Geheimnisse

 

 

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Kapitel 71: Drei Jahre später



Große Helden brauchen
großes Leid und große Lasten,
andernfalls bleibt die Hälfte ihrer Größe
unbemerkt.

Das letzte Einhorn Peter S. Beagle



Der Zug schlängelte sich durch das Land und brachte, wie jeden Herbst, neue und auch alte Schüler. Aufgeregt rannten sie auf den Zuggängen umher, erzählten sich gegenseitig von ihren Ferien oder auch von ihren Hoffnungen und Ängsten. Den Älteren war noch anzusehen, dass sie die Schrecken in der Schule miterlebt hatten: Entführung, Trauer und Schmerz. Die Jüngeren freuten sich einfach nur darauf endlich nach Hogwarts zu dürfen. Im Bahnhof angekommen rief ein Zauberer mit knallroten Haaren die Erstklässler zu sich. Charley Weasley hatte seine Arbeit mit den Drachen aufgegeben und war vor drei Jahren als Wildhüter und Professor für die Pflege Magischer Geschöpfe nach Hogwarts gekommen. Mit einer Laterne wies er den Erstklässlern den Weg zu den Booten. Im Zug hatten die jungen Hexen und Zauberer verrückte Geschichten gehört. So verrückt, dass sie glaubten die älteren Semester hätten sie angelogen.
Am Eingangsportal zum Schloss wartete ein Mann in dunklen Roben auf sie, sein schwarzes langes Haar war zu einem festen Pferdeschwanz zusammen gebunden und sein Gesicht lag im Schatten des einfallenden Lichtes der Eingangshalle.
"Hier Professor! Die Erstklässler", sagte Charley fröhlich und verließ die vor Aufregung zitternden Jungen und Mädchen.
"Danke Mr. Weasley", sagte der Mann mit ruhiger Stimme und erhob sie schließlich um sich Gehör zu verschaffen. "Willkommen in Hogwarts! Ich bin Professor Sirius Black und unterrichte hier in Hogwarts das Fach Verwandlungen. Bevor Sie zu den anderen Schülern kommen möchte ich einige wichtige Regeln und Informationen bekannt geben. Sie werden gleich vom Sprechenden Hut in die vier Häuser eingeteilt. Jedes Haus hat seine Geschichte und jedes Haus brachte auch große Zauberer und Hexen hervor. Jedes gute Verhalten wird belohnt mit Punkten, jede Übertretung der Regeln, und Ihrem Haus werden Punkte abgezogen. Wenn ich gleich Ihre Namen vorlese treten Sie im Saal vor und setzen den Sprechenden Hut auf. Alles weitere wird Ihnen später erklärt. Folgen Sie mir."
Damit rauschte er den Schülern voran. Diese beeilten sich ihm zu folgen und betraten mit Staunen die Große Halle. Sofort traf sie der erste Schock und die erste Geschichte bewahrheitete sich: Am Tisch saß auf einem etwas breiteren Stuhl ein Werwolf, der ruhig mit seinen gelben Augen die Neuankömmlinge musterte. Daneben saß bleich und hinter einem Vorhang an schwarzen fettigen Haaren der Hauslehrer von Slytherin, Severus Snape. Auch um ihn rankten sich viele Legenden, eine haarsträubender als die andere, und was die wenigsten ahnten, die meisten waren leider wahr.

Der Sprechende Hut sang von Vertrauen, Freundschaft und der Hoffnung auf bessere Zeiten, bevor er die neuen Schüler in die Häuser aufteilte. Der weitere Abend verlief relativ ereignislos, es folgte noch eine kurze Ansprache der Direktorin und nach dem Essen gingen alle in ihre Häuser.
Am nächsten Morgen sollten noch mehr Überraschungen auf die Neuen zukommen, still und starr saßen sie im Klassenzimmer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste. Damit war vielen klar, dass es Werwölfe nicht nur nachts gab, sondern auch tagsüber, denn der Vollmond tat Lupin leider nicht den Gefallen einfach am Tag unterzugehen, auf jeden Fall nicht immer. Sobald der Mond am Himmel stand, egal ob Tags oder nachts, war er ein Werwolf, ob er dies wollte oder nicht.

Der Werwolf strich schnaubend, knurrend und kläffend zwischen den Reihen umher, während ein hochgewachsener Zentaur Gold in Gold neben der Tafel stand und flüssig übersetzte was Professor Lupin von sich gab.
"Und merkt euch eins, ohne Firenze könnte ich nicht unterrichten, ohne Firenze können wir uns nicht verständigen. Er hilft hier freiwillig, ich erwarte, dass ihr ihm höchsten Respekt entgegen bringt!" übersetzte der Zentaur die letzten stark gekläfften Worte des Werwolfs.
Dann, mit einem Satz sprang der Werwolf auf den Schreibtisch warf den Kopf in den Nacken und heulte laut. Der Zentaur lächelte und meinte schlicht: "Willkommen in Hogwarts!"

Sirius lächelte als er das Heulen hörte, Moony warf sich ganz schön ins Zeug um seine erste Klasse zu beeindrucken. Sein Klassenzimmer lag zwar ein Stockwerk höher als das von Remus Lupin, aber wenn ein Werwolf aus ganzer Kehle heulte, war das im ganzen Schloss zu hören. Vor ihm saß der zweite Schwung Erstklässler und auch er hatte sich etwas besonderen einfallen lassen. Als diese Schüler das Klassenzimmer betreten hatten, war ihnen ein großer schwarzer zottiger Hund entgegen gekommen. Begeistert hatten die Kinder den Hund gestreichelt und mit einigen Leckereien verwöhnt, ein junges Mädchen mit viel zu vielen Sommersprossen hatte ihn sogar kurz gedrückt und er glaubte ein Schluchzen zu hören. Heimweh schätze Black, es gab immer ab und wann einige die Heimweh hatten. Umso größer war der Schock gewesen, als plötzlich ihr Lehrer vor ihnen stand. Es war Sirius schwergefallen, aber als er die Lehrerstelle angenommen hatte, mußte er sich als Animagus registrieren lassen. Die Ministeriumsmitarbeiter, die dafür nach Hogwarts gekommen waren, hatten zwischen purem Entsetzen und tiefster Bewunderung geschwankt. Dass er es schon so lange konnte und so früh erlernt hatte, hatte ihnen imponiert. Dass dies jedoch der Grund war warum er aus Askaban hatte fliehen können blieb sein Geheimnis und keiner fragte mehr danach.
"Nun, Sie werden sicher auch noch Professor Lupins Ansprache hören. Meine wird dafür umso kürzer ausfallen", begann er seine Ansprache vor den Erstklässlern der Hufflepuffs und Ravenclaws, dabei krempelte er die Ärmel nach oben, so dass jeder das Narbengewebe um seine Handgelenke sehen konnte. Einige Schüler schnappten nach Luft.
"Sie haben jetzt die Zeit, Sie sich ganz genau anzusehen und zwar NUR jetzt! Denn Verwandlungen sind nicht leicht und es bringt Ihnen und mir überhaupt nichts wenn Sie ständig auf meine Hände oder Handgelenke starren wenn ich versuche, Ihnen wichtige Zauber beizubringen." Er ging zwischen den Reihen auf und ab.
"Ich weiß, Sie haben eine Menge gehört und ich glaube eine Geschichte ist wilder als die andere. Ich werde, so weit ich kann, Ihre Fragen beantworten, jedoch nur heute und nur in dieser Stunde. Danach machen wir uns daran, diese kleine Nadel in ein Streichholz zu verwandeln. Wenn Sie es den können", meinte er nun etwas freundlicher und hob das kleine silberne Objekt hoch.
Die Kinder wirkten nun entspannter und einige Wagemutige stellten auch Fragen. Ob er wirklich den Dunklen Lord gesehen habe. Ob er wirklich mit dem Werwolf befreundet war und ob Lupin gefährlich sei. So ging es fast eine Stunde und schließlich kam eine Frage, um die Sirius eigentlich ganz froh war.
"Sir, stimmt es, dass Sie Professor Snape gefunden haben?"
"Ich möchte Sie gleich warnen, Professor Snape spricht nie darüber und wenn Sie klug sind, sprechen Sie ihn auch nie auf diese Zeit an. Er hat mehr durchgemacht als wir alle zusammen", warnte Sirius und als er die enttäuschten Gesichter der Schüler sah fügte er leise hinzu: "Und glauben Sie wenn ich Ihnen sage, ein Bruchteil seiner Geschichten würde Ihnen Alpträume für Wochen verschaffen."
Damit war das Thema abgehakt. Sirius hatte dies gleich zu Anfang eingeführt, nach dem die Schüler ihm ständig auf die Handgelenke gestarrt hatten. Auch Snape erwähnte einmal, dass es ihm unangenehm war wie die Kinder ihn förmlich nach Narben absuchten. Seine Lösung war so einfach wie banal gewesen und Sirius hatte sie fast eins zu eins übernommen. Lange, hochgeschlossene Roben, die so wenig Haut wie möglich freiließen. Dumm war nur, dass Sirius für einige Zaubersprüche den Schnipser aus dem Handgelenk demonstrieren musste und dazu musste man diese eben sehen.
Am Ende der Stunde hatte es, wie erwartet, fast keine Übungen gegeben, aber Sirius wusste, dass er dafür den Rest des Jahres Ruhe hatte. Mit einem Lächeln ordnete er die Bücher und bereitete den Unterricht für eine vierte Klasse vor.
Drei Jahre unterrichtete er nun schon und wenn er daran zurück dachte, war es wirklich etwas was ihm viel Spaß bereitete. Er mochte es, Kindern sein Wissen zu vermitteln und es gab ihm irgendwie eine innere Zufriedenheit, die er jahrelang nicht gefühlt hatte. Glaubte man Lupin und McGonagall, so sah man trotzdem von Zeit zu Zeit einen Schatten von Askaban in seinen Augen und die Schüler tuschelten, dass man gerade wenn Ministeriumsbeamte das Schloss besuchten oder jemand zufällig die Worte Askaban und Ministerium benutzte, immer noch ein gehetzter Ausdruck über sein Gesicht huschte. Als er einmal Snape darauf angesprochen hatte ob es stimmte hatte dieser ruhig geantwortet: "12 Jahre Askaban vergisst man nicht und gehen an niemandem spurlos vorüber. Genauso wenig wie man ein halbes Leben Herrschaft des Dunklen Lords nicht vergisst oder keine Spuren zurück behält."
Natürlich wußte Snape wovon er sprach, sein immer noch recht hagerer Körper sprach Bände und seine innere Unsicherheit versteckte er nur hinter Zynismus und spitzen Antworten.
Antworten, die, wie einige Lehrer überrascht feststellten, nie gegen Sirius gerichtet waren und sehr selten gegen Remus Lupin.

Lupin.
Black beobachtete wie die nächste Klassen in den Raum tröpfelte. Remus war eine Sache für sich gewesen, es gab keinen Lehrer und keine Person mehr, die den Unterricht Verteidigung gegen die Dunklen Künste unterrichten wollte. Außer Remus Lupin und der hatte ein monatliches haariges Problem. Erst die Versicherung durch Snape, dass er dem Werwolf den Banntrank jeden Monat braute und der zusätzlichen Sicherheit durch den Zentauren im Klassenzimmer hatte die Verantwortlichen dazu bewegt, das Experiment Werwolf im Klassenzimmer zu gestatten. Zentauren waren stark und flink und Firenze konnte einen außer Kontrolle geratenen Werwolf so lange stellen bis alle Schüler in Sicherheit waren. Dies war bis heute noch nie geschehen. Es brachte den Werwölfen zwar immer noch nicht die ersehnte Gleichberechtigung oder Freiheit in der Gesellschaft, aber es gab Remus einen Teil Frieden wieder. Die anfänglichen Kontrollbesuche der Ministeriumsbeamten wurden schließlich eingestellt, als mehrere Schüler und Lehrer sich über die Störungen beschwert hatten. Ein Umstand, der Remus, Sirius und Severus nur sehr Recht war. Alle drei hatten eine tiefe Abneigung gegen Ministeriumsmitarbeiter entwickelt und nur wenige, wie Mr. Weasley oder Mad Eye, fielen nicht darunter.
Mad Eye war kurz nach ihrer Ernennung zu Lehrern ins Schloss gekommen und hatte ihnen allen drei gratuliert. Keiner vergaß je was dieser Mann für sie riskiert hatte und so war der alte Auror ein gern gesehener Gast.

Der erste Schultag endete fast ereignislos, bis auf die Tatsache, dass ein unachtsamer Schüler sich selbst einen Kaktus auf den Kopf gehext hatte und ein zweiter sich mit einer Hydra in Charley Weasleys Unterricht angelegt hatte.

Müde und erschöpft öffnete Sirius spät am Abend die Tür zu seinen Räumen und erstarrte. Es brannte ein Feuer im Kamin und eine Gestalt saß auf dem Boden davor, die Roben um sich geordnet wie ein schwarzes Meer.
Severus.
Langsam schloß Black die Tür hinter sich und näherte sich dem Tränkelehrer vorsichtig.
"Gibt's Probleme mit Lupin?" fragte Sirius sofort.
Snape schüttelte den Kopf und legte ein Holzscheit nach. Es war zwar erst Anfang Oktober, aber die Nächte konnten schon etwas kühl werden und wenn es draußen kühl wurde, war es in einem steinernen Schloss kalt.
Zögernd setzte er sich neben Snape auf dem Boden und sah ihn fragend an. Seit drei Jahren war er nun Besitzer von Snape und in dieser Zeit waren beide irgendwie in eine Art Stille gefallen. Natürlich sah man sie zusammen mit dem Einhorn und dem Zentauren über das Gelände spazieren. Eine weitere unglaubliche Geschichte: ein Einhorn, das zwei Männern gestattete sich ihm zu nähern, ja sogar zu reiten und zu berühren. Aber Sirius hatte es bis jetzt vermieden weiter in Snapes Leben zu stochern oder ihm Befehle zu geben. Er hielt diese Stillhaltetaktik für sehr erfolgreich. Snape sah es wohl als nicht sehr erfolgreich an. Immerhin hatte er die Flüche um Sirius' privates Reich gebrochen und saß nun vor dem Kamin auf dem Boden. Dabei genoß Sirius auch die Stille, denn bei ihren Spaziergängen sprachen sie nicht viel und manchmal saßen sie stundenlang am See, gestützt von einem Zentauren und einem Einhorn, und betrachteten die Landschaft. Diese Stille hier, jetzt, war nicht angenehm und Sirius spürte, dass es hier um mehr ging als um ihn.
"Sie haben viel von Hagrid gelernt", begann Severus langsam.
Black ahnte um was es nun ging. "Ich hatte Hilfe, das stimmt", antwortete er wahrheitsgemäß.
"Auch Dumbledore war ein weiser Lehrer", bemerkte Snape.
Sirius konnte nur nicken, das waren alles Tatsachen.
"Sie haben seinen Platz würdevoll eingenommen", sagte Snape schlicht.
Black wurde unruhig und sagte: "Ich habe es nicht gerne gemacht, aber es war ja notwendig."
"Dennoch geben Sie keine Befehle."
"Ich bin nicht der Typ Mensch für so etwas", grummelte Black und sah beschämt weg.
"Waren Sie denn nie neugierig? Der Black, den ich in Erinnerung habe, der aus meiner Schulzeit, war sehr neugierig."
"Ich bin nicht mehr sehr stolz auf diese Zeit. Ich habe einige Fehler gemacht. Es tut mir leid." Sirius sackte ein Stückchen in sich zusammen.
Wobei, neugierig war er schon, war er immer gewesen, keiner hatte ihm genaue Antworten gegeben können, warum Snape so geworden war. Warum hatte er Harry gerettet? Einmal war von Selbstmord die Rede gewesen. Eigentlich war das damals der ganze Anfang gewesen, laut Hagrid und Firenze, ja sogar Dumbledore hatte einmal so etwas erwähnt. Auf dem Weg von Mad Eye nach Hogwarts war seine Geschichte auch nur lückenhaft gewesen. Es gab so viel zu fragen, zu erfahren. Snape lächelte leicht und nickte.
"Ich sehe, Sie sind immer noch neugierig."
Das alles war Sirius mehr als peinlich aber er nickte. Verdammt, der Mann konnte immer noch in Menschen lesen wie in einem Buch wenn er wollte.
"Dann fragen Sie. Geben Sie den Befehl. Dumbledore fragte mich einmal. Ihm konnte ich nicht antworten, damals. Ich glaube, ich kann es jetzt." Snapes Stimme klang so als ob er ihm ein sehr wertvolles Geschenk machen wollte, sie war weich, leise und unendlich sanft.
Sirius holte zitternd Luft, sah in die schwarzen Augen und sagte: "Warum Snape? Warum das alles? Warum Harry? Warum Dumbledore? Warum Hagrid? Ich wünsche zu hören, warum dies damals alles so geschehen ist."
Snape stand auf, verbeugte sich tief vor Sirius und meinte schlicht. "Wenn Ihr die Güte habt mir zu folgen."
Sirius griff nach einem warmen Umhang und folgte Snape. Wie lebende Schatten huschten sie aus dem Schloss, wichen Charley Weasleys Abendpatrouille aus und verschwanden im Verbotenen Wald. Kein Ast knackte, kein Blatt wurde aufgewirbelt und kein Tier wurde aufgescheucht. Es überraschte ihn nicht, dass ihnen bald Firenze und das Einhorn folgten. Neben Pomfrey wohl die einzigen, die um Sirius' spezielles Verhältnis zu Snape wußten. Sie kamen bei einer alten Ulme an und Snape bedeutete Black, sich am Fuß des gewaltigen Baumes zu setzen.
"Ich glaube hier ist ein guter Ort zu beginnen. Denn eigentlich begann ein großer Teil meiner Geschichte hier", sagte Snape und sortierte seine Gewänder.
In der Ferne rief eine Eule.



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