Unerwartet

 

 

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Autorin: Callista Evans

Disclaimer:
Die in der Story vorkommenden Figuren gehören (leider) J.K. Rowling und nicht mir.

Inhalt:
Albus Dumbledores weihnachtlicher Streich bringt Snape und Hermine in eine merkwürdige Situation.

Unerwartet


Wie jedes Jahr zu Weihnachten wurden auf Hogwarts wieder die zwölf traditionellen Weihnachtsbäume aufgestellt. Einige der Lehrer, allen voran Flitwick und Dumbledore, dekorierten die Große Halle mit so viel Enthusiasmus, als gäbe es dafür den Orden des Merlins (natürlich erster Klasse).
Überall hingen Girlanden aus Stechpalmen und Mistelzweigen, an jeder Ecke gab es mehr oder wenig hübsche Engel, Feen und Weihnachtsmänner. Es duftete nach Tannen, Zimt, Äpfeln und Nüssen. Auf den Gängen und Treppen hörte man Leprechanen Weihnachtslieder singen, während sie goldenen Glitter versprühten, der sich nach wenigen Minuten bereits in Luft auflöste. Kleine Feen flogen durch die Klassenzimmer und sorgten so für noch mehr Ablenkung der Schüler vom Unterricht als sonst.
Alles war wie immer, nur die Siebtklässler fühlten sich etwas wehmütig, es würde das letzte Weihnachtsfest für Harry, Ron Hermine und ihre Klassenkameraden sein, das sie auf Hogwarts erleben würden. Im nächsten Jahr würden sich ihre Wege getrennt haben. Hermine wollte studieren, während Harry und Ron noch abwarten mussten, ob ihre Noten ausreichten eine Karriere als Auroren zu beginnen. Beide hatten zudem bereits Angebote, professionelles Quidditch zu spielen.

Obwohl die Ferien bereits begonnen hatten, herrschte ein reger Betrieb im Schloss. Seit die Zauberer-Welt vor anderthalb Jahren erkannt hatte, dass Voldemort zurück gekehrt war und noch entschlossener als früher seine Ziele zur Vernichtung seiner Feinde und aller die sich gegen ihn stellten, verfolgte, entschieden viele Eltern, ihre Kinder nur in den Sommerferien nach Hause zu holen. Hogwarts galt immer noch als der sicherste Platz zum Schutz von Muggel-Geborenen und Halbblütern.
Zum Schutz der ihm anvertrauten Schüler beschloss Dumbledore, die Ausbildung derselbigen zu verschärfen, um sie auf den Kampf gegen diesen starken Gegner so gut wie möglich vorzubereiten.
Aus dem gleichen Grunde hatte er den DA-Club unter seine persönlichen Fittiche genommen, schließlich war er so etwas wie ein Pate.
Auch andere Lehrer boten interessierten und begabten Schülern in außerschulischen Projekten ihre Hilfe an.
Zum Glück war es zur Zeit recht still auf dem Schlachtfeld. Der Schulleiter überlegte, wie er seine Schülerschar samt dem Lehrkörper aufheitern könnte. Plötzlich kam ihm eine Idee in den Sinn und er musste in sich hineinschmunzeln. Ein paar leise Zaubersprüche murmelnd, schritt er durch die Große Halle, um Minerva zu suchen.
Irgendjemandem musste er schließlich von seiner kleinen Schandtat erzählen.

Hermine Granger war auf dem Weg zurück in ihren Schlafraum. Die Schüler der siebten Klasse hatten das Privileg in Einzel- und Doppelzimmern untergebracht zu sein. Alleine studieren zu können ohne den Lärm des Gemeinschaftraumes, war eine große Erleichterung für die ehrgeizige Schulsprecherin. Allerdings nutzte sie nach wie vor die volle Öffnungszeit der Bibliothek, um nicht zu viele Bücher ausleihen zu müssen. Madame Pince hatte ihr sogar erlaubt, länger dort zu verweilen, sofern sie alles im Urzustand zurückließ. Sie arbeitete wie immer sehr konzentriert, diesmal in eigener Sache. Um sich nicht länger mit ihren widerspenstigen Haaren auseinander setzen zu müssen, suchte sie nach einem Zauberspruch, den sie zu diesem Zweck modifizieren wollte. Endlich entdeckte sie ein Buch, das ihr weiterhelfen würde. Vollkommen in ihre Arbeit vertieft, fuhr sie erschrocken hoch, als draußen ein Geräusch ertönte.
Anscheinend hatte Peeves wieder einen Kronleuchter aus den Angeln gehoben. Filchs fluchende Stimme, die selbst durch die dicke Eichentür der Bibliothek zu hören war, bestätigte dies kurze Zeit später.
Hermine sah auf die Uhr und erschrak, denn es waren nur noch wenige Minuten bis zur Sperrstunde. Sie sammelte ihre Bücher zusammen, sortierte andere wieder in die Regale und schloss die Tür. Auf dem Weg zu ihrem Schlafraum achtete sie vor lauter Eile nicht darauf, dass die Treppe, auf der sie sich befand, ihre Richtung änderte, geriet so auf eine völlig fremde Etage und landete schließlich in einem Nebengang der Großen Halle. Normalerweise war die Gryffindor keine ängstliche Natur, schließlich hatte sie mit Harry und Ron schon so einige Abenteuer erlebt und viele Streifzüge durch Hogwarts veranstaltet, aber ganz alleine war sie noch nie zu dieser späten Stunde durch die Burg gelaufen. Sie versuchte sich abzulenken, indem sie an das letzte Treffen des DA-Clubs dachte, bei dem sie Besuch von ihrem ehemaligen Lehrer und Freund Remus Lupin bekommen hatten. Er hatte ihnen einige Sprüche und Flüche beigebracht, mit denen man sich wirksam unbekannte Feinde vom Leib hielt. Die junge Frau war so sehr in Gedanken, dass sie die dunkle Gestalt erst bemerkte, als sie mit ihr zusammenstieß.

Albus Dumbledore benutzte wie in den meisten Fällen Wege, die nur wenigen Personen auf Hogwarts bekannt waren. Er erreichte seine Privaträume ohne irgendjemandem zu begegnen. Es hätte die Schüler wahrscheinlich geschockt, zu sehen, wie albern ihr Direktor in diesem Moment grinste. Minerva lag bereits in ihrem gemeinsamen Schlafzimmer im Bett, die unvermeidliche Brille auf der Nase und las ein Magazin mit dem Titel: 'Animagus - Wie sich der Mensch die Sinne seines inneren Tieres zu Nutzen macht.'
"Albus, du siehst aus wie die Weasley-Zwillinge kurz bevor sie etwas aushecken wollten. Man sollte meinen, in deinem Alter sei man über so etwas hinaus!", sagte sie leicht vorwurfsvoll. "Minerva, Liebes, vor dir kann ich einfach nichts verbergen", entgegnete der alte Zauberer. "Ich habe mir etwas überlegt, um uns alle aufzuheitern."
Und er erzählte ihr von seiner Idee. McGonagall fand das Ganze zwar nicht so komisch wie er, aber das war er bei seiner Lebensgefährtin gewohnt. "Du solltest zumindest den Kollegen den Gegenzauber verraten, sonst gerät der eine oder andere in eine peinliche Situation", riet sie ihm. Sie würde nicht dabei sein wollen, wenn dies einem ganz bestimmten Kollegen passierte. Dumbledore sah ein, dass Minerva Recht hatte und er versprach ihr, als erstes am nächsten Morgen daran zu denken, die anderen Lehrer zu warnen (obwohl er persönlich es schade fand).

Severus Snape apparierte in Hogsmeade. Es war stockfinster, doch er war es gewohnt den Weg nach Hogwarts selbst in tiefster Nacht zu finden. Er kam früher zurück, als er es geplant hatte. Der Zaubertränke-Lehrer kehrte von einem Besuch in seinem Elternhaus wieder. Er hatte dort eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Vater (seine Mutter was schon vor vielen Jahren gestorben). Sein Vater hatte ihm erklärt, dass es eine große Ehre wäre ein Snape zu sein, und dass solch ein Name weitergegeben werden müsse, um die reinblütigen Gene zu erhalten. Severus fand solche Gespräche abstoßend und überflüssig. Er ließ sich doch nicht vorschreiben, wie er zu leben hatte. Als hätte er keine anderen Sorgen.
Obwohl Snape vorhatte, die Weihnachtsfeiertage bei seinem Vater zu verbringen, ging ihm dieser bereits nach einem Tag so auf die Nerven, dass er kurzentschlossen nach Hogwarts zurückkehrte. Von den anderen Lehrern und den Schülern würde es keiner wagen, ihn mit blödsinnigem Geschwätz zu belästigen. In den Kerkern hätte er wenigstens seine Ruhe.
Noch immer wütend auf seinen Vater betrat er das Schloss. Er wollte so schnell wie möglich in seine eigenen Räumlichkeiten, deshalb wählte der Tränke-Meister den kürzesten Weg, um dort hin zu gelangen. Eine Abkürzung, die nur wenigen bekannt war, sie führte durch einen Seitengang der Großen Halle. Ohne auf sein Umfeld zu achten, ging Professor Snape leise vor sich hin fluchend an den langen Tischreihen vorbei bis er plötzlich auf Widerstand stieß. Er brauchte nur eine Sekunde, um zu bemerken, dass ein Mensch vor ihm stand, sofort war sein Zauberstab in der Hand. Reflexe eines Doppelagenten - allzeit bereit zu kämpfen. In der nächsten Sekunde nahm er die Hand samt dem Stab wieder herunter und dachte gequält 'Natürlich ein Mitglied der Potter-Bande - wer auch sonst?' Er machte sich bereit sie anzubrüllen.

Hermine Granger war nicht umsonst die beste Schülerin der ganzen Schule. Sie war clever und sehr geschickt im Umgang mit dem Zauberstab. Ihre Reaktionszeit war kürzer als bei den meisten Mitgliedern des DA-Clubs. Zu oft hatte Malfoy im letzten Jahr versucht, sie zu überrumpeln. Mehr aus Reflex schleuderte sie den "Petrificus Totalus" auf ihren vermeintlichen Gegner, um in der nächsten Sekunde festzustellen, dass sie gerade ihren Zaubertränke-Lehrer versteinert hatte. Wie ein Déjà-vu kam die Erinnerung an eine ähnliche Szene in ihrem dritten Schuljahr hoch: Snape lag bewusstlos in der Heulenden Hütte auf dem Boden, während sie voller Panik gerufen hatte: "Wir haben einen Lehrer angegriffen." Die gleiche Panik ergriff sie jetzt, zumal sie wusste, dass Snape ihr und ihren beiden Freunden diese Handlungsweise nie verziehen hatte, obwohl er inzwischen wusste, dass sie damals recht gehabt hatten.
Sie verfluchte den heutigen Tag. Wäre sie doch nicht aufgestanden, sondern hätte sie sich doch mit viel Schokolade und einer Wärmeflasche ins Bett gelegt. An bestimmten Tagen im Monat ging einfach alles schief. Trotzdem musste sie sich jetzt zusammen nehmen und gut überlegen, was hier am besten zu tun sei. Ihr erster Gedanke, ihre Hauslehrerin zu wecken und sie zu bitten ihr zu helfen, verwarf sie ganz schnell wieder. Inzwischen war längst Sperrstunde und es würde nicht nur ihr Haus viele Punkte kosten, sondern auch ihrem Ansehen als Schülersprecherin schaden, wenn sie zugeben müsste, um diese Zeit durch die Großen Halle gegangen zu sein. Allerdings würde es ohnehin heraus kommen, sobald Snape von dem Zauber befreit wurde. Aber McGonagall wäre enttäuscht über das Verhalten der Schulsprecherin, die gleichzeitig ihre Lieblingsschülerin war.
Sie biss die Zähne zusammen und sprach den Gegenspruch, um tapfer (schließlich war sie eine Gryffindor) die Standpauke zu erwarten, die der finstere Lehrer ihr sogleich verpassen würde. Dabei ging sie bis auf kurze Distanz auf ihn zu, sprach: "Finite Incantatem" und wollte sich wieder einige Schritte zurück ziehen, um gleich darauf festzustellen, dass sie dies nicht mehr konnte. Sie stand wie festgenagelt am Boden und berührte dabei die unvermeidliche schwarze Robe des sich nun wieder bewegenden Lehrers.

Severus Snape wusste nicht wie ihm geschah, als er plötzlich von einer seiner Schülerinnen mit einem Zauberspruch in eine Ganzkörperklammer eingeschlossen wurde. Das hätte ihm nicht passieren dürfen, aber mit so einem Verhalten von Miss Granger hatte er nicht gerechnet. Sie würde es bereuen überhaupt auf der Welt zu sein, wenn er erst wieder von dem Zauber befreit wäre. Und er hatte einen Grund, Potters besserwisserische Freundin zur Schnecke zu machen und damit eine gute Chance seinen gesamten Frust, der sich heute in ihm aufgebaut hatte, abzureagieren. Ihrer Miene nach zu urteilen war sie sich ihres Irrtums bewusst geworden und begann zu ahnen, was mit ihr passieren würde, wenn er sich wieder bewegen könnte. Trotzdem löste sie den Zauber und widerwillig bewunderte er sie für diesen Mut, was er natürlich niemals zugeben würde.

Als der Hauslehrer von Slytherin seinen Körper wieder unter Kontrolle hatte, wollte er auf sein Gegenüber los, erwartend, dass diese zurück wich. Dabei stellte er mit Erstaunen fest, dass sie beide magisch an diesen Ort fixiert waren, und zwar durch einen Zauber, der nur durch eine Handlung zu lösen war oder durch einen Gegenzauber, den einem die Person mitteilen musste, die den Zauber ausgesprochen hatte. Er kannte nur einen einzigen Zauberer auf dieser Burg, der die Art von Magie benutzte.

'Ruhig bleiben, Hermine', sagte sie zu sich selbst und zwang sich tief ein- und auszuatmen. Dabei stellte sie verwundert fest, dass der dunkelhaarige Mann ihr gegenüber überhaupt nicht unangenehm roch, wie sie das von jemanden mit diesem Aussehen erwartet hätte, sondern im Gegenteil, es war ein angenehmer Duft nach Kräutern und irgendwie sehr männlich. Sie hatte diese Duftnote schon einmal gerochen, aber es fiel ihr nicht ein wo. Auf jeden Fall wusste sie nun, was sie erwidern konnte, wenn Ron und Harry wieder Witze über den fiesen Zaubertränkelehrer, der sich bestimmt nur einmal im Jahr wäscht, machen würden.

Im Klassenraum und bei anderen Begegnungen war Snape sehr darauf bedacht immer einen gewissen Abstand zu jeder Person zu halten. Er war kein Freund von sozialen Kontakten. Allein durch seine Tätigkeit als Doppelagent führte er ein einsames Leben, immer darauf bedacht, sich niemals in die Karten schauen zu lassen. Die große Spannung, unter der er stand, konnte er nur privat etwas ablegen und dazu musste er allein sein. Nicht, dass ihn jemand gewollt hätte, dachte er sarkastisch. Es war deshalb Jahre her, seit er das letzte Mal von jemanden berührt worden war und obwohl er sich dagegen wehrte, tat ihm die Nähe von Miss Granger wohl. Der menschliche Kontakt löste ein angenehmes Gefühl aus, das er sofort aufs schärfste bekämpfte, als es ihm bewusst wurde. Es fehlte gerade noch, dass er sich in Gegenwart ausgerechnet dieser Schülerin entspannte. Snape verwarf schnell diese Gedanken und widmete sich seinem aktuellen Problem: er versuchte eine Lösung für diese peinliche Situation zu suchen.

"Miss Granger, wir beide sollten wohl oder übel versuchen, uns aus dieser Situation zu befreien. Irgendwelche Vorschläge?", fragte der Lehrer in einem Tonfall, als seien beide im Klassenzimmer und ständen vor einem komplizierten Zaubertrank.
Hermine war dankbar, dass er alle "Nettigkeiten" auf später verschieben wollte, um sich erst einmal mit ihrem aktuellen Problem auseinander zu setzen.
"Ich denke, Sie wissen um welche Art von Zauber es sich hier handelt?" Es war mehr eine Feststellung als eine Frage von Snape.

"Der Zauber, der uns hier gefangen hält, wird nur sehr selten benutzt, da er große Konzentration erfordert, aber eher in die Kategorie 'Spaßzauber' fällt. Er kann nur gelöst werden, wenn man erkennt, welcher Gegenstand verzaubert wurde und ihn seinem Gebrauch gemäß, benutzt. Den Gegenzauber muss man von der Person gesagt bekommen, die den Zauber ausgesprochen hat, sonst wirkt er nicht." Selbst in dieser Situation konnte Hermine es nicht lassen, ihr Wissen unter Beweis zu stellen.
"Wir müssen nur heraus bekommen, welche Gegenstand in unmittelbarer Umgebung mit dem Zauber belegt wurde und dann ..."

Die Stimme der eifrigen Schülerin wurde unterbrochen von einem lauten Fluch, der aus Severus Snapes Mund kam und die ganze Halle in dicke, qualmende Wolken hüllte.
Zum Schutze der jüngeren Schüler war Hogwarts so verzaubert, dass die Flüche nur von denjenigen zu verstehen waren, die nach Zaubererrecht als volljährig galten. Alle anderen sahen lediglich die Wolken, die diese Worte für junge Ohren dämpfte.
Da die Schulsprecherin im letzten Monat ihren siebzehnten Geburtstag gefeiert hatte (und damit volljährig war), kam sie in den vollen Genuss des Fluchs.
"Albus Dumbledore, wie kannst du es wagen, mich so lächerlich zu machen du ..."
Hermine hatte nicht gewusst, dass es solche Worte überhaupt gab, geschweige denn konnte sie sie sich merken (ihre beiden Freunde würden ihr zu Füssen liegen, wenn sie ihnen die genaue Wortwahl wiedergeben könnte).
Als ihre Ohren wieder eine normale Farbe angenommen hatten (sie waren ziemlich heiß geworden), traute sie sich ihren Leidensgenossen zu fragen, was er heraus gefunden hatte. Dieser hatte wohl mit dem Fluch genügend Dampf abgelassen um wieder normal (für seine Verhältnisse) sprechen zu können. "Miss Granger, ich wundere mich, dass Sie, die Sie doch als besonders schlau gelten, noch nicht entdeckt haben, welche Pflanze genau über uns von der Decke herunter hängt!" Sein sarkastischer Tonfall erinnerte sie an ihre erste Begegnung im Kerker, als sie in der ersten Klasse war.
Als sie nach oben sah verstand sie plötzlich seine schlechte Laune. Unter der Decke hing ein dicker Mistelzweig. Und jedes Kind kannte die Tradition. Wenn zwei sich unter dem Mistelzweig trafen küssten sie sich.
Sie KÜSSTEN sich!!!
Hermine glaubte sie würde gleich in Ohnmacht fallen. Sie müsste den unbeliebtesten Lehrer der Schule küssen oder sie würden die ganze Nacht hier stehen bleiben müssen, bis des Schulleiters Gnade sie wieder entließ und sie dabei zum Gespött der ganzen Schule wurden.
'Das muss ein Traum sein', dachte sie verzweifelt. 'Ich erwache gleich aus einem Alptraum.'

Ihr zweiter Gedanke war: 'Es hätte schlimmer kommen können, ich hätte an Snapes Stelle mit Malfoy festhängen können.' Zu ihrem eigenen Erstaunen zog sie ihren Zaubertränkelehrer dem blonden Slytherin aus ihrem Jahrgang vor.
Aber küssen, das hatte etwas so intimes. Sie erinnerte sich an den netten jungen Mann, einen Muggel, den sie voriges Jahr im Urlaub kennen gelernt hatte. Sie war mit ihren Eltern in Italien gewesen und er hatte recht heftig mit ihr geflirtet. Später waren sie zusammen tanzen gegangen und er zeigte ihr, dass es außer dem Lernen noch andere wichtige Dinge im Leben gab. Sie hatte Gefallen am Küssen gefunden, aber nachdem die Ferien zu Ende waren und sie sich nicht wieder gesehen hatten, fand sie niemanden, der für diese Rolle in ihrem Leben in Frage kam. (Harry und Ron waren einfach nur Freunde, mehr war da nicht.)
Und jetzt müsste sie ihren Lehrer küssen, der alles andere als erfreut darüber war.

Severus zog Bilanz. Er hatte zwei Optionen, entweder er wartete ab, bis Dumbledore am nächsten Morgen auftauchte, um sie beide von diesem Zauber zu erlösen und sorgte dadurch dafür, dass die ganze Schule für Wochen Gesprächsstoff hatte, oder er überzeugte Miss Granger ihn zu küssen, und beide könnten die ganze Sache für sich behalten (falls sie das überhaupt vor hatte, er konnte sich Potters Gesicht in der nächsten Unterrichtsstunde schon bildlich vorstellen). Im Notfall würde er Granger mit dem Vergessenszauber belegen.
Sie hatte sich wieder gefangen und sah ihn neugierig an, um herauszufinden, welche Lösung er vorschlagen würde.
"Es gibt nur einen Weg, der uns hier heraus führt, Miss Granger. Ich gehe davon aus, dass es Ihnen genau so unangenehm ist wie mir, und ich auf Ihre Diskretion und Kooperation in dieser Angelegenheit hoffen kann", begann er.
Sie nickte stumm, sehr zu seiner Erleichterung.

Mit einer schwungvollen Bewegung nahm er sie in seine Arme.
Überrascht von der Schnelligkeit seines Handels fühlte sie plötzlich erstaunlich weiche Lippen auf den ihrigen. Sie schloss die Augen und die Erinnerung an Marco, ihre Sommerliebe, kam wieder hoch. Unwillkürlich öffneten sich ihre Lippen ein wenig, als ihr auf einmal wieder gewahr wurde, wen sie hier küsste.

Sie hatte süße geschmeidige Lippen und der Duft ihres Haares stieg in seine feine Nase. Welch wunderbares Gefühl es doch war zu küssen und geküsst zu werden. Nach all den Jahren der Einsamkeit wollte er diesen Moment wenigstens genießen. Er war schließlich nicht Schuld an dieser Situation. Severus spürte wie ihre Lippen sich öffneten und konnte nicht widerstehen. Seine Zunge glitt sanft zu ihren Lippen. Diese öffneten sich soweit, dass seine Zunge die ihre fand, und sie begannen miteinander zu spielen.

'Das fühlt sich verdammt gut an', war das einzige, das ihr in den Sinn kam. 'Wer hätte das vom Meister der Zaubertränke gedacht! Das würde mir kein Mensch glauben, selbst wenn ich es jemandem erzählen würde.' Was niemals der Fall sein würde.

Dann setzte der Verstand bei ihr wieder ein. Sie hatte gerade Snape erlaubt, seine Zunge in ihren Mund zu schieben. Sie würde ihm im Unterricht nie wieder ins Gesicht blicken können.

'Severus Snape du küsst gerade eine Schülerin.' Seine Stimme des Gewissens meldete sich, und es war ihm, als hätte jemand eine kalte Dusche angestellt.
Er beendete den Kuss und ging schnell einige Schritte zurück. Der Zauber war gebrochen. In mehr als einem Sinne.
"Miss Granger, Sie haben sich nach der Sperrstunde nicht außerhalb Ihrer Räume aufzuhalten. Als Schulsprecherin sollten Sie das besser wissen, als jeder andere. 100 Punkte Abzug für Gryffindor und melden Sie sich morgen Abend zur Strafarbeit bei Filch", sagte er mit kalter Stimme.
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich auf dem Absatz um und schritt zu seinen Räumen in die Kerker.

Völlig benommen von den verschiedenen Emotionen, die sie in den letzten Minuten durchlebt hatte, machte Hermine sich auf den Weg in ihre Räume. Als sie dann im Bett lag, konnte sie zunächst nicht einschlafen. Morgen war ein wichtiger Tag für sie, und sie musste unbedingt Ruhe finden. Über all das, was heute passiert war, wollte sie erst später nachdenken. Einen Einschlafzauber murmelnd, fiel sie prompt in leichten Schlaf.

Ohne dass es ihr bewusst war murmelte sie leise: "Besser als Schokolade!"


Ende


Authors Note: Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die meine Geschichte im Vorfeld gelesen und für gut gefunden haben. Ganz besonders möchte ich meine beiden Beta-Leser Sandra und Simone erwähnen, deren Rotstifte mich vor mancher Blamage bewahrt haben.


 

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