Sonne, Mond und Blitz

 

 

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Kapitel 21: Zukunftsgedanken



Das Fest hatte sich bis tief in die Nacht gezogen. Dumbledore hatte deshalb für den nächsten Tag, da es sich wohlweislich um einen Sonntag handelte, statt Frühstück ein Brunch anberaumt. Einige Schüler sahen um diese Uhrzeit trotzdem noch ziemlich verschlafen aus. Am Tisch der Ravenclaws wurde eifrig über das Quidditchspiel diskutiert, jeden Moment ihres Sieges wieder und wieder ausgekostet. Wann hatten sie je schon mit 200 Punkten geführt. Sie ernteten dafür von den Hufflepuffs vereinzelte vernichtende Blicke. Doch im ganzen waren auch sie stolz darauf, an einem so denkwürdigen Tag dabei gewesen zu sein. Die Slytherins waren erstaunlich still. Crabbe und Goyle schaufelten Unmengen von Essen in sich hinein und bemerkten anscheinend nicht, dass Draco Malfoy ungewohnt bleich und geknickt aussah, fast wie am Schuljahresanfang. Bei den Gryffindors hielt Hermione einen Vortrag über die Wirkung von Vielsafttrank und erzählte denen, die es hören wollten, wie sie so schnell erkannt hatte, dass Snape und Solaris durch andere ersetzt wurden... Ron hielt sich vor Lachen den Bauch und begann dann mit Harry einzelne Szenen des Wettkampfs zu besprechen. Es wäre sicher nützlich auch ein paar der Flüche zu lernen, die am Vortag zum Einsatz kamen...

Am Lehrertisch saß Choschäch und unterhielt das Kollegium mit einer großen Sammlung an Anekdoten. Er hatte in Hogwarts übernachtet, nachdem er das Fest in vollen Zügen genossen hatte. Er hielt Dumbledore schon einige Zeit in Beschlag, doch war diesem nicht entgangen, dass weder Professor Snape noch Solaris erschienen waren. Er machte sich Sorgen. Als er sich gerade loseisen wollte, betrat Snape den Raum. Er ging aufrecht, mit federndem Schritt, doch sein Gesicht war ungewöhnlich fahl und sein Blick seltsam abwesend. Ohne großes Aufsehen zu erregen bewegte er sich auf seinen Platz zu. Dumbledore hielt ihn am Ärmel fest und zog ihn zu sich.

"Alles in Ordnung mit Ihnen? Sie sehen etwas mitgenommen aus..."

"Es war gestern ein anstrengender Tag!"

"Ich weiß, Severus," flüsterte er, "ich mache mir Sorgen um Solaris, sie ist noch nicht erschienen..."

"Sie schläft noch, sie hatte eine-" Snape erstummte unter Dumbledores Blick.

"Gut zu wissen, dass es ihr soweit gut geht... kommen Sie nachher in mein Zimmer, wenn Choschäch abgereist ist, dann können wir in Ruhe reden..."

Snape setzte sich auf seinen Platz und aß gedankenverloren eine Semmel ohne Belag. Das letzte Stück zerbröselte er zwischen seinen Fingern. Er hatte keine Ahnung, wie er mit den Gefühlen umgehen sollte, die ihn in dieser Nacht aufgewühlt hatten. Nichts würde mehr so wie vorher sein. Er würde Familie haben, Kinder... Er würde noch so lange Jahre mit Voldemort zu kämpfen haben, keinen schnellen Sieg, wie er es erhofft hatte. Er...

Dumbledore beobachtete sein Minenspiel und registrierte, dass da etwas besonderes geschehen sein musste. Dafür, dass zwei Menschen nun endlich zusammen gefunden haben könnten, sah er nicht glücklich genug aus. Er seufzte, er musste sich noch etwas gedulden... Choschäch hatte wohl gar nicht vor schnell wieder nach Hause zu kommen...



Solaris wollte gar nicht zum Essen erscheinen. Ihr war schlecht und sie erbrach sich ein paar Mal beim Versuch ein paar Kekse zu essen. Sie saß auf dem Bett. Sie ließ die vergangene Nacht Revue passieren und lächelte in sich hinein. Severus... sie sah ihn fast zum Anfassen real vor sich, sie vermeinte seinen Geruch wahrzunehmen, seine Haut zu spüren, sein Haar, sein schwarzes Haar, sein... graues Haar... Sie fröstelte. Dieser Voldemort würde ihre Liebe wohl immer überschatten. Was würde er ihnen wohl noch alles antun? Angst kroch in ihr hoch und sie fühlte sich allein. Wie sollte es weiter gehen? Snape hatte ihr seine Liebe gestanden, doch wie... Sie würden Kinder haben... die Erinnerungen von ihrer ersten Geburt kamen ihr hoch und Panik beschlich sie. Sie wünschte sich jemanden an ihre Seite, der ihr weiterhelfen konnte... eine Frau wie ihre Mutter... eine Freundin...

Es klopfte an der Tür. Dann trat Madam Pomfrey ein. 

"Ich habe Sie schon in Ihrem Quartier gesucht, aber da Sie weder dort noch beim Essen waren, dachte ich mir, ich schau mal hier vorbei... Kindchen Sie sehen entsetzlich aus." Pomfrey öffnete ihre Tasche und begann Solaris ruhig und routiniert zu untersuchen.



Draco Malfoy stand auf dem Astronomieturm und blickte über die Ländereien Hogwarts. Laue Luft strich über seine Wangen. Er atmete tief durch. Gestern war er für ein paar Stunden in Solaris Körper gewesen und hatte sie gleichzeitig von innen und von außen betrachtet. Er hatte den Wettkampf verfolgt und dabei einen inneren Schmerz gespürt, den er vorher nicht gekannt hatte. Er hatte das Gefühl gehabt, dunkle Kräfte würden Stück für Stück von ihm Besitz ergreifen, ihn einhüllen, ihn durchdringen. Er spürte wie er sich wehren wollte, wie er Kräfte mobilisierte, die er nie zuvor erfahren hatte, wie er in sich und zugleich nach außen kämpfte, immer weiter ums Überleben. Er hatte gespürt wie sich plötzlich etwas verändert hatte nach diesem entsetzlichen Cruciatus. Es war als hätte er alle Last abgeworfen, er hatte Lust am Spiel, am Gewinnen, am Wehtun, die Gedanken waren klar und frei. Und plötzlich war die Verbindung abgerissen. Er sah Snape und Solaris und hatte das Gefühl, jemand würde ihn in den Magen schlagen. 
Er hatte für einen kurzen Moment auch Snapes inneren Aufruhr spüren können. Zuviel für ihn. Er war weit weg von ihrer Welt. Das war ihm klar geworden. Zuerst war er traurig und eifersüchtig. Deshalb hatte er singen müssen. Deshalb hatte er mit Snape nicht reden können. Heute war ein anderer Tag und er hatte eine Ahnung davon, dass auch er einmal Zugang zu dieser Welt finden würde. Er hatte eine andere Dimension gestreift, er war komplett aufgewühlt, er würde mehr Dinge im Leben erfahren können als er sich vorgestellt hatte. Er würde mit Solaris reden, ob auch für ihn ein Platz in ihrer Welt vorgesehen war. Sie würde kommen, dessen war er sich sicher. Ihr Blick war eindeutig gewesen. Er hielt die Chance einmal, in ihre Rolle zu schlüpfen ,für keinen Zufall. Er war bereit für neue Schritte. Er sog das Grün der Felder und Wiesen in sich auf. Er lauschte dem Gesang der Vögel und er vermeinte sogar Walter, den Hippogreif schnauben zu hören. Er ließ sich von der Lebendigkeit überrollen.



Dumbledore war in seinem Sessel eingenickt, als es klopfte. Er schrak kurz hoch, dann rief er freundlich "herein!" und richtete sich auf. Er lächelte. Professor Snape hatte seinem Gesuch eilig Folge geleistet. Es musste ihm einiges auf der Seele brennen. Er zeigte auf einen weiteren Sessel ihm gegenüber als Snape den Raum betrat.

"Setzen Sie sich doch, Severus!"

Snape zögerte kurz, dann nahm er Platz. Er schaute Dumbledore still an. Wie sollte er beginnen?

Dumbledore sah seinen inneren Kampf und eröffnete das Gespräch:

"Gestern war ein ganz besonderer Tag. Ich bin sehr stolz auf Ihre Leistung, Sie haben sich das nächste Schuljahr als Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste redlich verdient. Ich hatte nun wirklich den Eindruck, Sie hätten sich gut im Griff..."



Ein Lächeln schlich sich über Snapes Gesicht. Das hatte er fast vergessen. 

Dumbledore hakte nach: "Wir sollten uns in nächster Zeit Gedanken darüber machen, wie wir das am besten gestalten. Es würde wohl zu viel, wenn Sie zwei Fächer unterrichteten. Also, müssten wir Zaubertränke wohl ausschreiben... "



Snapes Gesicht verfinsterte sich. Darüber hatte er nie nachgedacht. Er hatte immer davon geträumt Verteidigung zu unterrichten, doch jetzt schien es ihm ein Sakrileg jemanden Fremden die Kunst lehren zu lassen, in der er zum Meister fortgeschritten war. Jemand würde sein Labor benutzen, seine Schränke öffnen, auf seinem Pult Tränke anfertigen...



"Abschiedsschmerzen, Severus?", deutete der Direktor sein Minenspiel. "Sie haben wohl nie ernsthaft geglaubt, Sie würden die Stelle je bekommen?"

"Ich bin nun so lange der Meister der Zaubertränke, all meine Freizeit, all meine Forschung habe ich darin investiert, es hat mich erfüllt, doch erst jetzt, da ich neue Wege gehen kann, wird mir mir bewusst, wie sehr ich darin aufgegangen bin. Die Vorstellung, nie mehr Fiebertrank für die Krankenstation zu brauen, nie mehr neue Kreationen zusammenzustellen kommt mir so eigenartig vor..."

"Nun, Sie sind doch nicht aus der Welt, Severus, auch in Ihrem neuen Fach werden Sie mit Tränken arbeiten und niemand hindert Sie, sich in Ihrem neuen Zimmer entsprechend einzurichten..." Dumbledore lachte freundlich. "Ich sehe, Sie brauchen noch Zeit, sich damit auseinander zu setzen. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht wegen des Unterrichts in Troidamagie?" 

Snape lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen, dann beugte er sich zu Dumbledore vor: "Ich habe mit Solaris einen Entwurf für einen Kurs erarbeitet, der besonders für Anfänger im Fach Tränke gedacht ist. Es geht darum mit den Zutaten besonders vertraut zu werden. Daneben haben wir an Steigkurse für Begabte gedacht. Doch ist uns noch nicht so ganz klar, wie wir das machen können, weil wir nicht wissen, wie weit diese Magie ohne eine Initiation vermittelbar ist. Wir wollten demnächst eine Versuchsreihe starten. Solaris hat sich dazu Gedanken gemacht..."

Dumbledore hatte bemerkt, wie sich Snape zunehmend verspannt hatte. Es war Zeit auf den Punkt zu kommen und dem Lehrer Gelegenheit zu bieten, etwas von dem breiten Gefühlsspektrum, das ihn bewegte, freizulegen, damit die Spannung ihn nicht zerriss. "Ich habe das Gefühl, Sie sind mit Ihren Gedanken ganz woanders. Möchten Sie darüber reden?"

Snape schaute ihn stumm an. Er leckte sich über die Oberlippe und lehnte sich wieder zurück.

Der Direktor versuchte es noch einmal anders. "Sie können mir nicht weismachen, dass Sie der gestrige Tag, der Kampf, in den letztendlich ich Sie gezwungen habe, spurlos an Ihnen vorüber gegangen ist. Ich dachte, das könnte Ihnen vielleicht auch Klarheit über Ihre Beziehung zu Solaris verschaffen..." Es blickte dabei Snape direkt in die Augen.

"Das ist Ihnen auch gelungen", begann Snape langsam. "Ich frage mich..."

"Ja?"

"...ob in Hogwarts Platz ist für einen Lehrer mit Frau und drei Kindern..." Er hatte diesen Satz ganz schnell geäußert, damit ihn Dumbledore nicht unterbrechen konnte. 

Dumbledore blickte ihn erstaunt durch seine Brillengläser an. Würde Snape etwa scherzen? Nein, er sah ernst aus. Er sah so aus, als hätte er den Satz am liebsten wieder zurückgenommen. Da musste wirklich etwas geschehen sein... Er rückte nach vorne und berührte den Lehrer sanft am Arm. "Wenn ich Ihnen das bejahe, erzählen Sie mir dann was geschehen ist?"

"Es ist sehr persönlich..."

"Severus, Sie müssen nichts tun, was Sie nicht wollen... vertrauen Sie mir, es gibt für alles Wege..."

"Ich bin mir sicher, dass Solaris wirklich zu mir gehört... ich will mit ihr... alt werden..." er räusperte sich "ich meine zusammensein, bis dass der Tod..." Er verstummte. Dumbledore bemerkte, dass er gegen Tränen ankämpfte.

"Erzählen Sie es mir, Severus, vielleicht schafft es Ihnen Erleichterung..."

"Solaris ist... ich werde Vater...", schleuderte Snape forsch dem Direktor entgegen.
Dieser wartete ruhig. "Ich kann das kaum fassen. Sie war schwanger und hat gegen mich gekämpft... ihr hätte etwas passieren können! Als sie da lag... so leblos... ich dachte, ich würde mein Leben verlieren. Ich liebe sie von ganzem Herzen. Es war mir nie so klar wie in diesem Moment. Sie ist diese Nacht zu mir gekommen und es war mir wirklich egal, wie Sie das sehen würden. Wenn es hier keinen Weg gibt, werde ich Hogwarts verlassen. Ich liebe sie..." 

Dumbledore lächelte, als er den trotzigen Blick Snapes sah. Er stand nun endlich für seine Gefühle ein, er war bereit seine Liebe gegen ihn zu verteidigen. Er schaute Snape tief in die Augen und fragte dann betont: "Warum, Severus, sehe ich Sie nicht überglücklich vor Freude, sondern verletzlich und eigenartig in sich gekehrt... Sie haben auch von drei Kindern gesprochen, ich habe gut zugehört... Sie wollten mir etwas sagen, dann tun Sie es bitte auch!"

"Es war nur ein Traum..."

"Erzählen Sie!"

Als Snape von der Vision zu erzählen begann, verstand er, warum der Lehrer so verwirrt war. Er blickte ihn ruhig und freundlich an. So würde er seine Geschichte auch zuende bringen. Snape war aufgesprungen und tigerte beim Reden im Zimmer auf und ab. Er rekapitulierte das ganze zuallererst für sich noch einmal. Unbemerkt war Dumbledore auf ihn zugetreten. Als Snape geendet hatte, packte er ihn sanft bei den Schultern und zwang ihn aufzuschauen. 

"Sie haben eine Menge zu verarbeiten, Severus Selinófotos Snape, und ich kann Ihre innere Regung nachvollziehen. Doch Sie sind nicht allein damit. Vertrauen Sie mir. Reden Sie mit mir..."

Snape blickte ihn offen an. Er fühlte sich unendlich erleichtert, nachdem er ausgesprochen hatte, was ihn bewegte. In der Nacht hatte er seine Ängste verdrängt, er hatte die Liebe schmecken wollen, das Leben und er war im Glück versunken. Er lächelte in Gedanken an die Begegnung mit Solaris. Das war es, was zählte. 

Dumbledore sah die Veränderung an Snape und nahm ihn herzlich in den Arm. Er freute sich unendlich. Sein Sorgenkind hatte nun endgültig seinen Platz gefunden, seine Heimat und Familie. Und es würde Babygeschrei in Hogwarts geben... Das letzte, das er gehört hatte, war schon lange her... Potter war nun auch schon ein junger Mann geworden... Dumbledore ließ langsam los und lächelte Snape mit einem belustigten Augenzwinkern an. "Lassen Sie mich mal überlegen...," er grinste tatsächlich, "wir könnten die Kerker ausbauen... in eine komfortable Souterrainwohnung..." sein Grinsen verbreiterte sich noch als er Snapes Reaktion sah, "doch da hallt das Geschrei so... außerdem sollten Ihre Kinder vielleicht nicht ganz so bleich wie ihr Vater aussehen... am geschicktesten ist es, Sie beziehen den leerstehenden Südturm, da haben Sie genug Platz und Licht...."

Snape schaute ihn dankbar an. Alles fügte sich zu seinem Gunsten. Er hatte seinen Weg gefunden und nun ein Zuhause für seine Familie. "Ich will diese Verbindung besiegeln, alle sollten wissen, dass Solaris zu mir gehört... Solaris und Severus Snape...", murmelte er mehr vor sich hin. 

"Haben Sie ihr das gesagt?"

Snape senkte lächelnd die Augen in Erinnerung an diesen Moment. "Ja."

"Ich gratuliere Ihnen, Severus, ich freue mich, dass Sie Ihren Weg gefunden haben, und... kommen Sie zu mir, wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, manchmal kommt man weiter, wenn man andere an seinen Gedanken teilhaben lässt. Wir stehen auf derselben Seite. Sie sollten aufhören, in mir den Vorgesetzten zu sehen, der Ihr Leben bestimmt und dem Sie in irgendeiner Weise verpflichtet sind. Es wäre mir lieber, Sie sähen einen Freund und Vertrauten in mir, der mit Ihnen in die gleiche Richtung geht. Wir beide wollen, denke ich, das Beste für Hogwarts, das Beste für die neuen Generationen an Zauberern und Hexen, die mit und nach uns diese Welt erobern und gestalten." Er schwang seinen Zauberstab und hielt daraufhin eine Flasche des Hauschampagners in der Hand. "Wollen wir darauf anstoßen?"

Snape schluckte den Klumpen, der sich in seinem Hals gebildet hatte, herunter und nickte. Er holte Gläser aus Dumbledores Schrank, während dieser den Korken knallen ließ. 

"Auf ein Du in diesem Sinne, Severus, auf Freundschaft und Brüderschaft?", fragte Dumbledore, als er sein Glas erhob. 

Snape erhob sein Glas ebenfalls und prostete Dumbledore zu: "Deine Freundschaft ist mir sehr viel wert, Albus, es ist... es..."

"Willkommen im Leben, Severus, ich bin froh, dich an meiner Seite zu wissen. Komm, lass uns trinken... und dann solltest du wohl nach Solaris schauen..."


Kapitel 20

 

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