phoenixfedern

 

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Kapitel 14



In einer dunkleren Ecke des großen Platzes, der am Ende der Oxford Street, Londons beliebtester Einkaufs- und Cafémeile lag, apparierte ich. Unglücklicherweise direkt neben einem Muggelliebespärchen, das gerade dabei, sich zu vergnügen. "Guten Abend". Kreischend fuhren beide auseinander, sie versuchte mit hochrotem Kopf ihre Kleidung zu sortiere, und er baute sich vor mir auf. "Woher zum Teufel kommen Sie?", schnauzte er mich an. Wer wird denn gleich.. Langsam trat ich einen Schritt näher und erkannte erfreut, dass ich größer war. "Wären Sie mir sechzehn Jahre eher unter die Augen gekommen, hätte ich Sie jetzt mit Freunde gelyncht. Schade, eigentlich." Schockiert schaute der Mann mich an, und ich wußte einmal mehr, warum meine Schüler immer brav gewesen waren. Nunja, jedenfalls zu neunzig Prozent..

Mit einem letzten Blick, ganz nach bester "Ich-bin-dein-schlimmster- Alptraum-fall-auf-die-Knie-und-leck-mir-die-Stiefel"-Manier, der den Muggel nochmal zurückweichen ließ, verließ ich die Ecke und trat ins volle Neonlicht. Ich stand unter einer Reklame für irgendein Getränk, das dem geneigten Konsumenten wahrscheinlich einen Zuckerschock vierten Grades verpasst, sich sichtlich aber bestens verkauft. Verstehen werde ich die Muggel nie.. aber immerhin habe ich seit gut zwei Jahren keinen mehr getötet. Ist das nicht ein Fortschritt?

Weasley war noch nicht da. Trotz dem der Platz von ausgehwütigen Muggeln nur so wimmelte, war sichtlich kein knallroter Haarschopf dabei. Einen Weasley im Gewühl zu übersehen ist unmöglich - Fluch oder Segen? Ich jedenfalls lehnte mich an einen Laternenpfahl und betrachtete das Treiben um mich herum.

Muggel aller Sorten war hier vertreten - London ist eine Hochburg der Muggelforschung. War Weasley selbst nicht so ein Muggelfan? Mir sollte es recht sein.

"Ah, guten Abend, Mr. Snape!"

Überrascht fuhr ich hoch. Weasley hatte es doch tatsächlich geschafft, sich an mir heranzuschleichen.

"Guten Ab-", setzte ich an, drehte mich gleichzeitig um und verstummte mitten im Satz. Neben Weasley, der in dunkelblau gekleidet war, stand Harry Potter. In einer weiten Muggeljeans und einem ebenso weiten Pullover sah der Junge aus wie jeder x-beliebige Muggel - wäre nicht die Narbe. Was zum Mephistopheles hatte Harry Potter hier zu suchen?

"Guten Abend", wiederholte ich, nachdem ich Harry einmal gemustert hatte. Der Junge sah schlecht aus, und wenn sogar mir das auffiel, hatte das etwas zu bedeuten. Zu blass, zu klein für sein Alter, und fast schon dürr. War der früher auch schon so dürr? Ich wußte es nicht - für Gryffindors war Minerva zuständig. Mir hatte es gereicht, alle die magersüchtigen Slytherin-Mädchen zur Vernunft bringen zu müssen. Und das bei weitem.

"Ja.. natürlich. Ähm.. Harry.. er wollte unbedingt mit. Ich weiß nicht warum. Hat sich einfach neben die Haustür gestellt und ist keinen Zentimeter davon abgewichen. Sehr seltsam. Und naja.. da habe ich ihn mitgebracht. Stört Sie das?"

Ich musterte Potter noch einmal, zuckte dann die Schulter. "Da er nicht spricht, wird er wohl nicht nerven können. Warum also nicht." Weasley nickte. "Gut. Dann gehen wir."

Mit Potter im Schlepptau, der sich eng neben Weasley hielt, gingen wir über den Platz, überquerten die Straße und standen schließlich vor einem eleganten Restaurant. "Ich habe einen Tisch reserviert.. ähm.. ja.."

Der Portier vor der Tür musterte uns kurz, begutachtete meinen Mantel und öffnete dann die Tür. "Buonasera, Signores. Per tre?", fragte der Kellner. Italienisch. Sehr sympathisch. Weasley nickte. "Wir haben reserviert, auf den Namen 'Weasley'." Der Kellner suchte einen Moment, nickte dann. Ein weiterer Kellner begleitete uns zu unserem Tisch.

Das ganze Restaurant war in hellen Farben gehalten. Die Tischdecken in weiß, mit lindgrünen Läufern verziert, darauf rote Servietten, edles Porzellan, hohe Weinkelche, und eine sehr elegante Kundschaft. Insgesamt bot das Restaurant eine Atmosphäre, in der ich mich wohlfühlen könnte. Weasley wirkte ebenfalls zufrieden, nur Harry machte große Augen. Wer keinen Luxus gewöhnt ist, dem kann das schnell passieren. Und ob man einen Schrank als Luxus bezeichnen könnte..

"Die Karte, wünschen Sie Getränke?" Ich nickte, bestellte erst einmal Wasser, Weasley ebenfalls, und auf irgendeine Weise äußerte Harry, dass er wohl so ein seltsames zuckerartiges Getränk will. Dann widmete ich mich der Karte. Sie war komplett zweisprachig - italienisch und - französisch. Anscheinend war das in der neuen Noblesse üblich, und mehr als einmal dankte ich meiner Beessenheit für Sprachen. Weasley schien dies anders zu sehen.. "Sprechen Sie eine der beiden Sprachen?", fragte er leise. Ich lächelte. "Beide." Überrascht sah er auf. "Sprachfetischist?" Ich nickte bestätigend. "Bewundernswert. Mein Französisch reicht gerade einmal für die Speisekarte. Harry.. ähm.. ich übersetze dir, in Ordnung?" Harry nickte. Dann herrschten einige Minuten Ruhe, bis auf das leise Gemurmel Weasleys, der Harry die Karte auf englisch übersetzte.

Wenig später bestellten wir. Ich entschied mich für einen Rucolasalat, dann Tortelloni con Funghi fresci, während Weasley das Todesurteil über einen Schwertfisch in einer seltsamen Soße sprach und Harry bei den altbewährten Spaghetti blieb. Nach Absprache mit Weasley wählte ich den Wein, und entschied mich für einen schweren, tiefroten Burgunder, was seltsamer Weise Potter zu erheitern schien. Weasley grinste ebenfalls. "Einem Slytherin hätte ich eher Weißwein zugetraut." Ich zuckte nur die Schulter. Es gab Slytherin nicht mehr.

Dann wurde Weasley ernst. "Der Grund, warum ich Sie um dieses Treffen gebeten habe, ist leider ebenso schwer wie dieser Wein. Ich hoffe, dass ich Ihnen nicht die Stimmung verderbe, wenn ich nicht bis nach dem Essen warte.. aber ich befürchte, dass ich nach diesem Wein", - er hob das Glas -, "lieber keine komplexen Sachverhalte mehr erläutern sollte." Ich musste grinsen. Die Vorstellung, gemeinsam mit Weasley etwas über den Durst zu trinken war.. erheiternd. Sehr sogar.

"Ich muss gestehen, eine persönliche Anteilnahme an diesem Fall zu habe.. und von daher.. nun gut. Das Ministerium hat Pläne, Lucius Malfoy endlich und endgültig seiner Verbrechen anzuklagen. Leider hat Malfoy mehr Anwälte, als es in England geben dürfte, und bis jetzt hatte er auch genug Geld, um sämtliche Richter gefügig zu machen. Damit soll endlich Schluss sein. Da ein Grossteil der Opfer Malfoys tot sind, und die, welche noch leben eher sterben würde, als gegen ihn auszusagen.. nun ja. Sie sind wahrscheinlich der am besten informierteste Mensch, was Malfoy betrifft. Was meinen Sie, könnte man ihm alles anhängen?"

Ich lehnte mich zurück, schluckte, lachte dann bitter. "Mr. Weasley, Sie scherzen. Anhängen kann man diesem Mann ziemlich jede Grausamkeit, die ein Mensch begehen kann. Das ginge von Folter, Erpressung, Entführung, Mord, Diebstahl und Verleumdung über Urkundenfälschung und Betrug, und würde bei Vergewaltigung enden. Ihn dieser Taten zu überführen ist aber so gut wie unmöglich."

Weasley seufzte. "Gegen ihn auszusagen halten Sie nicht für möglich?" Ich musste mir ein Grinsen verkneifen. "Aussagen? Sie scherzen." Dann lehnte ich mich etwas vor. "Aussagen nützen nichts. Sollte mir Malfoy aber noch einmal über den Weg laufen, garantiere ich nicht, dass er dieses Treffen überleben würde." Weasley zog eine Augenbraun hoch. "So was nennt man vorsätzliche Tötung." Ich schüttelte den Kopf. "Selbstjustiz, Weasley. Reine Selbstjustiz. Ich habe viele Fehler begangen, bei Gott, meine Hände sind nicht sauber. Aber gegen Malfoy bin ich..", ich mache eine abwertende Handbewegung, "ein Engel. Ein schwarzer, zugegeben, aber ein Engel."

Während unseres ganzen Gespräches hatte Potter nur stumm dabeigesessen, an seinem Zeug genuckelt - eine Cola, wie Weasley mir später erklären sollte - und ließ seine Blicke immer wieder von Weasley zu mir schweifen. Weasley selbst starrte nur in sein Weinglas. Dann seufzte er. "Verdammt. Dann wird dieser Malfoy für die nächsten hundert Jahre also weiterhin frei bleiben?" Ich grinste spöttisch. "Solange er mir fern bleibt und Ihr Verein ihn nicht nach Azkaban bringt, wo er hingehört, wird er das wohl sein."

Bei der Erwähnung Azkabans war Potter schmerzlich zusammengezuckt. An was hat er gedacht? An den Hund, Sirius Black, der Hund der, verteufelt sei er, im Kampf gestorben ist? An den Werwolf, der aufgedeckt wurde und in den Kellern des Ministeriums verschwand, und von dem keiner mehr weiß, ob er noch lebt? An seine Eltern, die gestorben sind? Sirius Black, so vermute ich. Gottverdammter Hund, ist er endlich der Held geworden, der er immer sein wollte. Aber der Preis war zu hoch.

"Mr. Snape?" Verwirrt fahre ich aus meinen Gedanken hoch. "Hm?" Weasley verzieht sein Gesicht. Grinst er? Minuten später wird meine Vorahnung dementiert. Er grinst nicht, er lacht, und er fällt dabei halb vom Stuhl. Grundgütiger, habe ich rosa Punkte im Gesicht? "Ähm.. Entschuldigung.. aber.. Sie haben da etwas in den Haaren hängen.." Irritiert griff ich in meine Haare. Nachdem ich sie mir heute morgen gewaschen hatte, hatte ich sie einfach eingeflochten und mit etwas zugebunden. Und zu meinem grenzenlose Entsetzen, hatte ich anscheinend nicht darauf geachtete, mit was ich mir die Haare zusammengebunden hatte. Ich zog die Schleife auf, um mir das Band genauer zu betrachten, was zur Folge hatte, dass mein gesamter Zopf sich öffnete, und meine Haare wie ein schwarzer Vorhang vor mein Gesicht fielen.

In meinen Händen hielt ich ein rosa Samtband, bestickt mit weißen Perlen. Offensichtlich hatte es im Badezimmer gelegen, und ich hatte es nicht bemerkt. Und so war ich nicht nur durch die ganze Winkelgasse mit einem quietschrosa Band im Haar gelaufen, sondern war auch so im Ministerium erschienen. Wundervoll.

Seufzend verstaute ich das Band in meiner Tasche, und warf dann meine Haare zurück, die zu allem Überfluss auch noch leicht gewellt waren. "Entschuldigung..", murmelte ich zu Weasley hinüber. Es war ja nicht gerade üblich, in einem Restaurant seine Frisur zu sortieren, und als besonders appetitlich hätte ich es auch nicht eingestuft. Wenigstens waren sie sauber, was aber den Nachteil hatte, dass ein leichter Duft von Zitronenmelisse von ihnen ausging. Weasley schien das aber nichts auszumachen, und Harry Potter starrte mich an, als hätte ich wirklich rosa Punkte im Gesicht. "Hab ich noch irgendwelche rosa Bänder in den Haaren, oder warum starren Sie mich so an, Mr. Potter?" Überrascht schaute Potter mich an, lief leicht rosa an und schüttelte den Kopf. Dann schaute er schnell demonstrativ auf sein Glas, und tat mir dabei sofort wieder leid. Diesen Jungen hatte es schlimmer getroffen als mich, und was hatte ich besseres zu tun, als auf ihm herumzuhacken.. "Beruhigen Sie sich, Mr. Potter. Ich werde Sie nicht verspeisen, und Ihnen keine Strafarbeiten geben können. Allerdings könnten ich mich zum ersteren überwinden falls - " Nur Sekunden später hätte ich mir für diesen Satz die Zunge abbeißen können. Was war in mich gefahren? Wo war Severus Snape, der Bastard vom Dienst geblieben? Passenderweise kam genau in diesem Moment ein Kellner mit unserem Essen, und ich wurde von der Suche nach ihm erlöst.

Den gesamten restlichen Abend verbrachten wir mit leichten Gesprächen über Quidditch, über das Ministerium, über den Tagespropheten, eben über alles, nur nicht über das, was hinter uns lag. Wir erwähnten weder Sirius Black, noch Remus Lupin oder Lucius Malfoy. Wir sprachen nicht über die Trümmer unserer Seele, nicht an diesem Abend. Ob es uns zuliebe geschah oder zuliebe Harry Potters, kann ich heute nicht mehr sagen. Vielleicht hätte wir damals über sie sprechen sollen. Vielleicht hätten wir insgesamt mehr über sie sprechen sollen. Dann wäre uns vielleicht soviel Angst und Schmerz erspart geblieben. Wir konnten erst später sprechen. Als es fast zu spät war. Was wäre, wenn...

Irgendwann, es war weit nach Mitternacht - verabschiedete ich mich von Harry Potter und Mr. Weasley, übernahm die Rechnung - nach Protesten von Weasley, die ich aber schnell über Bord warf, da Weasley mehr als halbbetrunken war - und apparierte von demselben Platz wie vorher - nur diesmal ohne Liebespaar - nach Snape Manor.

Daheim angekommen warf ich meine Kleidung in die Ecke, fiel wie tot ins Bett, und bemerkte im Halbschlaf noch, dass das rosa Band aus meiner Tasche gefallen war, und auf dem Boden lag. Wütend angelte ich danach, warf es in die Luft, griff nach meinem Zauberstab und ließ es in Flammen aufgehen. Dann schlief ich endlich todmüde ein, in der Hoffnung, wieder eine traumlose Nacht zu erleben.


Kapitel 13

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