Und nur Träume bleiben mir

 

 

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Autorin: Morigane

 

Und nur Träume bleiben mir

Hogwarts. Ich wußte schon solange ich denken konnte, dass ich hier herkommen würde. Selbst wenn Vater manchmal dachte, er würde mich lieber in Durmstrang sehen. Das ist viel zu weit fort, wir leben doch in Cornwall, sind die Familie, denen dieser Landstrich seit Jahrtausenden untersteht - in der magischen Welt. Was die Muggel denken und ob sie unser Gut sehen, weiß ich bis heute nicht. Ich hoffe aber, dass sie es nicht können. Muggel müssen nicht sein, wie Malfoy immer sagt.
Malfoy... Unser Haussprecher, groß, blond, arrogant und irgendwie der Schwarm aller Mädchen in Slytherin. Aller, bis auf meiner.
Aber wer kümmert sich schon darum, was die kleine, unscheinbare Gwenthfar von Cornwall denkt und wem ihr kaltes Herz gehört?
Wenigstens heule ich nicht heimlich auf dem Klo, aber ein bisschen etwas habe ich wohl schon mit Myrte gemeinsam. Ich kenne sie, seitdem ich mitbekommen habe, dass sich alle möglichen Leute dort ausheulen, Lehrer und Schüler und sogar Flich. Sie ist ein Schlammblut und ich mag keine, schon gar nicht welche, die Gespenster sind, aber eins weiß ich - auch Myrte war traurig.
Ich habe keine Freunde, weder in meinem Haus, noch sonst wo in Hogwarts und auch nicht in Cornwall, woher auch? Mein Vater ist geächtet, weil er Todesser war oder ist und man lässt ihn nicht in den Geheimen Rat, weil er eine Slowenin geheiratet hat, die nur Halbblut ist.
Mom, die ich nie kennenlernen konnte. Ich wurde geboren und sie starb.
Hauselfen, eine Amme, dann meine Tante, aber keine Mom.
Von Vater habe ich den Namen bekommen, aber das ist das einzig Keltische, das ich habe. Dunkel ist mein Haar, dunkel sind meine Augen und als ich herkam, flüsterte die ganze Halle, ich sei bestimmt eine Schwester von Moira. Moira - den Namen hatte ich schon einmal gehört.
Meine Tante ist im Rat und sie sagte, dass eine Moira die nächste Priesterin werden soll und sie sich wünscht, dass ich von ihr lerne.
Sie ist in Slytherin und was sich der Rat immer so aufregt, wegen Mom, meinte Tante Emely, versteht sie nicht, denn Moiras Vater ist auch irgendwo aus Osteuropa und wer sein Vater war, weiß niemand so genau. Es kann sogar ein Muggel gewesen sein. Ich soll ihr und ihm sehr ähnlich sehen - und das, denke ich, wurde mein Verhängnis in unserem Haus. Alles munkelte, ich sei bestimmt ein Beltane-Kind von Moiras Vater. Ziemlich lange habe ich gebraucht, um die überdimensionale Fledermaus, die unser Hauslehrer sein soll (er kümmert sich aber höchst selten um uns), als Moiras Vater einzuordnen, weil er offiziell ohne jegliche Familie ist. Aber das ist nicht wichtig.
Ich habe dieses Tagebuch zum 12. Geburtstag bekommen und bis heute, da ich vierzehn werde, nicht benutzt. Einmal habe ich versucht zu schreiben, aber Maryleen, mit der ich das Zimmer teile, hat so laut gelernt, dass ich es aufgegeben habe. Die Seite ging im Kerker in Flammen auf und ich habe Ärger bekommen, weil Zaubertrankfeuer rein sein müssen.
Damals habe ich mich ängstlich geduckt, wenn er losgelegt hat, wie alle. Ich dachte wohl, dann nehmen sie mich an. Aber sie haben nur gelacht, denn auch ich kann so brüllen und da ist Angst eher närrisch.
Irgendwann habe ich aufgegeben, so sein zu wollen, wie alle. Ich hab mich in ein Schneckenhaus zurückgezogen und ganz viel gelesen.
Bei dunklen Künsten und Zaubertränken bin ich hängen geblieben und habe die größte Dummheit meines Lebens begonnen; ich habe Snapes Unterschrift gefälscht, um an ein Buch aus der verbotenen Abteilung zu kommen. Die Bibliothekarin hätte es bestimmt gar nicht gemerkt, wenn dieser rotschopfige Gryffindor, der damals Schulsprecher war, nicht lautstark gerufen hätte, dass es Unsinn sei, denn er habe das Buch ausgeliehen, mit der Erlaubnis von Snape.
Der Meister wurde gerufen, erst verlor Gryffindor Punkte, weil der eine Bruder vom Rotschopf behauptet hat, dass Snape morgen nicht mehr weiß, was er heute erzählt und erlaubt und dann hagelte es alles auf mir nieder und Vater bekam einen Brief. Zum Glück bin ich nicht geflogen und mehr, als ein Heuler kam auch nicht. Nicht mal ein Punktabzug.
Aber ich mußte Nachmittags in Snapes Labor antreten und mir noch eine Predigt über den Sittenverfall und Gesetzen anhören, die er mir entgegenbrüllte. Ich hatte Mühe, nicht zu lachen, denn die Großen behaupten hinterrücks immer, er würde geifern, wenn er wütend ist und irgendwie stimmte das. Aber ich weiß, dass er Gedanken lesen kann und einmal Ärger reicht mir. Ich hab also geblockt und es an mir abregnen lassen, was er zu sagen hatte. Hab ich genickt? Weiß ich nicht mehr!
Er hat angefangen, mit einem Buch herumzuwinken, noch während er schrie und als er endlich fertig war, hat er es mir zugeworfen.
"Höchst potente Zaubertränke" -genau das, was ich mir auszuleihen gedacht hatte. Was ich damit schon wolle?! Etwas leiser und nicht mehr geifernd. Aber die Nüstern bebten noch. Nüstern sagt die Granger aus Gryffindor in Gedanken manchmal und dann rennt sie vor ihm weg.
Ich habe furchtbar herumgedruckst und dann zugegeben, dass mich das Veritaserum anzieht. Auch, dass ich von Vater wissen wollte, ob ich tatsächlich ein Beltanekind bin.
Schatten, die nicht zu deuten sind auf dem blassen Gesicht und in den tiefen, dunklen Augen, die man auch nicht deuten kann.
"Sieh mich an, Gwenthfar von Cornwall, sofort!" Packt mich harsch am Kinn und zwingt mich, in diese kalten, unheimlichen Augen zu sehen.
Lange, lange. Er musterte mich, schüttelte den Kopf, zuckte die Schultern, murmelte einen Frauennamen (Viviane), schüttelte wieder den Kopf und beginnt, auf und ab zu rennen, erst mit Umhang, dann ohne, dann wieder mit. Ich mußte daran denken, wie Moira zu Malfoy, mit dem sie geht, gesagt hatte, Snape spiele mit sich selbst verstecken unter und mit dem Umhanggeflattere, aber obwohl ich nicht bockte, als er sich umwand, kam kein Kommentar dazu. Lange hat er geschwiegen und dann setzte er sich einfach wieder. "In Ordnung, versuchen wir es. Gwenthfar, deine - Strafe - ist wie folgt: Du assistierst mir hier unten, wenn Freizeit ist. Nimmst du es an, sei dein Fehltritt verziehen, sind Freunde und Quidditch wichtiger, behalte ich den Eintrag in die Schulakte aufrecht, den ich mit dem Brief an den Earl von Cornwall setzten musste."
Kalt, schnarrend, heiser. Snape wie immer. Ich nicke, zucke mit den Schultern, schüttle den Kopf. Wieder nimmt er mein Kinn in die Hände, wieder muß ich in diese Augen blicken, halte ihnen stand.
"Nun?!" Das sollte bedrohlich klingen, doch scheine ich ihn unsicher gemacht zu haben, mit meinem Standhalten. Die anderen, außer Moira, blicken zu Boden und sagen das, was er hören will oder was sie meinen, was er hören will. Zumeist das Gegenteil von dem, was hinter seiner, von Narben gezeichneten und von der wirren Mähne des schwarzen Haares, das langsam ergraut, umgebenen Stirn vorgehen mag. Snapes Gedanken einlesen können selbst die Besten nie.
Ich nickte langsam und stammelte einen Dank, worauf hin er wieder zu wandern begann, mich ein komisches, kleines Ding nannte und mich dann entließ.
Seither arbeite ich in der freien Zeit unten im Labor, an seiner Seite, oft stumm oder nur das redend, was zum Tranke gehört.
Manchmal verfällt er in sinnende Starre und ich habe Zeit, ihn zu mustern und anzusehen, ohne, dass er es merkt.
Im Jahrbuch steht, dass er 1955 geboren ist, in Bricence, Rumänien, aber wenn ich seine Falten zähle, die ihn bitter zeichnen, so kommt er mir viel, viel älter vor, als mein Vater, der zehn Jahre vorher zur Welt kam. Ich weiß, dass Snape das Mal trägt, das auch Vater zeichnet. Und auch, dass Todesser, selbst, wenn sie dem Guten dienen, immer wieder zum Lord zurückgerufen werden, was sie tun, dass sie töten.
Aber einen Mörder sehe ich nicht, wenn ich den sinnenden Meister ansehe. Ich sehe Leid, Angst, Bitterkeit, Zweifel, Selbsthass, Kälte.
Intelligenz, Wissen, Arroganz, Geradlinigkeit, Logik. Und immer wieder diese Augen, die dunklen Tunnel, die nichts preisgeben, außer Kälte und Tod. Neulich habe ich mich dazu gehen lassen, ihm auf den Arm zu fassen, als er so starr dort stand und mit bebenden Mundwinkeln (er weint stumm und ohne Tränen, wie ich, denn niemand soll es sehen oder Trost heucheln), denn der Trank wurde orange und ich dachte, es wäre falsch; im Buch steht grün.
Sofort, kaum dass meine Hand dort hingriff, ich seine Aura durchbrach, zuckte er zusammen, wog den Kopf hin und her, eine Sekunde vielleicht und wirbelte dann herum, eine eisige Maske im Gesicht, die nichts mehr vom Weinen verriet und fuhr mich an, was denn "verdammt noch mal" in mich gefahren sei. Ich vernahm, oder meinte sie zu vernehmen, eine zynische Stimme, die fragte: "Meinst du nicht auch, dass wir das lieber dich fragen sollten, Severus?!" Er machte eine wegwerfende Handbewegung, kurz, zackig und nahm mich dann schon wieder beim Kinn. Ich stotterte irgendetwas von Trankfarbe - ein Wort, das alles andere als fachlich ist - und zog ihn am Ärmel an den Kessel.
Misst die Temperatur, murmelt einen Spruch und der Trank ist grün.
"Zu wenig Flamme, es kann keine Zusammenführung stattfinden."
"Ignati?!"
"Exakt. Ich allerdings benutze eher den Inflammare - das Labor hochjagen wollte ich nun nicht gerade." Lächelte schief - ich weiß, dass er ein Feuerelementler ist und seine Iganti zu stark sind.
Wut - die lebt und brodelt auch in ihm, wie in einem Vulkan, immer ausbruchsbereit, immer zurückgehalten.
Seufzte, setzte sich ans Pult. Klassenarbeiten nachgucken, wobei er ab und zu den Kopf schüttelt, viel streicht, kritzelt und von Zeit zu Zeit flucht und die Hufflepuffs beschimpft oder den Longbottom aus Gryffindor.
Ich widmete mich dem Tranke, bis er mich plötzlich ans Pult bat.
"Zu deiner Information, Gwenthfar: Der, den du Vater nennst, ist dein Vater. Deine Mutter war eine von Dracula, ihr Vorname muß wohl Rabia gewesen sein. Wundere dich nicht darob, was ich nun sage; ich habe mich kundig gemacht, um dem Beltanegerücht ein Ende zu setzten - aus reinem Eigeninteresse selbstverständlich - es ist nichts weiter, als ein dummes Geschwätz. Eines allerdings verbindet uns mehr, als die Freude an der magischen Medizin; ein uraltes Blutsband, viele Generationen zurück. Ich habe einmal den Namen Viviane fallen lassen, als ich dich zum ersten Mal genauer ansah. Der Rufname meiner Mutter. Aufgewachsen unter dem Wappen der Malfoys, geboren aber im Rumänischen und eingetragen als Nasja Viviane Raissa von Dracula. Mit Kreaturen der Nacht hat dieser Zweig, dem auch Rabia entstammte, nichts zu tun. Wie auch immer, ein Blutsband gibt es. Kein direktes und nicht einmal eines, das man heute noch nachzuvollziehen vermag, doch es ist dort. Und nun geh`. Deine Strafarbeit ist beendet. "
Nicht einmal einen Dank für ein Jahr Assistenz, er geht mir aus dem Weg nun, wie es alle tun. Nur Moira ist lieb zu mir und ein wenig Rowena Tab, ihre Cousine oder junge Tante oder was auch immer sie ist; sie trennt ein Jahr und keine Klassenstufe.
Ich bin Jahrgangsbeste und besonders gut in Zaubertränken und Verteidigung, worin zumindest Slytherin und Ravenclaw den Meister haben, und immer, wenn Snape spricht, fühle ich etwas meinen Nacken herunterkriechen. Positive Panik erfasst mich und ich will mit ihm reden, ihm erzählen, wie ähnlich ich ihm bin, wir uns sind, wie lieb - ja, lieb, ich ihn habe. Ich kann hassen und dachte, niemals lieben zu können, doch ausgerechnet Severus Snape hat mich lieben gelehrt - ihn lieben. Nicht anbeten, wie Gallina oder Rowena es tun, die ihn oft angucken, als würden sie sich überlegen, was er unter den Schichten der dunklen, viktorianischen Kleidung anhat, die er trägt, oder wie er als Mann ist, die in ihm ein Sexsymbol sehen. Oh, nein, ich werde den heiraten, dem ich versprochen bin und man hat uns zur ersten Weihe bereits einander vorgestellt; er geht auf Aran zur Schule und ist eher ein Malfoy-Typ, als ein Ebenbild Snapes und gefiel mir dabei sehr gut, und verlieben könnte ich mich in Snape niemals, es wäre, wie sich in sich selbst zu verlieben.
Die Bücher sagen nichts über eine tatsächliche Verwandtschaft, obwohl Moira und ich alles durchgewühlt haben und ich beginne, zu vermuten, dass er sich das Blutsband ausgedacht hat, vielleicht sogar wirklich aus purem Eigennutz, immerhin leitet er Slytherin, aber wie dem auch sei, irgendetwas so wie Liebe ist dort - so einseitig.
Es bleiben mir nur meine Träume, in denen ich mit ihm rede, ihn verstehe und er mich. Oder sind es keine Träume ? Neulich erwachte ich und wußte plötzlich, dass er einmal in Askaban war, obgleich das auch nicht in den Büchern stand und Moira sich sicher war, es nicht erzählt zu haben. Sich selbst zu nennen, wenn er die nennt, die Moody überführt hat, wäre eine Öffnung, die ihm nie unterlaufen würde und dennoch wußte ich es...

 

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