Geheimnisse

 

 

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Kapitel 6: Wochenende


Die Verzweiflung ist der Größte unserer Irrtümer.

Luc de Clapiers de Vauvenargues


Es war Freitagabend und das Wochenende stand vor der Tür. Die Schüler ab der dritten Klasse freuten sich auf ein Hogsmeade-Wochenende, einem Dorf, in dem nur Hexen und Zauberer wohnten. Die etwas rebellischeren unter ihnen beschlossen ihren Vorrat an Stinkbomben und beißenden Frisbees aufzustocken, die etwas pragmatisch Veranlagten wollten einfach nur der Schule für einige Stunden entfliehen und ihren Spaß haben. Voll Vorfreude saßen die Schüler zu Abend an den Haustischen und tauschten sich darüber aus wer wohin wollte und wer überhaupt mit wem ins Dorf gehen wollte. Sirius war nicht unter ihnen; da er weder Schüler noch Lehrer war, blieb ihm die Große Halle verwehrt. Außerdem, so hatte Dumbledore vorsichtig durchblicken lassen, würden einige Erstklässler vor lauter Schreck keinen Bissen runter bekommen.

So begnügte sich Sirius damit im Beisein des Haushelfen Dobby sein Abendessen einzunehmen. Der Hauself hatte es sich zur persönlichen Aufgabe gemacht, Sirius Black zu verköstigen, und wenn Hauselfen ihre Aufgaben ernst nahmen konnte ein einfaches Abendessen zu einem wahren Bankett ausarten. Sirius saß mit einem dünnen Lächeln am Tisch, der sich unter der Last von Puddingschüsseln, Aufstrichen, kalten Würstchen, verschiedenen Säften, Brot und Semmeln durchbog.
"Ähm Dobby?`" fragte er mit einem amüsierten Unterton.
"Ja Sir?" Der kleine Hauself trippelte vom Ende des Tisch auf ihn zu. Dass man dabei nur die schlackernden Ohren sah, ließ Sirius' Lächeln weiter wachsen.
"Willst du mich zu Tode mästen?"
Der Hauself sah schockiert zu Sirius auf, die grünen tischtennisballgroßen Augen geweitet.
"Oh nein Sir. Oh nein", versicherte der Elf schnell. "Dobby nur wollen, dass Mr Black nichts entgeht, Sir!"
"Na wenn das so ist. Danke." Sirius griff nach einem kalten Würstchen, er hatte wirklich Hunger! Wobei er sich nicht sicher war, ob es wirklich nur einfacher Hunger nach Essen war. Er wollte Harry in seiner Animagusform nach Hogsmeade begleiten, ihr letztes Auftauchen im Dorf war nicht sehr fröhlich verlaufen. Das Gelächter auf den Straßen hatte gestoppt und im Drei Besen, dem hiesigen Lokal, war es totenstill gewesen. Es war wahrlich ein erhebendes Gefühl für alle Anwesenden gewesen.
Das Ministerium hat in den letzten Jahren volle Arbeit geleistet, dachte er sarkastisch.
Da fiel ihm noch etwas ein und er rief dem Hauselfen nach: "Dobby, einen Moment!"
Der Hauself blieb an der Tür stehen und drehte sich blitzschnell um, der Teewärmer, den er als Hut trug, schwankte gefährlich. "Ja Sir?"
"Wo ist eigentlich Severus Snape am Wochenende?" frage Black.
"Oh Professor Snape ist meist in seinen Räumen, Sir! Jedoch in letzter Zeit ist er viel auf Reisen", antwortete der Hauself. "Er kommt aber immer zum Wochenanfang zurück."
Sirius nickte und der Hauself verschwand mit einer Verbeugung endgültig aus dem Zimmer.
Sirius knabberte an den Würstchen in Hundemanier und angelte mit der freien Hand nach einer neuen Rolle. Auch wenn er den leisen Verdacht hatte, dass diese Rolle sein Wochenendplan gründlich durcheinander bringen konnte. Vorsichtig zerbrach er das Papiersiegel und entrollte das Pergament.

***


Severus Snape hatte das Abendessen früh verlassen. Ihm war nicht nach Gesellschaft oder gar nach einer fröhlichen Stimmung! Mit finsterem Gesicht war er aus der Halle verschwunden und hatte sich in seine Privatenräume zurück gezogen. Dort saß er, wie so oft in letzter Zeit, allein und einsam vor dem leeren Kamin. Er wartete und wartete. Er hörte wie die Schüler die Große Halle verließen, lärmend, lachend. Ja, das Lachen war seit kurzem wieder nach Hogwarts zurück gekehrt. Er hatte sogar Harry Potter wieder lachen sehen. Dabei hatte er von ihm eine längere Trauerphase erwartet. Immerhin hatte Hagrid Harry als Freund bezeichnet. Dumbledore trauerte auch nicht mehr so und lächelte hier und da über einen gelungenen Witz. Der einzige, der noch um den Halbriesen trauerte oder ihn halbwegs vermisste war er, Severus Snape.

Er starrte ins Leere. Das Schloss schien so leer ohne den Wildhüter zu sein. In den Gängen hörte und spürte man nicht mehr die schweren Schritte. Die dunkle und freundliche Stimme dröhnte nicht mehr durch das Schloß, wenn er Schüler begrüßte. Snape hatte er nie im Schloß dröhnend begrüßt. Nein, das hatte er nur in den dunklen Jahren gemacht, auf der Waldlichtung, um zu sehen ob es Snape gut ging. Verbittert schloß Severus die Augen, wie gern würde er wieder diese Stimme wahrnehmen. Diesen unsichtbaren Halt in ihr hören. Wie gern würde er wieder diese große, raue und vorsichtige Hand auf seiner Schulter spüren, die ihm Trost und Stärke schenkte. Hagrid hatte ihm etwas unendlich Wertvolles geschenkt. Das Gefühl, einen Freund zu haben.
In Dumbledore konnte Snape keinen Freund sehen, dieser war immer noch sein Herr. Der Mensch, der über seinen Geist, Körper und sein Wohlbefinden bestimmte, wie vor drei Jahren, in jener schicksalhaften Nacht, als Voldemort zurückkehrt war. Ja, für einen Außenstehenden mochte es sich wie eine Bitte angehört haben, aber für Snape war es in diesem Moment mehr gewesen. Ein Befehl!

Mit viel List und Tücke hatte sich der Todesser seinen alten Rang zurück erobert. War in die Reihen der Getreuen zurückgekehrt. Voldemort wollte ihn in Hogwarts haben, nahe bei Dumbledore und dem Jungen, den er so haßte! Der dem Dunklen Lord so viele Jahre seines Lebens gekostet hatte. Um nicht aufzufallen hatte Voldemort ihn nur in den Ferien oder an den Wochenenden gerufen. Diese Wochenenden hatten es in sich und so war es schon ein Jahr nach der Wiederauferstehung soweit gekommen, dass ihn Hagrid ins Schloß tragen mußte.

Snape wollte gerade nach der Weinflasche greifen als das Dunkle Mal auf seinem Unterarm zu brennen anfing. Oh ja, das würde wieder ein langes, ein sehr langes Wochenende werden! Und erst recht nicht erholsam. Er stand auf und ging zu dem großen Kleiderschrank im Schlafzimmer. Sorgsam in einem Geheimfach versteckt lag seine Todesserkleidung. Ein langer schwarzer Umhang mit weiter Kapuze und die Maske. Die Maske machte sie vor Voldemort und untereinander alle gleich. Nur der Dunkle Lord trug nie eine Maske. Er zeigte sein neues erschreckendes Gesicht voll Stolz und Hochmut. Mit dem Umhang und der Maske unter dem Arm verschwand er leise aus dem Schloß. Mit geübten Schritten schlich Severus über den Rasen und verschwand im Verbotenen Wald. Seine Füße trugen in sicher in die Senke, wo er immer verschwand und wieder auftauchte.

Die Tiere des Waldes kannten ihn und sahen ihm nach. Sie hatten gespürt, dass dieses Wesen sein altes Revier in der Senke zurück gefordert hatte. Die Magie rund um die Senke hatte sich verändert. Wo früher nur dunkle Schwaden im unsichtbaren Gefüge der Magie wabberten, hatten sich einige helle Flecken dazu gemischt und es zu einer grauen Masse werden lassen. Eine Masse, die mal stärker und mal schwächer war. Man konnte Erfolg und Niederlage an diesem Ort förmlich spüren! Die Einhörner mieden den Platz immer noch, doch Greife und andere magische Wesen wagten es durch die Senke zu streifen.

Sirius stand am Fenster und sah eine Gestalt über den Rasen huschen. Er hatte noch die neue Rolle in der Hand und wie erwartet brachte es seine Planung für die kommenden Tage durcheinander. Auf der neuen Pergamentrolle war eine Karte eingezeichnet gewesen und eine kleine Liste mit benötigten Gegenständen. Die Karte war überraschenderweise sehr genau und ein kleines Kunstwerk gewesen. Hagrid mußte eine Begabung für das Zeichen von Karten gehabt haben. Warum war das niemandem aufgefallen? Ein Platz war darauf eingezeichnet gewesen, im Verbotenen Wald. Eine Senke mit einem umgestürzten Baum am Rand. Die benötigten Gegenstände würde er in Hagrids Hütte finden. Sirius sah in den Nachthimmel, es war eine klare Nacht und automatisch sah er nach dem Mond. Es war Halbmond. Wenigstens hätte Lupin heute Nacht Ruhe. Dem Werwolf gingen die Vollmondnächte immer in die Knochen und je älter Remus Lupin wurde um so schmerzhafter wurden die Verwandlungen. Der Wolfsbann Trank ließ ihn zwar seinen Verstand behalten, verbannte jedoch nicht die Schmerzen bei jeder Verwandlung, oder die langsamen Veränderungen, die Lupin durchmachte. Er sah immer kränker aus und sein Haar würde früher als normal schneeweiß sein.

Sirius sah wieder auf die Karte, es war der Weg zu Snapes Apparierplatz. Der Ort, an dem Hagrid sich fast jede Nacht um die Ohren geschlagen hatte, nur um sicher zu gehen, dass Snape das Schloß immer heil erreichte.
"Sirius Black, du hast den Job angenommen", murmelte der ehemalige Gefangene von Askaban und löschte das Licht hinter sich als er seine Räume verließ. Leise ging er durch die Gänge, wich einigen Geistern aus und als Misses Norris, die Katze von Filch dem Hausmeister seinen Weg kreuzte, knurrte er sie nur gefährlich an. Vorsichtig öffnete er die große Eingangstür und rannte über den feuchten Rasen auf Hagrids Hütte zu, die Karte und die Liste sicher in seiner Hand.
Dort angekommen öffnete er die Eingangstür und suchte die Hütte nach der ihm prophezeiten Decke und Teekanne ab. Den Tee würde er heute nicht machen können. Aber vielleicht brauchte er ja die Decke? Sirius rollte sie zusammen und benutze zwei Gürtel von Hagrid um sie sich um die Schulter zu schnallen. Bevor er sich in den Verbotenen Wald aufmachte sah er sich ein letztes Mal in der nun verwaisten Hütte um. Der Tod des Wildhüters lag nun schon einige Zeit zurück und noch immer lag alles so da wie Hagrid es verlassen hatte. Fast schien es als ob Hagrid jeden Moment die Tür aufschlagen würde und herein käme. Es roch sogar noch nach dem Wildhüter in der Hütte. Sirius schnaubte, er hatte keine weitere Zeit sich um die Toten zu sorgen oder gar Gedanken an sie nachzuhängen. Behutsam schloß er die Tür, entzündete die Laterne, die vor der Hütte stand mit einem Muggelfeuerzeug und ging in den Verbotenen Wald.

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