Die Zeit heilt nicht alle Wunden

 

 

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Kapitel 2

 


Spät am nächsten Abend saß Severus Snape allein an einem Ecktisch in einem dunklen Raum. Der Tropfende Kessel war, selbst für einen Samstag, belebter als üblich. Ohne Zweifel irgendein Quidditch-Spiel, dachte Severus. Er bedachte die angeregten Diskussionen um ihn herum mit einem spöttischen Lächeln. Er hatte Freude an einem guten Spiel, konnte aber das permanente Wiederholen vergangener Heldentaten und Taktiken nicht nachvollziehen. Dies war eins der vielen Dinge, die er und Hermine gemein hatten.

Er zuckte zusammen bei diesem Gedanken. Er hatte es erfolgreich geschafft einige Zeit nicht an sie zu denken - bis zum Gespräch gestern Nacht. Jetzt konnte er seine Gedanken nicht von ihr lösen, von ihnen. Er machte es sich auf seinem Stuhl bequem und schwenkte gedankenverloren die honigfarbene Flüssigkeit in seinem Glas.

Gedankenverloren.

***


Sieben Jahre früher.

"Die Laborausrüstung ist nun zusammengestellt. Hermine hat ununterbrochen gearbeitet um sich für deine Projekte vorzubereiten - sie ist begierig zu helfen", informierte Albus Severus, als er den Meister der Zaubertränke die Treppen in den Keller von Grimmauld Platz 12, dem Hauptquartier des Ordens des Phoenix, herunterführte.

Severus nickte kühl, obwohl er insgeheim zufrieden war. Hermine Granger war eine der wenigen Studenten, die er tolerieren konnte, obgleich er es ihr aus politischen Gründen nicht zeigen konnte. Obwohl sie einen schauderhaften Mangel an Intelligenz bei der Wahl ihrer Freunde zeigte, war sie sehr talentiert, wenn es Zaubertränke betraf. Fast schon ein Genie. Als die Bedrohung für Muggel-geborene Hexen und Zauberer während ihres letzten Schuljahres beständig zunahm, blieb sie nach dem Schulabschluss in Hogwarts und half dem Orden ehe sie ihr Universitätsstudium an der Londoner Zauber-Universität aufnahm. Nach echter Gryffindor-Art blieb sie nicht, um ihre eigene Haut zu retten. Sie war besorgt, dass ihre Anwesenheit im Haus ihrer Eltern den Zorn der Todesser auf die Menschen lenken würde, die sie liebte. Sehr wahrscheinlich hatte sie Recht. Selbst eine so talentierte Hexe wie sie wäre alleine nicht in der Lage gewesen ihre Familie vor dieser fürchterlichen Truppe zu schützen.

Die Stimme von Albus unterbrach seine Gedanken. "Tja, Severus, ich überlasse es nun dir. Du weißt wie du mich kontaktieren kannst, solltest du irgendetwas benötigen." Mit einem Nicken zum Abschied ging er.

Severus schritt die Stufen hinab. Ehe er nach der Türklinke greifen konnte wurde diese geöffnet und enthüllte seine Assistentin. Sie lächelte vorsichtig und winkte ihn herein. "Hallo Professor. Ich hoffe, alles entspricht Ihren Vorgaben."

Snape ließ seinen Blick durch das Labor schweifen und antwortete: "Es scheint alles hinlänglich zu sein - oberflächlich betrachtet."

Hermine errötete leicht. "Ich möchte mich nochmals bei Ihnen bedanken, dass ich Ihre Assistentin sein darf, Professor."

Severus entspannte sein Gesicht zu einem Lächeln. "Ich sollte mich bei Ihnen bedanken, Miss Granger. Nachdem Sie die Unmenge an Arbeit gesehen haben, von der ich erwarte, dass mein Assistent sie erledigt, möchten Sie vielleicht den Dank zurücknehmen."

Hermine grinste, sichtlich überrascht von dem liebenswürdigen Verhalten des furchterregenden Meisters der Zaubertränke. "Das bezweifle ich, Professor. Für mich wird ein Traum wahr - ich hoffe eines Tages den Titel einer Meisterin der Zaubertränke zu erlangen und die Arbeit mit einem erfahrenen Meister, selbst im Geheimen…."

Severus schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. "Ja, genau darüber wollte ich mit Ihnen reden. Ich habe den Abteilungsleiter der Zaubertränke-Fakultät an der Londoner Universität darüber informiert, dass Sie diesen Sommer mit mir zusammen arbeiten. Er wird Ihre Zeit hier als Lehrzeit anrechnen - mein Kollege versicherte mir, dass zu Ihrer Sicherheit keine Details in Ihrem Studiennachweis verzeichnet werden."

Hermines Augen weiteten sich. "Vielen Dank, Professor! Ich habe nicht erwartet, diese Arbeit anerkannt zu bekommen, nicht dass es mir etwas ausmacht. Es ist bereits eine Ehre dabei sein zu dürfen."

Professor Snape nickte. Er versuchte zu ignorieren wie ihre geröteten Wangen und ihr Lächeln den dunklen Keller erhellten. "Lassen Sie uns beginnen."

Die nächsten Wochen flogen vorbei. Snape gab zu, dass sie gut zusammenarbeiteten, viel besser, als er es erwartet hatte, als Albus ihn erstmalig über das Angebot des Granger-Mädchens informiert hatte. Sie war bedacht, präzise und selbstsicher ohne sich zu überschätzen. Sie war ebenfalls eine überraschend angenehme Gesellschaft - eine wertvolle Eigenschaft, da sie oft tagelang allein waren, während die anderen Ordensmitglieder mit verschiedenen Aufgaben kamen und gingen. Manchmal empfand der ihre Gesellschaft als ein wenig zu angenehm. Er hatte Schwierigkeiten mit seiner wachsenden… Anspannung… umzugehen, die er in ihrer Nähe fühlte.

Er freute sich auf die langen Siedezeiten, die viele Zaubertränke brauchten, die sie herstellten. Er genoss jede Gelegenheit zum Gespräch, zu Diskussionen, er teilte seine Ideen mit dieser überraschend einsichtsvollen jungen Frau, deren Begierigkeit und Enthusiasmus noch nicht vom Überdruss des Alters gemäßigt worden war. Und sehr zu seinem Erstaunen teilte er ihren Enthusiasmus.

Ebenfalls erstaunt war er über ihre Fähigkeit mit seinen dunklen Stimmungen umzugehen, die ihn von Zeit zu Zeit überkamen. Bei mehr als einer Gelegenheit war sie sogar in der Lage gewesen ihn mit ein, zwei wohlplatzierten Worten aus der tristen Stimmung herauszureißen - etwas, das niemand außer Dumbledore jemals geschafft hatte. Alle Frauen, mit denen er... Liebeleien in der Vergangenheit hatte, eingeschlossen.

Einige ihrer Diskussionen wurde hitzig. Hermine war daran gewöhnt, Recht zu haben und nachdem sie sich in seiner Nähe wohl fühlte (sie nannte ihn nun beim Vornamen, auf seine Initiative), zögerte sie nicht mit ihm über Zutaten, Zeitpläne und anderes zu streiten. Der Slytherin in ihm liebte es heimlich ihre blitzenden Augen zu sehen und ihre erhobene Stimme zu hören, während er gefasst blieb und leise sprach. Er bevorzugte es die einschüchternde leise Stimme zu benutzen, die er über die Jahre kultiviert hatte. Gryffindors wurden so aufgebracht, wenn man ihrer hitzigen Wut mit kühler Gelassenheit gegenübertrat.

"Wir müssen den Pulver des Hundeeckzahns NACH dem dritten Rühren gegen den Uhrzeigersinn dazugeben. Danach können wir Katzenpulver hineingeben. Ich habe Recht - du WEIßT das!" Sie war wütend, Fäuste geballt.

"Du hast Unrecht, Miss Granger", antwortete Severus sanft, die formelle Anrede bewusst benutzend.

"Nein, habe ich nicht, Severus", fauchte sie. "Sei nicht so verdammt dickköpfig!" Der letzte Satz endete in einem wütenden Brüllen.

Er hob eine Augenbraue und beobachtete, wie sich ihr Gesicht lieblich rötete. "Hermine, Katzenklauenpulver nach dem Hundeeckzahnpulver zugefügt würde den Effekt des Katzenpulvers abschwächen. Das Hundepulver, wenn bereits in der Base vorhanden, würde das schwächere Katzenpulver übertünchen bevor es eine Chance zur Absorption hätte."

"Aber…"

"Ja?"

"Wir könnten noch ein wenig mehr von dem Katzenpulver dazugeben, um dem negativen Effekt des Hundes entgegenzuwirken. Das Hundepulver ist das wichtigste Element in dem Zaubertrank und sollte zuerst hinzugegeben werden." Sie beruhigte sich ein wenig, ihr Verstand arbeitete.

"Zutaten verschwenden, Miss Granger?" fragte er sardonisch. "Die Reihenfolge wird bei diesem Zaubertrank keinen Effekt haben. Du hattest bisher noch nicht mit dieser Art von Zauberformeln zu tun, die wir nutzen werden. Diese bestimmte Zauberformel macht die Reihenfolge der Zutaten in Bezug auf die Bindung der magischen Eigenschaften der Base irrelevant. Nichtsdestotrotz kann die Absorption vor der Verbindung durch die Reihenfolgen beeinflusst werden."

"Also, Zutaten, die zuerst hineingegeben werden, werden in diesem Zaubertrank nicht stärker gebunden, da die Stärke der Zauberformel sicherstellt, dass alle Inhaltsstoffe gleich stark gebunden werden", rief Hermine aus. Ihre Augen strahlten nun eher vor Aufregung als vor Wut. Gott, sie ist so wunderschön, gestand er sich im Stillen ein. Aufregung, Zorn - die verschiedenen Emotionen waren so klar auf ihrem Gesicht zu erkennen. Wenn nur… er kam wieder zu sich als er hörte wie sie fortfuhr: "Aber das Buch erwähnt diesen Effekt der Zauberformel nicht…"

"Bücher wissen nur das, was ihr Autor ihnen mitgibt, Hermine. Und die meisten Schriftsteller sagen ihnen nicht alles. Es wäre gut, wenn du dir das merkst", sagte Severus ernst. Hermine nickte gedankenvoll.

Severus betrachtete seine Assistentin für einen Augenblick. Mit einem Lächeln fragte er: "Sag mir, Hermine… an welchem Punkt der Diskussion hast du bemerkt, dass du falsch lagst?"

Sie errötete und antwortete: "Ungefähr ab der Hälfte."

"Und in deiner unnachahmlichen Gryffindor-Art hast du dich geweigert aufzugeben", zog er sie auf und lachte ihr laut ins Gesicht. "Und du sagtest mir ich sollte nicht so... was war es? Nicht so verdammt dickköpfig sein, richtig?"

Sie boxte seinen Arm mit einem Lächeln. "Lass es gut sein. Du weißt, dass ich manchmal Recht habe! Sag mir Severus - versuchst du mich wütend zu machen, oder ist das einfach deine Art?"

"Viele Dinge liegen in meiner Art, Hermine", sagte er sanft, sie aufmerksam betrachtend. Sie versteifte sich, unsicher, wie sie reagieren sollte. Er schaute sie unverwandt an und lehnte sich langsam nach vorne. Seine Hand lag neben ihrer auf dem Arbeitstisch. Sie schaute auf ihre Hände auf dem Tisch. Dann schaute sie langsam nach oben, bis sich ihre Blicke trafen.

Er wagte kaum zu atmen als er vorsichtig die andere Hand ausstreckte und eine verirrte Locke hinter ihr Ohr strich. Seine Hand zögerte, ein Finger streichelte leicht über ihre gerötete Wange und zeichnete eine sanfte Linie entlang ihrer Unterlippe. Ihre Augen schlossen sich und - alles wagend - lehnte sich Severus herunter und eroberte ihre Lippen mit seinen.

Weich, warm, süß, berauschend… sein Kopf war leer, sein ganzes Sein fokussierte sich auf die Stelle, an der ihre Lippen verbunden waren… ein Kuss, der schnell intensiver wurde. Unbewusst umfing er sie mit seinen Armen und brachte ihren pulsierenden Körper näher zu seinem… hier, obwohl sie nach Luft schnappte und sich versteifte, öffnete sie ihre Augen und starrte ihn mit einem rätselhaften Ausdruck an, zitternd.

Bestürzt machte er sich los. Sie stand noch immer wie erstarrt an der gleichen Stelle. Sein Mund versuchte Worte zu formen, aber kein Ton verließ seine Lippen. In seiner Bestürzung nahm er ihre immer noch zitternde Hand und fiel auf ein Knie. Eine verzweifelte Geste, um ihr seine Aufrichtigkeit zu zeigen.

"Hermine, Es tu mir leid…" Er stoppte plötzlich. Verwirrt und aufmerksam schaute er in ihre Augen. Er versuchte ihren Ausdruck zu enträtseln. Im knien hatte seine empfindliche Nase den Geruch weiblicher Erregung wahrgenommen.

Sie schaute ihn an. "Severus…" Das Verlangen war nun klar in ihren Augen. Sie griff fest nach seiner Hand, zog ihn hoch und legte ihre Arme um seinen Hals.

Als sie mit ihrem Mund an seinem war, flüsterte sie: "Entschuldigung NICHT akzeptiert." Er lächelte einen Moment bis sie beide von der Leidenschaft erfasst wurden und sich ihre Lippen wieder trafen.

In dieser Nacht wurden keine weiteren Zaubertränke hergestellt.


***


Eine sehr lärmende Gruppe brach in Severus' Erinnerungen ein. Er schoss einen stechenden Blick in Richtung des Lärms. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen als er zwei dieser Gruppe erkannte. Genau was ich heute brauche - Potter und Weasley. Er schüttelte den Kopf, um sich wieder seinem Getränk und seinen Gedanken zu widmen, als etwas, was der Weasley-Junge sagte, den normalen Lärm übertönte.

"Ja, es war großartig. Aber es war nichts im Vergleich damit dir beim Spielen zuzusehen, Viktor. Du bist der Beste!"

Krum. Perfekt. Irritiert leerte er sein Glas in einem Zug und stand auf, um Tom's Aufmerksamkeit zu erregen. Der Wirt bemerkte endlich die neu angekommene Gruppe, nickte Severus zu und sagte: "Das geht aufs Haus." Erleichtert und dankbar nickte ihm Severus zu und ging zur Tür. Tom war einer der Wenigen, der die ganze Geschichte kannte - zumindest seinen Teil.

Tom seufzte als sich die Tür schloss. Nun, es gab eine Geschichte, die niemand glauben würde. Er hatte bei Severus' Eintritt bemerkt, dass etwas schwer auf seinem Gemüt lag. Erstmalig war er wegen der Menge an Besuchern traurig. Vielleicht hätte ich mit ihm reden sollen. Na, ja - so wie er aussah, kommt er morgen wieder. Er verdrängte den Gedanken und kümmerte sich um die vielen durstigen Kunden.



 

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