Alcyone - Teil 2 - Rückkehr nach Hogwarts

 

 

Zurück

 

Zurück zur 
Startseite


 

Kapitel 19: Abschied

"Severus, mach bitte mal dieses Fenster auf!"

Alcyone stand in Severus Schlafzimmer. Es war Samstag Morgen und der Tag ihrer Rückreise nach London. Sie hatte diese Nacht, so wie die anderen davor auch bei Severus verbracht und diesmal kaum geschlafen.

"Warum?", hörte sie Severus fragen, der sich in einem anderen Raum befand. "Das kannst du doch genauso gut selber machen."

"Das Fenster ist aber zu hoch für mich angebracht. Da komme ich nicht ran!"

"Benutze deinen Zauberstab!", rief Severus zurück.

Ja natürlich, dachte sich Alcyone. Ihren Zauberstab benutzen. Darauf war sie wieder einmal nicht gekommen. Sie hatte noch nie ein Fenster mit Hilfe ihre Zauberkräfte geöffnet. 

Sie griff sich in ihre Tasche und suchte nach dem Zauberstab. Er war nicht da. Auch in keiner der anderen Taschen in ihrem Umhang. Sie mußte ihn wieder einmal verlegt haben. Das wäre nicht das erste Mal. Schon oft hatte sie ihn in ihrer eigenen Wohnung so gut versteckt (vor allem wenn sie von Muggels Besuch bekommen hatte), daß sie lange suchen mußte, ehe sie ihn wiedergefunden hatte. Wenn sie ihn jetzt verlegt hatte, wäre es allerdings ein großes Problem. Sie hätte nicht sehr lange Zeit, um nach ihm zu suchen. 

Wo in aller Welt könnte er denn sein? fragte sie sich selber. Sie dachte angestrengt nach. 

Dann fiel es ihr plötzlich wieder ein. Natürlich. Er befand sich in ihrem warmen Reiseumhang, der sich zusammen mit ihrem Koffer im gleichen Raum wie Severus befand. Da hatte sie ihn doch gestern Abend verstaut, daß sie ihn auch ja nicht vergessen würde.

"Geht nicht!", rief sie Severus zu. "Der ist in meinem Reiseumhang."

Keine Antwort. Sie hätte jetzt eigentlich erwartet, daß Severus ihr sagen würde, sie solle ihn doch holen. Das geschah aber nicht. Dafür hörte sie Schritte und kurz darauf trat Severus zu ihr ins Zimmer. Er sah ein wenig genervt aus.

"Ich verstehe gar nicht, warum du das Fenster offen haben willst. Warst du nicht diejenige, die sich ständig darüber beklagt hat, daß es hier drin viel zu kalt sei?"

Alcyone blickte ihn scharf an. "Mach einfach das Fenster auf, bitte!", bat sie ihn.

Severus zuckte mit den Schultern, holte seinen Zauberstab hervor, sprach einen Zauberspruch und sofort sprang das Fenster auf.

Die kalte Luft verbreitete sich sofort in dem gerade noch angenehm warmen Raum. 

"Und was hast du jetzt davon?", fragte er sie.

"Das wirst du gleich sehen", sagte sie geheimnisvoll.

Sie grinste Severus an und verwandelte sich gleich darauf in den Eisvogel. Sofort flog sie durch das offene Fenster und entfernte sich etwa einen Meter von ihm. Dann drehte sie sich um und versuchte festzustellen, wo sie sich ungefähr befand. Leider war das aus dieser nahen Entfernung nicht genau festzustellen. Es hätte jeder Winkel von Hogwarts sein können. Sie drehte sich wieder um und flog ein weiteres Stück von dem Fenster weg, bis sie glaubte, die optimale Position ausgemacht zu haben. Sie drehte sich wieder zum Schloß und stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, daß sie tatsächlich einen sehr gutes Blickfeld hatte. Das offene Fenster konnte sie gerade noch so erkennen und ebenso alles in der näheren Umgebung. 

Alcyone suchte schnell nach einem unverkennbarem Kennzeichen, an dem sie sich orientieren könnte, wenn sie dann (sobald sie die Apparationsprüfung bestanden haben würde) her fliegen würde. Sie fand dieses Kennzeichen in einem kleinen Holunderstrauch, der sich zwei Fenster rechts von dem offenen befand und weit und breit die einzige Pflanze in diesem Teil des Schloßgemäuers zu sein schien.

Alcyone flog noch ein Stück weiter, bis sie wußte, an welcher Seite sie sich befand und orientierte sich dabei an der peitschenden Weide. Ja, wenn sie dann heimlich hierher käme, würde es kein Problem sein, zu Severus Gemächern zu kommen, natürlich nur wenn etwas wesentlich vorausgesetzt wäre. Alcyone flog schnell wieder zurück in Severus Schlafzimmer. 

Er stand immer noch an der gleichen Stelle wie vorhin und blickte sie direkt an, als sie wieder hereingeflogen kam. Sie schwebte kurz direkt flatternd vor seinem Gesicht, was bei ihm neben wehenden Haaren zu einem leicht ärgerlichen Blick führte. Alcyone hätte laut losgelacht, wenn sie es gekonnt hätte.

Er hob seinen Zauberstab, schloß das Fenster und steckte ihn wieder in seine Tasche.

Alcyone verwandelte sich gleich darauf zurück in ihre eigentliche Gestalt und blickte den immer noch ärgerlich aussehenden Severus bittend an.

"Was?", fragte dieser.

"Könntest du bitte ab jetzt jeden Freitag so ab fünf Uhr Abends dieses Fenster aufmachen und auflassen, so bis acht?"

"Was soll das?", fragte Severus sie ärgerlich. "Willst du, daß ich erfriere?"

Alcyone lachte auf. "Nein, natürlich nicht." Sie machte eine kurze Pause. "Ich will nur, daß ich dich mit einem Besuch überraschen kann, sobald ich fähig zu apparieren bin."

"Ach so." Der ärgerliche Gesichtsausdruck war verschwunden und wurde durch ein glückliches Lächeln ersetzt. "In dem Fall werde ich das natürlich gerne tun." Er beugte sich zu ihr herunter und küßte sie.

"Habe ich dir eigentlich schon erzählt, was Dumbeldore zu mir beim Frühstück gesagt hat?", fragte er sie, nachdem er seine Lippen von ihren hatte trennen können.

"Nein!"

Alcyone sah ihn neugierig an. Sie war nicht beim Frühstück gewesen. Severus hatte sie weiter schlafen lassen und ihr etwas Eßbares aus der großen Halle mitgebracht, daß sie für ihre Reise eingepackt hatte.

"Er hat mich abgefangen, als ich die Halle verlassen wollte und dann zu mir gesagt, ich solle dich doch bitte zur Bahn bringen. Ich hab dann in meiner altbekannten Art zu ihm gesagt, daß er doch Hagrid nehmen solle, ich hätte weiß Gott besseres zu tun! Und dann hat er zu mir gesagt, daß das nicht möglich wäre, er hätte Hagrid schon mit einem äußert dringenden Auftrag in den Verbotenen Wald geschickt. Auf meine Frage, warum denn gerade ich das unbedingt machen soll, und kein anderer Lehrer, hat er nur gelächelt und gesagt 'Sie machen das schon Severus'. Bevor ich noch etwas erwidern konnte, war er schon verschwunden."

"Wen du mich fragst, glaube ich fast, daß er dir mit Absicht diesen Auftrag gegeben hat. Fast so, als ob er uns damit einen Gefallen tun will. Daß es vor den anderen so aussieht, als ob du mich zum Zug bringen mußt, obwohl du es natürlich gerne tust, oder?" Sie hob die Augenbrauen und schaute Severus drohend in die Augen, als Zeichen dafür, daß er jetzt ja nichts falsches sagen dürfe.

"Sicher!"

Alcyone schaute Severus zufrieden an und kam wieder auf das Thema Dumbeldore zurück. "Der alte Mann scheint doch tatsächlich alles zu wissen, was hier vor sich geht", sagte Alcyone nachdenklich.

"Das glaube ich auch", bestätigte Severus. "Ist das denn nicht auch genau seine Aufgabe als Schulleiter, über alles Bescheid zu wissen?"

Alcyone nickte. "Ja. Ich frage mich allerdings, wie er das anstellt."

"Ich nehme an, er schnappt sich Nachts einen Tarnumhang und geht durch sämtliche Schlafsäle."

Alcyone erschrak zuerst, bevor sie realisierte, daß das ein Scherz gewesen war. "Sehr witzig Severus", sagte sie und schlug ihm leicht in die Rippen. 

Severus zuckte kurz zusammen und packte sie dann sanft an ihren Oberarmen und zog sie zu sich her. Dann beugte er sich zu ihr herunter und grinste sie mit einem gespielten, gehässigen Grinsen an. "Tu das nie wieder!", sagte er in einem ebenfalls gespielten ernsten Ton. "Sonst könnte es sein, daß ich mich vergesse."

Alcyone konnte sich ein Grinsen wieder einmal nicht verkneifen.

"Ich hab dich gewarnt!", Severus packte etwas fester, aber noch nicht grob, zu und zog sich noch näher an sie heran. Dann preßte er seine Lippen auf die ihren, was sofort zu einem sehr leidenschaftlichen Kuß ausartete. Der letzte Kuß in der Art für lange Zeit.

"Wow", sagte Alcyone leicht außer Atem. "Das werde ich wahnsinnig vermissen."

"Ich auch!", pflichtete Severus ihr bei. Sein Blick glitt kurz an ihr vorbei. "Tja, ich glaube, es wird langsam Zeit, daß ich die mir von Dumbeldore zugeteilte Aufgabe erfülle und dich zum Zug bringe."

"Was, wenn ich mich weigere mitzukommen?" Alcyone versuchte einen kühlen und sachlichen Gesichtsausdruck zu machen. Sie wußte nicht, ob es ihr gelang, denn wenn sie ehrlich war, hätte sie es am liebsten getan. Sie wollte nicht weg. Hier bei Severus bleiben war das einzige was sie in diesem Augenblick wirklich wollte. Hinzu kam noch, daß sie ihn jetzt schon vermißte, obwohl sie immer noch bei ihm war.

Severus spürte wohl, was ihr durch en Kopf ging und legte sanft seine Hände auf ihre Schultern, bevor er sie zu sich herzog und in die Arme nahm. "Ich wünsche mir auch nichts sehnlicher, als daß du bei mir hier bleiben könntest. Aber wir Beide wissen, daß das nicht so einfach ist."

"Ich weiß, aber es ist einfach so ungerecht. Haben wir Beide nicht schon genug durchmachen müssen?"

Severus strich ihr durchs braune Haar. "Ich weiß. Nur geht es momentan einfach nicht anders. Die Situation -".

"Schon gut", unterbrach ihn Alcyone. Über das Thema, welches Severus gerade anschneiden wollte, hatte sie keine Lust zu reden. Außerdem würde die Zeit dafür auch nicht reichen, denn sie wußte, daß es in eine ellenlange Diskussion ausarten würde.

Alcyone schnappte sich ihren Umhang und zog ihn an. Sie blickte zur Tür, die sie heute zum letzten Mal für vielleicht sehr lange Zeit durchschreiten würde und bekam fast Panik bei dem Gedanken, Severus lange nicht zu sehen. Dabei blieb es nicht nur beim Sehen. Ihr wurde bewußt, daß sie, wenn sie jetzt so gehen würde, überhaupt keinen Kontakt zu Severus haben würde. Zumindest hatten sie nicht darüber geredet, ob und wie sie die Wochen oder Monate, bis Alcyone ihn heimlich besuchen könnte, in Kontakt bleiben würden. Das würde sie ohne nicht aushalten.

"Severus, versprich mir bitte eines", bat sie ihn. "Laß uns Briefe schreiben!"

Severus schüttelte den Kopf. "Alcy, das ist zu gefährlich"

"Nein Severus", unterbrach sie ihn wieder. "Verstehe mich bitte. Ich würde das nicht aushalten. Ich brauche den Kontakt zu dir. Und wenn wir uns schon nicht sehen können, dann wenigstens per Post."

"Aber Alcy, wenn die Briefe abgefangen werden und in falsche Hände geraten. Du weißt, was dann passieren wird?", belehrte sie Severus mit ernster Stimme.

Severus hatte schon recht, mit dem, was er da sagte, aber Alcyone ließ sich damit nicht einschüchtern. Sie wußte, was sie darauf zu erwidern hatte. "Ich verlange ja nicht, daß wir uns täglich schreiben. Außerdem brauchen wir unsere Namen nicht drauf schreiben. Ich habe eine sehr intelligente Eule, die wird den Weg zu deinem Fenster genauso gut finden, wie den zu meinem. Und wenn sie abgefangen wird, kann keiner Verdacht schöpfen. Solche Eulen wie meine, gibt es wie Sand am Meer."

Severus blickte sie beeindruckt an. "Du hast in letzter Zeit immer mehr Ideen, die gut ausgereift sind. Ich kann mich daran erinnern, daß du früher so etwas nicht gekonnt hast. Verzeih mir den Ausdruck, aber ich hatte damals das Gefühl, daß du oft sehr schwer von Begriff warst."

Alcyones schaute ihn mit einem beleidigten Blick an und überlegte sogar, ob sie ihm nicht mal wieder - natürlich nicht zu hart - in die Seite schlagen sollte, unterdrückte aber diesen Gedanken und versuchte sich so gut wie möglich zu erklären.

"Wenn ich etwas wirklich will, glaub mir, dann kommen die Ideen dafür wie von selbst. Und was mein schwer-von-Begriff-sein betrifft solltest du etwas vorsichtiger sein, denn es könnte ja genauso gut an dir gelegen haben, wenn ich was nicht kapiert habe. Vielleicht waren deine Erklärungen ja einfach nur miserabel?"

Severus Augen blitzten kurz auf, als fühlte er sich angegriffen. Dann verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in pure Überraschung. 

"Sieh es ein Severus, ich bin nicht mehr nur das schüchterne, ruhige Gryffindor-Mädchen, welches jedem Konflikt aus dem Weg ging und Angst hatte, die Schule nicht zu schaffen."

Das sie damals Angst hatte, die Schule nicht zu schaffen, hatte sie außer Severus nie jemandem erzählt. Nicht einmal Remus, aus Angst, er könnte ihren Eltern etwas erzählen.

"Sag was du willst, aber ich bin mir sicher, daß vor mir immer noch das Mädchen steht, daß ich vor vielen Jahren kennen und lieben gelernt habe. Du hast dich nicht verändert, sondern einfach nur zu deinem Vorteil weiterentwickelt."

Alcyone mußte über dieses Kompliment von Severus etwas verlegen lächeln. Sie fuhr ihm mit ihrer linken Hand übers Gesicht und stellte sich dann auf die Zehenspitzen um ihm zum Dank einen leichten Kuß zu geben. 

Alcyone sah, wie Severus Blick an ihr vorbei glitt und einen Punkt an der Wand hinter ihr fixierte.

"Es hilft alles nichts. Es wird Zeit", sagte er irgendwie trocken.

Alcyone nickte stumm, drehte sich um und schaute auf Severus Uhr. Sie hatte es jetzt bis aufs Äußerste hinausgezögert. Jede Minute, die sie noch versuchen würde herauszuholen, würde am Ende nur dazu führen, daß sie den Zug verpassen und sich vor Dumbeldore blamieren würde. 

"Ich nehme deinen Koffer", bot Severus sich an. 

"Der ist aber nicht gerade leicht!", wollte Alcyone ihn belehren. Sie unterlag in dem Moment dem alten Klischee, daß jeder, der einfach nur dünn war, nicht in der Lage sei, schwere Gegenstände zu tragen. 

Da hatte sie allerdings die Rechnung ohne Severus gemacht. Allerdings waren es bei ihm mehr seine Intelligenz und Schlauheit als Kraft, die dazu beitrugen, daß er ihren Koffer tragen konnte. Er schaute sie kurz mit hochgezogenen Augenbrauen an, hob seinen Zauberstab und sprach einen Verkleinerungszauber aus. 

Alcyone ersparte sich jeglichen Kommentar und lief, nicht ohne gewisse Sentimentalität zu erfahren, zur Tür, die sie nun wirklich - für eine unbestimmte Zeit - aus dem Leben von Severus bringen würde. Alles, was sich fortan außerhalb dieser Gemächer abspielen würde, würde rein professioneller Art sein, genauer gesagt zwischen Professor Snape und Miß Hide. 

Alcyone und Severus ließen sie Beide in den Räumen zurück, als sie durch die Tür schritten.



Die Fahrt in der Kutsche zum Bahnhof war die reinste Qual. 

Alcyone saß dicht neben Severus und Beide nutzen diese letzte Gelegenheit, indem Severus seine Hand sanft auf die Alcyones gelegt hatte. 

Seit sie Severus Gemächer in den Kerkern verlassen hatten, hatte keiner von Beiden auch nur ein Wort gesprochen. Sie waren stumm nebeneinander gegangen und hatten nicht einmal gewagt sich auch nur anzuschauen. Alcyone war auch mehr damit beschäftigt gewesen, noch einmal alles ganz genau in sich aufzunehmen. Alles hatte sie mit ihrem Blick inspiziert, jeden Geruch, der in der Umgebung war, hatte sie sich eingeprägt und mit jeder Sekunde, die verstrich, vermißte sie Hogwarts ein Stück mehr. 

Alcyone fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis sie endlich wieder hier ein könnte. Severus setzte große Stücke auf sie, was das Apparieren anging, aber sie selbst war sich bei weitem überhaupt nicht sicher. 

Sie versuchte den Gedanken beiseite zu drängen und riskierte einen Blick auf Severus. Sein Blick war nach vorne gerichtet und seine Gesichtszüge zeigten keine Regung. Sie vermutete, daß es ihm in dieser Situation nicht besser erging als ihr.

"Alcy!", sagte er plötzlich. Die Art, wie er ihren Namen aussprach, machte deutlich, daß es ihm schwer fiel, ihn auszusprechen, wohl wissend, daß er es vermutlich lange Zeit nicht mehr tun könnte.

Alcyone sah ihn stumm an. Sie war momentan nicht in der Lage, irgend etwas zu sagen. 

Severus griff in seinen Umhang und holte ein kleines, rechteckiges Päckchen hervor. Er reichte es Alcyone.

Alcyone blickte abwechselnd Severus und das Päckchen an. Auf sein Nicken hin, nahm sie es an. Es war nicht schwer.

"Bitte mach es erst im Zug auf, ja?"

Alcyone nickte stumm und ließ es in der Innentasche ihres Umhanges verschwinden.

"Danke" sagte sie leise und schämte sich dafür, kein Abschiedsgeschenk für Severus zu haben. Dabei mußte sie an die Kette denken, die um ihren Hals hing - und die Severus ihr geschenkt hatte -, griff instinktiv danach und fühlte sich noch mieser. "Severus, ich habe leider kein Geschenk für dich!" 

Severus lächelte sanft und legte ihr dabei seine beiden Hände auf die ihren. "Das ist nicht nötig", sagte er. " Das, was ich dir gerade gegeben habe, ist nur eine Kleinigkeit. Außerdem hast du mir in der letzten Woche soviel gegeben. Mehr, als du dir vielleicht vorstellen kannst." Er strich ihr sanft übers Gesicht. Diese Berührung war etwas ganz Besonderes und Alcyone genoß sie, so gut es nur ging.

Beide schauten sich noch einige Sekunden in die Augen. Dabei kamen sie Hogsmeade immer näher und damit auch dem endgültige Abschied.



"Miß, würden Sie bitte einsteigen?"

Der Schaffner stand mit einem ungeduldigen Gesichtsausdruck in der Tür.

Alcyone nickte ihm zu. Die Beiden waren wegen Alcyones Zeitschinderei reichlich spät am Bahnhof angekommen. Severus hatte noch schnell Alcyones Koffer wieder in die normale Größe zurückgezaubert und ihn dann mit einem emotionslosen Gesichtsausdruck dem Schaffner in die Hand gedrückt, der ihn auch sofort in den Waggon gepackt hatte. 

Diesen kurzen Augenblick hatten Beide für einen intensiven Augenkontakt genutzt, welcher den bevorstehenden Trennungsschmerz besser als tausend Worte ausdrücken konnte.

Sie drehte sich vom Schaffner wieder weg und schaute Severus (oder besser ausgedrückt Professor Snape) an, der ihr gegenüberstand - in angemessenem Abstand - und versuchte einen gefaßten Gesichtsausdruck zu machen.

"Vielen Dank, daß Sie mich zur Bahn gebracht haben", versuchte sie formell zu sagen.

Professor Snape hatte seinen kalten, emotionslosen Blick, für den er von vielem Schülern gehaßt oder auch gefürchtet wurde, aufgesetzt. "Ich wünsche Ihnen eine gute Reise Miß Hide." Snapes Stimme klang oberflächlich wie sein Gesichtsausdruck, aber Alcyone konnte den Schmerz, der mit in seiner Stimme lag, deutlich heraus hören.

"Miß!" drängte der Schaffner.

"Ich komme sofort", rief sie ihm zu und schaute sofort wieder zu Professor Snape. "Auf Wiedersehen", sagte sie und hoffte beim Aussprechen dieser Worte, daß sie bald Wirklichkeit werden würden.

"Auf Wiedersehen", sagte Professor Snape, in dessen Stimme die gleich Hoffnung zu finden war, wie in Alcyones.

Was nun folgte, war für Alcyone einer der schwersten Augenblicke im Leben und sie mußte viel Beherrschung aufbringen, um das zu tun.

Sie drehte sich langsam um, und der erste Schritt in Richtung Waggon war wie der erste Schritt in eine unheimliche Einsamkeit. 

Das Leben in London würde für sie wie eine Leere sein. Severus war inzwischen ein Teil von ihr geworden und mit ihm ließ sie auch ein Stück von sich selbst zurück. 

Langsam und in den drängenden Gesichtsausdruck des Schaffners blickend, setzte sie einen Fuß vor den anderen und kam der Tür des Waggons des Zuges, der sie von Severus wegbringen würde (wofür sie ihn verabscheute) immer näher.

Dort angekommen zog sie der Schaffner, dessen Aussehen sie sich erst gar nicht merken konnte, fast in den Zug hinein. Kaum war Alcyone drin, setze sich der Zug auch sofort nach dem schrillen Pfiff des Schaffners in Bewegung.

Alcyone begab sich sofort zum nächst besten Abteil und öffnete das Fenster.

Sie blickte hinaus und stellte fest, daß Professor Severus Snape sich keinen Millimeter bewegt hatte und mit unverändertem Gesichtsausdruck in ihre Richtung schaute. Zum letzten Mal trafen sich ihre Blicke. 

Alcyone schaute ihm noch lange hinterher, selbst dann, als der schwarze Punkt schon am Horizont verschwunden war. 

Die Zeit ohne ihn würde schwer werden, sehr schwer, das wußte sie. Doch sie wußte auch, daß sie es schaffen würden und irgendwann, in naher oder ferner Zukunft würden sie nie wieder getrennt sein. Sie würden ein glückliches Leben zusammen führen können.


 a href="2-18">Kapitel 18

 

 

Zurück