Amoris Infinitas

 

 

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Kapitel 6: Von Entschuldigungen und Blutstropfen



Als Severus zwei Stunden später erwachte, fand er sich auf einem Sofa im Zaubertränke-Klassenzimmer wieder. Er hatte noch immer Schmerzen in der Seite, aber im Vergleich zu den wahnsinnigen Schmerzen, die die Fluchwunde zuvor verursacht hatte, waren sie erträglich. Der Zaubertrank schien zu wirken. Obwohl er sich schwindelig, schwach und fiebrig fühlte, konnte er es sich nicht leisten einfach liegen zu bleiben und krank zu spielen. Er hatte wichtige Dinge zu erledigen. Zuerst musste er zu McGonagall, und dann mit dem Potter-Balg sprechen. Und dann zurück zu seinem Meister. Er würde ihm eine überzeugende Geschichte zusammenspinnen müssen, um seine Abwesenheit und die Verletzungen zu erklären...

Langsam setzte er sich auf. Madame Pomfrey schnarchte leise in einem Sessel. Sein Hemd und sein Umhang lagen auf einem Tisch neben dem Sofa, und daneben standen ein silberner Pokal und zwei kleine Flaschen, die mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt waren. Er füllte den Pokal bis zum Rand mit Zaubertrank, trank ihn in einem Zug, entfernte dann den Verband um seinen Kopf und zog sich lautlos an. Die Flaschen steckte er in seine Tasche und schlich sich, das eine Mal ohne die Tür lautstark hinter sich zuzuknallen, aus dem Klassenzimmer.


***




Der Weg hinauf zum Büro der Direktorin war lang und anstrengend, aber schließlich stand Snape keuchend und schwitzend vor dem Wasserspeier. Mist, er wusste weder das Paßwort, noch hatte er seinen Zauberstab, um seinen Patronus zu schicken. Was sollte er jetzt tun? Ratlos lehnte er sich gegen die Mauer und ließ sich wild alle möglichen Worte durch den Kopf gehen, die McGonagall als Paßwort benutzt haben könnte. Wie viel einfacher war dies mit Albus und seinem Faible für süße Naschereien gewesen...

Das Geräusch von Schritten auf der Treppe ließ ihn weiter in den Schatten der Mauern gleiten. Wer würde so spät am Abend noch die Direktorin aufsuchen wollen?

Es war niemand anderer als Harry Potter, der die Treppen hinauf eilte. Harry erreichte den Wasserspeier und sprach das Paßwort, als plötzlich ein Schatten hinter ihm sich bewegte. Im Bruchteil einer Sekunde zog er seinen Zauberstab.

"Potter!", bellte Snape. "Haben Sie nicht schon genug Unheil mit diesem Ding da angerichtet?"

"P-Professor Snape. Ich wusste nicht ...", stotterte Harry und verbarg seinen Zauberstab hinter seinem Rücken, sein Gesicht wurde dunkelrot.

"Was stehen Sie herum, Potter? Im Gegensatz zu Ihnen habe ich nicht alle Zeit der Welt. Machen Sie, dass Sie hinein kommen!"

Harry stolperte rückwärts durch die Öffnung in der Wand und auf die sich bewegende, steinerne Wendeltreppe. Snape folgte dicht hinter ihm.

Oben angekommen, wendete sich Harry der Tür zu McGonagalls Büro zu. Doch bevor er den Messingklopfer betätigte, drehte er sich zögerlich herum.

"Professor Snape", sagte er und raffte all seinen Mut zusammen, "ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich wusste nicht, dass Sie es auf Professor Dumbledores Befehl hin getan haben, dass Sie dem Orden noch immer tr-"

"Schluss damit, Potter", fuhr Snape ihm barsch über den Mund. "Weder bin ich Ihr Professor, noch bin ich bereit, mir Ihr Gefasel anzuhören. Werden Sie nun endlich klopfen? Ich habe einiges mit der Direktorin zu besprechen - und mit Ihnen."

Harry überlegte es sich nicht zweimal, er schlug den Klopfer gegen die Tür und eilte auf McGonagalls ‚herein' in das Zimmer so schnell er konnte.

"Harry. Severus." Die Direktorin, die an dem riesigen, klauenfüßigen Schreibtisch saß, der einst Professor Dumbledore gehörte, wies auf zwei Stühle ihr gegenüber. "Nehmt Platz. Ich freue mich, dich schon wieder auf den Beinen zu sehen, Severus."

Snape ignorierte den Stuhl vor ihm. "Hast du meine Nachricht bekommen, Minerva?", fragte er kurz.

"Ja, aber unglücklicherweise konnte ich sie nicht entziffern. Ich hoffe, du kannst mir sagen, worum es sich handelt?" McGonagall blickte vielsagend auf Harry.

"Potter kann bleiben, da es auch ihn angeht", erwiderte Snape mit einem wenig freundlichen Seitenblick auf den jungen Zauberer. "Es wird bald einen entscheidenden Angriff geben, Minerva. Der Dunkle Lord zieht alle seine Kräfte zusammen. Er beabsichtigt, ein für alle mal jeden Widerstand zu brechen. Also erwartet, dass der Orden das Ziel für den Angriff sein wird."

"Wann?", fragte McGonagall, die merklich blasser geworden war.

"Ich weiß es nicht. Sobald ich näheres erfahre, werde ich meinen Patronus schicken. Aber es könnte wenig Zeit bleiben. Seid besser bereit."

McGonagall nickte ernst.

"Mein Zauberstab?"

Die Direktorin zog eine Schublade ihres Schreibtisches auf und reichte den langen, schlanken Stab aus poliertem Birkenholz seinem Besitzer zurück.

"Es tut mir so leid, Severus ...", begann sie, aber wurde barsch unterbrochen.

"Spar dir dein Mitleid", zischte Snape. "Wo ist der Spiegel?"

"Der Spiegel? Da war kein Spiegel ..."

Snape zog eine Augenbraue hoch und ließ seinen Blick von McGonagall zu Harry wandern. "Kein Spiegel? Wie überaus merkwürdig ..."

"Sir, ich - ich habe ihn im Gras unter dem Astronomieturm gefunden", sagte Harry und wagte nicht, Snape in die Augen zu schauen. "Ich wollte es gerade Professor McGonagall erzählen. Deshalb kam ich hier her." Er reichte das kleine Päckchen an die Schulleiterin weiter. McGonagall schaute ihren ehemaligen Kollegen fragend an, und als er fast unmerklich nickte, öffnete sie es. Sie schnappte nach Luft.

"Rowena Ravenclaws Spiegel!", rief sie voller Erstaunen aus.

"Ich dachte mir schon, dass er zerbrochen sein musste", sagte Snape und schaute düster auf den Spiegel. "Du vernichtest ihn besser, Minerva. Aber sei vorsichtig, es könnte noch immer Dunkle Magie darin stecken."

"Glaubst du nicht, du bist ein bisschen zu misstrauisch, Severus? Rowena Ravenclaw hat niemals Dunkle Magie benutzt. Es wäre eine Schande ihn zu vernichten!"

"Tu was ich sage, Minerva, zu deinem eigenen Besten. Und jetzt muss ich mit Potter sprechen - allein." Snape zeigte in Richtung der Bürotür. Nicht gerade angetan davon, von einem viel jüngeren Zauberer aus ihrem eigenen Büro gewiesen zu werden, setzte McGonagall zum Protest an, aber wurde von einem durchdringenden, dunklen Blick des besagten Zauberers zum Schweigen gebracht. Sie drehte erhobenen Hauptes auf dem Absatz um und ging.

"Potter. Du weißt, was das ist?", fragte Snape und zeigte auf den zerbrochenen Spiegel.

"Ja, Sir", sagte Harry und sah Snape dabei zum ersten Mal direkt an. "Aber woher wissen Sie davon? Und wo haben Sie ihn gefunden? Wir haben Ewigkeiten danach gesucht ..."

"Es sollte genügen, dass ich davon weiß - alles darüber", antwortete Snape herablassend. "Das ‚Wo' geht Sie nichts an. Sie sollten allerdings wissen, dass ich mich auch um Nagini kümmern werde." Seine schmalen Lippen verzogen sich zu einem höhnischen Grinsen, als er Harrys erstaunten Gesichtsausdruck sah. "Ich sagte doch, dass ich alles darüber weiß, oder etwa nicht? Wenn das erledigt ist, ist es an dem ‚Auserwählten'", er kräuselte süffisant die Lippen, "die Prophezeiung zu erfüllen."

"Und wie - WIE SOLL ICH DAS BITTE TUN?" Harry war aufgesprungen und platzte schier vor lange aufgestautem Ärger. "Können Sie mir das sagen? Können Sie? All dieses geheimnisvolle Gerede von Dumbledore über Liebe und wie mächtig sie ist, aber nie hat er gesagt, wie ich sie benutzen soll!"

"Setzen Sie sich, Potter, und reißen Sie sich zusammen!", schnauzte Snape verächtlich. Er wandte sich von dem aufgeregten jungen Mann ab, der neben ihm stand und ihn aus feurig-grünen Augen anstarrte. In aller Ruhe setzte er sich auf den Stuhl der Direktorin und verschränkte seine langen, blassen Finger. Schließlich fuhr er fort. "Tatsächlich kann ich es Ihnen sagen, Potter. Sie haben noch immer mein altes Zaubertränkebuch, oder?"

"Ja - nun, ich meine, nein -", stotterte Harry, völlig überrascht von dieser plötzlichen Wendung.

"Entscheiden Sie sich, Potter, haben Sie es oder nicht?", blaffte Snape.

"Es ist im Raum der Erfordernisse, ich hatte es dort versteckt, als -", murmelte Harry.

"Wann?"

"Sie wissen wann!", rief Harry zornig aus. "Als Sie meine Bücher durchsucht haben, in der Jungentoilette!"

"Ah, ich erinnere mich", sagte Snape spöttisch, dann wurde er ernst. "Sie mögen sich dessen nicht bewusst sein, noch wusste ich es zu der Zeit, dass Professor Dumbledore höchst persönlich dafür sorgte, dass Sie dieses Buch bekamen. Und er tat dies nicht ohne Grund." Er machte eine kurze Pause, um das Gesagte wirken zu lassen. "Und bevor Sie fragen, er hatte das Buch konfisziert. Einem gewissen Schulsprecher war ganz zufällig herausgerutscht, dass es der Ursprung des Fluches war, den derselbe Schulsprecher noch kurz zuvor so gerne auf nichtsahnende Mitschüler angewendet hatte." Snapes ungesund bleiches Gesicht verdüsterte sich. Offensichtlich war Dumbledore nicht gerade amüsiert gewesen.

"Sie werden es zurück holen müssen", fuhr Snape kalt fort. "Heute Nacht, Potter. Sie haben nicht viel Zeit, um sich vorzubereiten. Das Kapitel über manipulative Tränke. Das allerletzte Rezept, verstanden?" Harry nickte stumm. "Sie folgen präzise meinen Instruktionen. Und dann -" er beugte sich vor, um Feder und Pergament aus der obersten Schublade zu holen, "tun Sie exakt das, was ich jetzt aufschreiben werde."

Eine ganze Weile war nur das Geräusch der auf dem Pergament kratzenden Feder zu hören. Schließlich reichte Snape Harry die Rolle hinüber.

"Hier - nach Ihren unerwartet zufriedenstellenden Leistungen letztes Jahr sollten Sie es hinbekommen."

Harry schaute auf die Liste der Zutaten am Beginn der dicht beschriebenen Seite. Seine Augen weiteten sich.

"Was? Ich brauche - wie bei Merlins Bart soll ich an drei Tropfen von Voldemorts Blut herankommen?", fragte er ungläubig.

"Denken Sie nach, Potter", grinste Snape hämisch, offensichtlich zufrieden mit Harrys Reaktion. "Was hat Wurmschwanz in dem Zaubertrank benutzt, der den Dunklen Lord wieder zum Leben erweckte?"

"Er hat -", Harry schloss die Augen beim Gedanken an die schreckliche Nacht. "Er hat mein Blut benutzt ...", flüsterte er, und langsam begann er zu begreifen. Sein Blut ... Deshalb hatte er einen flüchtigen Moment lang gedacht, einen Glimmer von Triumph in Dumbledores Augen gesehen zu haben, als er ihm über seine Rolle bei dem, was Voldemort seine ‚Auferstehungsparty' nannte, erzählt hatte. Der Direktor hatte es schon damals gewusst.

"Dann nehme ich also einfach ein paar Tropfen von meinem Blut?"

"Drei Tropfen, Potter, exakt drei, und keiner mehr oder weniger", sagte Snape gedehnt. "Noch Fragen?"

"Nein, Sir."

"Sie dürfen Mr. Weasley und Miss Granger von dem Trank erzählen. Aber sonst niemandem." Snape schaute Harry durchdringend an. "Und Sie müssen ihn eigenhändig brauen. Allein. Oder er wirkt nicht. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?"

"Ja, Sir." Harry drückte das Pergament an seine Brust und stand auf. "Kann ich jetzt gehen?"

Snape nickte kurz und erhob sich. Er schwankte und griff nach der Schreibtischkante, um nicht zu fallen.

"Professor, sind sie OK?", fragte Harry ernstlich besorgt.

"Wie oft muss ich Ihnen noch sagen, dass Sie mich nicht so nennen sollen? Ich bin nicht Ihr Professor!", presste Snape zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, dann richtete er sich auf und mit einem letzten hasserfüllten Blick in Harrys Richtung glitt er in einem Wirbel aus schwarzen Roben aus dem Büro.


TBC

 
 

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