Man sieht nur mit dem Herzen gut

 

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Kapitel 1: Ein Unfall

 




Kolleen rannte. Sie lief weg. Weg vor dem Schmerz, der sie gerade aufzufressen schien. Sie rannte den ganzen Weg bis hoch zur Heulenden Hütte, in der Hoffnung, dort niemanden zu treffen.
Oben auf dem Hügel blieb sie stehen, keuchend, in ihrem Kopf hämmerte es und der Schmerz schien für einen kurzen Augenblick verschwunden.
Das ruhige Stehen machte sie nervös, sie ging einige Schritte, bis sie vor dem Abgrund stand und nach Hogwarts blickte. Plötzlich schossen ihr wieder Professor McGonagalls Worte durch den Kopf, der Versuch es aus ihrem Gedächtnis zu bannen funktionierte nicht. Sie wollte es nicht hören, wollte diese Gedanken, den Schmerz nicht, sie konnte es nicht ertragen.
„NEIN!!!“ Sie schrie laut, doch es half nicht.
Weinend sank sie auf die Knie.


Er stand nicht weit weg hinter einem Baum und beobachtete sie. Warum er nicht schon lange gegangen oder gleich hervorgetreten war wunderte ihn selbst, schließlich war er ihr Lehrer und da es mitten in der Woche war durfte sie überhaupt nicht dort sein.
Doch etwas hielt ihn zurück, etwas hielt ihn davon ab hervorzutreten, sie anzuschreien und zurück zur Schule zu bringen, um ihr dann eine ordentliche Strafarbeit zu verpassen, wie es seine Art gewesen wäre.
Er hatte Mitleid mit ihr, ja die Schlange Severus Snape hatte Mitleid und das auch noch mit einer Gryffindor!
Vielleicht lag es daran, daß ihre Schwester gestorben war und er selbst früh seine Familie verloren hatte, was aber wohl noch wichtiger war, war daß sie an keiner Krankheit gestorben war, sondern Todesser sie aus Rache umbrachten. Snape wußte, daß ihre Eltern Auroren waren, die einige von ihnen nach Askaban gebracht hatten und obwohl er alles was er als Todesser je getan hatte bereute, fühlte er sich nun mit schuldig.
Der ganze Angriff war sehr überraschend für alle und würde noch große Angst in der ganzen Zaubererwelt hervorgerufen, denn Voldemort war seit sieben Jahren gestürzt und niemand hatte mit so etwas gerechnet.

Sie hatte aufgehört zu weinen und sah nun mit festem Blick nach Hogwarts. Ihr Blick überraschte Snape, soweit er es sehen konnte war viel Schmerz und Angst darin, aber auch Haß, Haß auf die Menschen die Schuld waren.
Es begann zu regnen und ihr dunkelrotes Haar wurde naß und wirkte nun eher schwarz als rot.
So kurz vor Weihnachten war der Regen eiskalt, aber das schien Kolleen nicht zu stören, denn noch immer kniete sie dort und rührte sich nicht von der Stelle.
Snape überlegte, ob er nicht gehen sollte, auch auf die Gefahr hin, daß sie ihn bemerkte. 'Herrje was machst du dir eigentlich Gedanken darüber? Du bist ihr Lehrer und es ist dir nicht verboten hier zu sein, im Gegensatz zu ihr.'
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn sie stand auf und ging den Weg nach Hogsmeade hinunter.


Kolleen betrat die Eingangshalle des Schlosses und hörte schon laute Stimmen aus der Großen Halle in der die Schüler gerade auf ihr Abendessen warteten. Gerade betrat sie die erste Stufe der Marmortreppe, als jemand ihren Namen rief.
„Miss Anderson! Wo wollen Sie hin?“
Oh nein, es war Professor Snape, von allen Menschen in diesem Schloß konnte sie ihn nun am wenigsten ertragen. Sie drehte sich um und sagte mit möglichst fester Stimme: „Ich bin naß geworden und wollte mir eben etwas trockenes anziehen.“
„Dann werden Sie kein Abendessen abbekommen.“
Sie hätte ihn am liebsten einfach ignoriert, doch war das leider unmöglich. „Ich bin nicht hungrig Professor.“
„Sie sollten etwas essen Miss, sonst fallen Sie uns noch vom Fleisch.“ Ein fieses Lächeln zuckte um seine Mundwinkel.
Das reichte, das war definitiv zuviel für sie. Sie vom Fleisch fallen! Mußte er auch jetzt noch Witze über sie machen?
„Wohl kaum Professor. Ich bin nicht hungrig und bevor ich mir noch eine Lungenentzündung hole gehe ich jetzt lieber.“ Ohne auf seinen Ruf „Fünf Punkte Abzug von Gryffindor“ zu achten ging sie die Treppen hinauf.
Den ganzen Weg regte sie sich noch über seinen Kommentar auf, na ja zumindest hatte er sie etwas abgelenkt.
Auch wenn der Gemeinschaftsraum noch leer war, ging sie gleich in ihren Schlafsaal.
Erst später, als die anderen Mädchen kamen, zog sie sich um und legte sich ins Bett, doch schlafen konnte sie fast die ganze Nacht nicht. Erst kurz vor sechs schlief sie endlich für unruhige eineinhalb Stunden.

Sie überredete sich selbst hinunter zum Frühstück zu gehen, aber als der Teller vor ihr stand konnte sie nichts essen, allein bei dem Gedanken daran wurde ihr schlecht.
Die Posteulen flogen herein und um die zwanzig Stück landeten bei Kolleen. Alle Briefe, die sie trugen, waren schwarz umrandet, nur einer war ganz schwarz. Sie sammelte alle ein und wollte so schnell wie möglich die Halle verlassen, denn sie spürte nun mehr als vorher die mitleidigen Blicke auf sich ruhen und das war genau das was sie nicht wollte, konnten sie nicht alle so weiter machen wie bisher, also sie einfach ignorieren?
Hastig stand sie auf und merkte nur wie sie mit jemanden zusammenprallte und das Gleichgewicht verlor, doch der erwartete Aufprall kam nie.
Sie fiel in starke Arme, die sie festhielten. Irritiert sah sie nach oben, war noch überraschter und beeilte sich wieder auf die eigenen Beine zu kommen.


Ihre großen Augen sahen ihn überrascht an. Schnell löste sie sich von ihm, murmelte „Danke Professor“ und eilte aus der Halle.
Er war etwas verwirrt, so nah war ihm schon lange niemand mehr gewesen, vor allem keine Schülerin, doch war es einfach zufällig passiert, ein Unfall.
Leicht schüttelte er seinen Kopf, wobei einige Strähnen seines fettigen Haares ihm ins Gesicht fielen, und verließ auch die Große Halle.

Den Weg in die Kerker kannte er schon im Schlaf und auch den Klassenraum, in dem er gleich die Fünftklässler unterrichten würde war wie immer. Er setzte sich ans Pult und ging noch einmal die einzelnen Unterrichtsstunden des Tages durch. „Zweimal Erstklässler“, stöhnte er leise und sah mit etwas besserer Stimmung dem Unterricht der Siebtklässler entgegen, die einen besonders komplizierten Trank brauen sollten. Er erwartete eigentlich nicht ernsthaft, daß es jemand auf Anhieb schaffte, doch war dieser Trank jedes Mal wieder interessant, vor allem um zu sehen was die Schüler alles falsch machen konnten.

Einige Zeit später kamen die ersten Schüler in den Raum, Hufflepuffs und Ravenclaws. Die zwei Stunden vergingen auch für Professor Snape schnell und er mußte nur kurz auf die nächsten warten, Gryffindor und Slytherin. Er grinste in sich hinein als die Schüler hereinkamen, diese Kombination gefiel ihm wirklich, es gab immer lustige Konkurrenzkämpfe und wenn er schlechte Laune hatte, was oft der Fall war, konnte er sie an den Gryffindors auslassen. Vor allem heute, zwei Tage vor dem Weihnachtsball war seine Stimmung schlecht, Weihnachten war einfach nicht seine Zeit.


Kolleen betrat das Klassenzimmer und sah schon von weitem Professor Snape mit seinem üblichen verzogenen Gesicht am Lehrerpult sitzen.
Still setzte sie sich an ihren Tisch und versuchte so unauffällig wie möglich zu sein.
Als alle Schüler da waren, begann Snape einen ewig komplizierten Zaubertrank zu erklären, Kolleen verstand ihn zwar, hatte aber eigentlich überhaupt keine Lust dazu.
Nachdem Snape zu Ende erklärt hatte, teilte er Partner ein und natürlich wurde sie einem Jungen aus Slytherin zugeteilt, der auch noch überhaupt keine Ahnung hatte.
Ohne Kommentar begann sie die einzelnen Zutaten zurecht zu schneiden, während das Wasser-Alkohol-Gemisch im Kessel zu kochen begann.
Nacheinander warf sie die Zutaten hinein und rührte regelmäßig um. Der Slytherinjunge stand etwas hilflos daneben, doch hatte sie keine Lust ihm irgend etwas zu erklären.
Ganz zum Schluss mussten zwei Flüssigkeiten hinzugefügt werden, in bestimmter Reihenfolge und Menge.
Kolleen las gerade noch mal im Rezept nach, als sie sah wie der Junge sich eine Flasche nahm und den Inhalt in den Kessel schüttete. Sie sprang auf, doch bevor sie auch nur fragen konnte was es war, hörte sie einen lauten Knall und etwas unglaublich Heißes traf ihre ganze vordere Körperseite. Sie schrie auf und sank vor Schmerz auf dem Boden zusammen.

Snape stand gerade an einem Gryffindortisch, als er einen lauten Knall und einen Schrei hörte. Er wirbelte herum und sah John Thomsen hilflos neben einer am Boden kauernden Kolleen Anderson, etwas weiter weg ein kaputter Kessel.
„Was zum Teufel habt ihr gemacht?“ Mit schnellen Schritten ging er zu ihnen hinüber. Er wollte Kolleen am Arm herum drehen, doch kaum hatte er nach ihrer Schulter gegriffen, schrie sie leise auf und drehte sich weg.
Snape begann Thomsen anzuschreien: „Was ist passiert?“
Der Junge stand verschüchtert da, was für einen Slytherin eigentlich ungewöhnlich war. „Ich..., ich hab wohl was falsche in den Trank getan“, sagte er schnell und leise.
„Was?“, fragte Snape barsch.
Er hielt zitternd die Flasche hoch, die er noch immer fest hielt. Snape riß sie ihm aus der Hand und sah die, die noch auf dem Tisch stand. Er schluckte den Großteil seines Ärgers herunter, denn das hätte zu einer mindestens zehnminütigen Standpauke geführt und Miss Anderson schien ernstlich verletzt zu sein.
„Wir reden später!“, sagte er etwas gepresst. Mit einer Bewegung seines Zauberstabs rückte er die Tische auseinander, ging um Kolleen herum und kniete sich vor sie. Er sah völlig verbrannte Hände, Arme und ein knallrotes Gesicht, ihre ganze Robe war voller heißem Zaubertrank und dampfte noch.
„Der Unterricht ist beendet! Thomsen! Nach dem Mittagessen in meinem Büro!“ Schnell verließen die Schüler die Klasse.
Snape war geschockt wie schlimm Kolleen aussah, natürlich hatten sich schon Schüler in seinem Unterricht verbrannt, aber so schlimm war es noch nie gewesen. Sie schien völlig abwesend zu sein, nicht ohnmächtig, aber nicht weit davon entfernt, laufen würde sie nicht können. Schnell zauberte er eine eiskalte Decke, und auch wenn sie aufstöhnte unter der Berührung und Schwere der Decke, wickelte er sie damit ein.

Als er sie hochhob, war er überrascht wie leicht sie war.
Der Weg hinauf zum Krankenflügel war weit und ungefähr auf der Hälfte spürte er ihren Körper ganz schlaff werden.
Mit dem Fuß stieß er die Tür auf. „Madame Pomfrey!“, rief er während er schon weiter ging und Kolleen auf ein Bett legte.
Die kleine Hexe kam herbeigelaufen und fragte aufgeregt: „Herrje, Professor Snape was ist passiert?“
Seine Antwort war kurz. „Kesselexplosion, heißer Zaubertrank. Du kümmerst dich um sie?“
„Sicher.“ Er nickte und verließ den Krankenflügel.

 

 Kapitel 2

 

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