Es war Sommer

 

 

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Autorin: Nightwatch

Es war Sommer

Es war Sommer. Und was für ein Sommer. Schwer lag die Hitze über Hogwarts und lähmte die wenigen Lehrer, die die Sommerferien dort verbrachten. Sie hatten sich in der Großen Halle versammelt, weil es dort noch am angenehmsten war. Sogar Snape war aus seinem Kerker heraufgestiegen und brütete im wahrsten Sinne des Wortes über den Unterrichtsvorbereitungen für das nächste Schuljahr. Mochten viele Schüler ihn auch nicht leiden, die Vermittlung des Lehrstoffes hatte er immer sehr genau genommen.
Die Stille wurde unterbrochen von einem lauten Poltern. Schnaubend stand Hagrid in der nun geöffneten Eingangstür.
`Warum drückt der Typ eigentlich die Klinke immer erst runter, wenn die Tür schon halb offen ist`, dachte Snape genervt und vergrub sich noch ein wenig tiefer in seine Bücher.
"Etwas Schlimmes ist passiert" grunzte Hagrid und stiefelte auf Dumbledore zu, der vor Schreck seinen "Tagespropheten" durch die Luft gewirbelt hatte. "Hermine Granger ist verschwunden! Kein Mensch weiß, wo sie sich aufhält", sprudelte es aus Hagrid heraus.
"Nun beruhige dich doch erstmal, Hagrid", beschwichtigte Dumbledore ihn, während er die Blätter seiner Zeitung vom Hallenboden aufhob.
"Hermine ist ein junges Mädchen, das nun mal nicht jedem darüber Auskunft gibt, wo es hingeht", sagte McGonagall aus einer Ecke, wo sie gerade noch zusammengerollt als Katze gelegen hatte. "Und außerdem hat sie Ferien", entgegnete sie weiter, "da lässt man schon mal Fünfe gerade sein."
"Aber doch nicht Hermine, da kenne ich sie aber besser", brummelte Hagrid, schon etwas ruhiger. "Sie hatte sich gestern bei ihren Eltern verabschiedet und wollte in so einen "Tanzschuppen", oder wie die Muggel das nennen, gehen. Seitdem hat niemand wieder etwas von ihr gesehen. Das ist das völlig unnormal für Hermine! Etwas zusagen und dann nicht halten, so etwas kenne ich von Hermine doch gar nicht!", redete sich Hagrid wieder in Rage.
`Kuckt mal, gleich hat er Schaum vorm Bart`, dachte Snape amüsiert, der das ganze unauffällig mit einem Auge beobachtete. "Schicken wir doch einfach eine Eule ans Ministerium", sagte er jedoch laut.
"Das geht nicht so einfach, Severus", entgegnete Dumbledore nachdenklich, "ich möchte eine Angelegenheit möglichst intern halten, der "Tagesprophet" schreibt schon genug Unsinn über Miss Granger und es gibt nachweislich eine undichte Stelle im Ministerium."
"Ist denn diese unsägliche Geschichte mit den verhexten Muggeln immer noch nicht vom Tisch", fauchte Hagrid, der nun wieder zur Höchstform auflief.
"Nein, das glaube ich nicht", bemerkte Dumbledore mit einem verschämten Grinsen, "sie hat immerhin den Muggelspruch von dem "Arsch mit Ohren" sehr wörtlich genommen. Fünf Auroren mußten kommen, um Miss Grangers Zauberspruch zu revidieren, weil die beiden ersten vor Lachen nicht sprechen konnten."
"Aber das Ministerium hat sie doch freigesprochen, weil sie von den Jugendlichen angegriffen wurde und sie nur in Notwehr gehandelt hatte", protestierte Hagrid erregt.
`Kuckt mal, jetzt hat er Schaum vorm Bart`, dachte Snape.
"Nein, das müssen die Lehrer von Hogwarts intern regeln, da darf niemand von außen etwas von erfahren. Also, Hagrid geht in die Winkelgasse und horcht sich da mal um, Hagrid," sagte Dumbledore eindringlich an ihn gewandt, "geh auch in die Nokturngasse und zieh dort Erkundigungen ein, vielleicht wissen die etwas."
"In Ordnung", brummelte Hagrid, schon sichtlich beruhigt.
Dumbledore blickte in die Runde und blieb bei Snape hängen, der sich immer tiefer hinter seinen Büchern versteckte. "Severus, du begibst dich bitte zu Miss Grangers Eltern und fragst dort nach, ob sie etwas genaueres vom Verbleib ihrer Tochter wissen."
"Warum ausgerechnet ich?", keifte es hinter den Büchern hervor.
"Weil du der unauffälligste von uns dreien bist, also los jetzt und möglichst ohne großes Aufsehen zu erregen, ihr Zwei, verstanden!", sagte Dumbledore noch eindringlich.

Snape apparierte vor einem schmucken kleinen Reihenhaus in einem Londoner Vorort. Forsch klopfte er an die Eingangstür, an der mit geschwungenen Buchstaben "Granger" stand.
Nach einer ganzen Weile öffnete ihm eine verheult aussehende Frau. "Oh Gott, Peter, so weit ist es nun schon gekommen. Der Bestatter ist da." Bevor Snape sich vorstellen konnte, rannte die Frau schluchzend in das Hausinnere und ihr Mann kam an die Tür.
"Guten Tag, ich bin Severus Snape, Meister der Zaubertränke und Lehrer Ihrer Tochter in Hogwarts", stellte Snape sich leicht pikiert vor. "Mister Granger, wie ich annehme?"
Mr. Granger schien leicht überrumpelt, fasste sich aber schnell wieder. "Oh, Professor Snape, natürlich. Unsere Tochter hat schon von oft von Ihnen erzählt."
"Ich hoffe nichts Gutes", entgegnete Snape süffisant, "aber jetzt genug der Höflichkeiten, ich will es kurz machen. Wissen Sie wo sich Ihre Tochter im Augenblick aufhält!" fragte Snape.
"Nein, leider nicht. Darum sind wir ja so fertig. Das ist sonst gar nicht ihre Art, völlig untypisch für Hermine."
"Ja, das habe ich heute schon mal gehört", warf Snape schroff ein. "Wo ist sie denn gestern Abend hingegangen!" fragte er bohrend.
"Sie ist ins "Black" gegangen. Zum erstenmal. Da geht sie sonst nie hin. Ist ein bisschen verrufen, der Laden. Wenn Sie wissen was ich meine."
"Nein, ich weiß nicht was Sie meinen! Klären Sie mich bitte auf", bollerte Snape, schon leicht genervt.
"Manche gehen hin, um sich mit Drogen zu versorgen, andere um entsprechende Kontakte zu knüpfen. Die Polizei hat den Laden jedenfalls auch auf dem Kieker", entgegnete Hermines Vater. "Irgendein Unbekannter hat ihr eine Freikarte geschenkt, sonst wäre sie da nie hingegangen."
"Ja Ja, das hatten wir schon mal", sagte Snape, schon fast im Weggehen und noch: "Sie hören von mir", dann disapparierte er, um fast im selben Moment vor dem Eingang des "Black" zu apparieren. `Black, immer wieder Black, hört das denn gar nicht auf!`, ging es ihm durch den Kopf als sich plötzlich wenige Zentimeter vor ihm ein Typ wie Hagrid aufbaute und ihn anschnauzte: "Wo kommst du Komiker denn so plötzlich her!"
"Ich bin Severus Snape, Meister der Zaubertränke!" schnauzte Snape zurück.
"Oh, na super. Wir haben schon auf dich gewartet", entgegnete der Typ schon freundlicher und erntete ein erstauntes Mundwinkelzucken von Snape.
"Hey, Will", brüllte der Typ nach hinten gerichtet in den Saal, "unser neuer Barmann ist da!"
Snape entgleisten sämtliche Gesichtszüge und seine Gesichtsfarbe wechselte im Sekundentakt zwischen Dunkelgrün und Purpurrot. Er fing sich aber schnell wieder, straffte sich und krähte in die Runde: "Ich bin Severus Snape, Meister der Zaubertränke in vierter Generation und nicht irgendein Getränkemischer!"
Völlig unbeeindruckt von der gebotenen Vorstellung klopfte ihm der Türsteher auf die Schulter und sagte unerbittlich: "Wie immer du dich auch nennen magst, heute Abend stehst du hier hinter der Bar", und schob ihn noch unerbittlicher in das Innere des Saales. "Übrigens", sagte der Typ noch, "geiles Outfit."
Erst jetzt bemerkte Snape, dass er in seiner schwarzen Robe und seinem Umhang, hier überhaupt nicht auffiel. Der Laden hieß anscheinend nicht umsonst "Black". Fast jeder trug hier Schwarz in den verschiedensten Variationen.

Er betrat den Saal und blickte sich um. Der Fußboden war mit schwarzmarmorierten Fliesen ausgelegt und an den Wänden hingen riesige, in goldenen Rahmen eingefaßte Spiegel. Die spärliche Beleuchtung ging von ein paar großen, über und über mit Glasschmuck behangenen Lüstern aus, die von der Saaldecke hingen. Die dicken purpurroten Damast-Vorhänge vor den abgedunkelten, bis zur Saaldecke reichenden Fenstern gaben dem ganzen Raum etwas Sinnliches. Auf der Tanzfläche bewegten sich Massen von jungen Leuten zu den wummernden Beats, die Snape fast das Gehör raubten.
`Oh`, dachte Snape amüsiert, `hier war aber jemand mit seinem Tarantallegra-Fluch sehr großzügig, obwohl....., so hier und da noch ein wenig...`, und seine Hand zuckte unwillkürlich zu seinem unter der Robe verborgenen Zauberstab. `Nein, nur nicht auffallen`, beschwichtigte er sich selbst.
Mit einem Mal wurde er von hinten angestoßen und jemand brüllte ihm ins Ohr: "Sieh zu, dass du hinter den Tresen kommst, die Gäste sind durstig!" Und schon schob ihn jemand in Richtung einer großen Bar an der Stirnseite des Saales.
Hinter der Bar angekommen, sah sich Snape erst mal um. Sein Vorgänger musste auch kein großer Profi gewesen sein, denn die Mischungen für die gängigsten Drinks waren an der Rückseite des Tresens notiert. Die meisten Zutaten kamen ihm bekannt vor und als Zaubertränke-Meister konnte er sich den Rest zusammenreimen. Er nahm hiervon ein bißchen und davon ein bißchen mehr und was ihn wunderte, seine Drinks schien allen zu schmecken. Bei all dem Shaken und Mixen vergaß er fast, warum er eigentlich hier war.
Bis er plötzlich auf eine Gruppe von Jugendlichen aufmerksam wurde, die sich in Ecke des Saales anscheinend zu verstecken suchten. Was ihm merkwürdig vorkam waren nicht die tiefschwarzen Umhänge, die waren hier ja anscheinend normal, sondern die Tatsache, dass die Ohren der Jungs verkehrt herum waren.
Ihn beschlich ein schlimmer Verdacht. `Die Auroren werden doch wohl keinen Mist gebaut haben, bei ihrem Lachanfall wäre das eigentlich kein Wunder gewesen.` Snape stellte seinen Mixer ab und steuert zielstrebig auf die Jungs zu. "Ihr habt da ein Problem, ich kann euch helfen", sagte Snape, als er kurz vor ihnen war und seinen Zauberstab unter seiner Robe hervorzog.
Die Jugendlichen sahen Snape, dann den Zauberstab und Bruchteile von Sekunden später packten sie Snape und schleppte ihn, bevor er sich wehren konnte, zu einer verborgenen Tür. Sie schleppten Snape eine Treppe hinunter und bevor Snape es sich versah, fand er sich in einem Heizungskeller unterhalb des Saales wieder.

"Nicht wir haben ein Problem, sondern du", belferte ihn der größte und anscheinend älteste Jugendliche an.
"Ich kann euch helfen, macht euch keine Sorgen, das mit den Ohren kriegen wir wieder hin", versuchte Snape sie mit ruhigen Worten zu beschwichtigen.
"Es geht uns nicht um die Ohren, deine Hexen-Freundin, der wir das zu verdanken haben, ist schon hier", sagte der Jugendliche und trat zurück. Er gab den Blick frei auf Hermine, die an ein Heizungsrohr gefesselt war. "Nein, wir wollen etwas ganz anderes", sagte er, während er wieder näher an Snape herantrat. "Du sollst uns diesen Hokus-Pokus beibringen", forderte er.
"Die Kleine will's nicht tun", sagte eine andere Stimme aus dem Hintergrund und: "Los, Ronny, mach dem mal ein bißchen Feuer unter Kutte!"
Snape straffte sich und schaute dem, den sie Ronny nannten, mitten ins Gesicht. "Die Magie ist eine Gabe, man hat sie, oder man hat sie nicht", zischte Snape scharf, "sonst könnte ja jeder dahergelaufene Strassenköter mit einem Zauberstab rumfuchteln!"
Ronny schien völlig unbeeindruckt davon zu sein. "Entweder du Freak hilfst uns jetzt, oder wir machen die Kleine hier alle, ist das klar?!" Wie zur Bekräftigung seiner Worte zog Ronny ein Springmesser aus der Tasche und wedelte damit Snape vor der langen Nase herum.
"Ich würde ihn jetzt lieber nicht mehr reizen", hörte man Hermine aus dem Hintergrund besorgt sagen. Aber es war schon zu spät. Snape breitete seine Arme aus, die Luft um ihn herum flirrte wie elektrisiert. Seine Augen glühten und zwischen seinen gespreizten Fingern züngelten blaue Flämmchen. Er hatte sich ungefähr dreißig Zentimeter vom Boden abgehoben und mit seinen ausgebreiteten Armen und dem weiten Umhang schwebte er wie eine Fledermaus vor den Jugendlichen. Mit Donnerstimme hallte es durch den Heizungskeller: "Ich werde euch Respekt lehren, Respekt vor mir und vor jedem anderen Menschen auf der Welt!"
Alle Augen waren auf ihn gerichtet und sogar Hermine staunte mit offenem Mund. Schlagartig wurden ihr viele Zusammenhänge klar. Jetzt wußte sie, warum Voldemort so erpicht darauf war, ihn zu seinen Todessern zählen zu dürfen.
Nur ein sehr mächtiger Zauberer konnte ein so intensives magisches Feld aufbauen, wie Snape es gerade tat. Wahrscheinlich war Snape, ohne es selbst zu wissen, einer der mächtigsten Magier seiner Zeit. Dumbledore war das wohl aber bewußt und hatte es anscheinend nie aufgegeben, aus einem zynischen, verbitterten, verkannten Genie wie Snape noch einen ordentlichen Zauberer zu machen.
Schlagartig holte Hermine die Realität ein. Die Jugendgang schrie, schrie wie Menschen nur in Todesangst schreien können.
`Oh Gott`, schoß es Hermine durch den Kopf, `er wird doch wohl nicht...?` Aber Snape tat es nicht.
Die Jugendlichen rannten wild durcheinander und versuchten ins Freie zu gelangen. Snape glitt einfach zur Seite und ließ sie verschämt grinsend passieren. Mit einem Wink seines Zauberstabes lösten sich Hermines Fesseln und beide standen sich gegenüber.
"Was haben Sie mit ihnen gemacht, Professor Snape?", fragte Hermine, während sie sich die Haare richtete.
"Fast gar nichts, nur dass sie jetzt ein Ringelschwänzchen haben", antwortete Snape sichtlich befriedigt.
"Aber ich habe doch hinten gar kein Schwänzchen gesehen?", fragte Hermine erstaunt.
"Wer spricht denn von hinten?", sagte Snape.
"Das ist nicht Ihr Ernst", antwortete Hermine entrüstet.
"Keine Sorge, ich melde die Sache den Auroren und die werden froh sein, wenn ich den Lapsus mit den falschen Ohren und dem anscheinend nicht funktionierenden Vergessens-Zauber für mich behalte. Also spätestens morgen ist er wieder gerade", sagte Snape beschwichtigend.
"Übrigens, Professor Snape", sagte Hermine verlegen, "danke."
"Wenn ich sagen würde, dass es keinen Spaß gemacht hat, wäre es glatt gelogen", bemerkte Snape süffisant. "Ach, was ist es eigentlich für ein Gefühl , wenn man als Gryffindor von einem Slytherin gerettet wird?"
Hermine sah nach oben und zum ersten Mal sah sie Snape`s Lächeln.
 

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