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Epilog



Severus schnaubte. Er saß auf seinem üblichen Platz in der Ecke des Lehrertisches. Auf seiner einen Seite saß Sirius Black, auf seiner anderen Harry Potter. Und als ob das nicht mehr als genug wäre, um ihm den Tag und das Essen zu vergällen, konnte er nicht umhin, das selbstzufriedene Schmunzeln von Albus zu bemerken. Das konnte nichts Gutes zu bedeuten haben. Er wusste es. Wenn Albus so schmunzelte, konnte nur Hölle und Verdammnis folgen. Nicht für Albus. Sicher nicht. Aber für ihn, Severus Snape, wiederinstallierten Zaubertränkelehrer in Hogwarts. Er hasste es jetzt schon. Wieso war er nicht zu dieser Behörde zurückgegangen? So langweilig war es doch dort gar nicht gewesen. Severus überhörte das ungläubige Schnauben einer kleinen ehrlichen Stimme in seinem Kopf und bewegte seine Augen, um die Gestalt neben Albus zu betrachten. Seine Augen verengten sich und sein Mund zuckte.

Nein es reichte nicht. Nicht genug, dass jetzt Potter auch Lehrer war. Nicht genug, dass Sirius Black immer noch Lehrer war. Er war zwar von dem Posten als stellvertretender Zaubertränkelehrer vertrieben worden, in dem er mehr Unheil angerichtet hatte als selbst Voldemort als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste - der hatte wenigstens eine Ahnung von der Materie gehabt. Severus würde Jahre brauchen, um wieder Ordnung in seine Flaschensammlung zu bekommen. Und Sirius Black unterstützte jetzt Remus Lupin in Verteidigung gegen dunkle Künste und diese beiden wurden ihrerseits unterstützt von Harry Potter, der andererseits auch Quidditchtrainer und Fluglehrer war. Und was sonst noch alles Albus entschied auf den jungen Helden zu häufen. Jeder gottverdammte Zauberer der Erde schien in Hogwarts zu landen, um ein sicheres Auskommen als Lehrer zu haben. Severus verachtete es. Zutiefst.

Nun aber auch noch Nicht-Zauberer. Snape knurrte tief in der Kehle. Er hielt den Blick der Gestalt neben Albus für einen kleinen Moment, gerade lang genug, um zu zeigen, dass er nicht im mindesten beeindruckt war. Andere mochten getäuscht werden, aber nicht er, nicht Severus Snape. Als er meinte, seinen Standpunkt klargemacht zu haben, wandte er mit einem vertrauten Gefühl in der Magengrube die Augen ab.

Auf die Horden von Schülern, die aufgeregt plappernd die einstmals schön ruhige Halle bevölkerten. Es war der erste Tag des Schuljahres und es reichte ihm jetzt schon. Nach dem Essen würde Albus die vertraute kleine Rede reden, alle würden ihn anbeten und dann würde ein weiteres Schuljahr beginnen, mit idiotischen Schülern und noch mehr idiotischen Kollegen. Wunderbar. Heimat.

Er wich dem vertraulichen Grinsen Potters aus. Dass sie zusammen gefunden worden waren, wie tot in einer Höhle nahe dem Mittelpunkt der Erde liegend, von den Hilfstruppen angeführt von Albus und einem zottigen schwarzen Hund, nachdem eine weiße Tigerin ein größeres unwiederbringliches Teil aus Lucius Malfoy gebissen und ihn somit zu einem Leben, schlimmer als das von Peter Pettigrew, verurteilt hatte, gab Potter kein Recht, ihn so anzugrinsen. Es fehlte noch, dass sie hier alle eine glückliche Familie spielten, mit lauschigen Zusammentreffen vor dem Kamin. Ohne ihn! Dumbledore konnte sagen, was er wollte. Potter war kein Lehrer, und er würde nie einer sein. Ganz zu schweigen von ... Seine Augen verdüsterten sich, als er den silberhellen Klang von Albus‘ Löffel gegen sein Glas vernahm. Der alte Spinner! Löffel gegen Glas in dieser riesigen Halle. Er gab einfach zu gern an.

„Liebe Freunde“, erklang Albus‘ Stimme, verstärkt von einem Zauber, natürlich. Auch wenn er für seine 150 Jahre recht fit war, seine normale Stimme hätte niemals diese Halle durchdringen können. Snape setzte sein undurchdringlichstes Gesicht auf. Nun würde das kommen, was er mit aller Macht hatte verhindern wollen. Aber war das Leben jemals so gelaufen, wie er es sich erwünscht hatte? Natürlich nicht. Und es war albern, damit zu rechnen. Und Severus Snape war alles Mögliche, sicherlich. Aber er war ganz gewiss nicht albern.

„... besondere Freude, Euch alle hier zu begrüßen“, drang die Stimme des Rektors wieder an sein Ohr. Der Vollidiot. Die Schüler als Freunde zu begrüßen. Und aus denen sollte dann noch was werden. Die würden sich wundern, wenn Voldemort zu ihnen kam. Dann würden sie schon sehen, wie weit sie mit Freundschaft kamen. Wer wusste schon, ob es mit Voldemort jetzt endgültig vorbei war? Nachdem der ältere Crabbe von Black getötet worden war, und sie nachher herausgefunden hatten, dass er die Ehre gehabt hatte, Voldemort mit sich rumzuschleppen. Nicht unter dem Turban, sondern in einer Taschenuhr. Snape schnaubte. Alle schienen überzeugt, dass das Verbrennen der Uhr unter dem Absingen diverser uralter Zaubersprüche Voldemort für immer den Garaus gemacht hatte. Oder sie taten zumindest so. Er hatte damit natürlich nichts zu tun gehabt. Er war damals noch bewusstlos in der Krankenstation gelegen. Zusammen mit Potter und - Sabina. Seine Miene verdüsterte sich noch mehr.

Sabina. Das verfluchte Weib. Nach ihrem doch recht erfreulichen Wiedersehen auf der Krankenstation, das natürlich mit einem ziemlichen Abbruch seiner Würde geendet hatte - warum musste die Frau auch so laut lachen, als er ihr sagte, er habe sie vor schlimmerem bewahrt, indem er sie vor dem Möchtegern-Voldemort gerettete hatte? So laut, dass selbst der Zauber von Albus nichts dagegen bewirken konnte? - hatte sie darauf bestanden, ihre Ausbildung fortzusetzen.

Er war damit nicht einverstanden gewesen. Natürlich nicht. Jemand der sich mit nur zwei Unterrichtsstunden in eine Tigerin verwandeln konnte, brauchte keinen Unterricht. So jemand war gefährlich. Diese Waffe noch mehr auszubilden, wäre wie Lupin ohne Wolfsbann auf die Schüler loszulassen. Sabina sah das natürlich ganz anders. Und alle anderen auch. Snape presste die Lippen noch mehr zusammen, so dass sie kaum mehr sichtbar waren. Sein Kiefer tat weh von all dem Drücken und Pressen. Aber das machte nichts. Schmerz war gut. Verhinderte, dass man sich zu sehr amüsierte auf dieser Welt.

Und so war Sabina dann aus seinen Räumen ausgezogen, und in eigene gezogen. Ab und zu hatte er sie beim Essen gesehen. Immer ins Gespräch vertieft mit irgendeinem der anderen. Sie, nicht er, natürlich. Nicht dass er mit ihr hätte sprechen wollen. Sie hatte Unrecht und sie würde schon sehen, was sie davon hatte. Alle würden es sehen, was sie davon hatten. Er würde recht behalten. Wie immer. Aber natürlich zu spät. Und würde ihm gedankt werden? Natürlich nicht. Wahrscheinlich durfte er schon dankbar sein, seine alte Stelle wieder zu haben. Belohnung genug für sein versautes Leben. Für die Jahre auf diesem Amt und all das. All die Flüche, die er ertragen hatte. Er hatte überlebt. Und hatte noch alle wichtigen Körperteile. Nun, das war mehr, als man über andere sagen konnte.

Sabina hatte ihn ignoriert. Einfach ignoriert. Und nun saß sie da neben Albus, in einem grauen Gewand, das verdächtig silbern schimmerte, als habe sie es verzaubert, um aufzufallen. Es passte gut zu ihrer Augenfarbe. Severus fluchte unhörbar. Was interessierte ihn ihre Augenfarbe? Nichts an ihr interessierte ihn. Gar nichts. Saß da als sei sie eine geborene Zauberin. Und nicht eine Muggelin mit ein wenig rohem Talent und der Fähigkeit, möglichst viel Unheil zu stiften. Saß da und grinste als würde sie das alles nicht beeindrucken. Nicht die Halle. Nicht die Rede von Albus. Nicht dass er, Snape, sie nicht ansah.

Severus merkte, dass das Knurren das er hörte, aus seiner eigenen Kehle kam. Und dass ihn der verdammte Potter schon wieder so verständnisinnig ansah. Er knurrte noch einmal, um zu beweisen, dass er hier soviel knurren konnte, wie er wollte. Während er und Sabina nicht miteinander geredet hatten, waren wahrscheinlich alle anderen damit beschäftigt gewesen, über sie zu reden. Er liebte das Leben in einer Gemeinschaft. Es war so - gemütlich.

„Zunächst darf ich Euch eine neue Lehrerin vorstellen“, erklang die Stimme des Rektors jetzt wieder durch das Rauschen in seinen Ohren. „Sabina Selpent hat vor kurzem ihre Prüfungen zur allgemeinen Zufriedenheit abgelegt und sich bereit erklärt, hier auf Hogwarts zu bleiben.“

Snape knurrte wieder. Prüfungen, ha. Allgemeine Zufriedenheit. Ihn hatte keiner gefragt. Keine Ahnung, wer die Prüfung in Zaubertränken abgenommen hatte. Nun gut. Solange er lebte, würde diese Frau kein unschuldiges Kind in Zaubertränken unterrichten. Und wenn es das Letzte war, was er tat. Und wo hätte Sabina sonst hingehen sollen? Nachdem sie mindestens einen hohen Diener des Dunklen Lords schwer verletzt hatte, war sie nicht sonderlich sicher außerhalb Hogwarts. Nicht mehr unter Muggeln. Nicht mehr als beispielsweise er selber. Er schnaubte. Nun würde Albus ihr sicher einen Posten geben. Muggelstudien oder so etwas Überflüssiges. Darin kannte sie sich ja wenigstens aus. Warum sie dann aber erst die Zaubererausbildung gemacht hatte, verstand wer wollte. Er nicht. Aber er musste diese Frau ja auch nicht verstehen. Severus machte ein besonders böses Gesicht.

„Frau Selpent hat sich bereit erklärt, bei uns zu bleiben und zu unterrichten.“

Snape schaffte es mit jahrelanger Übung, die er dem Leben unter Feinden verdankte, sich nichts anmerken zu lassen. Andere waren nicht so geübt. Ein erstauntes Summen ging durch den Raum. Es hatte noch nie in den letzten 50 Jahren einen Lehrer gegeben, der nicht vollständig in Hogwarts ausgebildet worden war, von Kind an. Snapes Kopf ruckte jetzt doch zu dem Dreigestirn in der Mitte der Tafel, dessen Anblick er bisher vermieden hatte. Minerva und Albus sahen wie stolze Eltern auf Sabina, die zwischen ihnen saß und bescheiden dreinschaute. Snape fühlte, wie sein Mund sich kräuselte und sein Magen sonderbare Bewegungen machte. Ihm war ein wenig schlecht. Bescheiden, ha! Ausgerechnet. Diese Frau war eine - Tigerin. Bescheiden!

Als er seinen Blick wieder löste und über den Tisch streifen ließ, schien es ihm, als seien nicht alle erstaunt. Weder Potter noch Black noch Lupin hatten diesen großäugigen Blick, der bei Gryffindors diese Gefühlsregung gewöhnlich anzeigte. Typisch. Die wussten es schon. Mal wieder. Er war der letzte, der es erfuhr. Zusammen mit den Schülern. Sein Mund verzog sich zu einer bitteren Grimasse. Sein Leben war ein Trauerspiel, zum Ergötzen der Gryffindors. Schon immer hatte man ihn links liegen lassen. Andere ihm vorgezogen. Ihn gezwungen, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, wenn er nicht sein Gesicht verlieren wollte. Nicht mehr als er es schon getan hatte.

Es machte ihm nichts aus. Er war es gewohnt. Er warf seinen Kopf in einer Bewegung zurück, die jedwedes Mitleid mit sich selbst ausschloss. Und einige Gedanken, die ganz klar nicht von ihm selbst waren.

Wieder dieses silberhelle Klingeln mit dem Löffel. „Gleichfalls darf ich meiner großen Freude darüber Ausdruck verleihen, dass es uns gelungen ist, Harry Potter als Lehrer zu gewinnen.“

Raunen und Tuscheln und - natürlich -Klatschen. Es fehlten nur noch die stehenden Ovationen.

„Mr. Potter wird Madam Hooch unterstützen und die Herren Black und Lupin, die sich die Stelle des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste zunächst teilen. Nach all dem Pech, das wir in den vergangenen Jahren mit dieser Position hatten, erscheint es nur vernünftig, kein Risiko einzugehen.“

Snape schnaubte. Kein Risiko eingehen, natürlich. Ein Werwolf, ein Hund und ein Quidditchspieler. Wunderbar. Nun immerhin würde der Unterricht auch bei Vollmond stattfinden können.

„Es ist uns gleichfalls eine große Freude, Severus Snape wieder hier begrüßen zu können. Ich bin sicher, ich spreche im Namen von uns allen. Mr. Black hat ihn gut vertreten, aber es gibt doch keinen zweiten wie den Zaubertränkemeister“.

Severus‘ Magen fühlte sich eisig an. Er hatte gedacht, es könne nicht schlimmer kommen und natürlich hatte er sich geirrt. Die Demütigung, jetzt völlig ohne freudiges Gemurmel wieder in seine alte Stelle eingesetzt zu werden, hätte er sich gern erspart. Aber Albus offenbar nicht. Wieso auch.

Er starrte mit seinem üblichen Blick stur geradeaus. Sollten sie schweigen, sollten sie buhen, ihm war es egal. Er würde es ihnen schon zeigen. Der Unterricht würde fürchterlich werden.

Er hörte ein Klatschen. Sein Kopf fuhr herum, um auszumachen, wer es wagte. Er brauchte nicht sehr weit zu gucken. Harry Potter. Wer sonst. Seine Beleidigung war perfekt. Der Retter der Menschheit. Der Gutmensch schlechthin. Konnte es sich erlauben, großzügig zu seinen Feinden zu sein. Mochte die Hölle ihn verschlingen. Bald.

Jetzt stand er auch noch auf. Und sah ihn mit diesen grünen Augen an, die irgendwie feucht wirkten. Mein Gott, Gryffindors, Merlin, was hast du mir angetan? Nun standen auch noch Lupin, und Gott bewahre, Black auf und klatschten auch. Der ganze verdammte Lehrertisch stand auf und klatschte. Severus starrte stumm. Waren die hier alle übergeschnappt?

Nun auch noch die Schüler. Nach einer Schrecksekunde, die sich dehnte, was Severus ihnen nicht wirklich verübeln konnte, standen auch sie auf. Und klatschten. Für Severus Snape, den Zaubertränkelehrer. Er musste in einem Paralleluniversum gelandet sein. Dies hier war nicht Hogwarts. Dies waren nicht die Leute die er kannte. Er wandte den Blick ab, und sah gerade noch das Funkeln in den Augen von Dumbledore. Auch seine Augen sahen feucht aus. Er wurde allmählich wirklich senil, der alte Knacker.

„Nachdem wir uns nun alle hier so schön zusammengefunden haben“, Dumbledores Stimme funkelte wirklich vor Vergnügen, es war unerträglich, „habe ich noch einige Ankündigungen zu machen.“

Severus bemühte sich, die Augen nicht gen Himmel zu richten. Das übliche Blabla: Nicht in den Wald, nicht dies, nicht jenes - und keines der vermaledeiten Kinder hörte überhaupt zu.

Dumbledore räusperte sich. „Nachdem es mir gelungen ist, eine so hervorragende Lehrerschaft zusammenzutrommeln, wobei trommeln nicht ganz das richtige Wort ist,“ - Severus starrte stur geradeaus. Es war lange her, dass er sich durch die Worte des Rektors hatte verwirren lassen - „ist es mir eine Freude, Ihnen mitzuteilen, dass ich die Gelegenheit nutze, die sich mir dadurch bietet. Ich trete in den Ruhestand. Und Minerva McGonagall geht mit mir.“

Snape starrte. Das konnte er nicht gesagt haben. Das konnte er einfach nicht. Ruhestand? Albus? Und wer sollte dann Rektor werden, wenn er McGonagall gleich mitnahm? Severus fühlte, wie sein Magen noch einige Umdrehungen hinlegte. Sein Leben wurde schlimmer und schlimmer. Er hatte gedacht, er könne sich in Ruhe und Frieden Zuhause zurückziehen, und nun das. Was eigentlich?

„Das Amt des Rektors ist ein so verantwortliches, dass ich schon seit geraumer Zeit ein schlechtes Gewissen habe, es allein auszuüben. Seien wir doch mal ehrlich: Ich bin nicht mehr der Jüngste. Und manche halten mich sogar für verrückt“. Dumbledore kicherte jetzt auch noch, als er die verblüfften, entsetzten und sonst wie derangierten Gesichter in der Halle betrachtete. Severus brachte seinen Mund in die übliche dünne Linie. Sein Unterkiefer würde nicht herunter hängen, seiner nicht. Das sah nicht gerade intelligent aus, wie er an Black bemerken konnte. Immerhin, der schien es auch nicht gewusst zu haben. Das nicht. Lupin und Potter hin wiederum - das war etwas anderes. Sie tauschten einen heimlichen, aufgeregten und leicht schuldbewußten Blick, als Severus' schwarzer Glanz auf sie fiel. Beide wichen ihm aus. Snapes Mund wurde noch schmaler.

„Deshalb habe ich beschlossen, ein Rektorenkollegium einzusetzen. Das sich gegenseitig entlasten kann, und das alles miteinander beschließen muss. Aus verschiedenen Häusern natürlich, damit keines das Übergewicht erhält, wie es uns manchmal vorgeworfen wurde.“ Er kicherte wieder und streichelte die Hand von Minerva, wobei er um Sabina herumreichen musste. Snapes Magen machte einen Salto.

„Ich habe deswegen beschlossen, Madam Hooch als Vertreterin von Ravenclaw zu ernennen.“ Snape sah zu Hooch herüber. Sie sah aus, als habe sie einen Besen in den Magen bekommen, in vollem Flug. Albus war ein geschickter alter Hund. Vor versammelter Schulmannschaft konnte natürlich niemand ablehnen. Darauf spekulierte er. Manchmal dachte Snape, dass Albus ein würdiger Vertreter Slytherins gewesen wäre.

„Professor Flitwick hat sich freundlicherweise bereit erklärt, für Hufflepuff in den Ring zu steigen.“ Das konnte Severus sich vorstellen. Der freundliche kleine Zwerg hatte Albus noch nie etwas entgegenzusetzen gehabt. Wen er wohl für Slytherin ausgeguckt hatte? Vector? Sinistra? Sein Magen sank in seine Kniekehlen. Gott bewahre. Albus konnte doch nicht?

„Für Gryffindor habe ich Professor Lupin vorgesehen“, sagte Albus munter. Snapes Kopf fuhr hoch. „Severus?“, fragte der Noch-Rektor betont freundlich. „Möchtest du etwas sagen?“ Snape sah auf Lupin, der ihn freundlich ansah. Er sank wieder zusammen. Was nutzte es schon. Albus wusste so gut wie er, und das gesamte Kollegium, und die gesamten Eltern, dass Lupin ein Werwolf war. Wenn er meinte, das den Leuten zumuten zu können, war das seine Sache. Es mussten sich ja nur andere mit diesem Scherbenhaufen rumschlagen. Albus würde nicht mehr da sein. Aber was ging es ihn an? Er war nur ein kleiner Zaubertränkelehrer, der in Ruhe arbeiten wollte. Es hätte schlimmer kommen können.

„Im Falle der Verhinderung von Professor Lupin, wird Professor Black für ihn einspringen.“ Snapes Kopf sank auf seine Brust. Wunderbar. Ein Werwolf, der immerhin rudimentäre Kenntnisse der menschlichen Kommunikation besaß, vertreten durch einen komplett irren Hund. Mit Hogwarts würde es schneller abwärts gehen, als die Erstklässler Alohomora sagen konnten. Vielleicht sollte er sich schon mal nach einem anderen Job umsehen. Ja, ganz sicher sollte er das.

„Und für Slytherin kommt natürlich niemand anders in Frage als Severus Snape.“

Snapes Kopf fuhr hoch. „Du musst komplett verrückt sein, Albus.“

Die ganze Halle kicherte, aber Severus konnte sehen, dass er nicht allein dieser Meinung war. Alle Köpfe wandten sich von ihm zum Rektor und wieder zurück. Viele nickten. Snape knurrte.

„Ganz wie ich sagte, Severus.“ Albus konnte nicht strahlender lächeln. „Deswegen höre ich ja auch auf.“ Severus knurrte lauter. „Wenn das wirklich deine Meinung ist, will ich dir nicht widersprechen. Nicht in diesem Fall.“ Severus versuchte, seine Stimme davon abzuhalten, verzweifelt zu klingen. Jahrelange Übung half ihm. Trotzdem hatte sie einen sonderbaren Klang. „Aber du kannst doch nicht im Ernst annehmen, dass das Ministerium und die Eltern es hinnehmen, wenn ein ehemaliger Todesesser Rektor wird. Von Werwölfen mal ganz abgesehen, entschuldige schon.“ Severus nickte Remus zu. Er war keine Petze, aber verzweifelte Situationen erforderten verzweifelte Mittel. Albus konnte ihn nicht mit diesem Haufen zurücklassen. Zurücklassen, um den Kampf seiner Jugend immer wieder zu kämpfen. Sich durchsetzen gegen die anderen Häuser. Oh Gott.

Albus Dumbledore lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und schmunzelte. „Severus, natürlich habe ich mit dem Elternvertreter und dem Ministerium gesprochen. Ich mag verrückt sein, aber ich bin nicht bösartig. Ich bin Gryffindor, wie du weisst. Natürlich würde ich euch nie in so eine Lage bringen, ohne sie vorher geklärt zu haben. Euch den Rücken freihalten, sozusagen.“

Severus starrte nur. Auf Remus Lupin, der ihn mit einem Achselzucken ansah. Sirius Black, der ihn mit zuckendem Mund beobachtete. Ach ja, der fühlte sich schon wieder angegriffen. Auf Harry Potter, der seine Hand auf seine legte und murmelte: „So schlimm wird es schon nicht werden, Professor.“ Snape zog seine Hand weg, als habe er sich verbrannt. So weit war es also mit ihm gekommen. Mitleid und Trost von Gryffindors Engel. Vielleicht sollte er sich auch gleich in Rente begeben.

„Ein Toast“, sagte Albus jetzt, während Snape ihn noch immer stumm anstarrte. „Ein Toast auf das neue Hogwarts.“ Alle hoben ihre Gläser, nach und nach. Auch Severus. Was blieb ihm übrig. Albus schlug sich an die Stirn. „Ach, ich habe etwas vergessen. Wie ich sagte, hat Professor McGonagall sich bereit erklärt, mich zu begleiten. Das bedeutet, wir brauchen auch einen neuen Lehrer für Verwandlungen.“

Severus starrte stumm vor sich hin. Black, wer sonst. Wunderbar. Sirius Black. Hilfsrektor, Hilfslehrer für Verteidigung, und Lehrer für Verwandlungen. Sein Leben wurde besser und besser.

„Minerva McGonagall hat in den letzten Wochen Sabina Selpent alles beigebracht, was sie selber kann. Unvorstellbar, eigentlich, aber Frau Selpent ist ein wahres Naturtalent, wie wir es auf diesem Gebiet lange nicht mehr gesehen haben.“ Albus Dumbledore lächelte gütig. „Frau Selpent wird Verwandlungen unterrichten, und Sirius Black wird sie betreuen. Gleichfalls tritt Sabina ins Rektorat mit ein, um das Muggelelement einzubringen und zu vertreten.“

Severus sprang auf. „Das kannst du doch nicht machen, Albus. Alles was recht ist. Werwolf und Todesser, glücklich vereint als Lehrer und Rektoren. Quidditchspieler, ehemalige Auroren und ehemalige Askabangefangene. Das ist alles schon schlimm genug und aberwitzig, selbst für dich. Aber Frau Selpent ist gerade mal einige Wochen hier und hat als einziges vorzuweisen, dass sie einen ehemaligen Schüler entmannt hat. In einer transfigurierten Form, die sie nur unter extremen Stress hinbekommen hat, und in keinster Weise kontrollieren konnte.“ Severus merkte, dass seine Ader an der Schläfe schwoll. Es war ihm auch klar, dass er dies eigentlich nicht vor den Schülern sagen sollte. Aber welche Chance hatte Albus ihm denn gegeben? Er hatte ihn unvorbereitet ins Messer laufen lassen, und darauf gehofft, dass die gute Erziehung der Leute, über die er so großzügig verfügte, sie daran hinderte etwas zu sagen. Wahrscheinlich würde er nach dem Essen verschwinden, ohne dass die Gelegenheit bestand, noch mal mit ihm zu reden. Er musste jetzt reden. Wenn es schon sonst keiner tat. Irgend jemand musste diesen Wahnsinn aufhalten. Und das war immer seine Aufgabe gewesen. Nicht dass ihm jemals jemand dafür gedankt hatte. Auch nun würden ihn alle noch mehr hassen als vorher. Aber damit konnte er sich nicht aufhalten. Es war kompletter Irrsinn.

„Severus“, begann Dumbledore, doch Sabina neben ihm stand schon auf. „Ich wusste, dass er es nicht kauft“, hörte Severus mehr in seinem Kopf als mit seinen Ohren. Er stand auch auf, und hielt sich gerade noch davon ab, den Zauberstab zu zücken und sie dahin zurück zu schicken, woher sie gekommen war. Damit würde er wahrscheinlich wirklich nicht durchkommen. Durch seine rotglühende Wut sahen Sabinas Wangen rosig aus, ihre Brust hob und senkte sich rapide. Lächerlich, eine Person, die so leicht aus der Rolle fiel, sollte Rektorin werden.

Sie standen sich gegenüber, direkt vor dem Lehrertisch. Severus wusste nicht, wie er dahin gekommen war, aber es war ihm auch egal. Er wusste, dass alle sie anstarrten, aber auch das war ihm egal. Er konnte es nicht zulassen, er konnte nicht. Er hatte so viele von Albus Ideen klaglos, nun ja zumindest ohne den Rektor umzubringen, ertragen. Nun war es genug.

Er konnte sich später nur sehr verschwommen an die Einzelheiten des großen Kampfes erinnern, wie er ihn nannte. Die waren ihm peinlich genug. Sicherlich war sein Gehirn nur gnädig, indem es ihm den Zugang zu den noch schlimmeren Erinnerungen versperrte. Sabina und er hatten sich nicht lange mit einem Rededuell aufgehalten. Leise Stimmen - wobei Sabina noch nie gut in leise gewesen war -hatten sich zu lauten Stimmen gesteigert, laute Stimmen zu Schreien. Als das auch nicht mehr reichte, waren sie handgreiflich geworden. Severus errötete tief, wenn er daran dachte. Er wusste nicht mehr, wer angefangen hatte. Es war auch egal. Angemessen war es für keinen von ihnen gewesen. Sabina hatte die üblichen Gegenstände geworfen. Er hatte sie abgewehrt. Das war ja wenigstens noch Zauberei gewesen. Aber dann - sie hatten sich gegenseitig gewürgt, geschlagen und gebissen, wie - Muggel. Seine Lippen verzogen sich voll Abscheu. Er hatte sich verwandelt. Nicht aus Furcht, dass er ihr nicht gewachsen war, wie Sabina ihm später vorwarf. Nein, nur um wieder Boden unter den Füßen zu bekommen, Zaubereiboden. Sie hatte sich natürlich wieder in die Tigerin verwandelt. Und das hätte sein rasches Ende bedeuten können, wenn nicht Sabina tatsächlich gelernt gehabt hätte, sich zu beherrschen. Nun etwas. In Tigerinform. Dann waren sie wieder in menschlicher Gestalt wild keuchend voreinander gestanden, noch immer hasserfüllt, aber unfähig, auch nur den kleinsten Finger zu heben. Sie hatten sich angestarrt, graue Augen in schwarze, dann in braune, und dann - dann war es wirklich peinlich geworden. Und sie hatten gemerkt, dass sie sich doch noch bewegen konnten. Solange sie es zusammen taten. An diesem Punkt seiner Erinnerungen wurde es Severus dann immer eng in der Kehle und weiter unten und er machte sich auf die Suche nach einer Flasche Scotch. Oder nach Sabina. Was gerade besser zu erreichen war.

Albus Dumbledore schwang seinen Zauberstab und sprach einen Verdunkelungs- und einen Verwirrungszauber. Keiner der Anwesenden außerhalb der Blase, die Sabina und Severus und ihr Tun umhüllte, konnte noch etwas sehen, oder sich an das erinnern, was sie schon gesehen hatten.

Er würde Hogwarts wirklich vermissen, auf seiner Reise zum Mond. So etwas wie Severus und Sabina im Clinch würde es da wohl nicht zu sehen geben. Er freute sich, Severus‘ wahre Haarfarbe nach so langen Jahren mal wieder zu sehen. Aber es ging nicht an, dass alle seinen Zaubertränkelehrer sahen, wie er wirklich war.

Die Schüler und Lehrer sahen verwirrt von einem zum anderen und verließen langsam die Große Halle, in Gespräche über die Zukunft Hogwarts vertieft. Er konnte Sirius und Remus im Gespräch sehen. Die guten Jungen. Hatten von ihrer Weltreise erst noch Abstand genommen, bis Harry soweit sein würde, mit Severus und Sabina zusammen die Schule zu leiten. Wie eine große glückliche Familie. Albus warf noch einen Blick auf die sich wild bewegende Blase und lächelte milde. Er hätte nie gedacht, dass Menschen das so tun konnten. Dass Severus das so tun konnte. Das tat. Interessant. Die Welt war wirklich ein wunderbar faszinierender Ort. Vielleicht würde er doch nicht zum Mond reisen. Oder jedenfalls nicht so. Es gab da doch dieses alte Muggelsprichwort. Dessen Bedeutung hatte er gerade erst verstanden, beim Anblick von Sabina und Severus. Vielleicht sollte er erst noch mal mit Minerva über gemeinsame Ziele sprechen. Ja genau.

- The end -


Kapitel 50

 

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