Lumos

 

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Kapitel 24: Der Winterball



Immer schneller rannte Harry durch die Gänge, in der Hoffnung, niemandem über den Weg zulaufen. Wie könnte er jetzt irgend jemandem erklären, was passiert war?

Zu seinem Glück kam er am Gryffindorturm an, ohne dass er bemerkt wurde, und kletterte durch das Portraitloch in einen leeren Gemeinschaftsraum.

"Sie sind alle auf dem Ball... keiner ist da... nur Hermine und Ron und Lumos nicht... die sind im Wald.." Er ließ sich in einen Sessel direkt vor dem großen Kamin fallen und rollte sich zusammen. Seine Stimme hallte seltsam durch den leeren Raum. Es war ihm noch nie aufgefallen, dass so etwas wie eine Echo im Gemeinschaftsraum überhaupt exsistierte. Die Stille war ungewohnt.

Lange saß er so vor dem Kamin, und versuchte verzweifelt, das Gedankenchaos in seinem Kopf zu sortieren. Es gelang ihm nicht. Die Gedanken jagten einander, und jedes Mal, wenn er endlich einen festgenagelt hatte, schien er sich einen Spaß daraus zu machen, einfach so komplett unlogisch zu werden. Irgendwann gab er auf, und ging in seinen Schlafsaal.

Er hatte gehofft, dass sein Bett ihn trösten könnte, aber er hatte sich geirrt. Die vielen leeren Betten waren aufrüttelnder als der leere Gemeinschaftsraum. Schließlich öffnete er seine Nachttischschublade, um ein Buch herauszunehmen, das er sich in der Bibliothek ausgeliehen hatte. Als er nach dem dünnen Band tastete, bemerkte er etwas kühles unter seinen Fingern. Er bekam den glatten Gegenstand zu fassen und zog ihn aus der Schublade.

In seiner Hand hielt er eine Phiole, gefüllt mit einer rot-golden schimmernden Flüssigkeit. Lumos Weihnachtsgeschenk. Der Traumtrank, oder wie auch immer das Zeug hieß. Wie war das gewesen?
Ach ja. Er sollte einen Schluck nehmen und an das denken, von dem er gerne träumen würde. Dann würde er sofort einschlafen und davon träumen. Vielleicht hatte doch alles in seinem Leben einen Sinn. Jedenfalls passte dieser Trank perfekt.

Er entkorkte die kleine Phiole und nahm einen Schluck des Trankes. Ein angenehmer Geschmack von Pfefferminze, gepaart mit dem von voller Schokolade, breitete sich in seinem Mund aus. Er schluckte, verkorkte die Phiole wieder und legte sie in die Schublade zurück. Noch während er die Lade schloss, breitete sich eine angenehme Müdigkeit in ihm aus. Er ließ sich in seine Kissen zurücksinken, zog die Vorhänge seines Bettes zu, und kuschelte sich ein. Innerhalb von wenigen Sekunden glitt er in die sanfte Welt des Schlafes über.

***



"Harry!! Hey, Harry!! Komm schon, wir müssen zum Ball!" Breit lachend kam Hermine die große Treppe vor der Halle hochgerannt. In ihren Haaren hing Schnee und ihre Umhang hatte weiße Flecken. Hinter ihr liefen Ron und Lumos die Treppen hoch, an deren oberen Ende neben ihm McGonagall und Snape standen und sich unterhielten. Überglücklich fiel ihm seine besten Freundin um den Hals.

"Sorry, wir haben noch eine Schneeballschlacht gemacht. Komm!" Hermine packte ihn am Arm, und quietschte entsetzt auf, als Ron ihr einen Schneeball, den er hinter seinem Rücken verborgen in der Hand gehalten hatte, in den Nacken fallen ließ. "RON!" Sie fuhr herum, zückte ihren Zauberstab und war schon dabei, einen Spruch zu murmeln, als sie sich an McGonagalls Anwesenheit erinnerte. "Ms. Granger! Keine Zauberei in den Gängen! Im Übrigen sollten Sie sich beeilen, sonst kommen Sie zu spät zum Ball." Die Professorin wandte sich wieder um, und lief neben Snape den Gang hinunter. "Ich krieg dich schon noch dran, Ron Weasley!", drohte das Mädchen mit den buschigen Haaren dem schuldbewusst dreinschauenden Ron. "Kommt, sonst wird das hier heute nichts mehr." Lumos überholte sie, und unter lachen und albern liefen sie zum Turm.

Dort angekommen trennten sie sich, und verschwanden in die jeweiligen Schlafräume, um sich für den Ball fertig zu machen. "Und, wie sehe ich aus?" Lumos warf sich seinen Festumhang über.
"Sieht gut aus. Hermine wird dich anbeten", spottete Ron von seinem Schrank aus. Dann warf auch er sich seinen Umhang über.
"Naja, wenn sie mich schon anbetet, wird sie dich ja vergöttern"
"- oder bei deinem Anblick einen Herzinfarkt bekommen", ergänzte Harry, noch dabei, sich die Haare zu trocknen, den schwarzhaarigen Jungen. Ron streckte ihnen dafür nur lachend die Zunge heraus. "Ihr seid echt blöd. Egal."

Im Gemeinschaftsraum trafen sie sich mit den Mädchen. Hermine saß bereits in einem der großen Sessel. "Fertig?"
Sie nickten. "Du siehst toll aus, Mine."
Harry bejahte Rons Feststellung.
"Das Kleid steht dir wirklich sehr gut", pflichtete auch Lumos ihnen bei. Hermine bekam vor Freude über diese Komplimente rosafarbene Ohren. Dann brachen sie zu viert auf in die Große Halle.

Wie zu jedem Ball war die Große Halle überwältigend geschmückt. Die üblichen Weihnachtsbäume waren von einer Schneeschicht bedeckt, an den Wänden hingen Eisblumen, und die verzauberte Decke bot den Ausblick in einen sternenklaren Nachthimmel. Die Wände waren ebenfalls verzaubert worden, und zeigten einzelne Winterszenen, die direkt aus dem Märchenbuch zu stammen schienen.

Die vier suchten sich Plätze, und bestaunten die Dekoration ebenso, wie die Kleider und Umhänge der anderen. Nach und nach füllte sich die Halle, bis sie ein buntes Farbengemisch darstellte, eine Pracht für die Augen. Dann stand Dumbledore auf und alle verstummten.

"Liebe Schüler und liebe Lehrer! Ich freue mich sehr, dass wir die alte - neue - Tradition des Winterballes jetzt wieder eingeführt haben. Ich wünsche allen Schülern viel Spaß - und natürlich auch den Lehrer, sowohl beim Tanz als auch beim Essen. Guten Appetit!"

Dann klatschte er in die Hände und das Essen erschien auf den Tischen. Während sie genüsslich den Braten und die Kartoffeln verspeisten, unterhielten sie sich lachend, manchmal tisch-intern, manchmal auch über die Tische hinweg mit Schülern aus anderen Häusern. Die Halle hallte vom Gelächter der Schüler wieder, und auch die Lehrer waren sichtlich entspannt. McGonagall trug eine Pelzmütze statt ihres Spitzhutes, Professor Flitwick hatte ein Gewand an, auf das Schneeflocken gestickt waren, und Dumbledore war gekleidet wie der Weihnachtsmann - nur komplett in weiß. In all dem Weiß viel Snape auf, wie eine Kakerlake in einer Hochzeitstorte. Aber selbst er hatte statt seiner üblichen schwarzen Robe einen festlichen Umhang umgelegt, in den mit grünen und silbernen Fäden interessante Muster gestickt waren. Lediglich sein eiskalter Gesichtsausdruck war wie immer. Er unterhielt sich eindinglich mit Doubt, dem Lehrer für DADA, und es schien so, als wären sie einer komplett gegenteiligen Meinung. Professor Doubt argumentierte erhitzt, und seine rote Gesichtsfarbe hob sich wundervoll von seinem blauen, mit Schneemännern verzierten Umhang ab.

Nach dem Essen wurde die Tische beiseite geschoben, und von irgendwoher erklangt Musik. Eröffnet wurde der Ball mit einem traditionellen Walzer. "Darf ich bitte?" Mit einer eleganten Verneigung forderte Lumos Hermine auf, die dezent errötend seine Hand ergriff und sich auf die Tanzfläche geleiten ließ. Ron forderte mit roten Ohren eine hübsche Ravenclaw auf, und Harry entschied sich dafür, den Eröffnungswalzer mit Ginny zu tanzen, die nicht nur eine interessante Gesprächspartnerin, sondern auch eine herausragende Tänzerin war. Harry tanzte gerne. Er hatte es in seinem fünften Schuljahr gelernt, und es gefiel ihm, sich im Rhythmus der Musik davontragen zu lassen. Während er sich mit Ginny im Kreis drehte, sah er immer wieder die Gesichter seiner Freunde an sich vorbeifliegen. Er hörte Hermines Lachen, Rons Kommentare und das Gelästere von Draco Malfoy, er bemerkte Nevilles rote Ohren, während er versucht seiner Tanzpartnerin, einer Hufflepuff-Sechstklässlerin, nicht auf die Füße zu treten. Immer schneller tanzten sie, und irgendwann verschwamm alles in einem Gemisch von Farben. Die Geräusche wurden lauter und lauter, das Gelächter, die Unterhaltungen, die Musik, und irgendwann drehte sich alles so schnell, dass Harry die Orientierung verlor und die Augen schloss. Er spürte nur noch Ginny in seinem Arm, er spürte die Wärme der Großen Halle und die Fröhlichkeit und er war einfach nur glücklich, und sicher, dass nichts und niemand auf der Welt ihm diesen Moment würde nehmen könnte.

***



Als Harry seine Augen wieder öffnete, umgab ihn die Dunkelheit und Leere des Schlafsaals.


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