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Kapitel 45



Sie gewöhnte sich allmählich dran. Doch. Gut, sie hasste Schmerzen. Hatte das immer schon getan. Aber das Aufwachen aus einer Ohnmacht war eigentlich gar nicht so schlimm.

Sie bewegte vorsichtig alle Glieder. Schien noch alles da zu sein. Tat noch alles weh. Soweit so gut.

Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Allmählich konnte die Kavallerie mal kommen, fand sie. Verdammt noch mal.

Aber das war kein Western. Das war England. Und anscheinend hielten Zauberer auch nichts von Pünktlichkeit. Nicht nur nichts von Höflichkeit. Sie fragte sich, warum sie das nicht wunderte.

In diesem Laden wunderte sie nichts mehr. Severus hatte sie hierher gebracht, weil es sicher war. Ha! Sicher! Wunderbar!

Sie versuchte, ihre Wut einfach durch sich fließen zu lassen. Es klappte. Sie wusste nicht, ob sie der begonnenen Zaubererausbildung dafür danken konnte. Oder doch eher den Volkshochschulkursen in Autogenem Training, Yoga und so weiter. Es war auch egal. Sie besann sich jedenfalls auf ihre Stärken. Die hatte sie auch. Sie war wunderbar mit ihrem Leben zurechtgekommen, bevor sie diesen Mann kennengelernt hatte. Und in diesem Schlamassel gelandet war. Und sie hatte schon andere Dinge überlebt. Und sie hatte Fähigkeiten. So. Doch. Positiv denken. Jawohl!

Sie fühlte durch ihren Körper, und sah dabei so unauffällig wie möglich auf den anderen Menschen, na ja, auf die andere Person in diesem dunklen Zimmer. Kalt war es auch. Wenn sie das schon merkte, konnte sie noch nicht so gut wie tot sein. Gut eigentlich.

Wieder war nichts gebrochen. Und alle Körperteile redeten noch mit ihr. Mit ein wenig Überredung, aber immerhin. Sie versuchte, ihre Tätigkeit abzuschirmen vor dem anderen. Irgendwas in ihr beharrte darauf, dass es wichtig war, dass er nicht wusste, was sie konnte. Damit sie noch eine Chance hatte.

Ihr Verstand glaubte das selbstverständlich nicht. Aber sie hörte auf diese Stimme. Was hatte sie sonst auch zu tun?

Eben.

Sie meinte, Severus zu spüren. Er war wütend. Nun, das war nichts überwältigend Neues. Und sie konnte auch nicht wissen, ob das nicht nur ihre Gedanken waren, die sich da in ihr tummelten. Oder ob es wirklich irgendeine Verbindung von irgendwas in ihr zu irgendwas in ihm gab. Irgendwo. Und es brachte sie jetzt auch nicht weiter, darüber nachzudenken. So.

Was also konnte sie tun? Um sich von ihrer ziemlich verzweifelten Lage abzulenken? Zu alledem fühlte sie, dass sie ziemlich bald mal aufs Klo musste. Malträtiert wie ihr Körper war, wunderte sie sich beinahe, dass er noch auf solche Ideen kam. Was ein Wunderwerk, wirklich. Aber irgendwie bezweifelte sie, dass ihr Entführer sie aufs Klo gehen lassen würde. In Filmen taten die Entführten immer nur so als müssten sie, um dann zu fliehen. Sie musste wirklich. Und wenn sie darüber nachdachte, diesen Gedanken nur ein wenig näher kommen ließ, dann würde sie echt durchdrehen.

Sie probte ihre Stimme. Die Stimmbänder schwangen noch. Körperlich war alles in Ordnung. Nun los. Mehr als Sterben konnte sie doch nicht.

„Hat dich eine Frau so sehr verletzt, dass du uns jetzt alle hasst? Jemand aus Gryffindor? Du kannst es mir ruhig erzählen. Ich kann zuhören. Und ich habe im Moment nichts besseres vor.“

Diese Augen! Jetzt brannten sie förmlich. Kein Mensch konnte doch rote Augen haben, oder? Nun ja, nach allem was sie wusste, war es ja auch nicht unbedingt ein Mensch, der jetzt aufgesprungen war und heftig atmend vor ihr stand. Sabina fühlte Angst, natürlich, und Ärger über ihre eigene Unvorsichtigkeit und noch etwas. Sah dieser Junge trotz der roten Augen nicht irgendwie ein wenig aus wie dieser andere? Der, den sie eigentlich gesucht hatte? Und auch ein wenig wie Severus. Doch. Leider. Wirklich. Es mussten die schwarzen Haare sein. Ja die, und die unerträgliche Arroganz in seiner Haltung. Sie schluckte.

„Sie haben wirklich Mut, was? Glauben Sie zumindest. Wie dumm kann denn ein einzelner Mensch sein? “

„Oh, was mich betrifft, da gibt es, glaube ich, kaum Grenzen.“ Sie fühlte das wirklich. Und wieso sollte sie im Angesicht des Todes nicht einfach sagen, was ihr in den Sinn kam? Wieso es jetzt noch verbergen? Weil es vielleicht ihre Chancen, ein wenig länger zu leben erhöhen würde? Nun ja.

Die roten Augen sahen sie an. Und das Rot verblasste. Die Augen wurden wieder menschenähnlicher. Braun? Nein schwarz? Blau? Sie konnte es nicht erkennen. War es nicht egal? Alles war angenehmer als das Rot.

Jetzt lachte er. Es klang eigentlich wie ein ganz normales Lachen. Nicht sonderlich sympathisch, aber immerhin. Wenn er sie nicht gerade durch den Raum warf durch Zauberei ohne Zauberstab, oder mit diesen roten Augen guckte, und wenn sie mal vergaß, was für Horrorgeschichten über ihn erzählt wurden, von denen sie sowieso nicht alle kannte, und wenn sie mal vergaß, wie Severus in der Badewanne unter ihm gelitten hatte, und wenn sie auch vergaß, dass er sie entführt hatte, und hier festhielt, um Severus in eine Falle zu locken, und wenn sie versuchte, ihn nicht mit ihrem anderen Sinn zu sehen, ja dann, dann war das eigentlich auch nicht viel anders als ein gewöhnliches Gespräch mit einem Fremden unter besonderen Umständen. Wenn ein Fahrstuhl stecken blieb, zum Beispiel. Oder ein Zug verunglückte, und man auf die Feuerwehr wartete.

Eben. Und Fremde waren nur Freunde, die man noch nicht kannte.

„Nachdem das geklärt ist, können wir doch die Zeit nützen, oder nicht? Wir Frauen sind unstillbar neugierig, das ist ja kein Geheimnis. Also wieso bist du so“ - ein absoluter Widerling - „geworden, wie du bist?“

Die Augen des Jungen sahen sie an. Severus hatte sie auch schon so angestarrt.

Hach, Severus. Sie schluckte. Nein, sie würde jetzt nicht zusammenbrechen. Sie würde die Erwachsene sein, die sie den Jahren nach war. Und sie würde Konversation mit diesem Jugendlichen treiben, als sei er nicht der Schrecken der Zaubererwelt. Denn alles was er sagen mochte, konnte nicht schlimmer sein als ihre Gedanken in Ruhe.

„Wieso sollte ich Ihnen das erzählen?“ Die Verachtung in seiner Stimme war beeindruckend. Aber sie war das gewöhnt. Das war nicht so schlimm. Solange sie nicht dahinter guckte. Severus hatte sie doch besser eingeführt, als sie gedacht hatte.

„Hast du was Besseres vor?“ - Außer mich durch den Raum zu werfen. Aber das kann doch auch nicht so interessant ein. Hoffe ich zumindest. -

Ein komisches Geräusch. Ein Lachen. Uralt, eingerostet, schauerlich. Sie zitterte. Das Lachen veränderte sich. Nun klang es wie das Lachen eines jungen Menschen. Interessant.

Irgendwie und irgendwo war er doch ein Mensch. Das ließ Hoffnung. Hoffte sie. „Ich kann mir allmählich vorstellen, wieso Severus Gefallen an dir findet Wenn auch natürlich nicht so wie an gewissen Dingen, an denen er früher Freude hatte.“

Sabina wurde bleich, sie wusste es. Wieder ein Lachen. Jung, aber unangenehm. „Oh ja, Severus. Der gute Spion.“

Sie atmete tief durch. Hatte sie es nicht gewusst? Sie war nur die Blondine in diesem Spiel. Vielleicht gab es doch noch schlimmere Dinge als ihre eigenen Gedanken.

Andererseits: Wo sonst hatte sie schon mal Gelegenheit, alles über Severus zu erfahren? Von ihm selbst sicher nicht. Und die Kinder, die sie eigentlich hatte besuchen wollen, kannten ihn nur als Lehrer. Wenn sie das jetzt richtig verstanden hatte, kannte dieser Tom Riddle Severus noch anders. Ganz anders. Noch anders als selbst Remus.

Oh Gott, war das alles kompliziert!

„Spion?“, fragte sie, und fühlte sich so dumm wie sie klang. Obwohl sie das natürlich gewusst hatte. Die Antwort war ein verächtliches Grunzen, das ihr sehr bekannt vorkam und an das sie sich langsam gewöhnte. Sie wandte es schon beinahe selber an. Sie hielt auch nicht mehr viel von sich. Dass das Grunzen nicht von einem erneuten Schlag gefolgt wurde, das war schon viel.

„Sie kennen Severus noch nicht lange, oder? Haben keine Ahnung. Woher sollten Sie auch.“ Das klang bitter. Und wieso sollte er wegen ihrer Ahnungslosigkeit bitter sein.

„Nein“, sagte sie. „Noch nicht lange.“ Und es war ja wirklich nicht sehr lange. Auch wenn sie sich an die Zeit davor schon kaum noch erinnern konnte. Diese Zaubererwelt war wirklich einzigartig. Und so blöd wie sie sich auch angestellt hatte - irgendwie war es wie Heimkommen gewesen. Hier hatte sie hingepasst, sich wohl gefühlt, war richtig dagewesen, wie noch nie sonst an einer Arbeitsstelle, in einer Beziehung oder sonst wo. Ja, sie war auch unter Muggeln aufgewachsen und hatte nicht gewusst, was falsch war. Nur dass sie da, wo sie gewesen war, nicht hingehörte. Nicht dazu gehörte. In den paar Tagen auf Hogwarts war das anders gewesen. Sie schluckte.

Wieder dieses grausame Lachen, diesmal wieder das des alten zeitlosen Wesens hinter der jugendlichen Fassade. „Nicht dass eine Muggelin wie du ihn verstehen könnte, meinen stolzen Severus.“

Sie würgte. Die Bilder, die diese Bezeichnung in ihr hervorrief, waren nicht angenehm. Sie taten erstaunlich weh. Sie schienen ihre Bilder von Severus zu verdrängen. Sein Severus - ihr Severus? Der Mann, den sie in den letzen Wochen kennengelernt hatte, ein Geschöpf dieses - Wesens? Sein - Spielzeug? Sie atmete tief durch. Dieser Junge war nicht nur der Junge den sie sah, sondern viel mehr, erinnerte sie sich. Er hatte Methoden, die er in langen Jahren verfeinert hatte. Schon Severus hatte ihr ihre Erinnerung genommen, auch wenn das im Nachhinein gut gewesen war. Dieser hier schien ihr unter anderem ihre guten nehmen und mit entsetzlichen ersetzen zu wollen. Nun, das würde sie nicht zulassen. Solange sie konnte. Auch wenn sie nicht genau wusste, was sie dagegen tun konnte.

Sie schloss die Augen und stellte sich einen schönen Moment mit Severus vor. Suchte ihn. Wühlte in ihrem angeschlagenen Hirn. Doch. Ja. Die Badewanne war schön gewesen, bis ... Nein. Nicht so gut. Severus als Schlange, der über sie hin glitt und den sie so reizte, bis er sich zurück verwandelte. Sie lächelte mit geschlossenen Augen. Sein hochmütiges Profil, während er diese Kinder runterlaufen ließ. Diese Nase, diese Lippen. Diese Hände. Sie schluchzte auf. Nein. Die Erinnerungen hatte sie noch. Wie er sie gerettet hatte. Vor diesem Malfoy. Und dann später, in seiner Wohnung, als sie ihn dann praktisch gezwungen hatte ... Nun ja. Er hatte sich nicht soo lange bitten lassen. Ein Lächeln verzog ihre Lippen und sie fühlte sich wärmer.

Kurz darauf fühlte sie sich sehr viel wärmer und schmerzverkrümmt, als sie wieder getroffen wurde. Ein Zischen, das klang wie von Schlangen. „Was für ein Pech für dich, dass du wohl kaum mehr Gelegenheit zu einem näheren Kennenlernen haben wirst.“

Sie richtete sich langsam auf, als sie wieder konnte und sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Das würden sie ja wohl erst noch sehen.


Kapitel 44

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