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Kapitel 1: Das Monster erwecken

 

Ein zartes Klingeln erklingt in meinem Wohnzimmer und ruft mich von meinem Frühstück weg. Ich nehme einen weiteren Schluck Orangensaft und seufze, als das Klingeln erneut widerhallt. Fawkes trillert sanft.

“Ja, Fawkes, Ich habe es gehört. Lass uns gehen und uns anhören, was Severus uns zu sagen hat.”

Fawkes gleitet auf meine Schulter und trillert wieder, dieses Mal mit einem unverkennbaren Ton von Besorgnis. Ich lächle und streichle beruhigend seinen Rücken. Fawkes hatte, wie der Rest von uns, in den letzten Wochen keine leichte Zeit. Von einem Todesfluch getroffen zu werden ist eine verstörende Erfahrung, selbst für einen Phönix. Es ist immer noch beachtlich, wie schnell Fawkes sich regeneriert. Schon jetzt ist ein großer Teil seines Gefieders nachgewachsen.

Wo wir dabei sind, es ist wahr, dass ich mich heute Morgen langsamer bewege als üblich. Ich war gestern Nacht noch spät wach und ich habe heute morgen länger geschlafen als es meine Gewohnheit ist. Ich bin normalerweise früher wach, besonders an einem Tag des Abschiednehmens, wenn die Schüler sehr beschäftigt damit sind, ihre Sachen zu packen und hinunter zum Zug zu gelangen und dabei viel Mühe bereiten (und das Personal so froh über die kommenden Ferien ist, dass es ebenfalls Mühe macht).

Ich wünsche mir, dass es das Alter ist, das mich heute morgen verlangsamt, doch dem ist nicht so. Es ist Angst. Angst und Kummer wegen denen, die ich so sehr liebe. Und große Angst vor der kommenden Konfrontation. Ich musste mich in den vergangenen Tagen vielen meiner Fehler stellen, und schlucken, und ich finde, sie schmeckten bitter. Ich fürchte, ich werde in der nächsten Stunde noch weitere Dosen Wermut schlucken müssen.

Ich betrete mein Büro, das seltsam kahl ist. Fawkes fliegt zu seiner Stange, während ich einen kleinen Hammer benutze, um eine Antwortglocke zu betätigen, die man in den Kerkern des Schlosses hört. Die Glocken sind eines der wenigen Dinge, die Harrys letzte Raserei überlebt haben. Ich habe schon einen ziemlich großen Abstellraum voll mit Trümmern, die ich durchgehen muss.

Während ich auf die Ankunft meines Morgengastes warte, gehe ich zum Fenster und starre hinaus. Der Hogwarts Express wird bald losfahren. Harry wird an Bord sein und nachdenken über... was? Er war nicht beim Abschiedsfest und das war sowohl erwartet worden als auch sehr bekümmernd gewesen. Er wird um Sirius trauern, immer noch auf sich selbst wütend sein, genauso wie auf Voldemort, verschiedene andere Personen und Umstände, und auf mich. Hat er Angst? Sorgt er sich, dass ich wütend bin, dass ich ihn für das Zeigen seiner Wut bestrafen werde?

Wahrscheinlich nicht. Er ist viel zu sehr in Aufruhr, um sich um solche Dinge zu sorgen. Ich wage zu sagen, dass er mir ins Gesicht spucken würde, wenn ich ihn nach Askaban schicken würde, selbst wenn die Dementoren uns noch verpflichtet wären.

Fürchte dich nicht, Harry. Hab keine Angst, mein scheinender Prinz. Ich werde dich nie bestrafen. Nicht einmal, wenn du Hand an mich legen würdest, wie ich es reichlich verdient hätte. Nicht, wenn du mir die Unverzeihlichen Flüche über Stunden hinweg an den Kopf werfen würdest. Ich würde niemals meinen allerliebsten Harry bestrafen.

//Aber Sie bestrafen ihn, Professor.//

Tom Riddles Stimme. Die Erinnerung an ihn ist mein treuer Peiniger, meine allzeit bereite Geißel.

//Sie senden ihn zurück zu den Muggeln, oder? Und in so verwundetem Zustand!// Ich wage zu sagen, daß sie einen Weg finden werden, üble Spielchen mit ihm zu treiben .....

Ärger wallt in mir auf, doch nicht auf Tom. Auf mich selbst. Ich bin für dieses Grauen verantwortlich zu machen. Es ist mein Werk, dass Harrys Leben ein Rad der Ungerechtigkeit und des Schmerzes ist.

Sie werden in diesem Sommer keine Spielchen mit ihm treiben.

Ich sage dies so kraftvoll wie ich kann und versuche verzweifelt, es zu glauben. Ich habe den Ordensmitgliedern vorgeschlagen, dass sie die Dursleys damit, wie sie mit Harry umgehen, konfrontieren. Wenn sie energisch genug sind...

//Aber ich dachte, Sie könnten sich nicht einmischen, Professor. Ich dachte, das würde die Magie kompromittieren, die ihn im Ligusterweg beschützen soll.// Toms Lachen ist mit einem Ton unterlegt, der mich seit vierzehn Jahren verfolgt und in letzter Zeit noch zugenommen hat. Der Ton eines weinenden Kindes in einem Schrank.

Ich schließe meine Augen, als heiße Tränen der Schuld und des Schmerzes mein Gesicht hinunter laufen. Oh, hätte ich vor langer Zeit nur eine andere Wahl getroffen. Hatte ich eine andere Wahl?

Wir mussten die Chance nutzen. Harry ist in einem zu feinfühligen Zustand. Und wir werden ihn sehr bald da raus holen.

//Natürlich werden Sie das. Sie haben ihn zehn Jahre in einem Schrank gelassen.//

Ich will schreien, toben, schluchzen. Doch ich werde mir selbst diese Erlösung nicht erlauben. Jede einer solchen Aktion könnten den Schmerz verringern. Und ich habe jeden Schmerz, den ich fühle, reichlich verdient.

//Sie hätten ihn eine Weile hier lassen sollen. Warum haben Sie ihm kein Ticket zu dieser Morgenshow gegeben? Sie haben einfach nur dagesessen, als Umbridge ihn dazu zwang, seine offenen Hände zu zerschneiden. Das geringste, was Sie für ihn hätten tun können, wäre eine höfliche Entschuldigung gewesen.//

Ich antworte Tom nicht darauf, aus dem schrecklichen Grund, dass er Recht hat. Und wenn Tom Riddle Recht hat, dann haben die Angelegenheiten in der Tat eine dunkle und schreckliche Verkettung bekommen.

“Weißt du Fawkes”, sage ich sanft, “vielleicht hätten wir Harry noch für einige Tage hier bleiben und ihn dann per Flohpulver reisen lassen sollen. Er hätte den beiden Personen in Hogwarts, die er am meisten hasst, dabei zusehen können, wie sie ohne Hindernisse aufeinander losgehen.”

Das war ein Fehler. Bei der Erwähnung von Harrys Namen wird Fawkes ganz aufgeregt, spreizt seine Flügel halb und hüpft aufgeregt von einem Fuss auf den anderen, sein Nacken reckt sich erwartungsvoll in Richtung Tür. Fawkes ist eine sensationell intelligente Kreatur, intelligenter als viele Zauberer, die ich nennen könnte, doch das Verbrennen hinterläßt noch einige Tage danach seinen Verstand immer bewölkt... hühnerartig. Er hat mich ganz offensichtlich falsch verstanden und denkt, dass Harry die Treppen hinauf kommt.

Ich gehe hinüber zu seiner Stange und beruhige ihn freundlich. “Nein, Fawkes, er wird heute nicht kommen.”

Fawkes trillert traurig und sieht mich an, während ich meinen Kopf schüttele. Wie ich es erwartet habe, strömen Tränen aus seinen Augen über seinen Schnabel. Doch es sind nicht Tränen der Traurigkeit, Fawkes ist nicht wie die Menschen. Ein Phönix weint nicht aus Kummer, Wut oder Mitleid, aber aus Liebe. Ihre Tränen sind welche der machtvollsten und soweit es der Zauberergesellschaft bekannt ist, besitzen sie die flinkste Heilkraft.

Armer Fawkes. Er liebt Harry so sehr, wie ich es tue – oder sicher noch mehr, denn er trägt keinen Schatten der Schuld über seinem Herzen. Harrys letzte Raserei hat ihn tief mitgenommen, trotz allem ist sein Verstand in solchen Dingen der eines Kindes. Ich glaube, er dachte, dass Harry tödlich verwundet sei, so wie er schrie. Jedes Mal, wenn jemand den Namen des Jungen erwähnt, beginnt Fawkes sofort, sich mit den wertvolle Tränen verströmenden Augen nach ihm umzusehen, verzweifelt versuchend, ihn zu finden, um ihn zu heilen, was immer ihm weh tut, was immer seine Qual verursacht.

Edles Wesen. Wenn es nur so einfach wäre. Doch nicht einmal deine Tränen, Fawkes, können die Wunden heilen, die Harry in sich trägt.

Trotz meinem Beschluss beginnt eine Träne sich einen Weg an meinem Gesicht hinunter zu bahnen.

Eine sanfte Glocke warnt mich, dass jemand unten das Passwort gesagt hat. Ich wische mir schnell übers Gesicht und begebe mich wieder an meinen Schreibtisch, gerade eine sitzende Position einnehmend, als Severus eintritt.

Er schaut abfällig, wie üblich.

Von seiner Stange aus zischt Fawkes seine Enttäuschung.

Severus hält mitten im Schritt an, hebt eine Augenbraue und schaut mit Verachtung auf meinen Phönix, der normaler Weise tadellose Manieren hat. Der kalte Blick seiner Augen hat schon viele mutige Gryffindors in zitternde Häufchen verwandelt.

Fawkes macht ein tiefes räusperndes Geräusch, als wenn er etwas Großes und Dreckiges ausspucken würde. In all unseren gemeinsamen Jahren habe ich ihn nie so etwas machen hören.

Severus, Severus, warum BESTEHEN Sie nur darauf, soviel Verachtung auf sich selbst zu richten.

//Er wäre kein sehr wirkungsvoller Spion, wenn dem nicht so wäre, oder Professor? Es ist ja nicht so, dass... ich... dafür bekannt bin, dass ich warme Persönlichkeiten und gute Plauderer bevorzuge.//

Ich HASSE es so sehr, wenn Tom Recht hat.

“Setzen Sie sich doch bitte, Severus”, sage ich, hoffend, Fawkes zu unterbrechen, bevor er etwas Peinliches tut.

Snape verbeugt sich ansatzweise vor Anerkennung und setzt sich dann in den Stuhl mir gegenüber. Seine Bewegungen besitzen ihre übliche arrogante Flüssigkeit, doch als er sich zurücklehnt, sehe ich, dass sich die Linien in seinem Gesicht vertieft haben und die Schatten in seinen Augen sprechen von einer Erschöpfung, die fast zu stark ist um ihr standzuhalten.
Meine Kehle verengt sich vor Mitleid. Severus muss Bürden tragen, die niemand außer mir schätzen kann, denn niemand außer mir versteht sie. Er ist in einem tödlichen Spiel beauftragt, versuchend, als ein Mungo gegen die böseste und eine der cleversten Schlangen in Europa zu spielen – wahrscheinlich sogar der ganzen Welt.

//Herzlichen Dank, Professor.//

Oh HALTS MAUL, Tom!!

Doch ich weiß, Tom wird nicht lange still sein. Er ist die Offenbarung meines lang mißbrauchten Gewissens, und was ich an diesem Morgen tun werde, wird ihm eine Menge zu kommentieren geben.

Snape sieht sich mit leichtem Stirnrunzeln um. Ich weiß, dass er nachgrübelt. Für gewöhnlich treffen wir uns in einer freundlicheren Umgebung – mein Wohnzimmer zum Beispiel, zum Tee.

Keine Angst, die Gründe hierfür werden offenbart werden.

“Wie geht es Ihnen, Severus?”

“Ich werde zurechtkommen, danke, Direktor.”

Severus, Sie sind ein Dummkopf.

“Sind Sie sicher? Es war für alle eine schwere Zeit.”

Snape schaut wieder abfällig. Wie kann ich es nur wagen, anzudeuten, dass irgend etwas, das in Hogwarts geschieht – sei es Umbridge, Voldemorts Machenschaften oder ein Auge auf einen Haufen von Todesserkinder zu haben - jemals eine Belastung für Severus Snape darstellen könnte!

“Ich habe früher schon schlimmere Belastungen durchgemacht, Direktor.”

Das ist in der Tat eine klassische Antwort von Severus! In einem Satz verkündet er seine eigene Stärke, erinnert mich an sein Leiden, schmälert die Leistung jedes anderen und versucht die Tür vor weiteren Erkundigungen zu schließen.

//Der Mann ist in der Tat ein Tribut für Slytherin.//

Ich seufze. Es scheint dein Tag zum Recht haben zu sein, Tom.

“Nun gut, dann geben Sie mir Ihren Bericht.”

Sie wünschen dir, mit Gleichgültigkeit, sogar mit Strenge behandelt zu werden. Oh Severus! Ihr Leben war so sehr mit Schmerz gefüllt, dass es die einzige Sache ist, auf die sie effektiv reagieren können!

Der Bericht ist nicht sehr erleuchtend. In Folge der kürzlichen Katastrophe im Magieministerium...

SIRIUS!!

...und er berichtet von seiner Rückkehr, Voldemort hat seine Hauptlakaien zu einer Strategiebesprechung befohlen... oder eher einem allgemeinen Verteilen von Schmerz durch das Aufzählen von spezifischen Bestrafungen.

Ich unterbreche den fließenden Bericht.

“Wurden Sie in diese allgemeine Züchtigung mit einbezogen, Severus?”

“Ja, Direktor. Es war unerfreulich. Es war beträchtlich weniger als ein Cruciatus Fluch, den ich, ehrlich gesagt, erwartet habe.”

Severus, warum? Warum sagen Sie solch schreckliche Dinge mit solch einem ruhigem Aussehen, sogar in Ihren Augen? Habe ich Ihnen das angetan.

//Nein, Professor. Sie haben ihren geschätzten Harry ruiniert. Andere haben Severus ruiniert – beginnend mit seiner eigenen Familie natürlich.//

Ja, seine eigene Familie. Wir kommen immer wieder dorthin zurück, nicht wahr? Severus wuchs in einer Hölle des Missbrauches auf...

Harry wimmerte in einer Abstellkammer...

Tom Riddle in einem Waisenhaus.

Manchmal hält mich nur der Gedanke an Arthur und Molly Weasley davon ab, die von ihrer Kindheit Geächteten nicht zu bevorzugen. Junge Zauberer und Hexen sollten ein Alter von elf erreicht haben, wenn sie an diese Schule kommen.

//Und unter der Fürsorge des unfehlbaren Dumbledore leben?//

Warum tue ich mir das an?

Weil ich es verdient habe.

Snape fährt fort. Offen ist in der Geschichte sonst nichts mehr. Voldemorts innerer Zirkel ist verwirrt, während ihr Meister über seinem nächsten Zug brütet. Ich finde das nicht so angenehm, wie mancher denkt. Der Dunkle Lord besitzt immer noch zwei weitere Pläne, die im Schatten eines dritten stehen.

“Danke, Severus.”

Ich meinte es ernst. Ich bewundere den Mut und die Fähigkeiten des Mannes seit Jahren. Er wäre ein großartiger Gryffindor gewesen, wenn da nicht...

//Wenn da nicht der Fakt wäre, dass er eine herzlose, egoistische, bittere, griesgrämige, manipulative Schlange war?//
Wenn nicht die Tatsache bestünde, dass er schon so jung beschädigt wurde, dass seine guten Qualitäten nie wirklich die Chance hatten, zu erblühen.

//Und Sie leugnen, dass er eine herzlose, egoistische, bittere, griesgrämige, manipulative Schlange ist?// Toms Stimme ist wirklich schadenfroh.

Nein.

Snape fummelt am Rand seiner Robe, eine Geste, die ich zu fürchten gelernt habe. Es ist ein Signal falschen Widerwillens. Es gibt etwas, das er mir sagen will, doch er will nicht, dass es so aussieht, als wolle er es mir sagen.

“Gibt es noch etwas zu berichten, Severus.”

“Ja, Professor Dumbledore, gibt es, höchst ärgerlich.”

Dem Funkeln seiner Augen nach zu urteilen würde ich eher das Gegenteil behaupten. Doch ich habe ein kaltes Gefühl in meinem Inneren, das mir sagt, dass ich seine Neuigkeiten ärgerlich finden werde, egal wie er die Sache auch sieht.

“Nun, zu zögern macht es nicht besser, Severus. Sagen Sie mir, was immer Sie mir sagen müssen.”

Snape legt seine Finger aneinander und schürzt die Lippen.

Severus, Sie genießen es zu sehr. Etwas Schreckliches ist geschehen.

“Erinnern Sie sich, was ich Ihnen über Bellatrix Lestrange gesagt habe, Professor Dumbledore?”

Es war fünf Minuten her, ich wäre in der Tat ein Trottel, wenn ich es nicht könnte.

“Ja, Severus.”

“Nun, als sie vom Ereignis ihres Kampfes im Ministerium erzählte...”

Snape machte eine Pause. Ich schwöre, dass er aussah, als wolle er sich die Lippen lecken.

“Ja, Severus?”

“Es schien so, als hätte der junge Mr. Potter kurz vor der Ankunft des Dunklen Lords versucht, sie mit dem Cruciatus anzugreifen.”

Mein Inneres hatte Recht. Ich senke den Kopf und bedecke mein Gesicht mit den Händen, denn ich will nicht, dass Snape den Schmerz in meinen Augen sieht. Ich atme tief durch und es fühlt sich an, als wenn ich Magma einatme.

//Sind Sie stolz auf Ihren Schüler, Professor? Nichts gegen meinen Rekord, aber dennoch respektabel.//

HARRY, ES TUT MIR SO LEID!!!

Ich atme zwei weitere Mal tief und schmerzhaft durch. Wie kann dieses arme, gequälte Kind das ertragen? Wie kann es überhaupt einer von uns ertragen?

Es benötigt mehr als die Disziplin eines ganzen Jahrhunderts, um meine Gedanken zurück in logische Bahnen zu führen und mich wieder auf Severus´ Erzählung zu konzentrieren. Sogar dann fühle ich mich noch, als wenn mein Kopf unter dem Druck meines Blutes, das ich in jedem Gefäß tosen fühle, zerbrochen wird.

Harry hebt seinen Zauberstab, sein Gesicht vor Hass verzerrt. Seine süße Stimme ruft dieses abscheuliche Wort: “CRUCIO!”

Ein Jahr zuvor, ein Monat zuvor, sogar zwei Wochen zuvor hätte ich es nicht geglaubt. Ich hätte jeden sofort weggeschickt, der es gewagt hätte, so etwas auch nur anzudeuten. Doch das war, bevor Sirius Black starb. Das war, bevor ich begriff, wie sehr ich Harry mit den Fehlkalkulationen eines alten Mannes verletzt hatte.

Als Harry sich mir in diesem Büro gegenüberstellte, vor Wut zitternd, hätte es mich nicht mal überrascht, wenn er mir den Cruciatus Fluch entgegen geschleudert hätte.

Einen Moment.

“Er versuchte es, sagten Sie.” Ich hob meinen Kopf und versuchte meinen Gesichtsausdruck verbindlich zu machen. “Ich schließe daraus, dass er es nicht geschafft hat.”

Snape runzelt die Stirn. Widerwillig nickt er. “Das ist wahr. Lestrange sagte, er sei nicht stark genug gewesen, um den Fluch richtig auszuführen.”

Ich habe keinen Zweifel daran, dass sie etwas in diese Richtung gesagt hat, doch ich bezweifle auch nicht, dass die Wahrheit eine ganz andere ist. Freude, Hoffnung und Liebe erfüllen mich so stark, dass es ein Wunder ist, dass ich nicht auf die Füße springe und mich vor Freude drehe. Harry hat Willenskraft, große sogar. Es gibt nur einen Grund, warum er beim Cruciatus versagt haben könnte.

Er hatte nicht genug Hass in sich.

Trotz allem, trotz der Dursleys, Voldemort, Umbridge – trotz meiner eigenen Entscheidung, die so viel verdorben hat – hatte mein Harry nicht genug Hass in sich, um sich an dem Leiden der Frau zu erfreuen, die das einzige Elternteil getötet hatte, das er je gekannt hatte.

MEINE EHRE. MEIN WUNDER.

Mit solch einer Person gesegnet zu sein ist mehr wert, als alle Zauberstäbe aller Zauberer in dieser armen, leidenden Welt.

Nicht, dass Severus dem zustimmen würde. Sogar jetzt guckt er wieder abfällig, als er mich abwartend ansieht.

“Ja, Professor Snape?”

//Da sind wir. Der Spaß beginnt.//

Denk an Harry und sei leise, Tom.

“Ich frage mich, Direktor, was Sie zu tun gedenken.”

“Tun?” Ich blinzle, während ich so unverständig aussehe, wie ich kann.

//Oh wirklich, Albus, Sie übertreiben es.//

“Was Sie wegen Mr. Potters Handlung tun werden?” Er wird ein wenig rot, als wüsste ich, was er tun würde.

//Nun, vielleicht übertreiben Sie doch nicht.//

Die Leute nennen mich oft manipulativ. In Wahrheit hasse ich es, andere zu manipulieren. Es ist die Sache, die mein Herz zerreißt und in meinem Magen brennt – die Sache, die, als ich älter wurde, mich dazu brachte, häufiger zu den milden Schlaftränken zu greifen (und es würde einige Leute schocken, wenn sie davon wüßten – Albus Dumbledore hat Alpträume! Ein Zeichen der Apokalypse!).

Ich greife nur zu einer List, wenn ich es muss. Es scheint, als fände das Leben eine perverse Befriedigung darin, mich Dinge tun zu lassen, die ich hasse.

//Und darin, andere Leute dazu zu zwingen, dafür zu bezahlen.//

SEI LEISE!

Ich manipuliere Fudge und das Ministerium, weil sie gefährliche Dummköpfe sind, die sich weigern zu sehen, was direkt unter ihrer Nase geschieht.

Ich manipuliere die Häuser um den Anschein von Frieden und Ruhe zu bewahren, Blut vom Boden der Großen Halle und schreiende Eltern von Hogwarts Gelände fernzuhalten.

Ich manipuliere Harry, weil ich ihn so sehr liebe, dass der Gedanke daran... nein, diese Wunde ist zu tief.

Und ich manipuliere Severus, weil ich verzweifelt will, dass er das, von dem ich denke, dass ihn seine Natur zwangsläufig dazu führen wird es zu tun, nicht tut.

Doch in Wahrheit manipuliere ich Severus nicht. Ich gebe ihm nur jede Chance, die ich kann, um dem schlimmsten auszuweichen.

Nun, Professor Snape braucht eine Antwort, nehme ich an. Doch ich werde ihm eine weitere Chance geben.

“Was würden Sie vorschlagen, das ich tun soll, Severus? Wir sind im Krieg und er hat gerade seinen Paten verloren. Sollten wir ihn für den Rest seines Lebens nach Askaban schicken?”

Wie ich befürchtet habe, wird Snapes abfälliger Blick noch schlimmer. “Nein. Ich nehme an, das würde unseren frisch rehabilitierten Retter fertig machen, oder? Trotzdem”, er lächelt rachsüchtig, “wenn die Dementoren nicht gegangen wären, würde ein längerer Aufenthalt in ihrer Fürsorge sein Verhalten verbessern und seinem Ego die Luft ablassen.”

Ich habe Harry kürzlich gesagt, dass alte Männer manchmal vergessen, dass manche Verletzungen zu tief gehen, um zu heilen. Vergessen alte Männer auch die teuflische Kleinlichkeit, die solche Verletzungen mit sich bringen? Bin ich wirklich so alt? Ist dies der Grund, weshalb ich, sogar nachdem ich Severus aus seiner Schulzeit kenne und die Gründe seiner Verbitterung kenne, meine Kiefer bewusst aufeinander pressen muss, um meinen Mund davon abzuhalten aufgrund dieser Bemerkung offen zu stehen?

//Nein Professor, Sie haben es nie verstanden. Und das ist der Grund, weshalb Sie so außerordentlich dabei versagt haben, mich vor fast sechzig Jahren zu verstehen.//

Ich werde davor gerettet, eine sofortige Antwort geben zu müssen, als ein Farbblitz über meinen Schreibtisch fliegt. Fawkes hatte sich selbst von seiner Stange abgeschossen und landete auf der äußeren Ecke des schweren hölzernen Tisches, seine Krallen hatten Kratzer in einer Politur hinterlassen, die dafür gedacht war, gegen alles einen Schutz darzustellen, das weniger Kraft hatte, als ein Schlag mit der Axt. Er gibt einige scharfe kreischende Töne von sich, die Severus dazu bringen sich vor Überraschung zurückzuziehen. Ich mache dem Tränkemeister keinen Vorwurf, da ich selbst fast aufgesprungen bin. Ich hatte beinahe vergessen, wie ein wütender Phönix klingt. Und Fawkes ist definitiv wütend, wenn nicht sogar rasend. Seine Flügel sind in Angriffsposition zu dreiviertel gespreizt, seine Krallen beugen sich, um sich noch tiefer in das Holz meines misshandelten Schreibtisches zu graben und sein Schnabel, der direkt auf Snapes hervorragende Nase zeigt, schnappt warnend.

Offensichtlich versteht Fawkes mehr, als ich geglaubt habe. Die Worte “Potter”, “Askaban” und “Dementoren” haben Erinnerungen ausgelöst und eine beschützende Antwort.

“Hier Fawkes”, sage ich ruhig.

Der Phönix gehorcht mürrisch und schnappt zum Abschied noch einige Male in Snapes Richtung, bevor er überheblich über den Tisch stolziert und sich vor mit nieder lässt und sich beruhigend streicheln lässt. Er sieht Severus noch immer boshaft an, gelegentlich eines dieser seltsamen, nicht vogelartigen, kreischenden Geräusche von sich, die nur ein Phönix machen kann – so als wenn kaltes Wasser plötzlich auf Metall spritzt.

“Bitte akzeptieren Sie meine Entschuldigung”, sage ich, wobei ich all meine Kraft dazu aufbiete, meine Gesichtsmuskeln unter Kontrolle zu halten. Nach all dem Stress und dem Schmerz der letzten Wochen bin ich sehr versucht, in Lachen auszubrechen. “Fawkes ist nicht er selbst. Es braucht immer eine Weile, bis er sich vom Verbrennen erholt hat.”

“In der Tat”, Snape verzieht verachtend sein Gesicht, “habe ich mir schon gedacht, dass Mr. Potter einen anderen Anhänger gefunden hat.”

Sie MÜSSEN die Wunde natürlich noch tiefer machen, nicht wahr.

Fawkes kreischt wieder. Glücklicherweise weiß Snape nicht, wie wahr seine Aussage ist.

“Wie ich schon fragte, Direktor...”

“Nichts.”

Snape blinzelt. Einmal. Zweimal. Im Nu.

“Wie bitte?”

Plötzlich bin ich sehr, sehr müde. Ich bin diese Unterhaltung leid. Ich bin dieses bedeutungslose Spiel des freundlichen Gebrabbels leid. Ich bin den Tag, der gerade begonnen hat, leid.

Ich muss das Gewicht von Hogwarts, Britannien, Harry Potters und wahrscheinlich sogar der Welt um mich herum, tragen. Ist es zuviel verlangt, dass Sie die englische Sprache verstehen, ohne dass ich mich wiederholen muss?

“Nichts, Severus. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.”

Er blinzelt wieder. Einmal. Zweimal... dieses Mal bringt er es auf acht.

“Sie meinen, Sie....”

“Nichts.” Meine Stimme ist jetzt kalt und ich weiß, dass ich viel zu müde hierfür bin, viel zu müde um jetzt diese Unterhaltung zu führen. Und ganz besonders zu müde und zu großen Schmerz fühlend, um jetzt mit Severus umzugehen.

Snape sieht aus, als würde er explodieren. Er ergreift die Arme seines Stuhls, lehnt sich vor und kreischt in einer guten Imitation von Fawkes:

“Es kümmert Sie nicht, nicht wahr?” Seine Augen verengen sich und ich kann sagen, dass er die Worte mit großen Schwierigkeiten heraus würgt. “Der wertvolle Mr. Potter kann tun, was er will, oder? Er könnte mitten in der Großen Halle jemanden umbringen und Sie würden uns nur befehlen, es sauber zu machen, während Sie ihn für die Nacht unterbringen!”

Meine Hände fahren damit fort, Fawkes zu massieren, als Snape seine Tirade los wird. Der Phönix scheint nicht mehr wütend, doch er sieht den Tränkemeister fast traurig an.

Severus, wie könnte ich es Ihnen je erklären?

Wie in der Tat? Ich realisiere, dass eine Tragödie von Severus' Leben das Unvermögen ist, wahre Gefühle zu verstehen. Er existiert in einer Welt voll simplen, gewalttätigen und glühenden Leidenschaften – einer Welt von entweder Allem oder Nichts. Er versteht den Rest von uns nicht, diese armen Seelen, die durch das Leben gehen müssen mit Herzen, die so tief gespalten sind, dass wir nicht wissen, wie wir den Tag überleben werden, geschweige denn den Rest unseres Lebens.

Doch was noch viel wichtiger ist, er wird nie verstehen, in welcher Gefahr er schwebt. Es ist mein Fehler. Ich muss der weise, ruhige Direktor sein. Das ist es, was die Schüler, das Personal, die Eltern und die Regierung benötigen. Schließlich kommen Leute, nur um an solch eine Fassade zu glauben.

Schließlich habe auch ich daran geglaubt.

Und dann, eines Tages, betrachtete ich armer Dummkopf ein dunkelhaariges Kind mit einer vernarbten Stirn und traurigen Augen, ähnlich verfolgten Smaragden, und ich war verloren. Und als ich herausfand, dass dieses Kind eine Seele hatte, die mit einer Macht größer als die stärkste Magie erfüllt war, und ein Lächeln, bei dem jede Zukunft, jedes Schema, jeder Plan und jede Berechnung zum wertlosen Schatten wurde, wusste ich, dass meine Weisheit oft nur ein Salontrick der Rhetorik, meine Ruhe nicht mehr als eine Technik war, um Erwachsene aus der Balance zu bringen.

Ja, Snape wird es nicht begreifen, wenn er von Harry spricht, kommt er einem Land näher, das er nie betreten hat, einem Land, das sich von dem ruhigen Bereich des freundlichen, weisen Schulmeisters sehr unterscheidet. Er realisiert es nicht, weil sein misshandeltes, verkürztes Verständnis nicht so weit gehen kann, dass er begreift, dass er sich am Rand eines erfassten Gewässers befindet. Kurz davor, an diesem Ort, in den er leichtsinnig seinen Fuss absetzen wird, sind Dinge, von denen er nicht wusste, dass sie existieren. Die Muggelkartenmacher haben eine Art, solch einen Ort zu kennzeichnen, eine Warnung, die sie am Rand ihrer Tabelle plazieren.

Reisende seid gewarnt. Hier gibt es Monster.

Severus, Sie segeln auf der Grenzlinie meines Herzens und Sie haben keine Ahnung wie nahe sie dran sind, Gefahren zu begegnen, von denen Sie nicht mal geträumt hätten.

“Es ist nicht fair, nicht wahr, Severus.” Meine Stimme ist sanft, denn sie muss es sein, um den Gefühlsklumpen zu passieren, der meine Kehle verknotet.

“Ich denke, das ist es, was ich gerade sagte, Professor Dumbledore.”

“Nein Severus, ich spreche von dir.”

Bilder. So viele Bilder in meinem Kopf.

Ein elfjähriger Junge im Sommer vor seiner Einsortierung, der versucht im Boden des Büros des Direktors zu versinken, während sein Vater verlangt, dass man ihm von den Versicherungsmaßnahmen erzählt, die es in Hogwarts gibt, um “ungewollte Elemente unter Kontrolle zu halten”. Seine Mutter sieht blicklos aus dem Fenster und ignoriert Ehemann und Kind.

Ein Teenager von Streichen gequält, die fast immer von Sirius Black und James Potter initiiert wurden, schon zu geschädigt um die Elastizität und den Sinn von Humor zu entwickeln, mit dem er sich selbst hätte schützen können.

Ein älterer Severus, weinend in meinen Armen, an dem schrecklichen, schrecklichen Tag, an dem er entdeckte, wie abartig und falsch seine Entscheidungen gewesen waren.

Mich selbst, wie ich Cornelius Fudges Vorgänger verbindliche Lügen auftische, um meine Wahl für einen neuen Tränkemeister zu verteidigen.
Das mutige Durchhaltevermögen eines Mannes, der dem Dunklen Lord immer und immer wieder mit Verrat im seinem Herzen gegenübersteht.

Das Gesicht eines Mannes, dessen Herz auseinander brach, als Severus das erste Mal in das Gesicht von Harry Potter sah, als dieser nach Hogwarts kam.

Das Gesicht eines Mannes, der sich entschlossen hatte, sich seinem schlimmsten Alptraum zu stellen und dabei nicht einmal mit der Wimper zuckte, in der Nacht als Voldemorts zurückkehrte.

“Nein, es ist nicht fair”, wiederhole ich sanft. “James Potter hat die Wurzeln Ihres Schmerzes nicht gepflanzt, doch er erntete die Frucht. Oh ja, er konnte viel über diese Tragödie lachen, die zu verstehen, er viel zu seicht war. Und am Ende hat er dabei geholfen, die Wurzeln einer tieferen, viel tieferen Wunde zu pflanzen.”

Ich erhebe mich und gehe zu Severus hinüber, wobei ich Fawkes auf seiner Stange absetze, als ich an ihr vorbei gehe. Jetzt bereue ich, diese Absprache getroffen zu haben, bei der ich jetzt verlegen an einer Seite stehen muss, meine Hand auf seiner Schulter.

“Harry ist die lebende Quelle Ihres Schmerzes, Severus. Er ist die schlimmste Offenbarung des schlimmsten Alptraumes Ihres Herzens, die Form angenommen hat. Und Sie müssen wie schon bei James zusehen, wie er in einem Licht steht, das Sie nie kennengelernt haben.”

Eine tiefe Stille legt sich über mein Büro. Fawkes trillert klagend beim Klang von Harrys Namen, doch ansonsten ist es still. Schließlich lässt Severus seinen Kopf in seine Hände sinken.

//Er hat Recht, Sie wissen, dass Sie Harry Potter viel zu sehr lieben. Haben Sie nicht erst vor kurzem daran gedacht, dass Sie ihn nie bestrafen werden?//

Ja. Ja, ich liebe ihn viel zu sehr. Und ich habe ihn zu sehr verletzt.

//Also lieben Sie ihn, um wieder gutzumachen, dass Sie ihn verletzt haben?//

Nein. Dadurch, dass ich ihn liebe, kenne ich jetzt die Qual dafür, ihn verletzt zu haben.

//Also hat Severus Recht, nicht wahr?//

Hat er? Es stimmt, dass ich Harry mit Dingen habe davonkommen lassen, die keinem anderen Schüler in der Geschichte von Hogwarts je erlaubt wurden. Zum Beispiel die Abstellkammer mit Trümmern, die ich noch sortieren muss. Hätte das irgendein anderer Schüler in den letzten tausend Jahren getan, so säße dieser jetzt, aus Hogwarts verwiesen, zuhause.
Doch Harry ist ein spezieller Fall.

Oh ja. Er ist per Definition ein besonderer Fall. Doch ich habe mich selbst belogen. Ich habe mir gesagt, dass ich Harry all diese Freiheit und diese Privilegien lasse, weil sie nötig für ihn sind, damit er diese harte, schnelle Lektion lernt, die er lernen muss, um sich seiner Bestimmung zu stellen. treffen. Ich habe mich selbst darauf hingewiesen, dass diese Freiheiten durch den Schmerz, den er ertrug und immer noch ertragen muss, ausgewogen ist. All das ist wahr.

Doch es sind alles Lügen.

Ich habe Harry mich immer anschreien lassen, weil ich ihn liebe. Ich habe ihn im Schoss mit einem Unsichtbarumhang herum wandern lassen, weil ich ihn liebe. Ich wollte ihn zum Aufsichtsschüler machen, weil ich ihn liebe. Ich habe ihn nicht zum Aufsichtsschüler gemacht, weil ich ihn liebe. Vor vier Jahren, als ich Gryffindor beim Abschiedsfest 170 Punkte gab und Slytherin die Führung nahm, ja, da versenkte ich Slytherins Stolz im Staub, nur damit mein geliebter Harry lächelte.

Doch würde ich ihn wirklich mit einem Mord davonkommen lassen?

//Was planst du zu tun, wenn er mich umbringt?// Toms Stimme ist sarkastisch wie immer. //Ihn versohlen und ohne Abendessen ins Bett schicken?//

Punkt, gut getroffen.

“Ich habe zu vorschnell gesprochen, Severus”, sage ich. Ich stammle. Albus Dumbledore, stammelnd? Ja. Tatsächlich stammle ich oft. Es ist so, dass ich geschickt darin geworden bin, es zu verdecken, wenn ich Panik habe. “Natürlich werde ich etwas wegen Harrys Anwendung des Cruciatus machen.”

Severus hebt seinen Kopf aus seinen Händen und sieht mich dunkel an.

“Und was wird seine Bestrafung sein?”

Ich ziehe meine Hand widerwillig zurück und kehre zu meinem Stuhl zurück.

“Ich weiß, es ist schwer, Severus. Doch versuch es dir vorzustellen, als es passiert ist. Es war inmitten des Kampfes. Er hatte gerade das verloren, was einem Elternteil am ähnlichsten war. Er hat der Hexe gegenübergestanden, die eben diese Eltern getötet hatte. Also hat er vor Schmerz und Wut um sich geschlagen.”

Hätte ich es getan? Oder Sie? Ich weiß es nicht. Hätte ein trainierter Auror ebenfalls so gehandelt? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht.
Doch es handelt sich weder um mich, um Sie, um einen trainierten Auror oder sonst irgendeinen erwachsenen Zauberer, von dem wir sprechen. Es ist ein fünfzehnjähriger Junge unter unerträglichem Stress.”

Severus behält seinen düsteren Blick bei und legt seine Hände wieder zusammen. Er sieht sehr, sehr müde aus. Wenn dies vorüber ist, werde ich anordnen, dass er Poppy zu einer Untersuchung sieht.

“Also haben Sie geplant, ihm den Kopf zu tätscheln und ihm Schokoladenfrösche zu geben?” fragt er ruhig, bitter.

Tief, tief in mir, in einem Teil meines Herzens, der ruhig und fast immer außerhalb meiner Gedanken war, bewegt sich etwas.

Meine Hand erhebt sich, bevor ich überhaupt realisiere, was gerade geschieht. In einer guten Imitation von Harry lasse ich meine Faust auf meinen Schreibtisch niedersausen, woraufhin strahlende Lanzen aus Schmerz durch meinen nicht ganz so jungen Arm gesandt werden.

“Ich plane”, sage ich überraschend ruhig, “passend mit dieser Situation umzugehen. Ich stimme Ihnen zu, dass sie angesprochen werden muss.”

“Also werden Sie mit dem Jungen REDEN, ist es das?” Severus setzt sich rasend schnell aufrecht hin vor Überraschung. Doch Funken der Wut glitzern in seinen Augen und seine Stimme ist fast ein Knurren.

“Ja, ich werde mit ihm sprechen. Sicher werde ich mit ihm sprechen. Sofern ich ihn bestrafe, werde ich es nicht so tun, wie Sie es vorgeschlagen haben, Professor Snape.” Ich atme sehr tief durch. “Ich denke nicht, dass dies angemessen wäre.”

“Nicht angemessen?” Er scheint die Wörter fast zu kauen und ihren Geschmack zu testen.

“Das ist korrekt, Severus.” Ich atme durch und zwinge meine Stimme dazu, heiter zu klingen. Normalerweise schaffe ich dies ohne bedeutenden Aufwand. Heute finde ich es ausnahmsweise schwierig.

Das erwachte Etwas in meinem Herzen bewegt sich und kommt dann vollständig zur Ruhe.

“Ich danke Ihnen dafür, auf die Situation hingewiesen zu haben”, fahre ich fort. Ich stammle und dieses mal KLINGE ich auch, als wenn ich stammle. Sehr schlecht. Mal. “Ich werde mit Minerva darüber sprechen. Ich denke, sie würde es wissen wollen. Vielleicht sollten wir dann zusammen mit ihm sprechen. Auf jeden Fall sollten wir sorgfältig nachdenken. Es ist eine sehr komplizierte Situation.”

Ich klinge wie ein entscheidungsunfähiger alter Dummkopf.

“Sorgfältig nachdenken?” Severus blickt wütend und das wütende Glitzern seiner Augen wächst.

“Ja, Wir haben Zeit. Der Junge wird sich für einige Wochen sicher im Ligusterweg aufhalten.” Die Verzweiflung treibt mich dazu, etwas wirklich Dummes zu tun, in dem Versuch eine Katastrophe abzuwenden. Eine Schublade öffnend, greife ich nach einer handlichen Tüte und biete sie Severus an. “Möchten Sie einen Zitronenbonbon?”

“Sind Sie sich sicher, dass er nicht an seiner Tante und seinem Onkel üben wird?”, zischt Severus.

Auch dafür würde ich ihn nicht verantwortlich machen.

“Ich bin mir sicher, dass wir Mr. Potter soweit trauen können.” Ich nehme mir selbst ein Zitronenbonbon. Es beruhigt allerdings nicht. Es sorgt nur dafür, dass mein Mund klebrig wird. Ein sehr schlechtes Zeichen.

Severus steht auf und beschaut sich die Portraits der früheren Direktoren und Direktorinnen, die mein Büro säumen. Sie haben alle zugehört, während sie den schlecht gelungenen Versuch gestartet haben so auszusehen, als hätten sie es nicht getan. Die meisten von ihnen sehen grimmig aus. Wie Fawkes waren sie von Harrys Vorführung immer noch mitgenommen und hatten sich noch nicht wieder erholt. Snape fand denjenigen, nach dem er gesucht hatte.

“Was denken Sie, Phineus?” Er fragt das einzige Portrait, das Slyztherinfarben trägt. “Sollte Mr. Potter ein gründliches Gespräch erhalten und vielleicht einige extra Zeilen? Selbst wenn Professor Umbridge diese exzellente Feder mit sich genommen hat, als sie ging?”

Ich beiße so hart in meinen Zitronenbonbon, dass Blut aus meiner Zunge kommt. Der Geschmack von Zitrone gemischt mit Eisen und Blut verbreitet sich in meinem Mund.

Doch seit Sirius' Tod ist Phineus nicht mehr derselbe. Er sieht Severus mit unverhohlener Missachtung an. “Oh sei leise, du armselige Karikatur eines Professors! Nimm meinen Rat an. Tu, was Dumbledore sagt und SEI LEISE!”

Severus tritt zurück, wobei er über seinen Stuhl stolpert. Er hatte offensichtlich vergessen, dass Phineus Nigellus Sirius Blacks Ururgroßvater war.

Er dreht sich langsam zu mir um, immer noch wütend.

Severus, nimm den Rat deines Hausbruders an. Bitte.

“Ich denke immer noch...”

Die Gegenwart breitet sich so schnell in meinem Herzen aus, dass ich in einem Schock gefangen bin.

Wieder fliegen mir Bilder durch den Kopf. Dieses Mal mit scharfen, kurzen Gedanken, wie Bruchstücke mit alter Doxologie.

Ein Kleinkind, friedlich in Hagrids Armen schlafend.

Hoffnung, Kummer, Herzschmerz, Entschlossenheit.

Ein Kind heult in einer Abstellkammer.

Schuld, Notwendigkeit, es tut mir Leid, es tut mir Leid, es tut mir Leid

Ein Elfjähriger, der zu seiner Einsortierung geht.

Zu dünn, zu dünn, so ernst, es tut mir Leid, es tut mir Leid

Der Spiegel Nerhegeb

Nein, nein, nein, nicht hier, oh nein

Grüne Augen erfüllt von Schmerz, von Hoffnung, Freude, Kummer

Liebe, Liebe, Liebe

Ein Vierzehnjähriger, der als Nachwirkungen eines schrecklichen Friedhofes zittert.

Liebe, Angst, Entsetzen, Liebe, Liebe, Liebe, muss ihn beschützen, muss ihn BESCHÜTZEN

Ein Fünfzehnjähriger, der vor Wut, Entsetzen und Verzweiflung zittert

LiebeLiebeLiebeHarryHarryHarryLiebeLiebeLiebeSchatzPrinzsüßerHarryLiebeEstutmirLeidESTUTMIRLEID

“Was Sie denken, ist nicht wichtig.” Meine Stimme ist kälter als sie es jemals war, seit...

//Seit dem Tag, an dem Sie die Wahrheit über mich herausfanden.//

Severus, was haben Sie getan?

Snape zuckt zurück. Jetzt plötzlich bemerkt er, dass etwas ganz gewaltig schief läuft.

Zu spät Severus. Zu spät.

“Ich bin....”

“Was Sie sind ist ebenfalls nicht wichtig.” Ich zeige auf den Stuhl. “Setzen Sie sich.”

“Dann hat Potter...”

“Seit ich der einzige Zauberer in diesem Raum bin, der noch keinen Unverzeihlichen Fluch benutzt hat, bin ich der einzige Zauberer, dessen Meinung Harrys Fall ausmacht.”

Er ist so blaß geworden, dass er ein Vampir sein könnte. Er ist bereits.... was hat Quirrel gesagt?... Harry hat es mir gesagt....

//Er rauscht herum wie eine große schwarze Fledermaus.//

Danke, Tom.

“Mir haben Sie nicht so vergeben!”

Da ist es zuletzt doch. Das von Geschwüren befallene Herz des Ganzen. Und zu weit entfernt in diesem Zerrbild einer Konversation, dass es etwas Gutes bewirken könnte.

“Sie haben es nicht verdient.”

Snape sinkt auf seinen Stuhl hinunter, sein Mund bewegt sich, doch er formt keine Worte.

Später werde ich entsetzt sein. Ich werde mich fragen, wie ich hatte tun können, was ich eben getan hatte. Ist es, weil ich müde bin? Ist es, weil ich alt bin? Ist es, weil ich immer noch unter Schock stehe, weil ich meinen wertvollen Schatz

mein Kind

mit einem Ausdruck des Hasses in den Augen schreien sehe? Oder ist es, weil ich am Ende meiner Weisheiten bin mit diesem kindischen, teuflischen, eifersüchtigen, bitteren Mann?

Der Grund ist nicht wichtig. Severus hat die unbekannte Linie meines Herzens überschritten.

Reisende seit gewarnt. Hier gibt es Monster.

“Wir müssen über ein großes Geschäft sprechen, Severus. Ja, ein sehr großes Geschäft.”


 

Kapitel 2

 

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