte Snape, nachdem wieder für einige Sekunden Schweigen geherrscht hatte. Ein eisiges Frösteln durchlief mich unwillkürlich, als diese Stimme mich, die Welt durchdrang. Unberührt. Kalt. Unmenschlich. Fast fürchtete ich mich davor, daß er weiter sprechen, noch einmal diese grausame, schneidende Stimme ertönen lassen könnte. Doch er tat es. Öffnete langsam seine dünnen, bläulichen Lippen und fuhr fort: „Vielleicht solltest du lieber fragen, was ich ihm angetan habe.“

Verwirrt starrte ich ihn an, wie er dort, nur wenige Meter von mir entfernt stand. Groß, dürr, furchtbar. Plötzlich hob er seine rechte, weiße Hand. Wie gelähmt beobachtete ich, wie sich auf einen kleinen Wink hin, Voldemorts Äußeres zu verändern begann. Wie er sein schlangenartiges Aussehen allmählich verlor und ein junges, unschuldiges annahm. Wie sich seine Klauen in zarte Hände verwandelten. Wie er die Gestalt eines Menschen bekam. Eines Menschen, den ich nur zu gut kannte. Beobachtete voller Grauen, wie die Verwandlung schließlich beendet war und mich deren Ergebnis scharf die Luft einziehen ließ. Denn es war nicht mehr der Dunkle Lord, der da auf eine grausame Art und Weise verrenkt auf dem Boden lag. Es war Harry Potter. Seine grünen Augen vor Entsetzen geweitet, erloschen, lag er auf dem staubigen Boden. Er, der Junge, der Hoffnung bedeutet, gebracht hatte für die Seite des Lichts. Gestorben. Wie eine fallengelassene Marionette lag er dort. Wie weggeworfen. In mitten der anderen leblosen Körper. Freunden. Feinden. So dicht nebeneinander, wie sie sich im Leben niemals gekommen wären. Vereint im Schmerz. Im Tod.

„Was habe ich dir angetan, Severus?“, ertönte in diesem Moment erneut die traurige Stimme Dumbledores, nun vollends gebrochen durch den furchtbaren Anblick dieses Schülers, der ihm so viel bedeutet und den er getötet hatte, und ich ließ meinen Blick zu ihm hinüber wandern, fort von dem, was einmal Harry Potter, was einmal die Hoffnung gewesen war. Doch Snape antwortete nicht, starrte lediglich weiter mit seinen leeren, schwarzen Augen auf Dumbledore. Dann hob er langsam den Blick, bis er an dem mächtigen Schloß hinter uns hängen blieb. Dem Schloß, in dem er so lange gewohnt und gearbeitet hatte. Gelebt hatte. Es sein Zuhause genannt hatte, wie auch ich. Diese scheinbar uneinnehmbare Burg mit ihren beschützenden steinernen Wänden. Wie sehnte ich mich danach, noch einmal dieses Schloß zu betreten, dort Ruhe, Frieden zu finden. Und gleichzeitig keimte in mir die schwache, aber stärker werdende Hoffnung auf, Snape würde es sich doch noch anders überlegen, auf unsere Seite zurückkehren, aufhören, als ich ihn so dort stehen sah, den Blick fest auf Hogwarts geheftet. Doch in dieser Sekunde begann er erneut zu sprechen, mit dieser kalten, unmenschlichen Stimme und meine Hoffnung, die letzte Hoffnung in mir, verschwand. „Hogwarts und Albus Dumbledore“, sagte er und machte eine kurze Pause, erfüllt von eisiger Stille, bevor er fortfuhr: „Unzertrennlich miteinander verwoben, so könnte man meinen.“

In diesem Augenblick erschütterte ein erneutes Beben die Erde. Entfachte den brennenden Schmerz in meinem Körper von Neuem, der durch den Spruch Hermine Grangers kurzzeitig nachgelassen hatte. Ließ die Kälte sich unaufhaltsam in mir ausbreiten, mich gefangen nehmen. Die Müdigkeit sich steigern, so daß sie sich mit bleierner Schwere auf mich legte. Erstarrt, und doch unfähig, etwas anderes zu spüren, wahrzunehmen, als Schmerz, Kälte und Müdigkeit mußte ich mit ansehen, wie Hogwarts begann, zu zittern. Wie das gewaltige Schloß in der Ferne anfing, in sich zusammen zu sacken. Zunächst die oberen Stockwerke, dann immer weiter hinab. Wie die Türme zusammen brachen. Die Wände einknickten. Eine Ewigkeit, wie es mir schien, saß ich dort auf dem Boden und beobachtete, wie gelähmt, wie die Burg einbrach. Kein Laut war zu hören. Eine grausame Stille hatte sich über die Welt gelegt. Etwas schien die Schreie der Menschen zu löschen, einzudämmen. Verhinderte, daß sich eine Staubwolke bildete, ausbreitete. Ließ das Malmen der zerberstenden Steine unhörbar werden. Ließ das Schloß, wie ein leeres Haus aus Papier zusammenbrechen. Von Schmerz überwältigt schloß ich meine Augen, wollte nicht sehen, wie mit einem grausamen Schlag all das Leben vernichtet wurde. Ausradiert.

Dann endlich war es vorbei. Hogwarts war zerstört. Bis auf die Grundmauern eingerissen hinterließ es nichts außer einem riesigen Trümmerhaufen. Grau. Steinern. Gehüllt in die furchtbare Aura des Leidens und des Todes. Lange blieb mein Blick dort hängen, an dieser Stelle, an der sich bis eben das mächtige Schloß, die letzte Schutzburg des Lichtes erhoben hatte. An der Menschen gelebt hatten. Fassungslos starrte ich dorthin, konnte mich nicht lösen von diesem Anblick, den ich kaum ertragen konnte. Unfähig, irgend etwas zu empfinden, wanderte mein Blick schließlich neben mich. Zu Albus Dumbledore, dessen Licht endgültig erloschen war. Alt und gebeugt stand er Snape gegenüber. Ein Mann, der alles verloren hatte, das ihm wichtig gewesen war. Endgültig gebrochen mit dem Zerfall des Ortes, den er so lange mit Leben gefüllt hatte. Der nun niemals wieder leben würde. Ungläubig hörte ich in diesem Moment, wie Snape erneut seine Stimme erhob. Unverändert. Kalt. Unberührt von dem, was er soeben getan hatte, wandte er sich an Dumbledore. „Unzertrennlich. Scheinbar. Aber vielleicht ist es ein Trost für dich, Albus, zu erfahren, daß du nicht lange ohne dieses Schloß wirst leben müssen.“

Mit einem letzten, verzweifelten Versuch, das Unvermeidliche zu verhindern, hob ich meinen Zauberstab, der bis dahin unbeachtet neben mir gelegen hatte und richtete ihn auf die schwarz gekleidete Gestalt. Doch noch bevor ich einen Spruch hatte aussprechen können, hob Snape, ohne mich anzublicken, seine linke Hand. Mein Zauberstab wurde mir entrissen und landete in seiner Hand. Gleichzeitig schoß aus seiner anderen, skelettartigen Hand ein gelber Blitz. Traf Dumbledore in die Brust. Mit einem fassungslosen Keuchen sah ich, wie der Mann, der mir das Wichtigste auf dieser Erde war, wie in Zeitlupe vor meinen Augen in die Knie ging. Leblos auf dem Boden aufschlug.

Tränen liefen mir über die Wangen, als ich mich mühsam zu ihm hinüber zog, auf allen Vieren krabbelnd. Vorwärts robbend, während mich der Schmerz in meinem Bauch beinahe um den Verstand zu bringen drohte. Dann endlich erreichte ich ihn. Wie tot lag er da, als ich seinen Kopf sachte in meinen Schoß hob, ihm zärtlich mit meinen Fingerspitzen über die bleichen, eingefallenen Wangen fuhr. In diesem Moment öffneten sich seine Augen. Diese hellblauen Augen und sahen mich an. Voller Schmerz. Voller Trauer. Eine Weile verharrten wir so, regungslos, bis er schließlich stockend, heiser begann, zu sprechen. „Verzeih mir, Minerva.“

Sachte streichelte ich über seine Stirn, als ich leise, aber überzeugt antwortete: „Es gibt nichts zu verzeihen, Albus. Du trägst keine Schuld an dem, was passiert ist.“ Dumbledore stieß ein keuchendes Husten aus. Blut rann ihm aus dem Mundwinkel. Behutsam wischte ich es beiseite. „Doch das tue ich“, stieß er gebrochen hervor und ein bittender, beinahe flehender Ausdruck trat in seine Augen. Eine kurzen Moment herrschte Schweigen, dann erwiderte ich, und in meiner Stimme schwang all der Schmerz mit, der sich an diesem grausamen Tag in mir angestaut hatte: „Ich verzeihe dir, Albus.“ Und während mir die Tränen weiter über die Wangen rannen und langsam auf Dumbledore hinunter tropften, verzog sich sein Mund zu einem leichten, kaum wahrnehmbaren Lächeln. „So kannst du, was Severus und die Welt niemals werden tun können. Ich danke dir, Minerva.“ In dieser Sekunde erstarb sein Lächeln, erlosch der Schmerz, die Trauer, jeder Ausdruck in seinen Augen.

Noch eine kurze Zeit lang ließ ich meinen Blick auf seinem Gesicht liegen, trauerte ich um Albus Dumbledore, dann hob ich langsam meinen Kopf und blickte in zwei schwarze Augen. Und gleichzeitig wußte ich, daß dies das letzte sein würde, daß ich sehen würde, bevor ich Dumbledore folgen, endlich ruhen durfte. Diese tief schwarzen Augen, die jedes Licht zu verschlucken schienen. Die so endlos leer und kalt waren, wie die Dunkelheit, die sich von nun an über die Welt der Menschen legen würde.
 

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