Schwarzer Samt

 

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Kapitel 1



"Severus?"

Es hat an meiner Tür geklopft. Laut und deutlich zu hören. Kein Erstklässler, der möchte, dass seinem Haus einige hundert Punke abgezogen werden, klopft so. Auch kein Schüler, der noch irgendeine dämlich Frage hat. Und vor allem würde niemand um diese Uhrzeit an meiner Tür klopfen. Wer also sollte da vor meiner Tür stehen? Albus? Sein Klopfen klingt sanfter. Dieses Klopfen war fordernder. Nachdem ich vergeblich versucht habe, es zu ignorieren, füge ich mich in mein Schicksal und stehe auf, um die Tür zu öffnen.

Ein Blick auf meine alte Pendeluhr sagt mir, dass ich stundenlang gearbeitet habe. Nicht, dass es eine schöne Arbeit ist, Schüleressays zu korrigieren, aber was soll man machen? Selbst mir macht es keinen Spaß, Arbeiten mit Punktzahlen, die eigentlich ins Minus gehen müssten, zu unterschreiben. Mein Körper schmerzt, die Beine sind steif und ich habe Kopfschmerzen. Sollte jetzt die falsche Person vor der Tür stehen, wird es Tote geben, das schwöre ich. Natürlich ein Lehrer, sonst duzt mich keiner, wofür ich dankbar bin. Es wäre ja noch schöner, wenn die Schüler ... Seufzend mache ich mich auf den Weg zur Tür, um sie zu öffnen.



~*~




"Lupin?"

Besonders erfreut klingt er nicht. Was habe ich erwartet, dass er die Tür aufreißt und mich zu einer Tasse Kaffee einlädt? Höchstens, wenn ihm jemand Drogen in den Kaffee geschüttet hätte. Und das hätte höchstwahrscheinlich niemand überlebt. Außer vielleicht Dumbledore, der ein bisschen Schuld daran trägt, dass ich hier stehe.

Es war sein müder Blick, in dem soviel Trauer lag, nachdem Severus heute morgen beim Frühstück kurz auftauchte, um sich für fünf Minuten hinzusetzen, in eine Tasse Kaffee zu starren, und danach aufzuspringen und wieder zu verschwinden. Zum Mittagessen ist er erst gar nicht erschienen, und beim Abendessen wiederholte sich das Frühstücksszenario. Und das geht nun seit einer Woche so. Und jedes Mal, wenn er wieder nichts isst, werden Dumbledores Augen ein bisschen trauriger. Es ist scheußlich, mitanzusehend, wie jemand, der so herzlich ist, wie der Direktor, leidet, wenn jemand, dem er sich persönlich angenommen hat, leidet. Denn Severus leidet daran, wenn vielleicht auch nur physisch. Selbst durch seine weiten, schwarzen Roben merkt man, dass er immer dünner wird. Er läuft langsamer als sonst. Was will er, verhungern? Ich nehme an, dass sein Verhalten eine Art Selbstfolter ist. Nur dass er damit nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umgebung foltert. Seine Konzentration wird immer schlechter, seine Laune ist noch miserabler als sonst - auch wenn es böse Zungen gibt, die behaupten, dass das nicht möglich wäre - man merkt förmlich, dass er an sich selbst zugrunde gehen wird.

Und warum bin ich jetzt hier? Weil ich will, dass er aufwacht. Ich war nie ein großer Freund von ihm, schon seit Schultagen nicht, aber seit ich hier bin, tue ich mein bestes, um wenigstens mit ihm auszukommen. In letzter Zeit wird es immer besser, auch wenn ich einfach befürchte, dass er keine Kraft mehr für seine üblichen, bissigen Kommentare findet. Wenigstens macht mir es das leichter, an ihn heran zu kommen.



*~*




"Darf ich reinkommen?"

Lupin, und das um diese Uhrzeit und vor meiner Tür. Habe ich schon mal heute an Selbstmord gedacht? Nein? Dann wird es höchste Zeit. Nicht, dass ich was gegen Besuch habe, nein, meiner geselligen Natur passt diese späte Störung ja perfekt. Man spürt die Ironie? Gut. Also, Bilanz des heutigen Tages: Müdigkeit, Kopfschmerzen und Lupin vor meiner Tür. Katastrophe.

Und er sieht entschlossen aus, nicht so, als ob er sich dort heute noch einmal wegbewegen würde. Perfekt. Seufzend gehe ich einen Schritt zurück, und gebe ihm den Weg in mein Zimmer frei. Er lächelt mich an, sichtlich erfreut darüber, dass ich ihn nicht gleich wegjage und geht in mein Wohnzimmer. Dort lässt er sich vor dem Kamin in einem der beiden Sessel nieder und zückt eine Flache Wein, die ich vorhin gar nicht bemerkt habe. Rotwein.



~*~




Anscheinend hat er sich meinem Besuch gefügt. Er sieht sogar leicht erfreut aus, als ich eine Flasche seines Lieblingsweines auf den Tisch stelle. Mit hochgezogenen Augenbrauen verschränkt er die Arme, nur um gleich darauf die Schultern zu zucken und zwei fein geschliffene Weinkelche hervorzuzaubern, die er auf den Tisch stellt und sich selbst in den zweiten Sessel fallen lässt. Ich lächele in seine Richtung, woraufhin er nur wieder eine Augenbraue hochzieht und sich zurücksinken lässt.

"Was verschafft mir die Ehre deines Besuches?"

Ich lächele. Auch wenn die Stimme so kalt ist wie immer und von Ironie geradezu trieft, ich höre sie gerne. Es ist eigentlich eine Schande, dass jemand mit so einer wundervollen Stimme sie nur dazu einsetzt, andere Menschen einzuschüchtern. Er weiß genau um die Wirkung seiner Stimme, schließlich ist es ihm immer wieder gesagt worden, und er kann sie perfekt einsetzen. Dumbledore hat mir einmal erzählt, dass er früher Voldemorts Verhörer war. Man stelle sich vor, man steht unter Veritasserum und wird von jemandem verhört, der so brillant ist wie er und dazu noch eine solche Stimme hat. Manchmal bin ich verdammt froh, dass ich niemals in Voldemorts Händen war.



*~*




"Ich wollte mir dir reden"

Ich ziehe eine Augenbraun hoch.

"Sehr ausführliche Antwort, Lupin. Hier bin ich. Rede."

Aus Gewohntheit ist meine Stimme eiskalt. Ich mag es, mit meiner Stimme zu spielen, und zu beobachten, welche Wirkung sie auf andere Menschen hat. Ich habe Tonlagen, mit denen ich einen Schüler lediglich durch das Aussprechen seines Namens in wahre Todesangst versetzen kann. Die Palette reicht weit - eiskalt alle Tonlagen. Stimmen sind etwas gefährliches - man kann sich zu leicht durch sie verraten. Ich höre an den Stimmen meiner Schüler immer, was sie gerade fühlen. Ein leichtes Zittern in der Stimme, Trotz, Wut, Entschlossenheit, Angst. Man hört alles heraus. Auch, ob jemand lügt. Ich habe in meinen Jahren, als Verhörer Voldemorts gelernt, zuzuhören, eine Fähigkeit, die nur sehr wenige Menschen besitzen. Aber gerade, weil ich das weiß, achte ich darauf, meine Stimme immer perfekt unter Kontrolle zu haben. Bei Voldemort, aber auch hier. Nur bei Albus ist es nutzlos. Er dürfte der einzige Mensch sein, der weiß, wie meine Stimme klingt, wenn ich am Boden bin. Das Zittern, das dann darin liegt. Er weiß auch, wie sie klingt, wenn ich offen reden kann, von mir, von anderen. Wenn ich ehrlich bin, mit dem, was ich sage. Wie ich loben kann. Denn dann klingt meine Stimme wie schwarzer Samt. Ganz ohne Kälte ...



~*~




Ich hole tief Luft.

"Über dich."

Für eine Sekunde schließt er die Augen, öffnet sie wieder, und sieht mich an. Die Flammen spiegeln sich in dem Schwarz seiner Augen, die völlig ausdruckslos sind.

"Warum?"

Ich seufze. Das wird schwer, sehr schwer werden. Aber ich habe nicht erwartet, dass es leicht wird. Oder? Vielleicht habe ich es gehofft.

"Ich mache mir Sorgen um dich."

Wieder die hochgezogene Augenbraue, seine Standardgeste. So arrogant, dass sie Sirius immer in den Wahnsinn treibt. Sein Markenzeichen. Schon solange ich ihn kenne. Und das ist schon eine ganze Weile ... Ein Zeichen, dass er mich entweder nicht ernst nimmt oder ich ihn verunsichert habe.

"Sehr informativ. Und deswegen störst du mich um diese Uhrzeit? Nur um zu sagen, dass du dir Sorgen machst? Wundervoll. Ich weiß es, du kannst gehen."

Er meint es nicht ernst, das höre ich. Es ist eine Schwankung von Nuancen in seiner Stimme, die ein normaler Mensch nicht gehört hätte. Dank meines Werwolfgehörsinns habe ich sie bemerkt. Selten, aber gelegentlich nützt mir dieser unsägliche Zustand sogar noch etwas. Wer würde so etwas denken ...



*~*




"Du erscheinst nicht mehr in der Großen Halle. Bei den Lehrerversammlungen sitzt du in irgendeiner Ecke und schweigst. Nicht, dass du sonst gesprächig wärst, aber ganz still bist du nie. Von Harry habe ich gehört, dass du im Unterricht nicht mehr so bissig bist wie sonst. Du ziehst Gryffindor nicht mehr so unsäglich viele Punkte wegen lächerlichen Gründen ab. Was ist los?"

Jetzt auch noch ein Vortrag, ich bin begeistert. Es stimmt, ich bin 'zahmer' geworden. Es ist mir schlicht und einfach zu anstrengend, lange mit den Lehrern herum zu diskutieren. Dass ich Potter weniger Punkte abziehe, ist selbst mir nicht aufgefallen. Ein Umstand, den ich morgen ändern werde.

"Danke für die Mitteilung. Das heißt, ich werde morgen wieder dafür sorgen, dass Gryffindor mit Minuspunkten am Ende des Schuljahres dasteht. Minerva wird sich freuen. Danke, du kannst gehen."

Ich fasse es nicht. Lupin lacht. Sitzt da, in meinem Sessel, vor meinem Kamin und lacht. Lauthals. Und was fast noch schlimmer ist, meine Kopfschmerzen winden sich unter seinem Gelächter. Es pocht, überall. Was würde ich jetzt für einen Trank gegen Kopfschmerzen geben. Gott sei Dank habe ich noch einen in meiner Robe..



~*~




Ich lache. Die Äußerung kam so voller Sarkasmus bei mir an, dass ich nicht anders kann. Severus verzieht nur das Gesicht und greift in seine Robe, um eine Phiole mit einer schwarzen Flüssigkeit zutage zu fördern. Müde streicht er sich einige Haare aus der Stirn und entkorkt das kleine Fläschchen.

"Was ist das?"

Ich bin neugierig. Hoffentlich ist es nur ein Mittel gegen Kopfschmerzen ... und was, wenn nicht? Er legt die Stirn in Falten.

"Ich muss dich enttäuschen, ich werde es überleben."

Dann setzt er das Fläschchen an und trinkt es aus. Er stellt es ab, schließt die Augen, atmet durch. Dann hebt er die Hand, um sich die Stirn zu reiben. Ich hatte Recht, Kopfschmerzen. Als er merkt, dass ich ihn ansehe, lässt er schnell die Hand sinken. Sich nur keine Blöße geben. Zum Mephistopheles mit seinem Stolz ...



*~*




Zum Glück hilft der Trank schnell und zuverlässig. Eine Eigenerfindung - Not macht erfinderisch.

"Warum sagst du so was? Mich enttäuschen, weil du überlebst? Als ob sich hier jemand freuen würde, wenn du tot bist. Alle machen sich Sorgen. Minerva, ich. Albus leidet."

Ich schaue hoch. Lupin sieht etwas wütend aus, aufgewühlt auf jedenfalls. Aha, er will mich retten. Daher weht der Wind. Wann begreifen sie endlich, dass man mich nicht retten kann?

"Gib es auf, Lupin."

Ich winke ab, stehe auf, um ihn vor die Tür zu bringen. Anscheinend sieht er das anders, denn er springt ebenfalls auf, geht einen Schritt auf mich zu. Zu meinem Glück. Wäre er nur einen Meter weiter weg von mir, hätte er mich nicht fangen können.



~*~




Er steht auf. Anscheinend soll ich gehen. Aber mich wird er so schnell nicht los, weswegen ich ebenfalls aufstehe, einen Schritt auf ihn zugehe, um ihm die Hände auf die Schulter zu legen, und ihn auf seinen Sessel zu drücken. Aber dazu komme ich nicht. Ich stehe gerade direkt vor ihm, als sein Blick auf einmal leer wird, sein Gesicht noch weißer als es sowieso schon ist. Und dann kippt er einfach um. Erschrocken strecke ich die Arme nach vorne, so dass er gerade auf mich fällt und ich ihn festhalten kann.

Er ist entsetzlich leicht, so leicht, dass ich ihn einfach festhalten kann. Zwar schwanke ich einen Meter zurück, aber ich kann ihn halten, damit er nicht auf den Boden fällt. Trotzdem er so leicht ist, kann ich ihn nicht lange halten und muss ihn erst einmal irgendwo ablegen.

"Verdammt ..."

Langsam lasse ich mich zusammen mit ihm auf den dicken, weichen Teppich gleiten. Sicherlich wird er gleich wieder aufwachen. Eine kurze Ohnmacht, infolge seiner Verweigerung, etwas zu essen. Jedenfalls hoffe ich das jetzt noch. Schließlich ziehe ich ihn in meine Arme, stehe vorsichtig auf und trage ihn in sein Schlafzimmer. Dort lege ich ihn auf sein Bett, stütze seine Kopf mit einigen Kissen, ziehe ihm die Schuhe aus, decke ihn mit einer leichten Decke, die über den dicken Daunendecken liegt, zu. Dann sitze ich einfach da und schaue ihn an. Soll ich Albus informieren? Oder Poppy? Severus würde mich umbringen.

Am Ende beschließe ich, lediglich erst einmal einen kalten Waschlappen zu holen. Als ich aus dem Bad zurückkomme, mit einer kleinen Schüssel kalten Wassers, die ich dort gefunden habe, und einem Waschlappen, hat er sich, entgegen meiner Hoffnung, um keinen Millimeter bewegt. Ich tauche den Waschlappen in das Wasser, und wische damit seine Stirn ab.

Als ich seine Ärmel aufkrempele, um mit dem kalten Wasser die Handgelenke zu kühlen - irgendjemand hat mir einmal erzählt, dass man damit einen Ohnmächtigen aufwecken oder zumindestens den Puls stabilisieren könnte, war es Lily? - bemerke ich die vielen Narben auf seinen Armen. Einige sind klein, einige groß. Frischere und ältere. Auf dem linken Unterarm spüre ich genau, wo sich das dunkle Mal befindet. Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken hinunter, als ich sanft mit den Fingerspitzen darüberfahre. Grausam. Mein Geist will damit Bilder assoziieren, ich höre die Stimmen von James und Lily und so vieler anderen, die ich gekannt habe, und die Voldemort zum Opfer gefallen sind. Aber ich lasse nicht zu, dass ich davon überrumpelt werde. Ich reiße meine Gedanken zurück, in die Gegenwart, zu Severus. Ich bin ratlos. Dann beschließe ich, Albus zu informieren.



*~*




Als ich mein Bewusstsein wiedererlange, merke ich, dass ich auf meinem Bett liege, und dass mir schrecklich kalt ist. Lupin muss neben mir sitzen, denn ich spüre die Anwesenheit von ihm. Versuchsweise strecke ich mich, und zu meiner Verwunderung funktioniert es. Ich spüre, dass Lupin aufstehen will, sich aber sofort wieder hinsetzt, als er meine Bewegung bemerkt.

"Severus?"

Ich atme tief ein. Dann öffne ich vorsichtig die Augen. Zu meinem Glück ist es ziemlich dunkel im Schlafzimmer. Nur zwei Kerzen brennen, eine auf meinem Nachttisch und eine an der Tür zu meinem Wohnzimmer. Meine Ärmel sind hochgekrempelt. Zu meinem Entsetzen. Ich will mich aufstützen, habe aber keine Kraft dazu. Schließlich lasse ich es sein, und sinke zurück in die Kissen. Durch meine halbgeöffneten Augen sehe ich, dass Lupin sich über mich beugt. Man sieht ihm an, dass er sich Sorgen macht. Das ist schlecht. Niemand soll sich um mich sorgen ...



~*~




Zu meinem Glück wacht er auf. Ich hatte schon befürchtet ... Langsam öffnet er die Augen, als hätte er Angst vor dem Licht. Dann versucht er sich aufzustützen, fällt aber wieder zurück in die Kissen. Kraftlos. Dann bemerkt er, dass seine Ärmel hochgekrempelt sind. Kurz steht Entsetzen in seinem Blick. Ich beuge mich über ihn, und er schließt wieder die Augen. Seine Maske ist abgefallen. Er hat keine Kraft mehr, sie aufrechtzuerhalten. Jetzt erst sehe ich die tiefen, schwarzen Augenringe, die eingefallenen Wangen. Er sieht furchtbar aus.

"Warum?"

Sanft streiche ich mit den Fingerspitzen über die Narben auf seinem Arm. Er zuckt zusammen, aber er kann meiner Berührung nicht ausweichen. Seine Haut ist eiskalt. Ich lege den nassen Lappen zurück in die Schüssel. Dann öffnet er wieder mühsam die Augen.

"Eine Überreaktion auf das Kopfschmerzmittel, Schlaflosigkeit, Folgen des Cruciatus, Überarbeitung ..."

Seine Stimme ist schwach, klingt aber neutral, als er aufzählt, warum er zusammen gebrochen ist. Der Fluch ... Wenn ich jetzt Voldemort begegnen würde, wahrscheinlich würde ich ihn mit bloßen Händen erwürgen.

"Nicht das. Das hier.."

Wieder streiche ich mit den Fingerspitzen über die Narben. Durch meine Berührung zittert er kurz auf, dann zieht er vorsichtig den Arm weg. Kraftlos schüttelt er den Kopf. Seine Augen fallen zu.

"Ich bin so müde ..."

Ganz leise flüstert er die Worte, dann schläft er ein. Mein Entschluss ist gefasst, ich bleibe heute Nacht hier. Schnell stehe ich auf, um durch das Feuer Dumbledore zu informieren. Als ich zurückkomme, schläft er immer noch, hat sich aber keinen Zentimeter vom Fleck bewegt. Ich entdecke im Schlafzimmer einen Kamin, entzünde ein Feuer darin und setze mich wieder auf das Bett.



*~*




Als ich meine Augen wieder öffne, ist es immer noch Nacht. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe, aber es hat gut getan. Ich fühle mich immer noch kraftlos, zu schwach um aufzustehen oder länger zu sitzen, aber immerhin flimmert nichts mehr vor meinen Augen. Im Zimmer ist es dunkel, nur noch die Reste eines Kaminfeuers glimmen leicht in der Dunkelheit. Als ich mich umdrehen will, fallen mir zwei Dinge ein. Erstens, dass ich bis auf meine Robe und meine Schuhe komplett bekleidet bin, und zweites, dass ich nicht allein in meinem Bett liege. Nicht, dass ich noch nie mit einer zweiten Person im Bett aufgewacht wäre, aber wenn ich nicht weiß, wie diese Person dahin kam, wird es bedenklich. Als ich vorsichtig schaue, wer da neben mir, in eine Decke gewickelt, liegt, stelle ich fest, dass ich die Person sehr wohl kenne, dass das Aufwachen neben ihr aber nicht zu meinen Wunschträumen gehört. Neben mir liegt Remus Lupin. Fantastisch. Wenigstens nicht Black, sonst hätte ich wahrscheinlich einen Herzinfarkt gehabt. Aber zugegeben, neben dem besten Freund seines Erzfeindes aufzuwachen ist eine Erfahrung für sich. In dem Moment, als ich ihn gerade anstarre, erwacht er. Setzt sich auf, schüttelt den Kopf und begreift dann, im selben Moment wie ich, was am vorherigen Abend vorgefallen ist. Ich lasse mich wieder zurück in die Kissen fallen, werde von einem Schwindelanfall dazugezwungen, die Augen zu schließen. Lupin gähnt herzhaft.

"Wie geht es dir, Severus?"

Er klingt müde. Hat er wirklich die ganze Nacht auf mich aufgepasst?

"Gmrpf."

Zu längeren Ausführungen bin ich nicht in der Lage. Und selbst bei diesem kurzen Gefühlsausdruck spüre ich, dass meine Stimme zittert.



~*~




Seine Stimme zittert. Und nicht nur sie. Sobald er wieder in die Kissen fällt, fängt auch er an zu zittern, unkontrolliert. Eine Spätfolge des Cruciatus-Fluches. Dumbledore hat mir einmal davon erzählt. Wird eine Person allzu häufig damit belegt, zittert sie. Ist es wirklich so schlimm mit ihm?

"He ... he ... komm her ..."

Ich bin komplett hilflos. Was macht man mit jemandem, der unkontrolliert zittert und sichtlich Schmerzen hat? Was würde ich wollen, wenn es mir so ginge?

Seine Hände krallen sich in die Laken, die Augen hat er geschlossen. Ich weiß noch nicht einmal, ob er noch bei Bewusstsein ist. Was soll ich tun?

Am Ende entschließe ich mich dazu, ihn einfach festzuhalten. Ich bin immer warm, im Winter scherzt Sirius gerne, dass man mich als Heizung benutzen könnte, und Wärme tut ihm sicher gut. Da ich immer noch neben ihm liege, rutsche ich einfach näher an ihn heran und ziehe ihn in meine Arme. Er leistet keinen Widerstand, sondern lässt sich einfach umarmen. Sein Körper ist eiskalt. Zum Glück lässt das Zittern nach einer langen Weile nach und irgendwann wird seine Atmung leichter und ich bemerke, dass er in meinem Arm eingeschlafen ist. Normalerweise würde ich ihn jetzt wieder loslassen, aber er hat sich mit einer Hand in meiner Brust gekrallt. Daraus schließe ich einfach, dass er Nähe braucht und ich beschließe, ebenfalls noch einmal einzuschlafen.

Als ich wieder aufwache, halte ich ihn immer noch im Arm. Seine ganze Kleidung ist nassgeschwitzt, und meine nicht weniger zerknittert und ebenfalls verschwitzt. Sanft löse ich seine Hand von meiner Brust, stelle fest, dass sie nicht mehr kalt ist und lege ihn zurück in die Kissen. Dann setze ich mich auf, warte kurz, strecke mich und gehe ins Bad. Durch das kleine Fenster fällt Sonnenlicht in den Raum.

Nachdem ich mich ein bisschen gewaschen habe und meine wild durcheinander wirbelnden Gedanken etwas sortiert habe, gehe ich zurück. Severus ist aufgewacht. Er sitzt im Bett, an die Kissen gelehnt und schaut mich an.



*~*




Bei Merlins Knochen, habe ich wirklich in Lupins Arm geschlafen? Ich weiß nur noch, dass ich auf einmal gespürt habe, wie die Schmerzen des letzten Cruciatus durch meine Knochen gekrochen kamen und die Schmerzen einsetzten. Wenigstens glaube ich, nicht geschrieen zu haben, das hätte ich mir nicht verziehen. Und das? Mein Image gegenüber Lupin ist ruiniert. Aber ich denke, dass ich das verkraften kann.

Besonders gut sieht er nicht aus, ich möchte jetzt möglichst auch nicht wissen, wie ich aussehe. Wahrscheinlich nur wenig schöner als Voldemort. Manchmal bin ich von Lupin überrascht. Von einem Gryffindor erwartet man, dass er noch endlich bei einem bleibt, und endlos fragt. Lupin scheint anderes vorzuhaben.

"Guten Morgen. Wie gehts?"

Er lächelt. Ich lege den Kopf schief, räuspere mich und hoffe, dass ich Kontrolle über meine Stimme habe.

"Es geht wieder."

Meine Hoffnung ist vergebens. Wenigstens zittert sie nicht mehr. Lupin legt erst den Kopf schief, dann die Stirn in Falten.

"Dumbledore weiß Bescheid, wir unterrichten heute beide nicht. Ich gehe jetzt, schlaf noch. Gute Besserung."

Dann geht er ins Wohnzimmer, sammelt seine Sachen zusammen. Und ich bin verblüfft.



~*~




Er sieht besser aus. Erschöpft, sehr erschöpft, aber besser. Ich bin müde, freue mich auf mein Bett. Wie gut, dass wir heute beide nicht unterrichten müssen, davon abgesehen, dass er dazu gar nicht in der Lage wäre.

Ich weiß genau, dass er jetzt allein sein will. Typisch Snape eben. Es ist ihm mit Sicherheit peinlich, dass er in meinem Arm geschlafen hat. Aber ich glaube, dass er das braucht. Ein bisschen Nähe nur. Mehr nicht.

Nachdem ich ihm erklärt habe, dass er nicht unterrichten muss, gehe ich ins Wohnzimmer, um meine Sachen zu holen und danach in meine eigenes Quartier zu gehen. Hoffentlich laufe ich weder Harry noch Ron oder Hermine über den Weg, ich hätte jetzt keine große Lust auf ein Interview. Als ich gerade aus der Tür gehen will, höre ich, dass Severus aufsteht und mit kleinen Schritten im Türrahmen erscheint. Er lehnt den Kopf dagegen, streicht sich die schweißnassen Haare aus der Stirn.

"Danke, Remus."

Seine Stimme klingt wie schwarzer Samt.


Kapitel 2

 

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