Und das ist nur der Anfang, sagt Malfoy...

 

 

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Autorin: Smilla

 

Und das ist nur der Anfang, sagt Malfoy...

Pause. Ein Schwall von Schülern ergießt sich aus der Eingangshalle von Hogwarts ins Freie. Potter und seine Freunde sind bei den Ersten, die an die frische Luft drängen, gefolgt von den anderen Erstklässlern. Die Spätsommersonne lässt sie für kurze Zeit die dunklen Klassenzimmer des Schlosses vergessen, die für viele der neuen Schüler noch gewöhnungsbedürftig sind.

Ein paar Minuten nach den anderen kommt ein weiterer Erstklässler, etwas zögernd, heraus. Ein schmächtiges, blasses Kerlchen mit einem hübschen Gesicht. Er bleibt auf der Treppe stehen und sieht sich etwas unsicher auf dem Hof um. Ah, da vorne ist Potter, der im Unterricht vor ihm gesessen hat, und seine Freunde sind bei ihm, das Mädchen und der Junge. Der Kleine winkt zu ihnen hinüber, doch sie winken nicht zurück, obwohl er fast sicher ist, dass sie seine Geste bemerkt haben. Potters Freund beugt sich zu dessen Ohr herüber; sie tuscheln. Über ihn? Ach nein, warum sollten sie? Gut, sie nennen ihn immer "Schlangenbrut". Aber das ist bestimmt nicht böse gemeint. Sicher liegt es an dem silbernen Schlangen-Abzeichen auf seinem Schulumhang und daran, dass Gryffindors wie Potter eben traditionell keine Slytherins mögen. Und umgekehrt... Aber er mag sie. Sie sind lustiger als der blonde Junge, Malfoy, aus Slytherin, seinem eigenen Haus. Der ist zwar der einzige, der sich bisher um ihn gekümmert hat. Aber er ist ihm irgendwie unheimlich. Er redet immer so komisches, verwirrendes Zeug, von der Reinheit des Blutes und von einer anderen Zeit, die eines Tages kommen wird.

Sehnsüchtig schaut er immer noch hinüber zu den dreien. Sie sehen immer so aus, als könnte man eine Menge Spaß mit ihnen haben. Aber sie laden ihn nie ein, mitzuspielen. Vielleicht darf er das auch gar nicht erwarten? Natürlich, er muss selbst den ersten Schritt machen! Entschlossen steigt der Kleine die Treppe hinunter, er rennt fast, und sein Schulumhang flattert hinter ihm her. Bei dem Dreiergrüppchen angekommen, überlegt er kurz, wie er sie zum Spiel auffordern könnte. Er hebt ein dünnes Stöckchen vom Boden auf, richtet es auf die drei und zischt mit theatralischer Stimme: "Avada Kedavra!" Natürlich kann nichts passieren; der Elfjährige hat nicht genug magische Kräfte für den Unverzeihlichen Todesfluch, und auch der "Zauberstab" ist nur ein Spielzeug. Doch sie sehen ihn so entgeistert an, als hätte er etwas furchtbar Schlimmes getan.
"Was will der von uns?", fragt Potters Freund seine Kameraden. Sie reden über seinen Kopf hinweg, als wäre er gar nicht da.
"Uns mit dem Todesfluch belegen", erklärt das Mädchen, das ziemlich schlau zu sein scheint.
"Ach, der!", winkt Potter verächtlich ab, "der kennt lauter so verrückte Flüche. Wenn du mich fragst: Schlangenbrut hier tickt nicht ganz richtig im Kopf."
In den Augen des Kleinen beginnt es verdächtig zu glitzern. Er will nicht vor ihnen weinen, aber zum Glück würdigen sie ihn ohnehin keines weiteren Blickes und gehen ein Stück weiter weg.
Eine ohnmächtige Wut ergreift den zurückgelassenen Jungen; er umklammert das Stöckchen in seiner Hand fester, fuchtelt damit den dreien hinterher und stößt unter Tränen hervor, ziemlich laut: "Imperio! Crucio! Avada Kedavra!"
Plötzlich wird er von hinten hart an der Schulter gepackt. Sein Kopf schnellt herum, seine schreckgeweiteten Augen starren in das Gesicht einer ältlichen Lehrerin. Er kennt ihren Namen noch nicht, hat sie nur in der Großen Halle gesehen, aber sie wirkt sehr streng. "Was sind das hier für Ausdrücke?" fährt sie ihn an. "Die Unverzeihlichen Flüche! In deinem Alter! Weißt du nicht, wo solche wie du landen?" Weiter kommt sie nicht, denn in diesem Moment kommt ein anderer Lehrer vorbei. Den kennt er: Professor Dumbledore. Die ältliche Lehrerin hält Dumbledore am Ärmel seines Gewandes fest und schildert ihm in aufgeregten Worten den Fall des kleinen Sünders, den ihre andere Hand am Genick gepackt hält und der nicht mehr aufzuschauen wagt. Doch unerwartet dringt eine freundliche Stimme an sein Ohr. "Lassen Sie ihn doch laufen, Professor", hört er Dumbledore sagen, "es war doch nur ein harmloses Kinderspiel." Er windet dem Kleinen das krumme Stöckchen aus der Hand und hält es ihr unter die Nase. Widerwillig entlässt sie den Jungen aus ihrem eisernen Griff und rauscht beleidigt ab. Große, ängstliche Kinderaugen sehen hoch in ein gütiges Gesicht. "Geh spielen, mein Kind", sagt Dumbledore, lächelt ihm noch kurz zu und geht weiter seines Weges.

Geh spielen, mein Kind! Aber mit wem? Er spricht wahllos den nächstbesten Jungen an, der in der Nähe steht. "Hallo! Ich kenne dich aus dem Flugunterricht, ich..."
"Ja", sagt der andere und mustert ihn von oben herab, "du bist doch der, der mit dem Besen in den Baum gerauscht ist, oder?" Sein verächtlicher Blick scheint zu sagen: "Was willst du von mir, du Niete?"
Der Kleine versucht sich zu rechtfertigen: "Das war nur, weil die Sonne hinter der Wolke hervorkam und mich geblendet hat!" Aber sein Gegenüber ist schon weitergegangen, ohne ihn weiter zu beachten.

Wieder schaut er hinüber zu Potter und seinen Freunden. Er würde ihnen alles verzeihen, wenn er nur mitspielen dürfte. Sie sehen aus, als ob sie irgendeinen Streich aushecken. Da spricht ihn auf einmal der hellblonde Junge wieder an, Malfoy: "Hey, du starrst ja schon wieder rüber zu Potter und seiner Bande. Gib´s endlich auf, die mögen dich nicht. Und du musst sie auch nicht mögen. Sie sind wertlos. Halt dich lieber an mich und an die richtigen Leute! Wir reden nachher weiter." Malfoy eilt weiter, er scheint etwas Wichtiges vorzuhaben.

Potter, sein Freund und seine Freundin haben offensichtlich vor, sich in den Gebäudeteil zu schleichen, den der Schulleiter aus irgendeinem geheimnisvollen Grund hat versiegeln lassen. Ihr kleiner Beobachter pirscht sich näher heran; ein kleines Abenteuer käme auch ihm gerade recht. "Alohomora!" hört er das Mädchen sagen, als er näher kommt. Doch die Tür gibt nicht nach. Sie muss mit sehr starken Zaubersprüchen versiegelt sein. Das Mädchen probiert es wieder und wieder, sie konzentriert sich voll auf die Tür, und auch die beiden Jungen fiebern mit und bemerken weder den Kleinen, noch - oh Schreck! Die ältliche Lehrerin von vorhin ist ganz in der Nähe! Der Kleine weiß, wie streng sie ist. Er muss die drei Kinder warnen. "Pst!" macht er, doch sie hören ihn nicht. "Frau Professor...!" zischt er. Er weiß ja ihren Namen nicht. Und immer noch keine Reaktion von den dreien. "Frau Professor...!" ruft er verzweifelt nun lauter. Doch nicht die Kinder drehen sich um - sondern die Frau! Sie stoppt mitten im Lauf ab. Ihr harter Blick fällt zuerst auf den ihr schon bekannten Übeltäter. Doch dann erfasst sie die Lage und marschiert energisch auf das Potter-Trio zu. "Was tun Sie denn hier? Denken Sie nicht, es hat seinen Sinn, dass der Zutritt zu diesem Gebäudeteil verboten ist? Sie drei melden sich in einer Viertelstunde in meinem Büro, um ihre Strafe zu empfangen." Damit rauscht sie weg, ohne irgendeine Antwort abzuwarten. Das Erschrecken auf den Kindergesichtern wandelt sich in hasserfüllte Blicke. Langsam kommen sie auf ihn zu. "Das hast du ja toll hingekriegt, Schlangenbrut!", sagt Potter mit kalter Wut in der Stimme, "spitzelst uns hinterher und schreist nach der Frau Professor! Freust dich wohl mächtig, dass wir Ärger kriegen? Ich hab gleich gewusst, dass du so einer bist." Für einen Moment sieht es so aus, als wolle er ihn schlagen, doch er wendet sich nur verächtlich ab und geht.
Sein Freund zischt: "Elende Petze! Verpiss dich bloß, bevor er es sich anders überlegt!" Das Mädchen spuckt ihm vor die Füße. Dann gehen sie ihrer Bestrafung entgegen. Aber sie gehen zusammen und erhobenen Hauptes. Der kleine "Verräter" bleibt allein und mit gesenktem Kopf zurück. Er wollte ihnen doch nur helfen...

Plötzlich ist Malfoy wieder da. Er scheint es zu wittern, wenn sein kleiner Hauskamerad in Not ist. Dann ist er immer ganz schnell zur Stelle. Aber eigentlich ist er ihm keine Hilfe. Er redet nie von dem, was gerade wichtig ist, sondern nur von seinen komischen Plänen und Ansichten. Und oft stachelt er seine Wut an, wie auch jetzt: "Na, Kleiner, immer noch nicht geheilt von denen? Komm endlich zu deinen wahren Freunden, komm zu uns!"
Aber er hat gesehen, wie gemein Malfoys Bande mit manchen Kindern umgeht. Er fühlt sich nicht wohl in ihrer Nähe, und er spürt, dass ihnen genauso wenig an ihm liegt wie irgendwem sonst. Doch Malfoy dringt weiter in ihn: "Du hast gesehen, wie Potter und Co dich behandeln! Und das ist nur der Anfang, glaub mir! Das darfst du dir nicht gefallen lassen! Wir können dich lehren, stark zu sein. Und dann zahlst du ihnen alles zurück."
Seine Fäuste ballen sich. Ja, es wäre schön, es denen zurückzuzahlen! Er wird es sich noch mal überlegen. Und überhaupt, die Gesellschaft von Malfoy und seiner Bande ist immer noch angenehmer als gar keine.

Trotzdem, er will jetzt einfach nur noch weg. Von allen. Ihm kommen schon wieder die Tränen, und die soll keiner sehen, schon gar nicht der "starke" Malfoy. Nein, keiner wird sie jemals mehr sehen, nie mehr in seinem ganzen Leben! Er hat auch seinen Stolz. Er braucht ihre Freundschaft auch gar nicht, von keinem von ihnen. Er kommt alleine viel besser klar, und er weiß auch schon, wo er jetzt hingeht. In das Loch im Keller, das er entdeckt hat und das außer ihm niemand zu kennen scheint. Er wird sich in die Bücher vergraben, die er dort gehortet hat. Ist doch egal, dass sie dann wieder "Streber!" und "Schleimer!" sagen werden, wenn er im Unterricht mehr weiß als sie. Hauptsache, er hat eine Beschäftigung.

Ein allerletztes Mal dreht er sich nach den anderen Kindern um, bevor er in dem Kellerloch verschwindet. Ein letzter sehnsüchtiger Blick. Aber dann versucht er, sein Gesicht ganz kalt und hart zu machen. Auch wenn sowieso keiner hinsieht. Nicht James Potter, nicht Sirius Black, nicht ihre schlaue, kleine Freundin, auch nicht Lucius Malfoy oder sonst irgendwer. Nein, er weiß genau, niemand wird ihm nachrufen: "Komm doch wieder raus zu uns, Severus!"

 

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