Misstrauen

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Kapitel 8: Informationen


Befehlen ist schwerer als gehorchen.

Nietzsche, Also sprach Zarathustra

Snape reckte sich und blinzelte. Es war hellichter Tag und die Sonne strich über seinen Körper. TAG!
Sofort richtete er sich auf. Er hatte verschlafen! Ängstlich sah er sich um. Vielleicht hatte er ja Glück und Dumbledore schlief noch. Er war alt und brauchte mehr Schlaf als Snape. Ein kurzer Blick zum Schreibtisch genügte, nein, Dumbledore schlief nicht mehr. Er band gerade eine Pergamentrolle an das Bein einer großen grauen Eule. Snape wagte es kaum sich zu bewegen. Da stand der Direktor auf und ging auf eines der großen Fenster zu, öffnete es und warf die Eule in den blauen Himmel. Unbeweglich stand er am Fenster und die Sonne ließ sein langes Haar wie flüssiges Silber erscheinen.
In diesem Moment strahlte er so viel Macht und Stärke aus, dass Voldemort wie ein Schulkind neben ihm ausgesehen hätte. Dieses Bild war so überwältigend und gleichzeitig so ruhig.

Snape stand auf, die Decke rutschte unbemerkt zu Boden und er näherte sich Dumbledore. Dieser drehte sich zu ihn um und ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Severus konnte nicht anders, er starrte in das gütige Gesicht seines ehemaligen Lehrers. Warum hatte er dies nicht schon früher gesehen? Diese Stärke! Diese Ruhe! Jetzt erst wußte er warum Voldemort diesen Mann fürchtete. Es war nicht das Wissen, das Dumbledore hatte, zweifellos war es größer als das von Voldemort. Auch nicht die Erfahrung im Umgang mit der Magie. Es war diese Ausgeglichenheit, diese Charakterstärke, die Voldemort nie haben würde.
Voldemort brauchte Gewalt und Schrecken, um sich Respekt zu verschaffen, Dumbledore hatte dies alles nicht nötig. Allein seine Gegenwart genügte um zu zeigen, dass da mehr war als das Auge sehen konnte.

Snape fiel auf die Knie und verbeugte sich tief vor dem alten Mann, sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht. Er kroch den letzten Meter zu seinem alten Mentor und küßte dessen Rocksaum. Wie sonst konnte man jemanden mit so viel Kraft ehren? Severus rutschte auf Knien wieder zurück ließ die Arme locker neben sich hängen und drehte die Handflächen nach oben.
Er senkte demütig den Kopf. Dies hier war sein wahrer Herr, sein wahrer Meister. Gebieter über sein Leben, seinen Körper, sein Wissen, über Leid und Freude. Alles was Voldemort gesagt hatte über Muggel, über die Verweichlichung der Zauberergemeinschaft war plötzlich unwichtig geworden. In diesem Moment wußte Severus Snape, war er nicht mehr Eigentum von Lord Voldemort. Den Entschluß in jener Nacht, den er gefasst hatte in Dumbledores Büro, festigte sich in seinem Inneren. Er war jetzt Eigentum von Albus Dumbledore und wartete auf dessen Befehle.

Dumbledore starrte auf den knienden Mann, zu perplex um im ersten Moment wirklich zu erfassen was sich da gerade abgespielt hatte. Snape hatte ihn gemustert als ob er nach etwas suchte und urplötzlich hatte der Todesser etwas in ihm gesehen. Was genau dies war wußte selbst Dumbledore nicht. Snape war auf die Knie gefallen und in demütigster Haltung zu ihm gekrochen und hatte seinen Rocksaum geküßt.
'War das die Art mit der sich Voldemort begrüßen ließ?', dachte der rationelle Teil von ihm. Eine wichtige Information.
Doch die Seele in Dumbledore schrie auf. Er war nicht Voldemort und wollte auch nicht wie er behandelt werden.
Da meldete sich wieder der rationelle Teil: Er kennt nur dies. Wenn du anderes von ihm erwartest, zerschmetterst du nur seinen Glauben. Bis er das sieht was du willst braucht es Zeit. Gib ihm Zeit! Und auch dir!
Ob Albus nun wollte oder nicht, er gebot über ein Leben. Vorher hatte er es nur in den Händen gehalten, beschützt, es gerettet. Doch jetzt? War er Besitzer.
"Oh Kind", sagte er mit trauriger Stimme.

Snape hielt den Blick weiterhin gesenkt. War es ein Fehler gewesen? Dumbledore klang traurig und nicht erfreut. Warum? Es arbeitete fieberhaft in seinen Kopf. Hatte er irgend etwas was ihm Freude bereiten würde? Dumbledore hatte sich über die Informationen gefreut. Hatte er noch mehr? Nein, eigentlich hatte er alles im Keller aufgeschrieben. Die neueste Information war die über die Dillarts und Mac Ginters gewesen. Normalerweise sprach man nur wenn man aufgefordert wurde etwas zu sagen. Voldemort war ein Freund kurzer Konversation, es sei den er sprach selber. Doch er mußte es wissen, warum hörte sich Dumbledore so traurig an?
"Sagt Herr war es zu spät? Wurden die Mac Ginters schon gefunden?", fragte er zweifelnd und sah dabei immer noch auf den Boden. Inständig hoffte er, dass es nicht zu spät war. Manchmal änderte Voldemort seine Pläne plötzlich und ohne Grund.
"Nein. Ich habe gerade die Eule an einen Auroren abgeschickt. Er wird die Mac Ginters und die Dillarts warnen und dafür sorgen, dass sie einen Unterschlupf finden", hörte er Dumbledore über sich.
Snape nickte erleichtert, wagte aber nicht aufzusehen. Das war gut, das hieß, dass Voldemort diesmal berechenbar gewesen war. Doch für wie lange?
"Severus sieh mich an! Und bei Merlins Namen steh auf!"
Snape hob den Kopf, stand etwas unsicher auf und sah Dumbledore an. Vor diesem Gesicht brauchte man sich nicht zu fürchten oder zurückzuschrecken. Es war menschlich und nicht entstellt wie das des Dunklen Lords. So war dies ein Wunsch, dem Severus gerne nachkam.
"Nenne mich NIE wieder Herr. Hast du mich verstanden?", sagte der alte Mann streng.
"Wie Ihr wünscht..." Severus sah sich etwas verzweifelt um, wie sollte er ihn dann nennen? "Meister?", fragte er vorsichtig.

Dumbledore seufzte. Das würde ein langer Weg werden und der Preis, den er zahlen musste, war hoch.
Der Preis, den Snape dabei zahlte, war noch höher. 'Reiß dich zusammen Dumbledore', schalt er sich selbst.
"Dann bleiben wir lieber vorerst bei dem Herrn", sagte Dumbledore müde.
Ein SEHR hoher Preis.
'Meister! Bei Merlin nein das nicht', dachte er und er bekam Gänsehaut. Nein alles nur nicht Meister.
Nun wartete sein teurer Neuerwerb auf Befehle. Aber da gab es ein Problem: im Moment hatte er keine! Wenn er welche gab, dann führten die Empfänger sie freiwillig, ohne Zwang aus, immer noch darauf bedacht, lebend davon zu kommen. Aus Berichten kam oft hervor, dass Todesser sich nicht immer darum kümmerten ob sie lebendig aus etwas heraus kamen oder nicht. Was jetzt? Wenn Snape dieses Verhalten auch hatte, mußte Dumbledore sehr vorsichtig mit ihm umgehen.
"Ich hoffe du weißt, vor was für Probleme du mich stellst", sagte er den Todesser.
"Herr?" Snape sah in verwirrt an.
"Egal. Es ist Morgen und Zeit für ein ausgiebiges Frühstück!", sagte Dumbledore fest. " Die zwei Familien wurden gewarnt und mehr gibt es gerade nicht für uns zu tun."
Essen, im Notfall ist Essen nie falsch. Gerade wollte er mit seinem Zauberstab das Frühstück hervorzaubern, als er sich an das letzte Essen mit Snape erinnerte. Schon da war er der Puppenspieler gewesen, derjenige, der Befehle gegeben hatte. An jenem Morgen hatte er es als Furcht interpretiert, dass Severus immer noch Angst hatte.
"Wie lange gehörst du schon mir Severus?", fragte Albus und trat an ihm vorbei zum Schreibtisch.
Snape wich ihm geschickt aus und antwortete: " Seit jener Nacht als Ihr am Schreibtisch eingeschlafen seit, Herr."
So lange schon! Dumbledore zauberte das Frühstück für zwei hervor. Und er hatte sich Sorgen gemacht, Severus nie wieder zu sehen. Lächelnd griff er nach der Teekanne, eine Ironie des Schicksals.
"Komm iß. Was immer uns beiden ab heute bevorsteht, wir brauchen viel Kraft dafür."

So wiederholte sich das seltsame Frühstück und was zu jenem Zeitpunkt Dumbledore nicht wußte war die Tatsache, dass es nur der Anfang war. Es sollten noch viele Essen wie diese folgen.

Snape aß und er tat es mit Freuden. Er hatte Hunger! Das Essen roch gut und für einige Minuten konnte er vergessen was er war und warum er hier vor Dumbledore stand. Die Sonne schien hell in den Raum .Snape griff vorsichtig nach der angebotenen Tasse. So aßen sie, Dumbledore im Sitzen und Snape im Stehen. Dumbledore grummelte in seinen Bart und schien nicht ganz anwesend zu sein. Snape verhielt sich ruhig und störte die Gedankengänge des alten Mannes nicht. So konnte er eine Weile seinen eigenen Gedanken nachgehen. Wo andere Pläne für die Zukunft schmiedeten, überlegte Snape wie er diesen oder jenen Trank verbessern oder wo er ein bestimmtes Buch auftreiben konnte.

"Warum die Dillarts?", fragte der Direktor plötzlich und Snape hätte vor Schreck beinahe die Teetasse fallen gelassen.
"Oh, entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken", sagte Dumbledore entschuldigend und mit zerknirschtem Gesichtsausdruck.
"Mein Fehler Herr. Allein meiner", versicherte Snape schnell, er schloß halb die Augen legte den Kopf leicht schief und dachte nach.
"Die Zaubererfamilie Dillart. Wohnhaft bis vor kurzen in einem Dorf nahe Glasgow. Ein Kind, männlich, 3 Monate alt, Name unbekannt. Eduard Dillart, Auror im Ministerium, war an der Verhaftung zwei Todesser beteiligt, wovon einer verschwand, bis heute. Shara Dillart, Hexe, stammt jedoch aus einer Muggelfamilie, freie Reporterin beim Tagespropheten. Die Familie besitzt wertvolle Informationen rund um die Struktur der Auroren. Eduard Dillart war bereits in zwei verschiedenen Einheiten der Auroren und diente so unter zwei verschiedenen Vorgesetzten. Mögliches Ziel: Übertritt zu den Todessern oder mehr Informationen über die Auroren", sagte er ruhig und emotionslos.
Snape öffnete wieder ganz die Augen und sah Dumbledore an. Reichte es?

Dumbledore starrte Snape an. Es war als ob man ein Tonband abhörte. Er hatte sich schon immer gefragt, warum Voldemort die Dillarts haben wollte. Eduard, auch ein ehemaliger Schüler von Albus, hatte ihm berichtet wie er und seine damals hochschwangere Frau knapp einem Todesseranschlag entkommen waren.
'Auch Voldemort ist auf Informationen angewiesen', dachte Dumbledore überrascht. 'Und ich dachte er hätte schon genug.'
Nachdenklich trank er seine Tasse leer.
"Interessant", murmelte er mehr zu sich selber. "Interessant."
Dann sah er zu Snape. " Gut. Ich habe heute noch eine Lehrerkonferenz abzuhalten."
Dumbledore stand auf, sofort wich Snape einige Schritte zurück und senkte den Kopf. Albus hatte heute bestimmt wichtigeres zu tun als eine Lehrerkonferenz abzuhalten, aber er durfte den normalen Schulbetrieb nicht stören. Jede Veränderung wäre zu auffällig. Das Ministerium wußte zwar, dass Dumbledore gegen Voldemort arbeitete, doch nicht in welchem Umfang. Einmal hatte er einen Brief erhalten, in dem der momentane Minister für Zauberei und Hexerei deutlich gemacht hatte, wenn Dumbledore die Schule auch nur im Geringsten vernachlässigen würde, dann müsse er sich nach einem neuen Job umsehen. Keiner wagte es Dumbledore zu drohen, niemand tat es, doch diesem Minister war es egal. Albus' Quellen aus dem Ministerium sagten ihm, dass Barty Crouch, der Leiter der Abteilung für Innere Sicherheit und Magische Strafverfolgung, dahinter stand doch offen wagte auch er nicht gegen Dumbledore vorzugehen; so manipulierte er den Zaubereiminister.
"Ich komme bald wieder. Das Angebot von damals steht immer noch. Sieh dich um und wenn du etwas brauchst... du hast ja nun deinen Zauberstab." Dumbledore wandte sich an der Tür noch einmal um. "Und Severus?"
"Herr?"
"Danke." Und Dumbledore meinte es aufrichtig.
Snape verbeugte sich leicht und Albus schloß die Tür hinter sich.


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