Alcyone - Teil 3

 

 

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Kapitel 9



Zu Hause angekommen griff Alcyone als erstes zum Telefonhörer und rief Tom an.

„Tom? Hallo. Hier ist Al. Hast du Zeit?“

„Hm, wofür denn?“ kam es vom anderen Ende der Leitung.

„Ich muß dringend mit dir sprechen. Es ist wirklich wichtig.“

Kurzes Schweigen.

„Okay, soll ich vorbeikommen?“

„Nein“, sagte Al etwas hastig. „Ich brauche frische Luft. Laß uns in der Stadt treffen.“

„Gut und wo?“

„Unserem Lieblingsrestaurant. Ich würde sagen, bis in einer halben Stunde schaffe ich es dahin!“

„Okay, alles klar, bis gleich.“

Tom hatte aufgelegt, ehe Alcyone noch Tschüs sagen konnte.

Sie schaute den Hörer in ihrer Hand kurz verständnislos an und legte ihn dann wieder auf die Gabel. Dann begab sie sich augenblicklich ins Badezimmer, zog sich schnell was bequemeres an, machte sich kurz frisch und dann sofort auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt.



Tom war bereits da, obwohl Alcyone wieder einmal überpünktlich war. Er stand draußen, in der Kälte und fror, wie sein Blick verriet.

„Warum bist denn nicht schon rein gegangen, ich hätte dich sicher gefunden!“ begrüßte Alcyone ihn und umarmte ihn flüchtig dabei.

„Wäre ich ja gerne“, sagte er und wies mit einer Hand auf die Tür. „Aber sieh selber.“

„Geschlossen!“ las Alcyone. Das Schild verriet weiterhin, daß das Restaurant die ganze nächste Woche ebenfalls noch zu hatte.

„Prima. Und was machen wir jetzt?“ fragte sie Tom und rieb sich die Hände. Ihre Handschuhe hatte sie in der Eile glatt vergessen.

„Ich hab vorhin auf dem Weg hierher ein nettes kleines Lokal gesehen. Sah ganz gemütlich aus. Wollen wir da mal hingehen?“ schlug Tom vor.

Alcyone nickte. „Klar warum nicht? Laß uns mal was neues ausprobieren.“

Tom wies mit der rechten Hand in die Richtung, in der das Lokal offensichtlich lag und er und Alcyone machten sich schnellen Schrittes auf den Weg.

Obwohl es kalt war, tummelten sich doch recht viele Menschen auf den Straßen, jedoch verschwanden die meisten recht schnell in irgendwelchen Häusern.

Der Weg zu dem Lokal schien Alcyone doch recht weit, aber sie hütete sich davor, irgend etwas zu sagen.

Sie bogen um eine Ecke und dann sah Alcyone plötzlich etwas, mit dem sie an so einem kalten Abend nie gerechnet hätte: Da stand ein junger Mann, mit Jeans und einer warmen Jacke bekleidet, einsam und allein auf dem Bürgersteig, seine Gitarre in der Hand, spielend und sang. Die Passanten gingen, ihn völlig ignorierend, rasch vorbei. Keiner, aber auch wirklich keiner, schien Notiz von ihm zu nehmen.

„But you, yu’re not alone, you’re uninvited“ sang er und je näher Tom und Alcyone ihm kamen, um so lauter wurde der Gesang und um so deutlicher wurde der Text.

„Entschuldige mich kurz“, sagte Tom, griff in seine Jackentasche und holte irgend etwas heraus. Alcyone beobachtete, wie er damit zu dem Sänger ging und es ihm in den Gitarrenkasten warf. Mit einem Nicken seines mit dunkelblondem Haar bestückten Kopfes nickte der Künstler Tom zu und dabei funkelten seine blauen Augen so sehr, daß sogar Alcyone es von ihrem Standpunkt aus erkennen konnte.

„Was war das jetzt?“ fragte Alcyone Tom leise, als er wieder bei ihr war und sie den Weg fortsetzten.

Tom grinste. „Ich hab ihm nur ein paar Groschen gegeben, nicht das er noch verhungert. Der arme Kerl sah so fertig und hungrig aus. Keiner hat ihn beachtet und er müht sich hier ab, für nichts und wieder nichts. Und außerdem, wenn er später mal berühmt werden sollte, dann kann ich ungelogen sagen. ‚Es war allein mein Verdienst, daß er damals auf der Straße nicht verhungert ist. Ohne mich könntet ihr alle jetzt nicht seine Musik hören‘.“

Alcyone mußte lachen. „Ach Tom. Du bist einfach unverbesserlich.“

„Ich habe halt eine sehr soziale Ader“, fügte Tom grinsend hinzu.

In diesem Moment hörte der Gesang des jungen Mannes abrupt auf, dessen Grund offensichtlich das Klingeln eines Handys war und Alcyone schnappte ein paar Wortfetzen auf, die offensichtlich von einem Gespräch des Sängers stammten:

„Nein ich kann jetzt nicht.“ „Aber meine Managerin hat gesagt.“ „Gut ich komme ja schon.“

Dann war Stille. Kein Ton war mehr von dem jungen Mann zu hören, offensichtlich war doch etwas wichtiges vorgefallen und es klang so, als wäre er gar nicht so arm, wie Tom es eine Minute vorher noch behauptet hatte. Allerdings war das Alcyone eigentlich völlig egal und als sie fünf Minuten später endlich in der besagten Kneipe ankamen, hatte sie den potentiellen Chartbreaker bereits in einen unbedeutenden Teil ihres Gedächtnisses verfrachtet.



„Hm, sieht richtig gemütlich aus“; sagte Alcyone, als sie das Lokal betraten. Ein ordentlicher Hitzeschwall kam ihr entgegen und lies ihre durch die Kälte entstandenen roten Bäckchen noch röter werden.

In dem Lokal hing ein Rauchschwaden, der offensichtlich von den Männern an der Theke ausging., die alle rauchten und sich bei mehreren Gläsern Bier offensichtlich blendend unterhielten.

Das Lokal bestand aus Wänden und Möbeln aus dunklem Holz, sowie Lampen an der Wand, von denen ein matter Lichtschein ausging. Die Sitzecken waren durch Holzwände getrennt, so dass überall eine Privatsphäre pro Tisch entstand.

„Komm laß uns hierher sitzen“, sagte Tom und zog Alcyone in eine kleine, versteckte Ecke. Sofort kam ein Kellner. „Was darf`s sein?“

„Zwei Guinness bitte“, bestellte Tom und der Kellner verschwand genau so schnell wie er gekommen war, so daß Alcyone ihm nur noch mit Mühe hinterher rufen konnte und „Noch eine Tasse Earl Grey Tee, bitte!“ bestellen konnte.

„Also, was liegt Dir auf dem Herzen?“ fragte Tom sie direkt, nachdem der Kellner die Getränke gebracht hatte.

Alcyone nahm schnell einen Schluck von dem Tee, verbrannte sich fast die Zunge dabei und stellte die Tasse geräuschvoll wieder hin.

„Nun ja, also.“ Sie stockte. Sie hatte sich das so einfach vorgestellt, genau gewußt, was sie sagen wollte, aber jetzt war der ganze Mut weg.

„Al. Komm schon, so schlimm kann es doch nicht sein?“. Tom legte sanft seine Hand auf die ihr und schaute sie aufmunternd an.

„Doch“, sagte Alcyone leise. Und wie schlimm es war. Zumindest empfand sie es so. Weil sie nicht wußte, was sie tun sollte und was passieren würde.

„Al“ Tom fuhr sanft mit seiner Hand über ihre. „Ich bin Dein Freund und Du kannst mir alles sagen und egal wie schlimm es ist, wir finden sicher eine Lösung.“

Alcyone versuchte zu Lächeln. Sie merkte, daß Tom es ernst meinte und sie wollte es ihm auch sagen, aber den Satz über die Lippen zu bringen gelang ihr einfach nicht.

Doch sie würde es tun.

Alcyone nahm einen schnellen, kräftigen Schluck Guinnes zu sich, schluckte das Bier hinunter, stellte das schon fast leere Glas hin und sagte dann in einem Zug „Ich bin schwanger!“

Es war raus.

Alcyone beobachtete wie Toms Kinnlade herunterfiel. Offensichtlich hatte er mit allem gerechnet, nur nicht mit dieser Tatsache.

„Wer, was, wann. Wieso?“ stotterte er.

„Es muß im Januar gewesen sein“, erklärte sie sachlich. Jetzt wo sie es gesagt hatte, fiel es ihr nicht mehr so schwer, weiter darüber zu reden.

„Im Januar? Da warst Du doch fast gar nicht da.“ Schlußfolgerte Tom. „Oder, Moment, war es etwa jemand außerhalb des Büros?“

Alcyone nickte und wußte, worauf Tom hinauswollte. „Nein es ist kein Muggel.“

„Aber wer dann?“ Tom hatte sich immer noch nicht richtig gefangen.

Alcyone schluckte. Das war die Frage, vor der sie sich am meisten gefürchtet hatte, aber sie hatte gewußt, das sie früher oder später gestellt werden würde.

Alcyone holte tief Luft. „Es war in Hogwarts.“ erzählte sie. „Ich habe da jemand wieder getroffen, den ich seit meiner Schulzeit nicht mehr gesehen habe. Wir haben uns damals nicht in Freundschaft getrennt. Das was damals passiert war, stand all die Jahre unsichtbar zwischen uns und es hat lange gedauert, bis wir Beide begriffen hatten, was los war. Und dann haben wir uns eines Abends ausgesprochen und festgestellt, daß wie Beide immer noch genauso viel füreinander empfinden wie damals, wenn nicht sogar mehr.“

Alcyone merkte wie Tom ihrer Erzählung folgte. „Dann kann es ja fast nur ein Lehrer sein. Aber die sind doch alle älter als du, oder irre mich da?“

Alcyone nickte. „Ja das stimmt, aber einer von ihnen nur zwei Jahre.“

In Toms Kopf arbeitete es regelrecht Er schien angestrengt darüber nachzudenken, wer es denn sein könnte „Hm, mir fällt keiner ein, das kann doch gar nicht sein, oder. Halt, nein.“ Er stoppte. Dann sah er Alcyone ungläubig ins Gesicht. „Sag mir nicht daß es ER ist. Nein Al, oder?“

Alcyone nickte. „Doch genau er.“

Tom schien noch geschockte zu sein, als bei ihrem ersten Geständnis an diesem Abend und nahm eine kräftigen Schluck Bier. Dann sah er Alcyone direkt ins Gesicht und sagte mit ernster und besorgter Stimme: „Al, nicht -„ „Nein Tom!“ fiel sie ihm sofort ins Wort. „Er ist nicht der, für den ihn alle halten. Er mag zwar im Zauberministerium als Verräter laufen, als Feigling, als jemand, den man nicht trauen kann, aber das ist er nicht. Severus hat viel durchgemacht. Er hat Fehler begangen, ja das weiß ich und er hat viel schlimmes gemacht, aber das ist mir jetzt ehrlich gesagt egal. Ich liebe ihn, er liebt mich und das zählt!“ Sie spürte, wie sich Tränen bildeten.

„Aber wenn ihr euch liebt, wo ist dann das Problem?“

Alcyone lächelte matt und kämpfte mit den Tränen. „Er war ein Anhänger von Du-weißt-schon-wem. Er steht ganz bestimmt ganz oben auf dessen Liste und lebt nicht gerade ungefährlich. Severus hat mich schon darüber belehrt, was passieren würde, wenn Du-weißt-schon-wer von meiner Existenz erfahren würde. Wir wollten unsere Beziehung geheimhalten, glaub mir, das fällt mir bei weitem nicht leicht und jetzt. Was glaubst Du, wird er sagen, wenn er hiervon erfährt?“ Alcyone hielt sich mit einer Hand den Bauch. Einzelne Tränen flossen nun ihre Wange runter,

„Al“. Tom hielt ihr ein Taschentuch hin, welches Alcyone dankend annahm. „Ich verstehe deine Sorge, aber du mußt es ihm sagen. Er hat das Recht darauf es zu erfahren.“

„Aber wenn er ausrastet?“ Alcyone dachte sofort an das Schlimmste.

„Al, wenn er dich liebt, dann werdet ihr gemeinsam eine Lösung finden. Du musst mit ihm reden. Es geht gar nicht anders.“

„Du sagst das so einfach.“ Alcyone schluchzte. „Ich kann doch nicht einfach so ohne ein Wort zu sagen nach Hogwarts verschwinden. Wie soll ich das anstellen?“

Tom ergriff ihre Hand. „Das mußt du auch gar nicht. Du geht’s Morgen früh einfach zu Mr Cabbage und sagst ihm, daß gewisse Umstände verlangen, dass Du sofort zu Deiner Familie reist.“

Alcyone lachte. „Klar, daß wird er mir glauben. Er kennt doch meine Familie gar nicht. Ich habe vor ihm noch nie ein Wort darüber verloren. Ehrlich gesagt vor niemandem.“ Der letzten Satz stimmte sie etwas traurig.

„Genau deswegen wird es funktionieren, Al. „ erklärte Tom. „Du bist jemand, der noch nie irgend etwas wollte. Verstehst du was ich meine? Er kann Dir den Wunsch dann gar nicht abschlagen.“

Alcyone nickte leicht. Mit dem, was Tom sagte, hatte er gar nicht mal so unrecht. Alcyone war noch nie mit einer Bitte zu Mr Cabbage gekommen. Sie hatte nie Ansprüche gestellt, war immer eine vorbildliche Arbeiterin gewesen und hatte nur den ihr zustehenden Urlaub genommen, um dabei höchstens mal Remus zu besuchen.

„Du hast sicher Recht. Einen Versuch ist es allemal wert. Ich werde gleich Morgen früh zu Mr Cabbage gehen.“


Kapitel 8

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