Die Schwarze Rose

 

 

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Kapitel 31 - Der Aufbruch




Hogwarts, 6.30 Uhr, morgens
Erzählt von Remus Lupin


Gähnend drehte ich mich auf die andere Seite. Heute war Sonntag und somit würde es lange genug ruhig bleiben, um ausschlafen zu können. Nach den Anstrengungen der letzten Vollmondnacht war ich für jede Stunde Schlaf dankbar. Ich zog die Decke fester an mich und wollte gleich wieder einschlafen, als ich ein leises Klopfen vom Fenster her vernahm.

Langsam drehte ich den Kopf und öffnete die Augen. Vor meinem Fenster saß ein Rabe, welcher unermüdlich mit dem Schnabel gegen die Scheibe pickte.

Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Dieses Vieh machte nicht den Eindruck, als würde es seine Bemühungen aufgeben und ruhig auf dem Fensterbrett warten, bis ich gewillt war, aufzustehen. Leise fluchend erhob ich mich und schlurfte hinüber zum Fenster. Wer zum Geier mochte mir um diese Zeit bereits Post schicken? Ich hatte weder ein Zeitungsabonnement noch kam mir sonst irgendwer in den Sinn, der mir schreiben sollte.

Als ich das Fenster öffnete erkannte ich die weiße Feder im rechten Flügel des Raben. „Black Moon!“ entfuhr es mir verblüfft. Rasch löste ich den Umschlag vom Bein des Vogels und riss das Papier auf.

Auf dem teuren Pergament entzifferte ich eindeutig Severus’ schwungvolle Handschrift. „Gott sei dank! Er lebt!“ Mit einem Schlenker meines Zauberstabs entzündete ich den Kerzenleuchter und setzte mich an den Schreibtisch.

Rasch überflog ich die Zeilen und runzelte die Stirn. Auf den ersten Blick hatte es wie ein gewöhnlicher Brief gewirkt, doch beim Versuch zu lesen, veränderten sich die Worte - nein, die Buchstaben vertauschten sich untereinander. „Clever Severus, ganz clever…“

Ich dachte scharf nach. Was wusste ich über die verschiedenen Zauber, mit denen man eine Codierung aufheben konnte? „Du hast keine Ahnung!“ fiel mir Severus Kommentar zu dem Thema ein und musste unwillkürlich grinsen. „Und du wirst sehen, dass ich doch mehr Ahnung habe, als du dachtest…“ murmelte ich und zog meinen Zauberstab.

Nach einer Stunde vergeblicher Arbeit warf ich meinen Zauberstab auf den Schreibtisch, lehnte mich zurück und fuhr mir frustriert durch die Haare. „Ich hasse es, wenn du Recht behältst! Verdammter Slytherin!“

Erfüllt von einer nervösen Unruhe sprang ich auf und ging in meinem Büro unermüdlich auf und ab. „Warum nur musst du immer demonstrieren, dass du besser bist als ich!?! Verdammt, Sev! Was soll diese Scheiße!?!“

„Jetzt bist du unfair“, meldete sich leise mein Gewissen. „Falls Sev wirklich bei Voldemort ist, dann ist er mit diesem Brief ein beträchtliches Risiko eingegangen!“

„Aber was nützt das, wenn ich den Brief nicht lesen kann?“

Der Verzweiflung nahe, ließ ich mich wieder auf meinen Stuhl fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Welche Teufelei hatte sich Severus hier wieder ausgedacht? Er musste einen dunklen Zauber verwendet haben, denn alle anderen, hätten sich mittlerweile offenbaren müssen. Obwohl ich mich in den dunklen Künsten sehr gut auskannte, so war es doch nur ein Bruchteil von Severus’ Wissen. Mit ihm hatte ich mich nie messen können. Er war ein Genie - ein Meister auf vielen Gebieten.

Unachtsam strich ich über das Pergament, als mich ein scharfer Schmerz die Hand unwillkürlich zurückziehen ließ. „Verdammt! Blödes Papier!“ Ich hatte mich an den scharfen Kanten des Blattes geschnitten.

Mein Zeigefinger blutete und während ich nach einem Taschentuch angelte, fiel ein Blutstropfen auf den Brief. „Nicht doch“, zischte ich. Wenn ein Tag schon so verkorkst anfing, dann konnte es nur noch schlimmer kommen. Doch da geschah plötzlich etwas merkwürdiges mit dem Brief. Die Tinte begann sich zu verflüssigen und zog sich in der Mitte des Pergaments zu einer dunkelblauen Pfütze zusammen. Das Pergament begann magisch zu leuchten und die Tinte bildete neue Worte, welche über das Blatt huschten und sich an vorbestimmten Orten aufstellten.

Wie gebannt starrte ich auf das Papier. Erst nach und nach erfasste ich, was dort geschrieben stand. „Verflucht!“ entfuhr es mir.

Hastig zog ich mich an, warf den geflickten alten Umhang über, griff nach dem Brief, steckte den Zauberstab ein und verließ meine Räume.


13 Stunden später…

Erzählt von Severus Snape

Eisig kalt lief das Wasser über meinen Körper. Der scharfe Strahl, der aus der Brause schoss tat mir fast weh. Ich hielt die Augen geschlossen und stützte mich an der Wand ab. Wie ich doch kaltes Wasser eigentlich hasste….

Nach ein paar Minuten drehte ich den Hahn zu und griff nach dem Handtuch. Ohne Eile trocknete ich mich ab und warf einen Blick in den Spiegel. Meine Lippen waren leicht bläulich vor Kälte, aber mein Verstand war nun messerscharf. Für die kommenden Stunden würde dies auch nötig sein. Verdammt nötig.

Ich verließ das Bad und ging hinüber in mein Schlafzimmer. Fein säuberlich lag meine Todesserkleidung auf dem Bett. Eine schwarze Hose, ein ebensolches Hemd und der Umhang aus diesem unglaublichen Stoff. Luftig und doch widerstandsfähig. Gemächlich zog ich mich an. Betont langsam erledigte ich jeden Handgriff, als könnte ich damit die Zeit aufhalten. Die Nervosität, die langsam in mir aufkeimte, versuchte ich damit in Schach zu halten und zurück zu drängen.

Ich setzte mich auf mein Bett, schloss die Augen und atmete ein paar Mal tief durch. Im Geist ging ich nochmals durch, was ich heute Abend tun würde und ich spürte, wie sich mein Magen rebellisch zusammen zog. Zum einen schien es mir falsch und zum anderen doch richtig. Doch die Zeit, alles genau gegeneinander abzuwägen hatte ich nicht. Ich musste das tun, was von mir verlangt wurde.

Langsam erhob ich mich und ging hinüber zur Kommode mit dem Spiegel. Dort standen die beiden Phiolen. Die eine bernsteinfarben, mit dem leisen Duft nach Honig, die andere tiefblau, der Duft bitter und hässlich. „Wie mein Leben…“ dachte ich bei mir und ließ die beiden Fläschchen in meine Tasche gleiten.

Einen Moment starrte ich in die Augen meines Spiegelbilds. „Du hast die Kraft! Du schaffst es!“ sagte ich fest, stieß mich von der Kommode ab und verließ meine Räume.

Erhaben ging ich die Treppen hinunter und hielt vor der Tür zu Voldemorts Empfangssaal inne. Ich atmete kurz durch, öffnete mit einem Ruck die Tür und trat ein.

Die anderen Todesser waren bereits anwesend. Etwa vierzig Stück, schätzte ich.

„Ah, mein Giftmischer!“ rief der Lord und der Kreis teilte sich, so dass ich ungehindert vor den Lord treten konnte. Ich fiel auf die Knie, küsste den Saum seines Umhangs und erhob mich wieder.

„Guten Abend, Meister!“

Auf sein Nicken, trat ich an seine Seite und der Kreis schloss sich wieder. Kurz ließ ich meinen Blick über die Anwesenden schweifen. Malfoy stand zu meiner Linken. Ich lächelte ihn aufgesetzt an und er warf mir einen tödlichen Blick zu. Bis auf ein paar Ausnahmen kannte ich alle der Anwesenden. Es war der Innere Kreis. Vermutlich waren die paar, die ich nicht kannte, Ersatz für solche, die gefallen waren, im Kampf gegen das Ministerium und die ‚feine’ Gesellschaft.

„Meine verdienten Todesser, seid mir Willkommen! Es ist mir eine besondere Freude, dass heute unser Giftmischer wieder bei uns sein kann. Böse ist ihm mitgespielt worden. Durch einen Verräter und durch ein Team, das ihn im Stich gelassen hat, ist er in die Fänge des Ministeriums geraten.“

Ein Raunen ging durch die Reihe der Todesser.

„Unsägliches wurde ihm angetan, doch vor dem Schlimmsten konnten wir ihn glücklicherweise bewahren. Was nicht zuletzt meinem genialen Plan und auch dem Einsatz eines Sonderteams zu verdanken ist.“

Rufe der Bewunderung, einer Lobpreisung gleich, wurden laut. Doch der Lord hob die Hände, um die Todesser zu beruhigen. „Dies ist eine besondere Nacht“, fuhr er fort. „Die heutige Nacht steht unter dem Stern der Rache. Heute wird Vergeltung gesucht für all das Schreckliche, was Askaban verkörpert, was unserem Giftmischer angetan wurde. Daher steht auch ihm allein die Ehre zu, die Rache zu vollstrecken. Es ist uns gelungen, die verantwortliche Person ausfindig zu machen und herzubringen. Doch nun will ich Euch nicht länger auf die Folter spannen. Hier ist die Peron, die unseren Giftmischer so schändlich hintergangen hat.“

Der Lord klatschte in die Hände und die Doppeltür wurde aufgerissen. Zwei Todesser brachten Muriel herein.

„Darf ich vorstellen? Muriel Stern! Eine Aurorin der übelsten Sorte!“ rief der Lord über den Lärm der aufgeregten Todesser hinweg.

Der Kreis öffnete sich und ließ die Drei passieren. Stolz und scheinbar furchtlos, ließ sich Muriel in die Mitte geleiten. Ein leises Bedauern stieg in mir auf. Es hätte so anders laufen können. Doch nun war es zu spät. Zu spät für ein ‚Wenn’ und ‚Aber’, zu spät für ein ‚Bedauern’ und zu spät für ein ‚Wir’.

In der Mitte des Kreises zwangen die beiden Todesser Muriel auf die Knie. Sie warf ihren Kopf in den Nacken und pustete sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. In ihren Augen brannte ein Feuer, welches ich nur zu gut kannte: Hass!

„Ich habe keine Angst vor dir, Voldemort!“ sagte sie beherrscht. „Was du auch tust, ich fürchte mich nicht vor dir.

„Och…“ gab der Lord theatralisch zurück. „Das verletzt mich jetzt aber zu tiefst.“ Einige Todesser lachten und der Lord trat weiter vor. „Aber weißt du was? Es ist nicht einmal nötig. Denn es ist nicht an mir, Rache zu üben. Schade um so ein schönes Kind wie dich.“ Er ließ seinen knochigen Finger über ihre Wange gleiten. Mit einer raschen Bewegung, entzog sich Muriel der Berührung. Der Lord jedoch war mit einem raschen Schritt hinter sie getreten und ließ nun seine Hände begehrend durch ihre Haare fahren. „Wie bedauerlich - so schön und so wohlriechend und voller Leben.“

„Du widerst mich an! Nimm deine Drecksfinger von mir!“

Mit kaltem Blut sah ich dem Schauspiel zu.

„Ah, die Wildkatze ist erwacht. Kein Wunder, dass dir mein Giftmischer erlegen ist. So feurig und temperamentvoll. Auch im Bett?“ Der Lord warf mir einen kurzen wissenden Blick zu und bewegte sich dann wieder um Muriel herum. „Oh ja…. ich kann es mir vorstellen, es förmlich spüren!“

„Du verkommener Mistkerl!“ zischte Muriel.

„Oh…. ich könnte dir beweisen, dass dem nicht so ist. Ich mag Kätzchen, die ihre Krallen zeigen. Schade nur, dass wir wohl nicht mehr die Gelegenheit dazu haben werden. GIFTMISCHER!“ Er wirbelte zu mir herum. „Darf ich dich bitten?“ Und grinsend gab er den Kreis frei.

„Danke Meister!“ Nun war es an mir, zu tun, was meine Aufgabe war. „Ich zog die erste Phiole aus meiner Tasche. „Wie schon lange versprochen, hier nun die Königin der Nacht. Ein sehr alter und etwas ‚spezieller’ Trank. Im Grunde genommen, war er eine Fehlentwicklung. Damals war man per Zufall auf ihn gestoßen. Man hatte eigentlich einen Trank gesucht, der das schwächliche Herz des Oberhaupts der Byzantiner stärken und ihn somit kurieren sollte. Die besten Tränkemeister weit und breit wurden für diese Aufgabe nach Byzanz zitiert. Ein ganzes Jahr lang wurden Tränke zusammengerührt, getestet und Rezepturen verändert, bis man glaubte, die richtige Mischung gefunden zu haben. Jedoch weil ein Lehrling per Zufall oder vielleicht war es einfach nur Tölpelhaftigkeit, eine falsche Zutat in den fast fertigen Sud gekippt hat, hat das Elixier welches dem betreffenden Oberhaupt sein Leben hätte verlängern sollen, einen ziemlich schmerzhaften Tod bereitet.“

„Komm zur Sache, Giftmischer!“ unterbrach mich der Lord.

„Okay, was ich eigentlich sagen wollte ist, dass es mir gelungen ist, den über die Jahrhunderte fast vergessenen Trank, nachzubrauen. Ganz langsam schleicht er durch den Körper, die Adern, die Blutgefässe, bis er endlich an sein Ziel gelang: Das Herz. Dort wird er systematisch mit der Zersetzung beginnen.“

Ich spürte den Schrecken, der während meiner Ausführungen den anderen Todessern in die Glieder gefahren ist, fast körperlich. Lächelnd ging ich nun auf Muriel zu. Sie sah mich mit angsterfülltem Blick an.

„Meine Liebe, warum plötzlich so ängstlich? Du kennst mich doch, nicht wahr?“ fragte ich mit zuckersüßer Stimme. „Du hättest wissen müssen, was geschehen kann, wenn man sich mit einem Tränkemeister einlässt.“ Sanft strich ich ihr ein letztes Mal über die Haare. „Der Lord hat recht. Es ist eine Verschwendung. Schade, dass es notwenig wurde.“ Ich entkorkte die kleine Flasche und roch daran. „Mmmmhh… wie verführerisch der Tod doch sein kann…“

Muriel begann sich zu wehren, doch die beiden Todesser hielten sie mit eisernem Griff fest.

„Was ist denn? Möchtest du denn nicht kosten?“

„Severus! Bitte!“ rief sie. „Tu das nicht. Lass dich durch diese Monster nicht zum Mörder machen.“

„Aber aber, meine Liebe. Ich dachte, dass du schon lange wüsstest, dass ich ein, ah…. ich hasse das Wort… ein Mörder bin. Ich sehe mich eigentlich eher als Künstler. Ja. Du stirbst durch eines meiner Kunstwerke. Ist das nicht toll? Du schreibst Geschichte!“

Auf mein Zeichen trat ein weiterer Todesser vor, griff in Muriels Haare und riss ihren Kopf nach hinten.

„Hier meine Liebe. Trink!“ Mit einer raschen, geübten Bewegung öffnete ich ihren Mund und schüttete ihr den Trank ein. Ein kurzer Zauber zwang sie dazu, den Trank zu schlucken. „Braves Mädchen.“ Ich bedeutete dem Todesser, dass er ihren Kopf loslassen und zurücktreten konnte.

Sanft strich ich über ihre Wange. „Verzeih mir, aber so sind die Regeln.“ Ich hauchte ihr einen letzten Kuss auf die Stirn und trat zurück.

Der Lord lächelte mich zufrieden an und alle warteten gespannt. Leise rannen die Tränen über Muriels Wangen. Ihr Blick brannte sich tief in mich, bis in meine Seele. Und da wusste ich, dass ich diesen Moment nie in meinem Leben vergessen würde.

Auf einmal schrie Muriel schmerzerfüllt auf. Der Schrei hatte kaum mehr etwas menschliches an sich. „Jetzt könnt Ihr sie loslassen“, wies ich die beiden Todesser, die sie noch immer festgehalten hatten an. „Tretet zur Seite!“ Die Todesser ließen sie los und Muriel fiel schlaff zu Boden. Fast augenblicklich, begann sich ihr Körper unter Muskelkrämpfen zu winden.

„Gut gemacht, Giftmischer!“

Ich nickte dem Lord lächelnd zu, denn nun wusste ich, auf welche Seite ich gehörte.

 

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