Befreiung aus Askaban

 

 

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Kapitel 7: Anfang und Ende



Ruckartig öffnete sich die Zellentür. Severus lag immer noch zusammengekauert auf seiner Pritsche. Als das grelle Licht des Korridors in seine dunkle Zelle fiel, stöhnte er leise und kniff die Augen zusammen um sich vor der Helligkeit zu schützen. Jeder Lichtstrahl und jedes Geräusch bereiteten ihm unglaubliche Qualen.
Als sich seine Augen einigermaßen an die Helligkeit gewöhnt hatten, erkannte er zwei Gestalten, die in der Tür standen. ‚Nicht schon wieder', dachte er matt und stöhnte erneut.
Einer der Gestalten trat auf ihn zu und hielt eine Fackel direkt über Severus. Severus konnte das Gesicht des Mannes nicht erkennen, aber es mussten wohl Loyer oder Colby sein, da war er sich sicher.
"Hallo Snape", sagte der Mann mit süßlicher Stimme. Überrascht hob Severus seinen Kopf, als er die Stimme von Lucius Malfoy erkannte. Dieser hatte ihm gerade noch gefehlt. Von allen Zauberern, die er sich vorstellen konnte war Malfoy so ziemlich der Letzte, dem Severus in diesem Zustand begegnen wollte.
Mühsam setzte Severus sich auf und starrte Malfoy feindselig an. "Was willst du, Lucius?", fragte er schwach. Malfoy grinste selbstgefällig. "Gut siehst du aus, Snape, warst du etwa nicht artig zu den Auroren?", fragte er statt auf Severus' Frage zu antworten.
Severus schnaubte verächtlich. "Steh auf, Snape, wir machen einen kleinen Ausflug", fuhr Malfoy fort, ohne auf eine Antwort zu warten. Severus starrte Malfoy verständnislos an. "Aufstehen, habe ich gesagt", wiederholte Malfoy scharf.
Severus rührte sich nicht, sondern fixierte sein Gegenüber hasserfüllt. "Wieso sollte ich das tun?", fragte er zurück. Malfoy griff mit seiner freien Hand nach Severus' Arm und riss ihn grob auf die Beine. Sein Gesicht war ganz dicht vor Severus, als er zischte: "Es ist wirklich ganz einfach. Du hast zwei Möglichkeiten, Giftmischer, entweder du kommst jetzt mit mir ins Ministerium, oder du verrottest hier."
Mit ungeahnter Energie riss Severus sich von Malfoy los und funkelte ihn an. Sofort griff Malfoy in seinen Umhang, zog seinen Zauberstab heraus und richtete ihn auf Severus. "Keine Dummheiten, Verräter", zischte er gefährlich, "du solltest lieber dankbar sein, dass es immer noch Schwachköpfe gibt, die sich für dich einsetzen." Er machte eine kurze Pause bevor er fortfuhr: "Dumbledore, der alte Narr, war gestern im Ministerium und hat Fudge überredet, dass du selbst deine Unschuld beweisen kannst."
"Und warum bist DU daran so interessiert?", fragte Severus vorsichtig.
Malfoy grinste breit. "Nun", begann er langsam, "du solltest wissen, dass es Leute gibt, die noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen haben, oder willst du dich etwa hinter den Mauern von Askaban verstecken?"
"Ich habe keine Angst vor Voldemort", antwortete Severus verächtlich.
"Das solltest du aber!", sagte Malfoy drohend. Dann packte er Severus am Ärmel seines Hemdes, griff erneut in seine Tasche und holte eine Feder heraus.
Augenblicklich spürte Severus ein starkes Ziehen in der Magengegend. Bevor er wusste was mit ihm geschah, wirbelte er zusammen mit Malfoy durch wilde Farbspiralen. Offensichtlich handelte es sich bei der Feder um einen Portschlüssel.

Wenige Sekunden später fiel Severus unsanft auf festen Boden. Sein ganzer Körper schmerzte höllisch. Als er sich gesammelt hatte, blickte er sich neugierig um. Er befand sich in einem riesigen Labor. Vor ihm stand ein großer Tisch mit unzähligen Fläschchen und Tiegeln, in welchen sind offenbar Zaubertrankzutaten befanden. Daneben war ein Kessel über einer offenen Feuerstelle aufgehängt. In etwa drei Meter Abstand war eine rote Linie auf den Fußboden gemalt.
Außerhalb dieses Kreises standen mindestens zwei Dutzend Auroren, die alle ihre Zauberstäbe auf ihn und Malfoy gerichtet hatten. Ein Stück weiter hinten entdeckte er Fudge und ..... Dumbledore.
Der Direktor war augenblicklich einen Schritt auf die Linie zugegangen, als Severus erschienen war, doch Fudge hielt ihn zurück. "Dumbledore", sagte er warnend, "Sie können nicht durch die Sicherheitsabsperrung, bleiben Sie hier."
Dumbledore starrte mit offenem Mund auf seinen Zaubertranklehrer. "Was in Merlins Namen haben Ihre Leute mit Severus angestellt?", fragte er schockiert. Die Bilder, die er durch die Observationskugel gesehen hatte, hatten ihn nicht im Entferntesten auf diesen Anblick vorbereitet. Severus war noch bleicher als sonst, er war nicht mehr dünn sondern mager, sein schwarzes Hemd und seine Hose waren verdreckt und zerrissen. Sein Körper und sein Gesicht waren übersäht von riesigen Blutergüssen und eine Gesichtshälfte war verkrustet mit getrocknetem Blut. Aber das Erschreckendste waren seine Augen. So selbstbewusst und undurchdringlich sie immer gewesen waren, nun waren sie ausdruckslos, fast tot.
Fudge konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. Offensichtlich amüsierte ihn der Anblick des geschundenen Mannes. "Er hat bekommen, was ein Death Eater verdient", antwortete er ungerührt.
"Severus ist kein Death Eater", sagte Dumbledore scharf.
"Nun, wenn er tatsächlich keiner ist, ist ihm das eine Warnung, nie einer zu werden", entgegnete Fudge selbstgefällig.
Dumbledore starrte den Minister verständnislos an. "Wie tief sind wir gesunken?", sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu seinem Gegenüber.
Fudge ignorierte Dumbledore, trat an die Sicherheitsabsperrung und richtete seinen Blick auf Severus. "Willkommen zurück im Ministerium, Professor Snape", sagte er mit leichtem Sarkasmus in der Stimme, "Ich möchte zuerst einmal klarstellen, dass Sie es ausschließlich der Fürsprache von Professor Dumbledore und Lucius Malfoy verdanken, dass Sie noch einmal die Chance erhalten Ihre Unschuld zu beweisen."
Severus blickte zuerst zu Dumbledore, dann starrte er Malfoy argwöhnisch an. "Auf dem Tisch dort finden Sie das Rezept eines Schrifterkennungsserums", fuhr Fudge fort, "Professor Dumbledore ist der Ansicht, dass Sie in der Lage sind es herzustellen."
Severus trat an den Tisch und erkannte auf dem Zettel sofort seine eigene Handschrift. Also hatte Albus tatsächlich seinen Hinweis gefunden. Er richtete seinen Blick auf Fudge und knurrte: "Selbstverständlich bin ich in der Lage diesen Trank zu brauen, Fudge, oder halten Sie mich für einen Stümper?"
Malfoy hatte während Snapes Worten seinen Zauberstab aus dem Umhang gezogen und ihn auf Severus gerichtet. "Treib es nicht zu weit, Freundchen, oder du sitzt schneller wieder in deiner Zelle als du Zaubertrank sagen kannst", zischte er.
"Es ist gut, Lucius", unterbrach Fudge ungeduldig die Drohung, "machen Sie sich an die Arbeit Snape, Sie haben genau zwei Stunden. Falls dieses Serum tatsächlich beweist, dass Sie damals den Brief an die Auroren geschrieben haben, verlassen Sie das Ministerium noch heute als freier Mann. Wenn nicht, verbringen Sie den Rest Ihres Lebens hinter den Mauern von Askaban."
Severus schnaubte verächtlich. "Zwei Stunden ist reichlich wenig Zeit für solch einen aufwendigen Trank", sagte er zu dem Minister.
"Dann halt dich besser ran", knurrte Malfoy und machte es sich auf einem Stuhl am Rand des Sicherheitskreises bequem.
Severus trat an den Tisch und begann die verschiedenen Zutaten in den Kessel zu geben. Die umstehenden Auroren verfolgten jede seiner Handbewegungen mit größtem Argwohn. Severus versuchte ihre Anwesenheit zu ignorieren und konzentrierte sich ganz auf die Zubereitung dieses hochkomplizierten Trankes.
Nach und nach gab er die Zutaten in den brodelnden Kessel und die Flüssigkeit darin änderte ihre Farbe allmählich von grün zu orange. Als die meisten Zutaten im Kessel waren, fachte Severus das Feuer darunter kräftig an um das Serum richtig aufzukochen. Gelbliche Nebelschwaden stiegen aus dem Kessel und verliehen dem Raum eine gespenstische Atmosphäre.
Die Umstehenden hielten sich angewidert die Nasen zu, nur Severus schienen die Dämpfe, die aus dem Kessel quollen, nicht das Geringste auszumachen.
Nachdem sich ein Großteil des Rauchs wieder verzogen hatte, griff Severus nach der letzten Zutat und träufelte vorsichtig drei Tropfen Nundu-Blut in den Kessel.
Ein ohrenbetäubender Knall ertönte und eine gewaltige Stichflamme schoss aus dem Kessel. Die Auroren zuckten unwillkürlich zusammen und hoben erschrocken ihre Zauberstäbe. Nachdem die Flamme erloschen war, trat Severus wieder an den Kessel und beugte sich über das Gebräu, um es genau zu prüfen. Dann lächelte er zufrieden.
"Es ist fertig", sagte er an Fudge gewandt. Auf ein Zeichen des Ministers trat einer der Auroren vor und entfernte mit einem Wink seines Zauberstabs die Sicherheitsabsperrung. Sofort traten seine Kollegen näher an Snape heran und richteten drohend ihre Zauberstäbe auf ihn.
Cornelius Fudge schritt durch den Kreis seiner Auroren, gefolgt von Albus Dumbledore. Als er merkte, dass Dumbledore ihm folgte, wandte er sich um und sagte: "Oh nein, Dumbledore, Sie werden hier warten, ich will kein Risiko eingehen, mit dem da." Bei diesen Worten deutete er auf Snape.
"Wie Sie wollen", entgegnete Dumbledore ungerührt und kehrte zurück zu seinem Platz. Bevor er sich umdrehte, warf er Severus jedoch ein aufmunterndes Lächeln zu.
Der Minister ging zu Severus und legte den Brief, der damals an die Auroren geschickt worden war, auf den Tisch. "Dann wollen wir doch mal sehen, wer dieses Schreiben wirklich verfasst hat", sagte er. Severus nahm eine kleine Pipette und zog einige Tropfen der Flüssigkeit aus dem Kessel. Dann ging er wieder zurück zum Tisch und träufelte einen Tropfen des Tranks auf das gelbliche Pergament.
Sofort begann die Tinte auf dem Brief zu verlaufen. Wilde Muster zogen sich über das Papier und bildeten immer neue, undefinierbare Symbole. Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Tinte allmählich beruhigte und schließlich wieder zusammenlief. Auf dem Blatt war nun klar und deutlich ein Name zu lesen.
Fudge starrte auf das Pergament. Auch Malfoy und einige der Auroren waren herangekommen und blickten neugierig auf das Blatt, auf dem nun zu lesen war: ‚Severus Snape, Leiter des Hauses Slytherin, Oberlehrer von Hogwarts'.
"Das kann nicht sein", entfuhr es Fudge, "das kann einfach nicht sein." Geräuschlos war Dumbledore herangekommen und blickte nun ebenfalls auf das Pergament. "Nun, Fudge", entgegnete er ruhig, "Sie werden damit leben müssen, dass es wahr ist. Diese Tinktur lügt nicht." Fudge schnaubte ungehalten.
"Folgen Sie mir", sagte er tonlos zu Severus und Dumbledore und verließ ohne sich noch einmal umzusehen das Labor.
"Der dunkle Lord wird sehr erfreut sein, dass seine Rache in greifbare Nähe rückt", zischte Malfoy grinsend, als Severus an ihm vorbei ging um dem Minister zu folgen.
"Er sollte sich nicht zu früh freuen", zischte Severus zurück. Dann verließ auch er das Labor.
Fudge führte die beiden Männer direkt in sein Büro. Als sie alle den Raum betreten hatten schloss er die Tür. "Setzen Sie sich", sagte er ernst. Er selbst ging um seinen Tisch herum und setzte sich ebenfalls. Dann blickte er Severus und Dumbledore forschend an und sagte: "Professor Snape, es ist meine Pflicht, mich im Namen des Zaubereiministeriums für dieses Versehen zu entschuldigen." Er machte eine kurze Pause bevor er fortfuhr: "Ich spreche jedoch nicht in meinem Namen, lassen Sie sich dies gesagt sein. Auch wenn wir Ihnen dieses Mal nicht nachweisen konnten, dass Sie für den dunklen Lord arbeiten, werden wir Sie weiterhin im Auge behalten. Seien Sie sich dessen immer bewusst."
"Cornelius, das ist ....", begann Dumbledore entrüstet, doch Fudge unterbrach ihn unsanft, "ich bin noch nicht fertig, Dumbledore, ich habe kein Verständnis für Death Eater, und nur weil wir nicht genügend Beweise haben, um Professor Snape zu verurteilen ist für mich seine Unschuld in keinster Weise bewiesen. Ich bin mir sicher, meine besten Auroren, Mr. Colby und Mr. Loyer, sehen das ähnlich. Also, Professor Snape, seien Sie in Zukunft auf der Hut, bei allem was Sie tun."
"Wollen Sie mir etwa drohen, Minister?", fragte Severus herausfordernd.
"Ich möchte sie lediglich warnen", antwortete Fudge ebenso herausfordern.
"Können wir nun gehen, Cornelius?", unterbrach Dumbledore die Beiden um Schlimmeres zu verhindern.
"Ich muss nur noch die Entlassungspapiere unterschreiben", brummte Fudge. Er griff in die oberste Schublade seines Schreibtisches und holte einen Bogen Pergament heraus. Dann nahm er seine Feder, tauchte sie in sein Tintenfass und schrieb schwungvoll seinen Namen unter das Dokument.
"Jetzt machen Sie, dass Sie fortkommen, bevor ich es mir anders überlege", knurrte er und reichte Snape das Pergament.
"Danke, Cornelius", antwortete Dumbledore, "leben Sie wohl." Dann erhob er sich und zog Severus hinter sich her, bevor dieser noch etwas zu dem Minister sagen konnte.
Sobald sie das Ministeriumsgebäude verlassen hatten, disapparierten sie.

Als sie endlich, nach dem langen Aufstieg von Hogsmeade, die Kerker von Hogwarts erreicht hatten, verließen Severus endgültig seine Kräfte. Dumbledore schleppte seinen erschöpften Freund zu seinem Bett und half ihm sich hinzulegen.
"Was haben Sie bloß mit dir gemacht?", fragte er mitleidig.
"Vielleicht habe ich es verdient", stöhnte Severus, "ich habe viele Fehler in meinem Leben gemacht."
"Niemand verdient solche Misshandlungen", antwortete Dumbledore entrüstet, "außerdem hast du deine Schuld im Laufe der letzten Jahre hundertfach beglichen."
Severus schwieg. Er wusste, dass Dumbledore meinte was er gesagt hatte, aber Severus würde sich selbst die Verbrechen, die er im Auftrag des dunklen Lords begangen hatte, nie vergeben können.
Dank der Dementoren wog diese Schuld nun noch schwerer, denn all die alten Erinnerungen, die Severus im Laufe der letzten Jahre tief in seinem Inneren vergraben hatte, waren wieder an die Oberfläche gekommen.
Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, hörte er wieder die Schreie der sterbenden Menschen in seinem Kopf. Die Dementoren brauchte er dazu nicht mehr. Die Erinnerungen waren da, genauso frisch, als wäre das alles erst gestern geschehen.
"Ruh dich aus, mein Freund", sagte Dumbledore leise, und riss Severus aus seinen düsteren Gedanken. "Tu mir bitte einen Gefallen, Albus", sagte Severus ebenso leise.
"Jeden", antwortete Dumbledore sofort. "Gib mir bitte aus meinem Vorratsschrank den stärksten Schlaftrunk, den du finden kannst. Am besten den, für einen traumlosen Schlaf."
Dumbledore sah Severus zweifelnd an, nach einem kurzen Zögern erhob er sich jedoch, ging zu besagtem Schrank und holte eine kleine Flasche mit der Aufschrift: ‚Somnus non somnium'. Er goss einen Schluck der Flüssigkeit in ein Glas und reichte sie Severus.
Dankbar nahm dieser das Glas und leerte es in einem Zug. Einen Moment später wurden seine Augenlieder bereits schwer.
"Wie viele Wochen sind es bis zum Schulbeginn?", fragte er schläfrig.
"Darüber solltest du dir im Moment keine Gedanken machen", antwortete Dumbledore zärtlich.
"Wie viele?", wiederholte Severus gähnend.
"Vier", antwortete der Direktor.
"Gut", murmelte Severus, "bis dahin habe ich noch eine Menge Arbeit."
Dumbledore seufzte. Nicht einmal jetzt konnte Severus wirklich abschalten. "Komm erst einmal wieder zu Kräften", sagte Dumbledore und strich dabei seinem erschöpften Freund beruhigend durch die verklebten, schwarzen Haare, "erst einmal ist es für dich vorbei."
"Nein", murmelte Severus mit geschlossenen Augen, "ich befürchte es hat gerade erst angefangen." Bevor Dumbledore noch etwas antworten konnte, entglitt Severus endgültig in einen traumlosen Schlaf.
Dumbledore seufzte erneut, strich die Decke seines Freundes glatt und verließ geräuschlos die Gemächer des Zaubertrankmeisters.
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Kapitel 6

Epilog

 

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