Die Schwarze Rose 2

 

 

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Kapitel 4: Unruhige Wasser

 



Als Severus erwachte, blickte er in die blauen Augen von Albus Dumbledore.

"Wie geht es dir heute, Severus?" Echte Besorgnis lag in der Stimme des alten Zauberers. Severus wollte antworten, aber er konnte nicht. Seine Stimme war einfach nicht da, nur ein unverständliches, reibendes Krächzen, gefolgt von einem rasselnden Hustenanfall, der ihn völlig überrascht und außer Atem nach Luft schnappen ließ.

"Ruhig, nur ruhig. Hier, mein Sohn, trink etwas. Das wir dir gut tun." Der Direktor ließ einen Arm stützend unter den Nacken des kranken Zauberers gleiten und hob seinen Kopf ein wenig an, so daß er die dampfende Tasse mit Kräutertee, die Dumbledore in der anderen Hand hielt, erreichen konnte. Der Tee duftete nach Salbei und Honig. Er war wirklich durstig. Er hätte einen ganzen Fluß austrinken können. Aber nach ein paar wenigen Schlucken war er sogar zum Trinken zu müde. Wieder schloß er schloß die Augen und sank zurück in die weichen Kissen, während die unerwartete Anteilnahme des Schulleiters ihn wie eine wärmende Decke umschloß. Dumbledore hatte ihn ‚Sohn' genannt ...

***



Das nächste Mal, als er erwachte, war Dumbledore nicht da. Aber er konnte eine leise schnarchende Gestalt erkennen, die im Sessel neben dem Kamin saß. Die milde Wintersonne schien durch das enge Fenster und er sah ein Stück Himmel, einen Streifen unbefleckten Azurs. Blau wie Dumbledores Augen. Das ihm fremde Zimmer war klein und spärlich möbliert. Aber es war auf keinen Falle einer der Räume im Krankenflügel, das wußte er. Außer dem Bild einer einsamen, zerklüfteten Küste mit aufgewühltem Meer, das einen scharfen Kontrast zu dem sonnigen Wetter draußen bildete, waren hier keine persönlichen Dinge oder Dekorationen. Vielleicht ein Gästezimmer? Auf dem Nachttisch standen viele Phiolen mit verschiedensten Heiltränken darin, und dankbar entdeckte er dort auch eine große, mit Tee gefüllte Tasse. Es war wieder diese Salbei-Honig-Mischung, und der Tee war noch warm.

Severus setzte sich ein wenig auf und griff nach der Tasse. Plötzlich spürte er, daß er auch sehr hungrig war. Aber er wollte die schlafende Hexe nicht wecken. Statt dessen lehnte er sich zurück und genoß den Tee und die Stille. Sie würde früh genug vorüber sein, dessen war er sich sicher. Sie würden ihn wieder verhören, all die Bilder von brennenden Häusern aufstören, von Muggeln, die sich vor Schmerzen krümmten, von Zauberern und Hexen, die mit einem einzigen Strahl grünem Lichts getötet wurden. Und vom Dunklen Mal, das höhnend das samtige Schwarz des Nachthimmels verschandelte. Nein, er wollte jetzt nicht daran denken. Er wollte diese kurze Zeit der Stille, die ihm geschenkt worden war, bevor er in seine persönliche Hölle zurückkehren mußte, genießen. Nur ein paar Minuten Frieden ...

Aber die Bestie in seinem Geist war bereits erwacht und ließ eine Woge von Selbsthaß und Schuldgefühl über ihn hinweg rollen, die nicht mehr einzudämmen war. Gnadenlos und mit voller Wucht brach die Flut über ihn hinein. Zitternd im Tumult der Emotionen schloß Severus die Augen. Schweißperlen traten auf seine Stirn, und er stöhnte in Verzweiflung.

***



Das Geräusch von unterdrücktem Schluchzen vermischt mit keuchendem Husten weckte sie aus ihrem Schlummer.

"Severus?" fragte Professor McGonagall leise, ihren Blick auf die Stelle gerichtet, von der die Geräusche kamen. Der kranke Zauberer hatte sein Gesicht in den weißen Kissen vergraben, und sein ganzer Körper zitterte vor Erregung.

"Was ist los, Severus?" Minerva kam zum Bett und legte beruhigend einen Arm um die Schultern des verzweifelten jungen Mannes.

"Der Kuß. Ich will den Kuß", flüsterte er heiser, einen weiteren rasselnden Hustenanfall unterdrückend.

"Du weißt nicht, wovon du sprichst! Du redest im Fieber, Severus", rief die Professorin aus, tief schockiert über Worte, die sie soeben gehört hatte.

"Nein, ich verdiene es. Ich habe schreckliche Dinge getan. Sie kommen zurück und verfolgen mich ..." Noch mehr Schluchzen und Husten, das kein Ende nehmen wollte.

"Bitte, versuch dich zu beruhigen, du machst dich nur noch kränker. Ich hole Madame Pomfrey. Sie wird dir etwas geben, damit du schlafen kannst."

***



Als die Medihexe das Krankenzimmer betrat, fand sie ihren Patienten in Minervas Armen vor, wo er sich fast die Seele aus dem Leib hustete. Er war leichenblaß, sein hageres Gesicht glänzte vor Schweiß und noch nicht getrockneten Tränen, und seine pechschwarzen Augen waren fiebrig und voll von Schmerz und Verzweiflung.

Madame Pomfrey hatte inzwischen eine ganz gute Ahnung davon, was in den aufgewühlten Gedanken ihres Patienten vor sich ging. In seinen Fieberträumen hatte er viel gesprochen. Meist ziemlich unzusammenhängendes Zeug. Aber dennoch hatte sie eine Menge über ihn erfahren. Daß sie tatsächlich richtig mit ihrem Verdacht gegen Severus' Vater gelegen hatte, zum Beispiel. Der Junge war nicht die Treppe herunter gefallen, sondern war so schlimm geschlagen worden, daß er fast an den Verletzungen gestorben wäre. Und das von seinem eigenen Vater. Sie hatte damals mit Albus über ihre Befürchtungen gesprochen, aber keiner von ihnen hatte etwas unternommen, um den Jungen vor seinem gewalttätigen Vater zu schützen. Warum nur hatten sie nichts getan? Weil er nur ein hoffnungsloser Slytherin war? Weil er in der Nockturngasse aufgewachsen war und schon bevor er nach Hogwarts kam mehr Flüche kannte als die meisten anderen Schüler bei ihrem Schulabschluß? Hatten sie den Jungen von Anfang an aufgegeben, sie, Dumbledore und der Rest des Lehrerkollegiums? Und jetzt war er ein Todesser geworden, ein Mörder, der das Mal von Du-Weißt-Schon-Wer trug. Sie hatte gesehen, wie das häßliche Brandzeichen auf seinem bandagierten Arm nachgewachsen war, so klar und bösartig wie zuvor ...

Wie nannte man es noch? - Pygmalion Effekt, ja, das war es. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Sie hatten erwartet, daß Severus der Schwarzen Magie verfallen würde, daß er sich dem Feind anschließen würde, und er hatte ihre Erwartungen erfüllt. Und sie hatten nie auch nur versucht es zu verhindern, keiner von ihnen. Waren auch sie schuldig?

"Ich denke, ich werde das ein oder andere Wort mit Albus darüber zu wechseln haben", murmelte Pomfrey zu sich selbst, dann näherte sie sich dem Bett und zog eine weitere Phiole mit einer hellblauen Flüssigkeit aus ihrer Schürze.

"Hier, trink das, mein Junge. Es wird die Alpträume vertreiben und den Husten dämpfen." Es war eine Kombination aus Schlaftrank und Hustensaft, um einiges stärker, als ihr lieb war, aber der junge Mann war so aufgewühlt, daß ein milder Sud von Baldrian kaum ausreichen würde. Sie würde seinen Schlaf genau beobachten müssen, damit sie mögliche negative Effekte auf seine Leber gleich bemerken und entsprechende Gegenmaßnahmen treffen konnte. Also wieder eine schlaflose Nacht. Sie seufzte. Glücklicherweise fingen bald die Weihnachtsferien an und nur eine Handvoll Schüler würden in der Schule zurückbleiben, so daß sie ausreichend Zeit und Ruhe haben würde, verpaßten Schlaf nachzuholen. Wenn diese vertrackte Sache vorüber war.

"Sie können jetzt gehen, Minerva, Sie wollen doch sicher das letzte Quidditch-Match nicht verpassen, oder? Es ist Gryffindor gegen Ravenclaw, nicht wahr?

"Aber Sie haben schon die ganze Nacht hier verbracht, Poppy, Sie sollten sich ausruhen."

"Das werde ich, das werde ich. Severus wird mindestens bis morgen Früh schlafen wie ein Engel, so daß ich mir auch das ein oder andere Nickerchen genehmigen kann. Nur keine Sorge. Und genießen Sie das Spiel!"

 

 

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