Geheimnisse

 

 

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Kapitel 68: Verdrehte Rollen


Erfahrung ist eine nützliche Sache. Leider macht man sie immer erst kurz nachdem man sie braucht.

Unbekannt



Severus Snape hatte mit vielem gerechnet, nur nicht damit. Mitten im Gespräch war Sirius Black zusammengebrochen und lag nun mit eindeutigen Zeichen einer verkappten und verspäteten Fluchnachwirkung zuckend vor ihm auf dem Boden. Dabei war es doch an ihm - Snape - zu sterben und zusammenzubrechen.
Es war für Snape eine höchst verwirrende Situation. Alles in ihm sagte ihm, dass dies eine günstige Gelegenheit war - jetzt oder nie. Jetzt könne er schnell gehen. Firenze würde Black schon finden, oder das Einhorn.
‚Jetzt jetzt jetzt!', rief es in seinen Gedanken.
Severus öffnete den Mund zu einem Schrei, doch außer einem heiseren Krächzen kam nichts heraus. Zu viele Entscheidungen, zu viele Möglichkeiten. Warum war das Schicksal so grausam zu ihm? Hatte er nicht genug gebüßt? Hatte er nicht einmal das Recht etwas endgültig zuende zu bringen, wenn es um sein Leben ging.
Warum?
Der Kelch entglitt seinen Händen und zerschellte auf dem Boden. Zitternd wie Black ging er in die Knie, schlug die Arme über dem Kopf zusammen und schrie lautlos seinen Zorn und seine Verwirrung heraus.
War dies die endgültige Rache seines alten Lords? Seine letzte grausame Rache?

Black zitterte noch mehr und nur seine Bewußtlosigkeit hinderte ihn daran seine Agonie herauszuschreien.
Nein das war keine Rache, beschloß Snape in seinen hintersten Gedankenwinkeln, für den dunklen Lord war er bei Peter Moray gestorben. Er konnte nicht wissen, dass er überlebt hatte.
Mit einem tiefen Seufzen, in dem er all seine Trauer, Wut und Verwirrung legte, sah er den zersprungenen Kelch an, dann holte er tief Luft und rief: "FIRENZE!!! TOCHTER DES MONDES!!"

Firenze war dabei, panisch die oberen Räume zu durchsuchen, denn er hatte Snape nicht im Wiesenraum gefunden, und Black hatte sich nicht gemeldet, da hörte er Snapes Stimme aus den unteren Stockwerken.
Snape in den unteren Stockwerken? Hastig und stolpernd trabte er die Stufen nach unten und fand Snape und Black in der großen Wohnhalle.
"Was… wie?" Verwirrt tänzelte er auf der Stelle und sah sich nach möglichen Angreifern um.
"Ruhig Firenze", mahnte Snape und zog den zitternden Black in seine Arme.
"Was ist geschehen?" fragte Firenze, neben ihm lugte das Einhorn in die Halle.
"Verspätete Fluchnachwirkungen, glaube ich. Wir brauchen eine Wanne mit warmem Wasser und dazu noch entspannende Badezusätze. Wenn es so etwas in diesem Haus gibt", erklärte Snape mit überraschender Sachlichkeit.
Diese Sachlichkeit übertrug sich auf den Zentauren und er huschte aus dem Raum, auf der Suche nach einem Bad und den geforderten Zusätzen.
Snape seufzte und zog den sich windenden Black noch mehr in seine Arme.
Beruhigend sprach er auf ihn ein: "Bekommen wir alles wieder hin. Bekommen wir alles wieder hin."
Das Einhorn wieherte leise.

Kurz darauf trug Firenze Black in das Hauptbad im Erdgeschoss und Snape hatte mit der Hilfe des Einhorns den Medizinschrank von Moody geplündert. Denn im Moment war er noch zu schwach auf den Beinen um längere Wege zurück zu legen, geschweige denn zu stehen, das Brauen seines Gifttrankes hatte ihn schon viel seiner Kraft gekostet. Das Tier war Lehne und Stütze in einem und half Severus auf den Beinen zu bleiben.
"Mit Kleidung oder ohne?" fragte Firenze als er beobachtete wie Snape das warme Wasser in der großen Wanne prüfte.
Eigentlich war es keine Wanne und hier war Snape froh sich in einem Zauberhaushalt zu befinden. Das Hauptbad hatte die Ausmaße eines kleinen Schwimmbades und die Wanne war ein großes in den Boden eingelassenes Becken.
"Egal, Hauptsache rein", murmelte Snape und merkte wie ihn langsam seine Kräfte verließen.
"Er wird ertrinken!" gab Firenze zu bedenken.
"Firenze", Snape legte sich müde an den Beckenrand und sah zu dem Zentauren hoch, "nehmen Sie doch einfach ein Bad."
Skeptisch sah der Zentaur auf das warme Wasser, aus dem betörende Dämpfe des Bademittels aufstiegen. Schließlich, sehr vorsichtig, stieg der Zentaur in das Wasser und löste dabei eine kleine Überschwemmung des Zimmers aus.
"Entschuldigung", meinte der Zentaur zerknirscht.
"Macht nichts", murmelte Snape und rollte sich schließlich auch in das warme Wasser. Dem Einhorn gefiel das und als das Bad seine zweite Überschwemmung hinter sich hatte, waren alle vier im Becken.
"Ich kann hier stehen!" verkündete Firenze überrascht.
"Hm", antwortete Snape und ließ sich über das Wasser treiben. "Halten Sie nur Blacks Kopf über Wasser.
Der Zentaur nickte ernst und tat wie ihm geheißen. Das Einhorn schnob glücklich und watete, den Kopf hoch erhoben, durch das warme Wasser. Es war eine seltsam anmutende Gruppe, die dort im Wasser lag, schwamm und stand: Firenze, der in seinen starken Armen den immer noch leicht zitternden Black hielt, Snape, der sich nun mit einer Hand in der Mähne des Einhorns festhielt und durch das Wasser ziehen ließ, und das magische Wesen selber. Das Einhorn konnte, wie der Zentaur, im Wasser stehen und watete sachte mit hocherhobenem Kopf durch das Wasser. Eine halbe Ewigkeit herrschte Stille und eine seltsame Gelassenheit breitete sich aus, bis sich schließlich Firenze leise meldete.
"Ich glaube Black geht es jetzt besser. Woher wussten Sie das mit dem Wasser?" fragte der Zentaur und hob dabei eine völlig erschlaffte Hand von Black aus dem Wasser, um zu sehen ob sie entkrampft war und nicht mehr zitterte.
Snape schluckte schwer und antwortete: "Dumbledore. Er hat einmal das Gleiche gemacht als ich Nachwirkungen hatte... er hat mich auch gehalten und..."
Er konnte nicht mehr weitersprechen, nun waren es schmerzhafte Erinnerungen. Nicht weil er damals auch Nachwirkungen gehabt hatte, nein, es waren Erinnerungen an seinen früheren Herrn und wie sehr er sich um ihm gesorgt hatte. Trotz des Schmerzes war es damals der Beginn von vielen Stunden und Tagen gewesen, wo er das Gefühl hatte, dass sich jemand um ihn sorgte und zwar aus ganzem Herzen.
Firenze sah ihn mitfühlend an.
"Firenze woher kommen diese Fluchnachwirkungen?" fragte er schließlich den Zentauren um das Thema zu wechseln.
"Ich weiß nicht. Er hat mit mir nicht darüber gesprochen. Vielleicht gab es Probleme bei dem Schwarzmagier Voldemort? Sie müssen Mr. Black fragen", sagte der Zentaur vorsichtig, während er wieder aus dem Wasser stieg, Sirius wie eine leblose Puppe in den starken Armen haltend.

Sie brachten Black in das Wiesenzimmer und zogen ihm die nassen Sachen aus und neue von Moody an, wobei Snape hier kaum mehr eine Hilfe war. Das warme Wasser hatte ihm zwar innerlich ein warmes Gefühl gegeben, ihm aber auch das letzte bisschen Kraft geraubt, das er noch gehabt hatte. Er war gleich nach Black ins Wiesenzimmer von Firenze getragen worden und auch er erhielt neue trockene Kleidung. Während er sicher eingewickelt in seiner Wolldecke lag fiel sein Blick auf die dicken Mullbinden an Blacks Handgelenken, die Firenze nicht gewechselt hatte.
"Firenze, wie lange trägt Black diese Verbände?" fragte er schwach.
Der Zentaur zuckte mit den Schultern. "Seit wir Sie suchten."
"Hat er sie schon einmal gewechselt?" fragte Snape weiter und langsam glomm ein unheilvoller Gedanke in ihm auf.
"Ich weiß es nicht", murmelte Firenze.
"Firenze, entfernen Sie diese Verbände, sind die Medikamente auch hier?" Suchend sah Severus sich um und sah den Beutel an der Türklinke hängen.
Firenze begann die Verbände zu lösen und was zum Vorschein kam gefiel keinem von beiden.

***



Jetzt, einige Tage nach diesem Vorfall, war Remus Lupin im Haus und der Zentaur war nach anfänglichem Zögern sichtlich erleichtert den Werwolf zu sehen. Immer wieder klopfte er dem Einhorn auf den Hals und murmelte beruhigende Worte. Dann wies er ihm den Weg in die oberen Stockwerke. Der Zauberer konnte ja nicht ahnen was ihn weiter oben erwarten würde. Für Firenze hieß die Ankunft von Remus Lupin eins: Hilfe bei einem Problem, mit dem er sich schon einige Tage herumschlug.
"Firenze. Sie sagten da vorhin was von ‚wir'", begann Remus zögernd.
Der mächtige Zentaur nickte gewichtig.
"Wer wir?" fragte Lupin und folgte dem Zentauren in das obere Stockwerk
"Sie werden es schon sehen", antwortete dieser geheimnisvoll.
Das Einhorn stampfte hinter ihnen her. Lupin hätte nie gedacht, dass vierbeinige Pferdewesen so gekonnt Treppensteigen konnten. Doch diese zwei konnten es und noch dazu mit einer Eleganz, die bewies, dass sie es schon eine ganze Weile taten.
Als Firenze eine Tür öffnete stockte Remus der Atem und einige volle Minuten lang konnte er nichts weiter als in den Raum starren. Hier wuchs Gras und am nahen Fenster wuchs ein kleiner Baum, der ruhig im leichten Wind raschelte. Wo war er? Dann wanderte sein Blick weiter durch den Raum.
"Bei Merlin", hauchte Remus.
"Wir haben Hilfe bekommen", verkündete Firenze mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme.
"Das sehe ich", sagte Severus Snape ruhig und sah dem Werwolf entgegen.
Lupin blieb die Antwort im Halse stecken, wie sah Snape nur aus? Hände, Arme, Beine, ja sogar sein Oberköper steckten in Verbänden, das Gesicht gezeichnet von Krankheit und Schmerz. Alles an ihm wirkte ausgemergelt, ausgezehrt, fast so wie die Leichen im Ministerium. Remus zählte eins und eins zusammen und die Antwort gefiel ihm gar nicht.
"Bei Merlin", wiederholte Remus, "sag, dass es nicht wahr ist!"
"Was nicht wahr?" fragte Snape und zog ein Leinentuch vor sich zurecht.
"Das mit Peter Moray!"
Der ehemalige Todesser zuckte zusammen und das war Lupin Antwort genug.
"Deswegen hat Moody dieses Spektakel veranstaltet!" Remus ließ sich schwer auf den weichen Boden nieder.
Severus gab ihm einige Zeit seine Gedanken zu ordnen.
"Es gab einen Überlebenden von Moray!" sponn Lupin seine Überlegung weiter. "DU!"
Snape nickte nur, man mußte nicht viel sagen und anscheinend hatte Lupin gesehen wozu Peter Moray fähig war.
"Wie schlimm ist es?!" fragte Lupin und der Zentaur antwortete: "Wir hätten ihn beinahe verloren. Es war ein harter Kampf."
Dass der Zentaur nicht hinzufügte: Wir haben ihn gewonnen, bedeutete, dass noch etwas in der Luft war, was Remus in seinem momentanen Zustand einfach noch nicht erfassen konnte.
Dann fiel sein Blick auf das Bündel Leinenstoff zu Snapes Füßen und was er da sah warf sein Weltbild endgültig aus den Fugen.
"Ich glaube, ich sollte Ihnen die Geschichte einmal erzählen.
Sie haben sie ja auch noch nicht ganz gehört, Snape oder?" murmelte Firenze und legte sich neben Remus auf den Boden.
Severus schüttelte den Kopf, er kannte auch noch nicht die ganze Geschichte, nur Bruchstücke.
"Ich kann nur erzählen was ich gesehen habe und nur das möchte ich vortragen. Die restliche Geschichte gehört Sirius Black." Und Firenze begann zu erzählen von Anfang an.



Kapitel 67

 

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