Sünden der Väter

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


Kapitel 10:
Hamburg



Wer hatte nur diesen grandiosen Einfall? Severus Snape war sichtlich gereizt nach dem etwas holprigen Flug. Ihm hatte fliegen noch nie wirklich zugesagt, und diese Art des Fliegens vermochte nicht, diese Abneigung zu ändern. Noch dazu diese ‚Turbulenzen', wie sie die Muggel nannten, und die Tatsache, dass er genau jenen die Kontrolle über dieses ‚Flugzeug' und damit sein Leben anvertrauen musste. Severus hasste das Gefühl der Hilflosigkeit ungefähr genauso wie diesen ich-muss-wieder-was-anstellen-um-im-Mittelpunkt-zu-bleiben Potter. Nun, er würde nicht vergessen, sich bei Albus angemessen zu bedanken.

Während der Zaubertränkemeister murrend Richtung Ausgang ging, was ihm dank der englischen Anweisungen leichter viel, als erwartet, gesellte sich ein gut gelaunter Muggelkundelehrer zu ihm.
"Hach, was für ein wundervoller Flug, finden Sie nicht auch, Professor? Natürlich abgesehen von den leichten Turbulenzen." Professor Malfoy atmete tief ein. "Herrlich wieder hier zu sein, obwohl, wenn man es genau nimmt, bin ich nun wirklich nicht lange weg gewesen."
Dieser Lehrer war definitiv zu fröhlich für Severus' Schlechtwetterfront.

Vor dem Flughafen wurden den Schülern ein paar Regeln erklärt, die Severus nur halbherzig aufnahm, denn schließlich hatte er sie schon zweimal gehört und teils selbst zusammengestellt. Er beschäftigte sich weiterhin damit, Mister-ich-bin-so-fröhlich Malfoy zu ignorieren und sich desinteressiert umzuschauen. Die englischen Hinweise, waren sie doch im Flughafen noch zahlreich, schwanden auf ein Minimum. Eine korrekte Wegbeschreibung bis zum nächsten Zielort war dementsprechend unumgänglich, um ein eventuelles Verlaufen zu vermeiden.

Ungeachtet seiner Gedanken fuhr Professor McGonagall mit ihren Ausführungen fort:
"Professor Malfoy hat mich freundlicherweise darauf hingewiesen, dass wir in diesen Massen auf Probleme beim Benutzen der hiesigen U-Bahn stoßen könnten. Dementsprechend haben wir schon während des Fluges entschlossen, zwei Gruppen zu bilden."
Bei diesen Worten schreckte Severus aus seinen Gedanken und wandte seine Aufmerksamkeit McGonagalls Worten zu.
"Die eine Gruppe wird von drei Lehrern begleitet, die andere nur von zweien."
DAS hörte Snape nun gar nicht gerne.
"Wir Lehrer müssen uns allerdings noch beraten, wie-"
"Minerva", unterbrach Severus den Redefluss einer leicht überrumpelten McGonagall, "wir können uns das ganze erleichtern. Ich gehe mit Lu- Professor Lupin", musste er sich selbst korrigieren, "während Professor Malfoy euch beide begleitet."

Mit diesem Malfoy wollte er nicht alleine sein, denn er wurde dieses Gefühl nicht los, dass der durchgehend mit ihm flirtete. Eine ‚nette' Unterhaltung über Quidditch kam für ihn auch nicht in Frage und wie es um sein Verhältnis mit der Gryffindor-Hauslehrerin stand, wusste man.
Was bleibt mir anderes übrig, dann geh ich halt mit einem tollwütigen Riesenköter, seufzte er.

Dieser Entschluss sorgte nicht nur bei den Lehrern für einige Verwirrung. Auch die Schüler schauten verwundert auf ihren Zaubertränke-Alptraum. Teils sahen sie sich bestätigt in der Annahme, das Snape wirklich schwul war und sein früheres Verhalten gegenüber Lupin nur gespielt war, um alle von seinen Neigungen abzulenken. Andere wiederum - Slytherins natürlich - machten sich ernsthafte Sorgen über ihren früher so furchteinflößenden Hauslehrer.

"Nun gut, dann soll es wohl so sein." Professor McGonagall hatte sich wieder gefasst. "Dann teilt euch bitte in zwei Gruppen auf, und beeilt euch, wir haben nicht viel Zeit."
Daraufhin gingen die wenigen Slytherins, die von ihren Eltern überhaupt mitgelassen wurden, natürlich zu ihrem Hauslehrer. Selbst ein großer Teil der Gryffindors wagte dieses selbstmörderische Unterfangen, darunter das magische Trio und Neville, an deren gesunden Menschenverstand stark gezweifelt wurde, da alle wussten, wie ‚gut' sie sich mit Snape verstanden. McGonagalls Versuche, sie davon abzuhalten, scheiterten, da Harry unbedingt mit Lupin mitgehen wollte und die anderen, als seine Freunde, ihn dabei selbstverständlich unterstützten.

Somit war der Anblick, der Snape erwartete, nicht unähnlich dem Beginn der wöchentlichen Zaubertränkestunden, für den er Dumbledore seit Jahren etwas schuldete.

***



"Bist du dir wirklich sicher, dass wir hier richtig sind, Severus? Vielleicht sollten wir doch besser mal nach dem Weg fragen." Remus schaute sich ein wenig besorgt um. Die bunten Neonlichter, besonders die der Seitenstraßen, erinnerten ihn irgendwie an die riesigen Straßen in Las Vegas, die es in Europa, so weit er sich entsinnen konnte, nicht gab, oder an ein Rotlichtmilieu. Beides waren Orte, denen er normalerweise aus dem Weg zu gehen versuchte, besonders, wenn er als Lehrer mit ungefähr dreißig Schülern im Gepäck unterwegs war.
Severus wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte. Er konnte unmöglich vor dem Werwolf und noch dazu den Gryffindors zugeben, dass er sich verlaufen hatte. Sie waren anscheinend doch an der falschen U-Bahn-Station umgestiegen.

Es half alles nichts: "Ich bin durchaus in der Lage, Anweisungen richtig zu befolgen, aber wenn es dein Gewissen beruhigen sollte, kannst du ja jemanden fragen. Fühl dich nicht gezwungen, mir zu vertrauen." Severus versuchte, so gut es ihm eben möglich war, einen selbstsicheren und höhnischen Tonfall in seiner Stimme zu erzeugen. Aber ohne Erfolg.
Remus erkannte sehr wohl die Unsicherheit, die in diesen Worten mitklang, auch wenn es den Schülern sehr wahrscheinlich entgangen war. In den vergangenen Wochen hatten die beiden schließlich mehr Fortschritte in ihrem Umgang miteinander gemacht, als er es sich je erträumt hatte. Mit einem Seufzen ergriff er die Initiative und sprach die nächste Person an, die ihm über den Weg lief. Leider handelte es sich bei dieser Person um eine doch recht seltsam gekleidete junge Frau, die sich nicht gut in der englischen Sprache verständigen konnte.
"Entschuldigen Sie…"

***



Draco Malfoy war mit seinem Gepäck bis ans Ende der Gruppe zurückgefallen. Von seinen fünf Koffern trug er zwar nur zwei selbst - drei, wenn man es genau nahm, da er einen von ihnen mit einem Zauberspruch geschrumpft und in seiner Tasche verstaut hatte - aber dennoch zerrte das Gewicht an seinen Kräften. Die Kraft, die Crabbe und Goyle besaßen, denen er jeweils einen seiner Koffer aufgedrückt hatte, konnte ein Malfoy nicht vorweisen. Zum Glück, ich möchte nicht so aussehen.
Erleichtert stellte er die beiden Koffer ab, als die Gruppe abrupt anhielt.

Ich wusste, wir sind hier nicht richtig, stellte Draco zerknirscht fest. Er hatte schon in der Haltestelle bemerkt, dass sie falsch waren, aber sich nicht getraut, einen sehr genervten Professor mit dessen wage-es-nicht-mich-anzusprechen-Blick darauf hinzuweisen. Die Hektik beim Umsteigen hatte sein übriges getan.
Während Lupin einen Versuch startete, sich den richtigen Weg nachzufragen, wurde die Gewitterwolke Snape von der Befragten doch sehr skeptisch angeschaut. Draco unterdessen wurde selbst von einer suspekten Person angesprochen, die mit ihm zu flirten schien. Er war sich nicht ganz sicher, ob es sich bei der Gestalt um eine Frau oder einen Mann handelte. Der Versuch seinerseits, der Umarmung dieser was auch immer es war zu entgehen, scheiterte kläglich. Hilfesuchend schaute er sich um, aber an eine Rettung war nicht zu denken. Alle waren zu sehr mit der Unterhaltung zwischen den beiden Professoren und der ‚jungen Frau' beschäftigt und versuchten mit ihren neuerworbenen Deutschkenntnissen zu helfen.

Draco hingegen wurde von seinem ‚Flirt' von der Gruppe in Richtung einer kleinen Seitenstraße weggezogen. Etwas entzog sich offensichtlich seiner Kontrolle und sein ohnehin schon sehr dünner Geduldsfaden richtete sich gen Ende.
Ok, das reicht, ich hab' genug von diesem ‚Ding', nachher geh' ich noch in dieser verrückten Muggelstadt verloren.
Genervt und angewidert löste er sich von der Umklammerung der für seinen Geschmack etwas zu aufdringlichen Person und ging zur Gruppe zurück. Doch dort angekommen wurde er irgendwie das Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmte… die Koffer fehlten.
Das… das glaub ich jetzt nicht. Das kann doch echt nicht wahr sein!

Das war nun definitiv der Tiefpunkt dieses Jahres. Jetzt konnte es nur noch besser werden. Einen Bruchteil einer Sekunde spielte er mit dem Gedanken, sich vor das nächste Auto zu werfen, aber da er sich nicht sicher war, ob er dadurch wirklich sterben würde, verwarf er diesen Gedanken. Bei seinem Glück würde er als lebendiges Wrack enden, und das war ein Risiko, das er beim besten Willen nicht eingehen wollte. Resignation stellte sich ein. Er war verflucht, eine andere Erklärung gab es nicht.

***



Professor Lupin und Snape hatten nicht gerade Erfolg bei ihren Versuchen, jemanden nach dem richtigen Weg zu fragen. Sie ernteten entweder skeptische Blicke, taube Ohren oder Unverständnis. Hermine sah ihre Rettung in zwei Männern in Uniform, die verdächtig nach Polizisten aussahen. Während Lupin und Snape wieder einmal eine weitere Diskussionsrunde starteten, sprach sie die beiden grün-gekleideten Männer an.
"Entschuldigen Sie bitte, aber könnten Sie uns weiterhelfen?" Hermine startete erst gar nicht den Versuch, sich auf deutsch zu verständigen, da sie genau wusste, dass ihr das im Moment nicht weiterhelfen würde.
"Sicher, aber darf ich fragen, was ihr hier macht? Ich denke nicht, dass die Hamburger Reeperbahn ein geeigneter Ort für euch ist", entgegnete ihr einer der beiden freundlich.
"Ähm, also, das ist so…" Hermine rief die beiden Professoren zu sich. Die bizarre Situation - in die sie, wenn sie es genau bedachte, nur dank Snape geraten waren - schien sich endlich zu klären. Wenn sie es richtig verstand, boten die beiden Beamten sogar an, die Gruppe an ihr Ziel zu begleiten.

Hermine ertappte sich wieder einmal bei dem Gedanken, wie sich Draco in so einer Situation fühlen würde. Wenn sie selbst schon Probleme hatte - als Kind von Muggeln - dann mussten sich die Reinblütler regelrecht überfordert fühlen. Sie riskierte einen flüchtigen Blick in Dracos Richtung und stellte amüsiert fest, dass er allerdings überfordert war. Anscheinend wurden ihm die Koffer geklaut.
Selbst schuld, wenn man mit den teuren Dingern durch die Gegend reist. Das schreit doch regelrecht nach ‚Klau mich'.

***



Der Weg zum Hauptbahnhof verlief dank der Begleitung problemlos, wenn man den Zeitdruck außen vor ließ. Snape schien die Tatsache, dass sie um Hilfe bitten mussten gar nicht zu gefallen. Er sah aus, als hätte er in einen sauren Apfel gebissen. Aber das war ja auch nichts Neues mehr.
Dass sie zum Gleis laufen mussten, um rechtzeitig anzukommen, war nicht unbedingt hilfreich, Snapes Gewitterfront abzulenken und in einen einfachen Regenschauer umzuwandeln. Noch dazu musste es schon seltsam aussehen, wenn eine Gruppe von dreißig komisch gekleideten Leuten über den Hamburger Hauptbahnhof Richtung Gleise rannte.
"Da vorne sind sie", stellte Lupin leicht erschöpft fest.


Kapitel 9

Kapitel 11

 

Review

 

Zurück