Die Schwarze Rose

 

 

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Kapitel 21: Die Enttarnung



Erzählt von Remus Lupin

"Ich will sehen!" donnerte die Stimme von Zonko dem Scherzartikelhändler. Er sass breit und fett mir gegenüber und blies mir den stinkenden Rauch seiner Zigarre ins Gesicht. Er hob sein Whiskyglas und prostet mir zu. Hustend schmiss ich meine Karten auf den Tisch. Schon wieder hatte ich eine Runde verloren. 

Heute Abend hatte ich das Bedürfnis nach Gesellschaft gehabt. Muriel war bei einem Einsatz fürs Ministerium und Severus war auch nicht aufzufinden gewesen. Also hatte ich mich auf den Weg nach Hogsmeade gemacht, um mir gemütlich ein paar Drinks zu genehmigen. Bald hatte sich eine Pokerrunde zusammen getan und da sie noch einen Platz frei gehabt hatten, liess ich mich dazu überreden mitzuspielen. 

Ich hätte es eigentlich besser wissen müssen. Noch nie war ich ein guter Pokerspieler gewesen.

Zwei Stunden später hatte ich bereits mehr verloren, als ich in einem Monat verdiente. Seufzend fuhr ich mir durch die Haare.

"Ich höre auf, Leute." sagte ich leise und resigniert.

"Was?" Zonko sah mich mit einem schmierigen Lächeln auf dem Gesicht an. "Du kannst jetzt nicht aufhören. Wir fangen doch erst richtig an. Komm schon, du wirst doch kein Feigling sein. Jetzt wird's spannend, Lupin."

Ich schüttelte den Kopf und erhob mich.

"Hey, ich habe gerade eine Glückssträhne, da kannst du nicht einfach aussteigen." Zonkos Stimme wurde schärfer. Er erhob sich ebenfalls und baute sich drohend vor mir auf. Zonko war von breiter Statur und etwa einen Kopf grösser als ich. Seine Schweinchenaugen glitzerten gierig und er ballte seine Pranken zu Fäusten. 

"Zonko," sagte ich nun und hob beschwichtigend die Hände, "ich steige aus. Daran kannst du nichts ändern. Was willst du noch? Du hast mir schon alles abgenommen, was ich hatte."

Zonkos Gesicht verzog sich zu einer Fratze. "NEIN! Ich habe noch lange nicht alles, was ich will." Er hob die Faust.

Da griff Rosmerta ein und ging dazwischen. "Zonko! Du setzt dich augenblicklich wieder hin, oder du kriegst lebenslängliches Lokalverbot, und du Remus, geh." 

Zonko setze gerade zur Verteidigung an, als ihn ein strenger Blick Rosmertas zum Schweigen brachte. Widerwillig trat er beiseite und liess sich schwer auf seinen Stuhl fallen. 

Ich verliess ohne einen weiteren Blick das Lokal. Draussen warf ich den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und atmete tief durch. Die frische Luft war eine Wohltat, nachdem ich nun zwei Stunden in dem rauchgeschwängertem Raum gesessen hatte.

Auf einmal bemerkte ich, das jemand neben mich getreten war. Ich öffnete die Augen und sah Rosmerta, die mich besorgt anblickte. "Du hättest nicht mit ihm spielen sollen, Remus", sagte sie leise und legte mir eine Hand auf den Arm. "Er hat stets die besseren Karten."

"Du hast recht", antwortete ich heiser. "Ich hab's eigentlich gewusst. Doch manchmal ist der Wunsch dazuzugehören stärker als die Vernunft."

Rosmerta nickte und umarmte mich kurz. Wir waren immer gute Freunde gewesen. Ihr hatte es nie etwas ausgemacht, dass ich nicht so wie alle anderen war. Sie legte sanft ihre Hand an meine Wange und sah mich ernst an. "Pass auf dich auf, Remus", flüsterte sie. "Und wenn du irgendwas brauchst, weißt du ja wo du mich findest. Okay?"

Sanft strich ich eine Haarsträhne, die ihr ins Gesicht gefallen war, zurück. "Danke", sagte ich leise. "Nun solltest du rein gehen und dich wieder um deine Gäste kümmern." 

Sie nickte und verschwand mit einem letzten Blick zurück, im Schankraum der ‚Drei Besen'.

Die Dunkelheit liess die leere, mit knorrigen alten Bäumen gesäumte Strasse unheimlich erscheinen. Der Mond schien hell und tauchte die Landschaft in sein kaltes silbriges Licht. Es würde nicht mehr lange dauern, bis der nächste Vollmond kam. Nur noch knapp eine Woche. Der Nachtwind strich kühl um die Häuser. Ich fröstelte und zog meinen Umhang enger um mich. 

Fast mein gesamtes Geld hatte ich heute Abend verspielt. Ich schüttelte meinen Kopf. So dämlich konnte man doch gar nicht sein. Nur weil ich nicht hatte allein sein wollen, hatte ich soviel riskiert und schlussendlich verloren. War es das Wert gewesen? Oh nein. Es waren ja trotz allem nicht wirklich meine Freunde, mit denen ich gespielt hatte. Ich war willkommen, solange ich mein Geld dort liegen liess. Verzweifelt fuhr ich mir mit einer Hand durch die Haare. Ich konnte doch schlecht zu Dumbledore gehen und ihn um einen Vorschuss bitten. "Albus, tut mir leid, ich habe mein Geld bei einem Pokerspiel verloren.." Oh nein. Nein, das war ausgeschlossen. 

Angestrengt dachte ich nach. ‚Sev,' schoss es mir plötzlich durch den Kopf. Ja, das war eine gute Idee. Ich würde Sev fragen ob er mir etwas leihen konnte.

Angetrunken, wie ich war, verspürte ich auf einmal das dringende Bedürfnis, mich zu erleichtern. Ich blickte mich um. Links von mir, war eine kleine dunkle Seitengasse. Normalerweise mied ich solche Orte, aber dies war nun wirklich ein Notfall. 

Gerade als ich meine Hose wieder schloss, vernahm ich einen leisen wimmernden Laut. Stirnrunzelnd drehte ich meinen Kopf in die Richtung aus der das Geräusch gekommen war. Wieder strich eine Windböe durch die Sträucher und Büsche, so dass nichts als das Rauschen der Blätter zu hören war. Ich schüttelte den Kopf und wandte mich um, um weiter zu gehen, doch da ganz leise, war es wieder zu hören. Es musste zwar etwas weiter weg sein, doch ich nahm es trotzdem deutlich wahr. Mein Gehör täuschte mich nie. Dies war eine der guten Eigenschaften, die die Werwolfsache mit sich brachte. 

Vorsichtig bewegte ich mich immer weiter von der Hauptstrasse weg in das Dunkel der kleinen Seitengasse hinein. Voll konzentriert horchte ich, ob das Geräusch wieder kam. Ja, da war es wieder, ganz deutlich. Etwa zwanzig Meter vor mir musste irgendwas sein. 

Aus dem Nichts sprang mich plötzlich kreischend eine rote Tigerkatze an. Erschreckt machte ich einen Sprung zurück und wehrte sie mit dem Arm ab. So rasch wie sie aufgetaucht war, verschwand sie wieder in einem Loch im Zaun. Fluchend befühlte ich meine rechte Wange. Ihre Krallen hatten einen tiefen brennenden Kratzer hinterlassen. "Verdammtes Vieh!", zischte ich ärgerlich. Das war ja wirklich ein toller Abend. 

Vorsichtig ging ich weiter. Da entdeckte ich eine zusammengekauerte Gestalt direkt vor mir an der Hauswand. "Hallo? Alles in Ordnung?", fragte ich leise, während ich langsam näher trat. 

Stöhnend bewegte sich die Gestalt etwas. Der fahle Schein des Mondes fiel nun auf ihr Gesicht und ich sah die weiss leuchtenden Haare. ‚Nein, das kann nicht...' Mein Herz begann zu rasen. "Albus?", fragte ich nun ungläubig. Mühsam hob die Gestalt den Kopf. Sofort eilte ich hin und kniete mich neben ihn. 

"Remus", sagte er heiser. "Ich... ich..." 

"Wer hat das getan?", fragte ich ihn nun und strich ihm sanft die Haare aus dem Gesicht.

"Voldemort. Er... er hat...", keuchte Dumbledore, dann glitt sein Kopf leblos zur Seite. Eine feine Blutspur rann aus seinem Mund.

‚Dieser verdammte Mistkerl', fluchte ich in Gedanken vor mich hin, während ich den schwer verletzten Mann flüchtig untersuchte. Voldemort hatte ganze Arbeit geleistet. Dumbledore schien innere Verletzungen zu haben. Rasch beschwor ich eine Trage herauf und legte den Schulleiter behutsam darauf. Ich konzentrierte mich kurz und disapparierte zusammen mit dem verletzten Mann. 


Eine Stunde später...

Vor der Krankenstation hatte ich mich an der Wand zu Boden gleiten lassen und das Gesicht in den Händen vergraben. Wie weit würde Voldemort noch gehen? Was würde noch alles geschehen, bevor ihm endgültig das Handwerk gelegt wurde?

Nach einiger Zeit spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. "Remus?", hörte ich die Krankenschwester flüstern. Ich sah auf und fragte heiser. "Wie geht es ihm?" 

Madame Pomfrey liess sich nun ebenfalls neben mir auf den Boden sinken. Müde strich sie ihre Schürze glatt. "Ich will Sie nicht anlügen, Remus. Es...", sie suchte scheinbar nach den richtigen Worten. "Sein Zustand ist kritisch. Ich kann nicht sagen, ob er die Nacht überleben wird."

Geschockt blickte ich sie an. "Aber...a-", stotterte ich. 

"Tut mir leid, Remus. Ich werde tun, was möglich ist. Den Verletzungen nach zu urteilen, wurde der Cruciatus-Fluch extrem lange aufrecht gehalten. Die meisten inneren Organe haben Schäden erlitten, die zum Teil nicht mehr zu heilen sind. Eine der Nieren ist komplett zerstört, so dass ich sie entfernen musste."

"Aber man kann doch auch mit nur einer Niere-..." Da unterbrach sie mich energisch. "Ja, kann man. Doch auch die verbliebene ist ziemlich geschädigt. Hinzu kommt, dass einer der Lungenflügel gerissen ist. Auch sein Herz wurde in Mitleidenschaft gezogen. Ich tue was ich kann, aber ich bin nicht Gott, Remus." Sie erhob sich und ging wieder auf die Station.

Einige Minuten blieb ich unbeweglich sitzen und starrte vor mich hin. Der Gedanke, dass Dumbledore vielleicht starb, erschütterte mich. Reglos starrte ich vor mich hin und befühlte die Stelle, wo diese verdammte Katze mich gekratzt hatte. Dank Pomfreys Heilkünsten war kaum mehr etwas davon zu spüren. Klar, Dumbledore war auch nur ein Mensch, aber für mich verkörperte er alles, was Hogwarts war. Wenn er nicht mehr... Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen und das wollte ich auch nicht. Mein Kopf schmerzte von dem Gedanken, was geschehen würde, wenn sich Dumbledore nicht wieder erholte. 

Ich musste mit jemandem reden. Dringend. Doch mit wem? 

Kurze Zeit später stand ich vor Sevs Büro. Ich hob die Hand, klopfte an und wartete. Nichts. Kein Geräusch, kein verärgertes ‚Ja, wer ist da?' Nichts. Nochmals klopfte ich an, diesmal heftiger, lauter, länger. Doch wieder kam keine Antwort. Auf einmal beschlich mich ein seltsames Gefühl. Was wenn Severus heute Nacht für Voldemort unterwegs war? Was wenn Severus dabei gewesen war und vielleicht selbst gar die Flüche auf Dumbledore abgeschossen hatte? Dieser Gedanke liess mich schaudern. ‚Nein, verurteile ihn nicht, bevor du nichts genaueres weißt', rief ich mich in Gedanken zur Ordnung. Langsam stieg ich die Treppen wieder hoch.


Erzählt von Severus Snape

Verzweifelt sah ich, wie Muriel sich abwandte und disapparierte. Sie überließ mich kalt lächelnd den Männern von Abteilung 7. Ich hatte schon genügend Berichte über diese Abteilung gelesen, als dass ich mir Illusionen darüber machen konnte, was mir bevorstand. 

"Los Männer, lasst uns nicht lange rumstehen. Meine Frau hat heute Geburtstag!", hörte ich Vermont schreien.

"Deine Frau ist tot, Jack. Weißt du das nicht mehr?", erwiderte einer der anderen. 

"Ich weiß dass sie tot ist, Thomas", zischte Vermont. Auf einmal lachte er hysterisch los. 

Meine Nackenhaare sträubten sich bei diesem Geräusch.

Urplötzlich erstarb das Lachen. Gefährlich leise und mit vor Zorn bebender Stimme fuhr Vermont fort: "Wie könnte ich das jemals vergessen? Wie könnte ich vergessen, was diese Schweinehunde mit ihr gemacht haben?" 

Auf der Seite liegend konnte ich nicht sehen, wo Vermont stand, so traf mich sein Tritt in den Rücken hart und unerwartet. Der Schmerz schoss durch meinen Körper und liess mich aufstöhnen. Sofort war Vermont um mich herumgetreten und rammte mir seinen Stiefel in den Magen. Dieser wurde so heftig zusammen gequetscht, dass ich mich ohne mich noch dagegen wehren zu können, übergab. Angewidert sprang Vermont einen Schritt zurück, während ich weiter würgte. Die Magensäure brannte bitter in meiner Kehle und der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen. 

"Der Scheißkerl hat mir beinahe auf die Schuhe gekotzt. Habt ihr das gesehen?", kreischte Vermont.

"Das war Absicht!", rief ein weiterer.

Ich schloss meine Augen und erwartete den nächsten Schlag, der auch prompt folgte. Die Luft entwich augenblicklich aus meinen Lungen. Während ich japsend und röchelnd versuchte Atem zu schöpfen, kniete sich Vermont auf meinen Kopf und presste mein Gesicht mit seinem vollen Gewicht in den Dreck. Der linke Ärmel meines Hemdes wurde aufgerissen. Ich spürte einen scharfen Stich und rasend schnell breitete sich ein höllisches Brennen in meinem Arm aus.

"Was... was habt ihr...", krächzte ich, als Vermont sich erhob. Da erkannte ich, wie er Thomas eine leere Spritze reichte. "Das wird ihn ruhig stellen und gleichzeitig seinen Zustand wieder etwas verbessern. Wir wollen ja nicht, daß er uns verreckt, bevor er uns alles verraten hat, was er weiß." Ich hörte wie sie lachten, doch das Lachen klang seltsam hohl und schien sich immer weiter von mir zu entfernen, wie ein Echo, das in meinem Kopf widerhallte. Langsam verschwammen die Konturen vor meinen Augen. Das Brennen in meinem Körper breitete sich immer weiter aus. Das Serum bahnte sich unbarmherzig seinen Weg durch meine Adern. Unendlich langsam glitt ich in eine kalte Dunkelheit.


Erzählt von Muriel Stern


Als ich Hogwarts betrat beschlich mich zunehmend ein seltsames Gefühl. Hatte ich wirklich richtig gehandelt? ‚Doch!' meldete sich augenblicklich eine Stimme in mir. ‚Der Mistkerl hat bekommen was er verdient!' 

Bald erreichte ich meine Gemächer und trat ein. Ich zog meinen Zauberstab und ließ die Fackeln angehen. Daraufhin richtete ich den Stab auf den Kamin und flüsterte: "Incendio". Augenblicklich loderte ein Feuer auf. Doch die Wärme die es ausstrahlte, spürte ich nicht. Zitternd entledigte ich mich meines Winterumhangs und begann die Jacke der Uniform aufzuknöpfen. 

Ein leises Klopfen an der Tür ließ mich zusammenfahren. Wer mochte das sein, um diese Zeit? Es war bereits drei Uhr morgens. 

Ich ging hinüber zur Tür und öffnete. "Remus", entfuhr es mir verblüfft. "Was tust du um diese Zeit hier?"

"Darf ich reinkommen?", fragte dieser leise. 

Jetzt erst fiel mir auf, wie schlecht er aussah. Seine Haare fielen strähnig in sein Gesicht und seine Robe war verschmutzt. "Komm rein", antwortete ich sofort und gab die Tür frei. 

Er nickte, ging an mir vorbei und ließ sich müde auf die Couch fallen. 

Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, setzte ich mich neben ihn. "Was ist geschehen, Remus?" Alarmiert sah ich in aufmerksam an. Irgendwas musste während meiner Abwesenheit vorgefallen sein. "Remus", sagte ich nochmals eindringlich und berührte seinen Arm, als er noch immer nicht reagierte.

Unendlich langsam hob er den Kopf und sah mich mit einem Blick an, der mich augenblicklich schaudern ließ.

"Es ist etwas furchtbares geschehen, Sternchen", gab er nun leise zur Antwort. Das übliche Funkeln in seinen Augen war erloschen. Kalt lief es mir den Rücken hinunter, als er mit heiserer Stimme fort fuhr: "Dumbledore ist angegriffen worden. In Hogsmeade."

Erschrocken sah ich Lupin an. "Von wem und wie..."

"Voldemort... er muss ihn unter einem Vorwand nach Hogsmeade gelockt haben." Remus strich sich die Haare zurück und bemerkte nicht, dass ich erbleichte.

‚Severus... er hat es gewusst... das hatte er mir sagen wollen..', schoss es mir durch den Kopf und ich fühlte, wie mir übel wurde.

"Er hat ihn mit dem Cruciatus-Fluch beinahe zu Tode gefoltert. Es scheint, als wäre er sich sicher gewesen, dass Dumbledore erst tot aufgefunden würde, denn sonst hätte er ihn wohl nicht lebend zurück gelassen." Lupin rieb sich mit den Händen übers Gesicht und sprach dann unbeirrt weiter. "Madame Pomfrey kümmert sich nun um Albus, aber... sie weiss nicht, ob sie ihm helfen kann. Seine inneren Verletzungen sind sehr schwer. Vielleicht wird er sterben." 

Sprachlos starrte ich vor mich hin. Ich versuchte irgendwie abzuschätzen, was das, was Lupin gerade sagte, zu bedeuten hatte. 

"Ich war vorhin unten in den Kerkern und wollte zu Sev. Aber er ist noch nicht wieder da. Vermutlich hatte er heute Nacht einen Einsatz. Hoffentlich kommt er bald zurück. Vielleicht kann er irgendwas für Albus tun. Vielleicht hat er irgend einen Trank auf Lager, der ihm das Leben rettet."

Wieder beschlich mich dieses ungute Gefühl. Remus wartete auf Severus, da ohne dessen Hilfe der Schulleiter vielleicht starb. 

Der Zeitpunkt konnte kaum ungünstiger sein, aber ich musste es ihm sagen. "Remus", begann ich nun. Er hob den Kopf und sah mich fragend an. "Severus wird heute Nacht nicht zurück kommen. Er wird vermutlich nie wieder zurück kommen. Ich habe dafür gesorgt."

Remus starrte mich ungläubig an. "Was sagst du da?"

"Wir haben ihn heute Nacht verhaftet, als er einen Todesserangriff auf einen Ministeriumsangestellten führte." Ich sah Remus unbewegt an.

Plötzlich packte er mich bei den Schultern und schüttelte mich. "Was hast du getan?", schrie er mich an. Ich erwiderte kühl Remus' brennenden Blick. In seinen hellbraunen, sonst so freundlichen Augen spiegelte sich flammender Zorn, aber das war mir egal.

"Severus," fuhr ich unbeirrt fort, "hat bekommen, was er verdient. Noch heute Nacht wird er nach Askaban deportiert. Von dort wird es kein Zurück geben."

"Was ist nur mit dir los, Muriel", antwortete Remus. "Wie kannst du den Mann, den du liebst, dem Ministerium ausliefern?" Er schloss kurz die Augen und sah mich daraufhin wieder unverwandt an. "Sag dass du keine andere Wahl hattest." Er schüttelte mich wieder heftig. "Sag dass du nicht die Möglichkeit gehabt hast, ihn zu retten."

Ein kaltes, triumphierendes Lächeln trat auf mein Gesicht. "Ganz im Gegenteil. Ich hätte ihn gehen lassen können. Doch ich wollte nicht."

Remus ließ mich urplötzlich los, als wenn er sich an mir die Finger verbrannt hätte. Er erhob sich und ging ein paar Schritte von mir weg. Wie in Zeitlupe hob er die Hände vor sein Gesicht und atmete ein paar mal tief durch.

Langsam drehte er sich wieder zu mir um, das Gesicht bleich und die Hände zitternd. "Warum", flüsterte er. "Sag mir warum du ihm das angetan hast!"

"Okay", erwiderte ich ruhig. "Du sollst es erfahren." Ich fasste in meine Haare, löste die Klammern, mit denen ich sie nach oben gesteckt hatte und schüttelte den Kopf. Die blonden Locken fielen nach unten und ich fuhr mit den Händen durch die Haare.

"Als ich diesen Todesser," ich spuckte kurz aus, "gestellt hatte, erkannte ich in ihm den selben Dreckskerl wieder, der mir letzten Sommer all dies Leid angetan hatte. Ich wollte die ganze Zeit nichts sehnlicher, als dass der Kerl für seine Verbrechen büßt. Durch einen glücklichen Umstand konnte ich ihn also schnappen und als ich ihm die Maske vom Gesicht riss, staunte ich nicht schlecht. Es war Severus. Der Mann, den ich über alles geliebt habe." Ich schnaubte verächtlich bevor ich weiter fuhr. "Er hat es die ganze Zeit über gewusst und mich zum Narren gehalten. Er hatte wohl das Gefühl, dass er mir noch nicht genug angetan hatte. Doch endlich ist dieser Spuck vorbei. Er wird in Askaban verrotten." Mein Hass auf Severus brannte in dem Moment heißer als das Feuer der Hölle.

"Oh mein Gott", flüsterte Remus.

Verblüfft sah ich ihn an, dann dämmerte es mir langsam. "Du hast es auch gewusst?", fragte ich fast tonlos und als er keine Anstalten machte, mir zu antworten, stand ich blitzschnell auf und schrie ihn an. "Du wusstest es! Du... Du.... Warum Remus? Warum hast du mir nichts gesagt?" Meine Stimme überschlug sich.

"Sternchen ich-" 

"Nein! Nein Remus! Keine billigen Entschuldigungen! Ich habe ihm vertraut! Ich habe dir vertraut! Das ist nicht fair!" Ich griff nach dem Buch, das auf dem Tisch stand, und schmetterte es mit aller Wucht gegen die Wand. Doch das half zu wenig, meine Wut abzukühlen. Mit einer raschen Armbewegung wischte ich schreiend, alles, vom Tisch, das in Reichweite war. Die Obstschale zerbarst in tausend Splitter und die Orangen und Äpfel rollten über den Fußboden.

Remus trat rasch an mich heran, legte fest seine Arme um mich und hielt mich fest. Erst versuchte ich mich dagegen zu wehren, doch als er mich nicht losließ, ergab ich mich und lehnte meinen Kopf an seine Brust. Tröstend strich er mir über die Haare und flüsterte beruhigende Worte. Eine ganze Weile hielt er mich so fest, bevor wir uns auf die Couch setzten.


Zwei Stunden später...

Der Morgen graute bereits, als Remus sich erhob und sich verabschiedete. Ich schloss die Tür hinter ihm und ließ mich im Schlafzimmer auf das Bett fallen. Lange Zeit lag ich wach im Bett, starrte an die Decke und dachte über die heutigen Geschehnisse nach. Remus hatte geschlagene zwei Stunden auf mich eingeredet um mir Severus' Situation zu erklären. 

Langsam aber sicher plagte mich mein schlechtes Gewissen. War es wirklich so, wie Remus mir gesagt hatte? Hatte Severus damals wirklich keine andere Wahl gehabt? Ich wusste, dass es so war, doch noch wollte ich es nicht wahr haben. Verzweifelt wehrte ich mich gegen den Gedanken, unrecht gehandelt zu haben. 

Severus hätte mich damals töten können. Nein, er hätte mich töten müssen und hat es nicht getan. Er hatte wenigstens einem Menschen das Leben retten können, während er die anderen Leben auslöschen musste. Severus war damit ein großes Risiko eingegangen. Und was hatte ich als Gegenleistung gebracht? Ich hatte ihn ausgeliefert. Hätte er mich letzten Sommer getötet, würde er jetzt an seinem Kaminfeuer sitzen können. Stattdessen erlebte er in diesem Moment wohl die Hölle auf Erden. Die Hölle in die ich ihn gestoßen hatte. Aus meiner blinden Rachsucht heraus hatte ich einen folgenschweren Fehler begangen. 

Ich hatte Severus verhöhnt, ihm nicht geglaubt. Schlimmer noch. Ein Tritt von mir traf ihn mitten im Gesicht und meine Männer haben ihn, auf meinen Befehl hin, aufs brutalste zusammengeschlagen. Nicht auszudenken, was die Männer von Abteilung 7 ihm diese Nacht antaten. Beim bloßen Gedanken daran lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. 
Gleich heute früh würde ich ins Ministerium gehen, um eine Besucherlizenz für Askaban zu beantragen. Ich musste ihn sehen und mir dringend einen Plan einfallen lassen, wie ich ihn wieder aus dieser Hölle rausholen konnte.

Nachdem ich mich einige Zeit ruhelos im Bett hin und her gewälzt hatte, erhob ich mich und trat ans Fenster. Der Horizont begann sich bereits Lila zu färben und die letzten Sterne verblassten. Schaudernd sah ich immer wieder vor meinem geistigen Auge, was ich Severus angetan hatte. Sah seinen fast panischen Blick, als er sich an meinen Arm klammerte, um mir zu sagen, was Voldemort Dumbledore angetan hatte. Ich sah nochmals, wie er zwischen den Auroren kniete und ich zutrat. Heiße Tränen liefen über meine Wangen, als ich mich der Wand entlang zu Boden gleiten ließ. Was hatte ich nur getan...


 

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