Jenseits von Hogwarts

 

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Kapitel 15

Vergeltung


‚Lucius ist tot.' Severus fuhr sich nervös durch die Haare. ‚Hoffentlich ist er tot.'
Er hatte natürlich gewusst, dass Malfoy in den Tod gehen würde. Sie hatten darüber gesprochen, sobald sie sich einig waren, den Versuch zum Sturz des Dunklen Lords zu unternehmen. Lucius war nicht so verrückt gewesen, dass er es auf lebenslängliche Haft in Askaban abgesehen hatte. Oder auf den Tod unter den Händen des offiziellen Henkers der Zaubererwelt, verhöhnt und gedemütigt von einem mordgierigen Publikum, das sich selbst für moralisch überlegen hielt.
Severus starrte nachdenklich in die Dunkelheit. Lucius würde bei Weitem nicht der einzige Todesser bleiben, der sich für das entschied, was man gemeinhin als ‚Freitod' bezeichnete. Severus schnaubte verächtlich. Freitod... Dabei waren sie alles andere als frei in ihrer Wahl. Sie konnten lediglich das kleinere Übel wählen.
Er wünschte Lucius Frieden. Bei ihrer Rettungsaktion für Black hatte er viel von Lucius' Seele gesehen, mehr noch als unter der Folter, und nun war er überzeugt, dass der Tod für Malfoy in der Tat die beste Wahl war. Im Leben hätte sein alter Rivale keine Ruhe mehr gefunden, selbst wenn er den Auroren entkommen wäre.
Doch Severus bezweifelte stark, dass Lucius dieser jenseitige Frieden tatsächlich vergönnt sein würde. Ebenso wie Harry und Sirius war er in Lucius' Bewusstsein gezogen worden, als dieser sich die Pulsadern aufschnitt, um sein Leben zu enden. Die heftigen Emotionen hatten Severus herbeigezogen, wenn er auch nicht so vollkommen in dem fremden Geist gefangen gewesen war wie die anderen beiden. Er hätte sich auch komplett abschotten und Lucius' Tod weitestgehend ignorieren können, hatte sich aber verpflichtet gefühlt, sich die Sache zumindest anzusehen, wenn er auch nicht helfen konnte.
Dann war dieser verfluchte Vampir aufgetaucht, und wenig später hatte etwas Potter aus ihrem Kreis herausgerissen. Severus hatte Black und sich selbst rasch von dem tastenden Bewusstsein der Vampirin abgeschottet und schließlich hatte sie von dem sterbenden Lucius abgelassen. Und Severus hatte mit zunehmender Abneigung das Verhalten, die Gedanken und Gefühle Blacks beobachtet, der verunsichert durch Lucius' verglimmenden Geist trieb.

***


Sirius hatte Harrys Gegenwart gespürt, undeutlich auch Snapes Anwesenheit wahrgenommen. Und plötzlich war der Junge fort gewesen, wie weggefegt aus Malfoys Bewusstsein. Sirius hatte versucht, ihm zu folgen, doch es gelang ihm nicht. Er fand das Band, doch etwas blockte ihn ab, hinderte ihn daran, Harry nachzueilen.
Und dann war da nur noch Lucius Malfoy gewesen, sterbend, ein verglimmender Funke in der Nacht, über dem sich in schrecklichem Triumph die rot leuchtende Geistgestalt der Vampirin erhob.
‚Nun, Lucius, hat es sich ausgestrahlt für dich. Keine Tricks, keine Täuschungen mehr. Hier wirst du dich nicht mehr freikaufen können! Du wirst endlich bezahlen für deine Schuld...'
Sirius erschauerte unter der gnadenlosen Stimme und der eisigen Kälte des Todes, die durch Lucius' sterbenden Körper kroch. Doch Malfoys Bewusstsein starb nicht. Der Friede, der sich in seinem Geist ausgebreitet hatte, die Zufriedenheit, die Schicksalsergebenheit wurden mit einem Schlag durch schieren Horror ersetzt und Sirius musste hart kämpfen, damit er nicht ebenfalls die Kontrolle über seinen Geist verlor und mit hinabgerissen wurde in den Wahnsinn. Er versuchte, sich von Lucius zurückzuziehen, doch der klammerte sich mit der Kraft der Verzweiflung an ihm fest - Sirius konnte sich nicht befreien.
Und dann kamen sie. Nicht, dass es Sirius überrascht hätte, er kannte sie, hatte über ein Jahr in ihrer Gesellschaft verbracht. Obwohl ihre Verzweiflung, ihre Todesangst, ihre rasende Wut sich niemals gegen ihn gerichtet hatten, war auch er in ihrer Gegenwart in diesen Gefühlen erstarrt, hatte sich nur ganz selten und unter großer Anstrengung davon befreien können und es zuletzt gar nicht mehr versucht. Und er verstand sie, er verstand sie nur zu gut... Sie waren vollkommen im Recht mit ihren Gefühlen. Schreckliches war ihnen geschehen und nun kamen sie, um Genugtuung zu fordern von dem, der sie gedemütigt, gefoltert, getötet hatte. Von dem, der ihre Kinder, Eltern oder Freunde ermordet, ihr Glück zerstört hatte.
‚Black!' Angstvoll flehend tönte Lucius' Stimme in seinem Kopf. ‚Hilf mir!'
Doch er konnte Malfoy nicht helfen. Selbst dann nicht, wenn er es gewollt hätte. Und er wollte es nicht.
Der mentale Klammergriff des Todessers wurde schwächer und schwächer, und Sirius löste sich rasch von ihm.
‚Black!' Ein fahriges und angsterfülltes Tasten. ‚Bitte!'
Doch Sirius schob Lucius' geistige Hände entschlossen beiseite.
‚Es tut mir leid. Ich kann dir nicht helfen', sagte er kalt. ‚Du wirst dich jetzt verantworten müssen für das, was du getan hast.'
Er zog sich noch etwas weiter zurück, verschwand aber nicht ganz aus dem fremden Bewusstsein. Er empfand kein Mitleid für den Todesser, und kaum noch Dankbarkeit dafür, dass dieser geholfen hatte, ihn zu retten. Sirius war überzeugt, dass Malfoy diese Strafe verdiente. Er verspürte sogar eine gewisse Genugtuung, wenn er an die vielen Freunde dachte, die er durch Voldemorts Anhänger verloren hatte und die jetzt, endlich, gerächt werden würden: James und Lily, die Prewett-Brüder, Dumbledore... Und, in gewisser Weise, sogar Peter Pettigrew.
Und Regulus. Seinen Bruder. Als Sirius' Seele in Malfoys Körper weilte, hatte er sehen können, sehen müssen, wie Malfoy ihn erbarmungslos folterte. Und Malfoy hatte ihm wortlos mitgeteilt, dass sie ohne Regulus Voldemort nicht hätten töten können. Sein kleiner Bruder war nicht der verführbare Dummkopf gewesen, für den Sirius ihn immer gehalten hatte. Er hatte viel zu Voldemorts Vernichtung beigetragen - und Malfoy hatte ihn mitleidlos gequält und getötet.
Und da waren noch so viele andere, Magier wie Muggel, die unschuldig unter dem Todesser gelitten hatten. Nein, Malfoy hatte diese Strafe verdient, so schrecklich sie auch sein mochte. Vielleich, sogar wahrscheinlich, waren unter diesen verzweifelten und zornigen Seelen viele Menschen, die Sirius gekannt und gemocht hatte, und so fühlte er sich berechtigt, der Vollstreckung des Urteils beizuwohnen.

***


Severus konnte seinen Zorn auf Black nur mühsam beherrschen. Es war nicht fair, dass der Lucius seine Hilfe verweigerte. Ohne den Todesser hätte er die eisige Finsternis hinter dem Vorhang nie verlassen können.
Severus tastete vorsichtig nach Lucius, doch die zornigen blauen Flammen loderten hoch und zwangen ihn zurück. Hilflos musste er mit ansehen, wie sie über Lucius herfielen und ihn in einem Meer der Angst auslöschten.

***


Severus straffte sich und glitt von seinem Bett hinunter. Suchend sah er sich in dem finsteren Zimmer um. Er befand sich wieder in Spinner's End, dem Ort, an dem er aufgewachsen war. Nicht einmal Dumbledore hatte von diesem Haus gewusst, obwohl Severus es schon seit mehr als einem Jahrzehnt als Versteck und Arbeitsplatz nutzte. Hier befanden sich die Bücher über Tränke und schwarze Magie, die er in Hogwarts nicht hatte aufbewahren können. Hierher war er gekommen, wann immer er für Voldemort einen Foltertrank oder ein tödliches Gift zusammenbrauen musste. Der Keller war voll mit Zaubertrankzutaten, ein Zimmer diente als Bibliothek. Das Haus war nicht besonders ordentlich oder sauber, geschweige denn gemütlich, aber für seine Zwecke war es optimal gewesen.
Severus seufzte leise. Es gab hier noch einiges zu tun für ihn, ehe er sich endlich ausruhen konnte.









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