Arkana

 

 

Zurück

 

Zurück zur 
Startseite


 



Prolog


Das laute Knallen einer Tür ließ ihn zusammenzucken. Er öffnete die Augen, konnte jedoch durch das grelle Licht nichts sehen. Stimmen drangen an sein Ohr, doch sie waren zu weit entfernt, um ihre Bedeutung entschlüsseln zu können. Er fühlte, dass ihm nur noch wenige Sekunden Bewusstsein blieben. Fieberhaft suchte er nach irgendetwas in seiner Umgebung, das nicht von dem grellen Weiß verschluckt wurde. Aus den entfernten Grenzen seines Geistes erhaschte er noch einen Blick auf seine Hände. Sie waren blutverschmiert, schmerzten jedoch nicht. Dafür war das Dröhnen in seinem Kopf umso stärker. Die Halluzinationen kamen bruchstückhaft. Gedanken aus seiner Kindheit, seiner Jugend und die verzerrte Spiegelung all dessen, was ihn in diesen Dämmerzustand versetzt hatte. Und genau diese letzte Erinnerung nahm er mit in den tiefen Schlaf, in den er nun versank.

"Der Patient wurde vor achtzehn Tagen mit einer schweren Kopfverletzung eingeliefert. Er war bei seiner Ankunft nur kurz bei Bewusstsein, danach ist er ins…"
"Er ist wach."
"Wie bitte?" fragte der junge Heiler, der durch den Einwurf seines Vorgesetzten vollkommen aus dem Konzept gebracht worden war.
"Er ist wach."
Der Mann beugte sich über das Bett des Patienten und sagte mit einer tiefen, festen Stimme: "Können Sie mich hören?"
Langsam, wie in Zeitlupe, öffnete der Patient die Augen. Schwerfällig drehte er den Kopf in die Richtung, aus der die Worte zu kommen schienen. Seine Augen gewöhnten sich nur allmählich an das Licht und ließen die Umrisse der beiden Männer vor seinem Bett, bruchstückhaft aus einem dunklen Schatten in sein Bewusstsein vordringen.
Derjenige, der ihn vermutlich direkt angesprochen hatte, stand noch immer über das Bett gebeugt und betrachtete ihn nachdenklich. Er war von kleiner und leicht untersetzter Statur. Sein schütteres Haar war bereits ergraut und sein Gesicht hätte durchaus sympathisch gewirkt, wenn da nicht diese starrenden, kalten Augen gewesen wären. Neben ihm stand ein jüngerer Mann, der auf seinem Minipergamentblock nun eifrig Notizen machte. Dazwischen rückte er seine Brille zurecht, die alle paar Sekunden eine Reise zu seiner Nasenspitze antrat. Daneben schenkte er dem Bettlägerigen immer wieder einen kurzen aufmunternden Blick, der wahrscheinlich besagen sollte, dass jetzt alles wieder gut werden würde.
"Mr. Snape?" sagte der Mann mit den starrenden Fischaugen nun schon etwas lauter als zuvor.
Keine Antwort.
"Mr. Snape?" wiederholte er noch einmal in einer Lautstärke, die vermutlich bis auf den Flur zu hören sein musste. "KÖNNEN SIE MICH VERSTEHEN?" Er redete jetzt so laut und deutlich mit ihm, als würde er versuchen einem geistig zurückgebliebenen Schwerhörigen etwas klarzumachen. Dadurch erzielte er bei dem Patienten einzig und allein den Erfolg, dass die Intensität seiner Kopfschmerzen nur noch ins Unermessliche anstieg.
"Collins?"
"Ja?" antwortete der junge Mann daneben und richtete sich die Brille.
"Was denken Sie?"
"Ähm….vielleicht ist er stumm?"
Es war mehr eine Frage als eine Antwort.
"Collins, Sie würden es nicht einmal in tausend Jahren schaffen, EINE richtige Diagnose zu stellen! Miss Hughes, können Sie Collins weiterhelfen?"
Erst jetzt registrierte der Bettlägerige, dass auch noch andere Personen im Raum waren, die in etwas weiterer Entfernung um ihn herum standen und sich ebenfalls Notizen machten.
"Ich würde sagen, der Patient leidet an einem posttraumatischen Gedächtnisverlust, mit verzögertem Reaktionsvermögen und einer dazukommenden Redeschwäche."
"Sehr gut, sehr gut, Miss Hughes. Da scheint jemand mein Buch ‚Flüche, über die man sich den Kopf zerbricht' gelesen zu haben." Wohlwollend nickte der Mann mit den Fischaugen, doch sogleich setzte er mit einem weniger enthusiastischen Gesichtsausdruck weiter fort: "Aber leider hat Ihnen das auch nicht weitergeholfen, denn Sie liegen komplett falsch!"
Er wartete einige Sekunden, in denen er unheilvoll in die Runde von Nachwuchsheilern blickte und sie somit ganz schön nervös machte.
"Dieser Hoffnungslose hier", dabei wies er auf den Patienten im Bett, "kann von Glück reden, dass er überhaupt noch am Leben ist. Obwohl es sicherlich unwahrscheinlich ist, dass er irgendwann noch einmal sprechen, geschweige denn seine Umwelt wahrnehmen und mit ihr interagieren wird, denn sein Gehirn besteht nur noch aus Matsch. Die Ursache war die relativ starke Einwirkung eines selbstausgesprochenen Fluches aus nächster Nähe. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, wenn er nicht gerettet worden wäre. So gesehen…"
"Äh, Sir? Heiler Bertram?"
"Was ist denn?" fuhr Bertram den jungen Heiler an, der es gewagt hatte ihn zu unterbrechen.
"Ich glaube der Hoffnungslose will uns was sagen."
Alle Augen richteten sich auf den Patienten, der nun den Mund leicht geöffnet hatte. Es schien so, als würde er versuchen Wörter zu formulieren. Alle Anwesenden traten näher, um besser verstehen zu können, doch kein einziger hörbarer Laut trat über seine Lippen.
Schließlich richtete die Gruppe ihre Aufmerksamkeit wieder auf Bertram. Wenn jemand wusste was das alles zu bedeuten hatte, dann musste er das sein oder zumindest schienen sie das zu hoffen. Denn er hatte sich offensichtlich bereits bei der Diagnose, dass der Hoffnungslose nie wieder eine Reaktion auf seine Umgebung zeigen würde, ordentlich getäuscht.
"Wie ich schon sagte, es ist nur noch Matsch von seinem Gehirn übrig", war Bertrams einzige Erklärung. Damit ging er an seinen Schützlingen vorbei zum nächsten Patienten.

 
  Kapitel 1

 

Zurück