Ich möchte Dich aufessen

 

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Kapitel 4:
Zuviel Wein und die Folgen




Langsam ging ich den Weg zurück zur Haustür. Snape hatte nach meinen ersten Schritten, seinen Zauberstab gesenkt und wartete nun bis ich wieder am Haus war.

"Gut", sagte er, als ich ihn erreicht hatte, "dann ähm … lassen Sie uns noch mal von vorn anfangen. Gestatten Sie." Er nahm mir den Koffer ab und ließ mich vor sich ins Haus treten.

Ich wartete im Gang mit gesenktem Kopf. Er schloss die Eingangstür und ging zur ersten Zimmertür, die er öffnete. Dahinter befand sich das Schlafzimmer.

Snape trat einen Schritt zur Seite, um mich vorbei zu lassen. Die Zimmerwände waren in dunklem Holz getäfelt, so dass sich die hellen Möbel umso stärker abhoben. Auf der rechten Seite des Zimmers standen zwei große Schränke, die bis zur Decke reichten, dazwischen ein Kamin mit kunstvoll gestaltetem Sims, gegenüber der Tür vor den Fenstern stand eine Kommode mit einem Spiegelaufsatz. In der linken Ecke befand sich eine zweite Tür - die Tür zum Badezimmer. Links nahm ein großes Bett fast die gesamte Wand ein. Die Tagesdecke war von einem satten Rotton, ebenso die Bettumrandung auf dem Parkettboden.

Ich schluckte. "Ist das das Einzige?"

"Das einzige Bett, das zur Verfügung steht, ja." Leicht amüsiert fuhr er fort: "Was haben Sie denn erwartet?"

"Nun, nicht das."

"Wie haben Sie es sich vorgestellt?"

Offen gestanden hatte ich versucht, über diesen Punkt nicht nachzudenken. Weder darüber was, noch wie, noch wo er es mit mir machen wollte. "Ich habe mir nichts vorgestellt!"

Snape hörte die Empörung in meinen Worten. Er ließ einen Augenblick verstreichen, bevor er mir mit kalter Stimme unmissverständlich deutlich machte: "Miss Smith, Sie sind hier, um Ihr Gesicht und Ihre Arme und Ihre Beine und Ihren Körper zur Verfügung zu stellen. Ist das klar?"

"Ich verstehe."

"Sieht nicht so aus." Er warf mir einen skeptischen Blick zu.

"Dann eben nicht." Von mir aus konnte Snape denken, was er wollte. Hauptsache ich musste nicht seinen abartigen Gedankengängen folgen.

Er trug noch immer den Koffer. Mit einem kurzen Schwung legte er ihn auf das Fußende des Bettes. Er öffnete die beiden Schlösser und klappte den Deckel hoch. Dann begann er, meine Kleidung auszuräumen.

"Ich kann meine Sachen immer noch selbst auspacken." Ich wollte unbedingt verhindern, dass er seine Nase in meine Wäsche presste.

"Na gut", sagte Snape, "aber den geben Sie besser mir", und griff nach meinem Zauberstab. "Ich verwahre ihn für Sie."

Dann trat er auf die Kommode zu und zog die beiden obersten Fächer auf. "Diese Schubladen stehen ganz zu Ihrer Verfügung."

Snape beobachtete, wie ich den Inhalt meines Koffers in der Kommode verstaute. In die Stille fragte er abrupt: "Bevor wir in den Strudel von wildem, sinnlichem Sex gezogen werden, gibt es noch - gibt es noch etwas zu klären. - Wie sind Sie mit Tom Mitchell verblieben?"

"Wir haben uns am Bahnhof getrennt." Er schien auf eine weitere Erklärung zu warten. "Ich habe ihm erzählt, ich müsste mich um meine Großmutter in Sheffield kümmern. Sie ist gestürzt."

"Gestürzt?" Ich hörte so etwas wie Besorgnis in seiner Stimme.

"Ja", erklärte ich weiter, "ich sagte ihm, sie wäre die Treppe heruntergefallen, vorgestern, und dass ich mich eine Zeitlang um sie kümmern müsste."

"Hat er Ihnen geglaubt?"

"Natürlich, er weiß, ich lüge ihn nicht an."

"Nur der wahrhaft Unschuldige kann überzeugend lügen, Miss Smith." Snapes unergründliches Gesicht verzog sich zu einem schmalen Lächeln. "Also, nur ich weiß, dass Sie nicht in Sheffield sind?"

"Ja, das stimmt."

"Es weiß also niemand, dass Sie hier sind?"

"Worauf will er hinaus?", dachte ich und bekam ein ungutes Gefühl in der Magengegend.

"Was haben Sie?" Das Lächeln auf seinen Lippen verstärkte sich noch.

"Wirklich niemand." Die Erkenntnis traf mich wie ein Boxhieb. Er konnte alles mit mir anstellen, ohne dass es jemanden gab, der mich hieraus befreien konnte.

Langsam begann ich, meine restlichen Sachen in die Kommode zu legen. Als ich vor der offenen Schublade stand, hörte ich Snapes Kleidung rascheln und spürte plötzlich seinen warmen Atem in meinem Nacken. Seine Hände legten sich auf meine Schultern, seine Atmung klang gepresst und ich fühlte, wie er mich auf den Hals küssen wollte.

Ruckartig drehte ich mich um. "Was wollen Sie?"

Er nahm seine Hände von meinen Schultern. "Ich teste …"

"Wieso, was?" Snape verwirrte mich.

"Ich teste die Realität." Nun hob er seinen Kopf, der bis jetzt noch immer in der Höhe meines Halses gewesen war.

"Mich?" Mir war nicht klar, was er testen wollte. Ich war hier, das sah er doch.

"Ja." Und, als ob er meine Gedanken lesen konnte, fügte er hinzu: "In den vergangenen Jahren konnte ich beobachten wie sich Ihre Reize entfalteten, sich Ihre Formen rundeten und Ihre Röcke kürzer wurden. - Ich habe Sie bis zu diesem Moment nie wirklich berühren dürfen. Aber ständig waren Sie in meinem Kopf. Ihre Beine … Ihr Mund … Ich möchte Sie aufessen. Ich verzehre mich nach Ihnen. Ich habe Sehnsucht nach Ihrem Körper. Was halten Sie von einem Mann, der Sie so wahnsinnig begehrt?"

"Es gibt schon jemand, der so für mich empfindet." Meine Stimme zitterte merklich.

"Nein. Er könnte es gar nicht. Der nicht!", schnaubte Snape abfällig. "Glauben Sie wirklich, er bekäme eine Erektion nur weil sich Ihre Brüste unter der Bluse abzeichnen oder weil Ihre Knie unter dem Rock hervorschauen."

"Oh, bitte nicht …", ich schloss für einen kurzen Augenblick die Augen. "Bitte", bettelte ich, "lassen Sie mich zu Tom."

"Das kann ich nicht." Snapes Blick verfinsterte sich.

"Doch Sie könnten, wenn Sie nur wollten", bohrte ich beharrlich weiter.

"Nein, dazu ist es jetzt zu spät", antwortete er. "Viel zu spät."

Ich verzog meinen Mund zu einer Grimasse.

Snape beobachtete es und sagt sanft, fast zärtlich: "Bitte, entstellen Sie Ihr schönes Gesicht nicht. Ich möchte Ihren wohlgeformten Mund so, wie er ist. Denken Sie immer daran, dass ich Sie nicht nur für eine Stunde habe. Ich habe Sie auch nicht nur für eine Nacht. - Ich will mehr, als mich mit Ihnen im Bett wälzen."

"Was sonst noch?", flüsterte ich kaum hörbar.

"Alles!"

"Was ist ‚alles'? Ist ‚mit Ihnen schlafen' nicht alles?"

"Bei Gott, nein, Miss Smith."

Ich wich zurück bis ich an die Kommode stieß. "W-wollen", stotterte ich, "wollen Sie noch a-andere unnatürliche Sachen?"

"Was meinen Sie mit ‚unnatürlich', Miss Smith?" Snapes Blick war lauernd.

"Wie soll ich das wissen?" Mein Gesicht wurde knallrot.

Dieser Mann jagte mir Angst ein. Er hatte nur noch wenig mit dem Lehrer gemeinsam, den ich in den letzten sieben Jahren gekannt hatte. Seine Erscheinung war unverändert, aber sonst …

"Ich kann nicht verstehen, was mit Ihnen passiert ist? In der Schule waren Sie ein vollkommen anderer. Sogar Ihre Stimme klang anders."

"Ja", meinte er nachdenklich. "Ich habe mich verändert." Dann sprach er weiter und es klang für mich wie eine Drohung: "Zum ersten Mal in meinem Leben hat der Gefangene in mir die Ketten zerbrochen."

Ich wagte noch einen letzten Versuch. "Aber Sie müssen doch Verständnis haben für meine Situation."

Jetzt wurde Snape wütend: "Das verlangen Sie? Verständnis! Hier? Jetzt?" Er trat dicht an mich heran. "Oh nein! Auf jede mögliche Weise werden die Freuden des Fleisches verdrängt durch Frauen, die einen damit quälen verstanden werden zu wollen."

Snapes dunkle Augen bestanden jetzt aus purem Hass und sein Atem ging keuchend. Mir kam plötzlich ein Gedanke: "Will er sich für etwas rächen?" Hatte ich - ohne es zu wissen - irgendwann einen Fehler gemacht, der ihn noch immer so gegen mich aufbrachte? Oder war es vielleicht Neid? - Neidete Snape mir mein Glück mit Tom?

Dann erinnerte ich mich an etwas, das musste der Grund sein. "Jetzt weiß ich, warum Sie so sind. Sie wollen sich rächen, für damals vor anderthalb Jahren - als Sie mit mir tanzen wollten."

"Ich wollte mit Ihnen tanzen?" Er wirkte irritiert.

"Ja, am vorletzten Weihnachtsball. Vielleicht hätte ich Ihnen keinen Korb geben dürfen, als Sie mich zum Tanzen aufforderten."

"Sie haben mir nicht nur einen Korb gegeben, Sie haben es auch noch allen Ihren Freundinnen erzählt."

"Aber nein!"

"Natürlich. Allen diesen dummen Hühnern, die hinter meinem Rücken in der Halle gekichert haben." Snapes Stimme bestand aus purer Verachtung. "Ich will nicht einfach behaupten, dass junge Menschen grundsätzlich grausam oder gedankenlos sind, aber es ist nicht zu leugnen, dass sie ihre Jugend verschwenden."

Er trat einen Schritt zurück und sagte dann etwas ruhiger: "Meinen Sie wirklich, Sie hätten freiwillig mit mir getanzt?"

"Ich habe Ihnen wegen Tom einen Korb gegeben", rechtfertigte ich mich.

"Er hat den ganzen Abend nicht mit Ihnen getanzt."

"Ist das wahr?" Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern.

"Ja", meinte er sanft, "sie haben sich gefürchtet mit mir zu tanzen, weil Ihnen mein Gesicht nicht gefällt."

"Nein!"

"Doch. Der Ausdruck in meinem Gesicht ist es, der Sie ängstigt." Er wandte sich von mir ab und betrachtete das Bett. "Männer, wie ich, können abstoßend wirken auf Mädchen, wie sie, Miss Smith. - Auf jede, Miss Smith." Einen Augenblick schwieg er, dann führte er seine Überlegungen weiter: "Millionen von Männern, wie ich, sind sexuell ausgehungert. Sie träumen in Häusern und Straßen von prallen jungen Brüsten, Pos und Schenkeln. Männer, die zu kurz gekommen sind -."

Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Meine Gedanken rasten: "Wobei sind sie zu kurz gekommen?"

Abrupt drehte sich Snape um und stellte sich vor mich, seine Hände links und rechts neben mir auf die Kommode gestützt. Sein Gesicht schwebte nur Zentimeter über dem meinen. "Ihre Männlichkeit in die sinnlichen Tiefen einer Frau zu versenken."

Ich schluckte. Ich hatte den letzten Satz laut ausgesprochen!

Er atmete erregt ein und aus, dann sprach er weiter: "Es kommt der Tag, an dem wir uns das nehmen werden, was uns zusteht. Hoffen wir, dass die Phantasie uns bis dahin über Wasser hält."

Nun wandte er sich von mir ab und ging zum Bett. Dort schloss er meinen ausgeräumten Koffer und trug ihn zurück an die Garderobe. Aus dem Flur rief er: "Miss Smith!"

"Ja?", antwortete ich, von seiner intensiven Nähe immer noch verwirrt.

"Mit seinem Zynismus, seiner Gefühlskälte und Unnahbarkeit, muss er sich nicht wundern, dass keine Frau sich auch nur in seine Nähe wagt. An seinem Aussehen kann es nicht liegen. Snape ist, wenn er nicht gerade verbissen schaut, durchaus attraktiv -" Ich stoppte meine Gedanken. Was sollte das? Er hatte mich gezwungen, mit ihm die nächsten Tage und vor allem die Nächte zu verbringen, und ich überlegte, ob er attraktiv war!

"Kämmen Sie bitte Ihr Haar." Snape stand wieder im Türrahmen.

"Was?" Ich versuchte meine Gedanken zu ordnen.

"Und schminken Sie sich Ihre Lippen nach."

"Jetzt?"

"Ja", sagte er, "dann gehen wir zusammen aus und essen irgendwo."

"Ausgehen?", fragte ich ungläubig, "Wirklich raus? Weg von hier?" Ich konnte mein Glück nicht fassen.

"Ja, ins Restaurant. Essen … mit Wein, vielleicht Musik …" Snape schien es auf einmal nicht mehr erwarten zu können. "Machen Sie, ich bin schon fertig."

Die Aussicht, dieses Haus verlassen zu können, unter Menschen zu kommen, auch wenn es in Severus Snapes Begleitung war, war derart erleichternd, dass ich mich wie ein unreifer Teenager benahm.

"Oh, Professor, ich kann doch so nicht gehen. Wie sehe ich den aus?" Im Spiegel sah ich meine verweinten Augen und die Tränenspuren auf den Wangen. "Schrecklich sehe ich aus."

Mein Benehmen war einfach nur peinlich.

"Beeilen Sie sich, Miss Smith." Snape stand bereits an der geöffneten Haustür. "Das Leben draußen erwartet uns." Dann fügte er in gewohnt zynischer Weise noch hinzu: "Friss oder werde gefressen!"

Ich hastete aus dem Schlafzimmer und wollte an der Garderobe meinen Umhang nehmen, doch Snape meinte: "Den brauchen Sie nicht."

Nun trat ich heute bereits zum dritten Mal in den Garten. Die Sonne hatte den Zenit überschritten und in der Wärme des frühen Nachmittags tanzten kleine Fliegen zwischen denn Sträuchern. Snape verschloss die Tür mit einem Zauberspruch und trat dann an meine Seite. Er ergriff meine rechte Hand und legte sie in seine Armbeuge. Mein Hochgefühl, das immer noch anhielt, ließ mich über diese vertrauliche Geste hinwegsehen.

Gemeinsam verließen wir das Grundstück und betraten die Blackthorne Lane. Hier blieb Snape stehen und murmelte ein paar Worte, die ich nicht verstand. Im selben Augenblick löste sich die Umgebung auf.

Als ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte, befanden wir uns in einer kleinen Gasse, die an der Rückseite von dicht aneinander gebauten Häusern entlang führte. Die Luft war feuchtwarm und schmeckte salzig. Das ferne Rauschen und vereinzelte Möwenschreie ließen mich vermuten, dass wir irgendwo auf dem Kontinent waren.

Mein Magen revoltierte - wie auch immer wir hierher gekommen waren, diese Transportart würde nie zu meinen bevorzugten Fortbewegungsformen gehören.

"Worauf warten Sie?" Snape hatte meinen Arm losgelassen und war bereits einige Schritte gelaufen. Jetzt kam er zurück, nahm meine Hand und zog mich sanft aber bestimmt weiter. Nach einem kurzen Fußweg durch die verwinkelten Straßen des Dorfes standen wir vor einem ocker getünchten Haus, dessen Front und Dach zum großen Teil mit wildem Wein bewachsen waren.

Snape ging hinein und ich folgte ihm. Meine Augen brauchten eine Weile bis sie sich nach der gleißenden Sonne an die Dunkelheit, die im Raum herrschte, gewöhnt hatten.

Aus einem Winkel ertönte ein fröhliches: "Bonjour Madame! Bonjour Monsieur!", und ich erkannte einen kleinen Mann mit leicht untersetzter Statur und einem grauen Haarkranz auf dem Kopf, der hinter einer Theke stand.

Während meiner Zeit auf der Grundschule hatte ich ein Jahr Französisch gelernt. Da in Hogwarts keine Fremdsprachen unterrichtet wurden, war nicht mehr viel davon übrig, dennoch reichte es, um zwei Dinge zu wissen: Zum einen waren wir in Frankreich und zum anderen hatte der Besitzer uns gerade begrüßt.

Von dem Wortschwall, der dieser Begrüßung folgte, verstand ich allerdings kein Wort. Zu meiner Überraschung antwortete Snape in fließendem Französisch.

Die Folge dieser Unterhaltung war, dass der kleine Mann uns durch die Gaststube hindurch auf eine Terrasse führte, auf der ein halbes Dutzend kleiner und großer Tische standen, die mit Stoffservierten, Besteck und Kerzen eingedeckt waren. Eine Pergola, die fast vollständig mit verschwenderisch blühender Bougainvillea bewachsen war, sorgte für Schatten und eine angenehme Temperatur. Umrandet wurde die Terrasse von einer niedrigen Bruchsteinmauer, auf der Blumentöpfe standen.

Der Restaurantbesitzer blieb vor einem Tisch am Rand dieser Umfassung stehen. Er zog einen Stuhl hervor und meinte mit einer einladenden Handbewegung: "Madame, s'il vous plaît." Ich setzte mich.

Snape, der mir gegenüber Platz genommen hatte, verhandelte nun wieder mit dem Franzosen. Der verschwand anschließend im Haus und kehrte kurze Zeit später mit zwei Steingutbechern in den Händen und zwei Speisekarten unter dem Arm zurück. Die gefüllten Becher stellte er zwischen uns auf den Tisch, um uns anschließend mit einer eleganten Bewegung die Menükarten zu überreichen.

Ich tat so, als würde ich mich in die Speisekarte vertiefen, aber um ehrlich zu sein, außer ‚avec' und ‚à la', begriff ich kein Wort. Es hätte auch eine Werbung für Kernseife sein können.

Snape beobachtete meine tiefer werdenden Stirnfalten und zog die richtigen Schlüsse. "Soll ich für Sie bestellen?"

"Ähm …" Ich zögerte. Um Zeit zu gewinnen, trank ich aus meinem Becher. Es war Rotwein, der mir überraschend gut schmeckte.

"Vertrauen Sie mir", bat Snape.

"Gut", akzeptierte ich, "solange Sie keine Froschschenkel bestellen."

"Nein, versprochen." Auf seinem Gesicht lag wieder dieses unergründliche Lächeln. Das hätte mir zu denken geben müssen.

Als der Besitzer wieder auf der Terrasse erschien, bestellte Snape unser Essen. Nach dem Redeschwall zu urteilen, orderte er einige Gänge. Der Franzose erwiderte noch etwas, das Snape mit einem Kopfnicken quittierte.

In der Zwischenzeit hatte ich die Gelegenheit mich weiter umzublicken. Direkt hinter der Brüstungsmauer begann ein steil abfallender Hang, der mit braunem, fast Knie hohem Gras und Schirmpinien bestanden war. Auf der Mauer in der Nähe unseres Tisches lag eine rotgetigerte Katze zusammengerollt, die die Hitze des Tages verschlief. Zikaden ließen unablässig ihr monotones Zirpen ertönen.

Von der einen Ecke der Terrasse führte ein mit Steinen gepflasterter Weg, auf dem sich steile Rampen und Treppenstufen abwechselten, durch dieses Piniengehölz bis zu einer kleinen Bucht, in der das Meer an die Felsen klatschte. Die ganze Landschaft strahlte etwas Friedvolles aus.

Snape, der meinen Blicken gefolgt war, riss mich aus meinen Gedanken: "Der Patron hat mir mitgeteilt, dass seine Frau erst in gut einer Stunde vom Einkaufen zurück sein wird. Mit dem Essen wird es daher noch etwas dauern. Wir haben also Zeit. Wollen wir runter in die Bucht gehen?"

Ich nickte. Snapes bisheriges Verhalten verblasste vor der Schönheit dieses Ortes. Meine Eltern hatten nie das Geld gehabt, um mit mir in den Urlaub zu fahren. Selbst ein Wochenende in Brighton oder Scarborough war schon zu teuer gewesen. Es war mein allererster Tag im Süden und am Meer. Entsprechend begierig war ich ans Wasser zu kommen. Ob Snape sich dessen bewusst war, als er dieses Restaurant ausgesucht hatte?

Er ging vor mir den Weg zur Bucht hinunter. Dort gab es keinen Sandstrand, sondern nur einen flachen Felsen, von dem eine Leiter ins Wasser führte. Insgeheim befürchtete ich, Snape könnte den Vorschlag machen, schwimmen zu gehen. Doch entweder er dachte nicht daran oder er unterließ es.

Ein Stück rechts von mir verschwand die Felsplatte unter dem grasbewachsenen Hang. Die Stelle lag im Schatten und so setzte ich mich dort hin, lehnte mich mit dem Rücken gegen die warme Böschung und blickte auf das Meer.

Snape kam nicht zu mir herüber. Er setzte sich auf eine niedrige Mauer, die entlang des Fußweges verlief, den wir gerade heruntergekommen waren.

Ich schloss meine Augen und lauschte den Geräuschen, die um mich herum waren. Der Wind strich über mein Gesicht und wehte hin und wieder feine Salzwassertröpfchen auf meine Haut. Tief atmete ich die warme, feuchte Luft ein. Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Hätte ich mich nicht in Snapes Begleitung befunden, es wäre perfekt gewesen.

Da ich die letzte Nacht kaum geschlafen hatte und meine Anspannung ein wenig nachließ, machte mich der Becher Wein, den ich auf der Terrasse ziemlich hastig getrunken hatte, schläfrig. Snape und alles was mit ihm zusammenhing war in diesem Augenblick weit weg und so versank ich in einen traumlosen Schlummer.

Eine Fliege, die vor meinem Gesicht brummte, weckte mich auf. Ich wusste nicht, wie lange ich geschlafen hatte, aber der Baumschatten war gewandert und die Sonne stand weiter im Westen. So rückte ich ein Stück in den Schatten, um mir keinen Sonnenbrand zu holen.

Snape saß noch immer auf der Mauer. Sie machte an dieser Stelle einen Knick und führte etwas steiler nach oben. Er lehnte mit seinem Oberkörper an diesem Teil der Mauer und hatte die Augen geschlossen. An seinen gleichmäßigen Atemzügen erkannte ich, dass er schlief. Der Wind hatte etwas aufgefrischt und blies ihm die schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht, so hatte ich Gelegenheit ihn zu betrachten.

Seine Züge waren entspannt und die Verbitterung, die sonst seinen Mund umgab, war verschwunden. Das Kinn und die Wangen schimmerten vom Bartwuchs dunkel. Ich folgte der Linie seiner Nase und bemerkte, dass er lange und dichte Wimpern hatte. Auf der Stirn, die er oft in Widerwillen kraus gezogen hatte, war keine einzige Falte zu sehen. An seinen Schläfen hatten sich kleine Schweißperlen gebildet, was kein Wunder war, denn trotz der Wärme hatte er das langärmlige Hemd bis zum letzten Kragenknopf geschlossen.

Der linke Ärmel war etwas hoch gerutscht und entblößte eine Tätowierung: einen Totenschädel mit einer Schlange. Mich fröstelte. Das Gerücht, er sei ein Todesser gewesen, entsprach der Wahrheit.

Ohne seinen weiten Umhang, der ihn immer wie eine übergroße Fledermaus aussehen ließ, wirkte Snape sehr dünn und in diesem Licht war der Kontrast zwischen seiner schwarzen Kleidung und der unnatürlichen Blässe seiner Haut noch stärker.

Ich ertappte mich dabei, wie ich mir vorstellte, dass seine langen, feingliedrigen Finger über meine Arme streichelten und meinen Rücken entlang glitten …

"Warum hat Tom damals meinen Vorsatz ‚Kein Sex vor der Ehe' ohne große Widerworte akzeptiert? Warum habe ich mich nur so geziert, als Tom mit mir schlafen wollte?" Diese Gedanken hämmerten bitter in meinem Kopf. "Ich hätte mit ihm schlafen sollen, dann wäre er der Erste gewesen und nicht dieser grauenvolle, obszöne Mensch."

Gewaltsam brachte ich meine Gedanken in eine andere Richtung, denn an diesen Tatsachen konnte ich nichts mehr ändern. "Wäre Snape - wenn ich ihn unter anderen Umständen kennen gelernt hätte - mir sympathisch gewesen?"

Hier meldete sich eine Stimme in meinem Kopf: "Glaubst du wirklich, er hätte das zugelassen? Severus Snape und sympathisch? Da muss noch viel Wasser die Themse herunter fließen."

Ich wandte meinen Blick ab, denn ich wollte vermeiden, dass er mich dabei erwischte, wie ich ihn musterte und er es vielleicht falsch interpretieren könnte. Ich lehnte meinen Kopf zurück, schloss die Augen und döste bald wieder vor mich hin.

"Miss Smith!" Ich öffnete langsam die Augen. Snape stand neben mir und blickte auf mich herunter. Seine sanfte Stimme bereitete mir Unbehagen, sie glitt an mir herab, wie es seine Finger in meiner Vorstellung getan hatten. "Das Essen ist bald fertig, wir sollten wieder nach oben gehen."

Er hielt mir seine Hand hin, um mir hoch zu helfen. Ich hätte sie nur zu ergreifen brauchen, doch ich hatte die absurde Furcht, er könne dann etwas von meinen Gedanken mitbekommen. Daher ignorierte ich seine Hand und mühte mich mehr als notwendig ab, um wieder auf die Beine zu kommen.

Snapes Blick verfinsterte sich und er zog die Hand ruckartig weg, drehte sich um und ging ohne ein weiteres Wort den Fußweg hinauf zum Restaurant. Mir wurde klar, dass ich ihn gekränkt hatte, weil ich seine nett gemeinte, ohne Hintergedanken dargebotene Geste wegen meinen eigenen überdrehten Vorstellungen zurückgewiesen hatte. Mein abweisendes Verhalten tat mir in diesem Moment aufrichtig Leid.

Ich lief hinter ihm her, nur mir fiel keine Möglichkeit ein, wie ich mich bei ihm unverfänglich entschuldigen konnte. Auf der Terrasse angekommen setzte ich mich ziemlich außer Atem auf meinen Stuhl. Der Patron hatte bereits die Weinbecher wieder gefüllt und zusätzlich noch einen Krug mit Rotwein hingestellt.

Mein Hals war wie ausgetrocknet. Das erste Glas Wein trank ich daher ziemlich schnell. Snape, der mir still gegenüber saß, nahm den Weinkrug und schenkte nach. Ich trank auch den zweiten Becher sofort aus. Gerade als ich mich für mein Verhalten in der Bucht entschuldigen wollte, kam der kleine Franzose mit einem großen Teller und Besteck.

Zuerst legte er zwei winzige Gabeln und zwei eigenartig geformte Zangen vor uns hin. Dann stellte er den Teller zwischen uns auf den Tisch. Die Platte hatte in regelmäßigen Abständen Vertiefungen, in denen eigenartig geformte Objekte lagen.

"Voici les escargots! Bon Appetit!", meinte er und goss mir noch etwas Wein in den Becher, danach verschwand er wieder in der Gaststube.

Jetzt erkannte ich, was sich auf dem Teller befand: Schnecken!

Snape fixierte mich und wartete auf eine Reaktion.

"Die Entschuldigung kann er vergessen!", dachte ich wütend.

Mit angewidertem Gesichtsausdruck beobachtete ich, wie Snape die Zange in die linke Hand nahm und damit eines der Schneckengehäuse ergriff. Dann holte er mit der kleinen Gabel einen grauen, wurmartigen Körper heraus.

Als er meine Miene sah, lächelte er und meinte: "Ein entzückendes Schulmädchenstirnrunzeln haben Sie, Miss Smith. Mancher Mann würde Sie glatt in die Wälder schleifen für ein derartiges Erlebnis."

Ich wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als mir Snape die Gabel mit der Schnecke in meinen Mund schob. Vor Schreck schloss ich ihn und Snape zog die Gabel ohne Schnecke wieder heraus.

Mir drehte sich der Magen um und ich musste einen Würgereiz unterdrücken, angeekelt schluckte ich die Schnecke in meinem Mund herunter.

Snape, der die ganze Situation mit großer Genugtuung betrachtete hatte, kommentierte sie mit den Worten: "Gut, wenn der gegenseitige Atem sich vermischt, sollte man auch das gleiche Gericht zu sich nehmen. Wussten Sie übrigens, dass man früher glaubte, dass Schnecken essen die Fruchtbarkeit fördert?"

Diese Bemerkung ignorierte ich. Ich wollte bloß den penetranten Knoblauchgeschmack in meinem Mund loswerden. Also trank ich den dritten Becher Wein.

"Die Knoblauchbutter schmeckt ekelhaft", würgte ich endlich hervor.

Snapes Reaktion bestand aus einem hämischen Grinsen, das mich rasend machte. Der Wein begann zu wirken.

"Toms Mutter sagt, nur französische Hexenmeister essen so übermäßig Knoblauch."

Er schien seine Antwort sorgfältig abzuwägen, dann sagte er: "Sie erzählen mir Bände über Toms Mutter und über Ihr eigenes künftiges Unglück mit einem einzigen Satz."

"Was meint er damit?", dachte ich verwirrt. Weil mir keine passende Antwort einfiel, schwieg ich. Es war zu riskant eine unbedachte Bemerkung zu machen.

Bei der weiteren Essensauswahl hatte Snape einen ausgezeichneten Geschmack bewiesen, der weit weniger exotisch war, als es der erste Gang vermuten ließ. Mir war klar, dass er die Schnecken nur bestellt hatte, um mich zu ärgern. Aber das war ihm bestens gelungen und das wurmte mich.

Mittlerweile saßen weitere Gäste auf der Terrasse und so konnte ich mich vor Snapes verbalen Attacken relativ sicher fühlen. Daher verlief der Rest des Abends in fragiler Harmonie.

Die Sonne versank glutrot im Meer, die Grillen zirpten und irgendwo in der Nachbarschaft hörte ich jemanden Akkordeon spielen. Der Wein, den ich vor und während des Essens getrunken hatte, machte sich bemerkbar. Die leichte Brise und die laue Luft taten ihr Übriges. Ich wurde müde und hatte ziemliche Schwierigkeiten mich auf die Gegenwart zu konzentrieren.

Wäre ich mit Tom hier gewesen, dann hätte ich die Situation als einen romantischen Abend bezeichnet - doch Tom würde niemals auf die Idee kommen, mich an so einen Ort zum Abendessen einzuladen!

Um später noch einen halbwegs klaren Gedanken fassen zu können, begann ich die Nebenwirkungen des Weins beim Dessert mit vier Tassen starken Kaffee zu bekämpfen. Ich wollte nicht Gefahr laufen, dass ich - was auch immer Snape noch vorhatte - nicht mehr fähig war mich zu wehren, weil ich mich dummerweise betrunken hatte.

Snape, der meinen exzessiven Kaffeekonsum bemerkt hatte, meinte: "Es ist spät geworden. Wir sollten gehen."

Auf seinen dezenten Wink brachte der Besitzer die Rechnung. Mein Verstand, bei dem das Koffein noch mit dem Alkohol um die Vorherrschaft stritt, registrierte, dass Snape erstaunlicherweise keine Probleme hatte mit Muggelgeld - noch dazu mit ausländischem - zu bezahlen.

Als ich aufstand, knickten mir kurz die Beine weg. Snape reagierte, indem er mich mit seinen Arm fest um die Taille fasste. Beim Verlassen des Restaurants rief uns der Patron noch ein fröhliches: "Au revoir et bonne nuit!" nach.

Snape murmelte etwas, das wie "Die werde ich haben." klang.




Kapitel 3

Kapitel 5

 

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