Seltsame Wege

 

 

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Kapitel 17: Erlösung





Seine Lippen berührten sie sanft wie ein Windhauch. Sie waren fest und schienen nichts zu fordern. Ganz vorsichtig strichen sie über ihre, öffneten sich noch ein wenig. Die geschmeidige Zunge bat zärtlich um Einlass und Hermine gab aufseufzend nach. Langsam drang sie zwischen ihre Lippen, umschmeichelte ihren Gaumen. Sie konnte seinen süßen Geschmack wahrnehmen, seine Hände, die ihre Oberarme fester umfassten. Das weiche Haar, das ihre Schläfe berührte. Stupsend lockte er sie, seine Liebkosungen zu erwidern.

Zögerlich strich sie an seiner Zunge entlang, genoss ihre Nähe. Unbewusst schmiegte sie sich an ihn, ließ zu, dass er sie mit seinen Armen umschlang. Ihre Hand fand den heftigen Herzschlag in seiner Brust, während sie mit den Fingerspitzen seine Wange berührte. Leicht über die erstaunlich weiche Haut fuhr. Gefangen in diesem sicheren Gefühl. Verwoben in einer Zärtlichkeit, die sie so nie gekannt hatte.

Er drängte sich näher an sie, sein Kuss wurde hungriger. Sie konnte hören, wie er lustvoll aufstöhnte. Leidenschaftlich strich er über ihre schmalen Schultern und glitt mit den Händen ihre zerbrechliche Wirbelsäule entlang. Kurz löste er seine Lippen und sah sie mit brennendem Blick an, dann flammte der Kuss wieder auf. Heftiger als zuvor, gröber in seiner Leidenschaft.

Sie konnte seinen Hunger deutlich spüren, die Härte seines Körpers, als er sie fest hielt. Leichte Panik machte sich in ihr breit. Das Gefühl keine Luft zu bekommen, von ihm erdrückt zu werden. Und als er ihren Po umfasste und sie fest an sich presste, spürte sie seine Erregung. Alles in ihr schrie STOP. Es ging zu schnell! Sie hatte Angst. Begann sich in seinen Armen hilflos zu winden, ihn wegzustoßen.

Severus hatte so lange auf diesen Moment gewartet. Alles brach hervor, sein Hunger, sein Verlangen, der Schmerz. Doch er war kein Tier. Er spürte, dass sich etwas geändert hatte. Sie erwiderte den Kuss nicht mehr und ihre Hände, die ihn eben noch sanft berührten, drückten ihn nun weg. Es fiel ihm unendlich schwer, aber mit einem letzten heiseren Aufstöhnen löste er sich von ihr. Trat zwei Schritte zurück und lehnte sich, nach Atem ringend, an die Tür.

Um sie nicht doch noch an sich zu reißen, verschränkte er die Arme hinter seinem Rücken. Sein Blick hing immer noch an ihr. Sie stand vor ihm, mit großen glänzenden Augen. Erstaunen und Angst gleichermaßen in ihnen. Ihre Fingerspitzen berührten zaghaft ihre Lippen. Ein leises Wimmern, mehr hörte er nicht von ihr.

Sollte er sich entschuldigen? Sagen, dass es nie wieder vorkommen würde? Das Thema meiden und die ganze Sache vergessen?

Doch dann sah er die Verwunderung in ihrem Gesicht und ein leises Lächeln trat auf seine Lippen. Sie war sein - und er gehörte ihr.

"Wir sind gut zusammen...."

Er sprach leise, um sie nicht zu verschrecken. Sah, wie ihr Gesichtsausdruck zu einem Lächeln wurde.

"Es fühlte sich... schön an."

Sie war fast nicht zu verstehen, doch ihre Augen waren fest mit den seinen verankert.

"Ich wurde etwas... heftig. Es tut mir leid."

Hermine senkte kurz den Blick auf den Boden, seufzte, setzte an zu sprechen. Es gelang ihr erst nach dem dritten Versuch.

"Du hast mir Angst gemacht."

Er sah sie entschuldigend an, streckte langsam die Hand aus und strich ihr liebevoll eine Strähne hinter das Ohr. Sie zuckte nicht zurück. Sie fing seine Hand auf, als er sie zurückziehen wollte und schmiegte ihre Wange dagegen.

"Ich liebe dich noch immer."

Severus sah, wie eine Traurigkeit von ihr Besitz ergriff. Wie Schatten ihre Augen verhüllten und sie von ihm zurücktrat.

'Nein! Du wirst nicht wieder davonlaufen. Albus hatte recht! Unsere Seelen kennen sich.'

Bevor sie sich abwenden konnte, hatte er ihr Handgelenk schon umfasst. Sie zog daran, versuchte sich von ihm zu befreien. Hermine war schwächer und gab auf. Sie starrte blicklos auf eine der Wände, als sie zu sprechen begann.

"Ich weiß. Aber was ist Liebe? Ich liebte Draco - und es hat mir nur Schmerzen gebracht. Ist es nicht besser, niemals zu lieben? Wir sind so verschieden, wir mochten uns nicht einmal!"

"Mag sein, dass wir nicht unbedingt ein Traumpaar sind. Wir könnten problemlos als *Schöne und das Biest* auftreten. Und wenn du mich nicht willst, wenn es dich ekelt, mit mir zusammen zu sein...."

"Aber das ist es nicht! Ich vertraue dir und es fühlte sich wunderschön an, dir nahe zu sein...."

"Was ist es dann?"

"Ich weiß einfach nicht, ob ich dich liebe."

Sie klang, als würde sie jeden Moment zu weinen beginnen. Severus zog sie sanft näher an sich. Seine Stimme klang zärtlich und die Worte machten so viel Sinn.

"Dann finden wir es raus!"

Ihre Augen ruhten hoffnungsvoll und zugleich unsicher auf ihm. Er lächelte beruhigend und sie fragte sich, wie es überhaupt zu dieser Situation hatte kommen können. Er war nie ihr Traum gewesen. Sie hatte seinen Intellekt bewundert, seinen Duft gemocht und die Art, wie seine Stimme klang. Doch sie hätte sich niemals vorstellen können, ihn zu küssen - und doch hatte es sich so richtig angefühlt. Wie vorbestimmt.

Er öffnete die Tür und sie betraten eine verlassene Halle. Der Staub lag zentimeterdick auf dem Boden und Spinnenweben spannten sich über jede Ecke. Die Fenster waren blind und der Raum völlig leer. Lediglich ein verhangenes Möbelstück stand in der Mitte und schien der Grund ihres Hier seins zu sein.

"Was ist das?"

Severus drehte sich zu ihr um und sah sie etwas ungeduldig an. "Sag bloß, du warst die Einzige vom Chaostrio, die niemals in den Spiegel Nerhegeb gesehen hat?"

Er klang ein wenig wie früher. Etwas von oben herab, etwas giftig. Aber gerade diese Vertrautheit nahm ihr die Scheu. Neugierig trat sie näher.

Der Mann zog das Laken vom Spiegel und warf es nachlässig zu Boden. Genau ihre Reaktion betrachtend. Schob sie nachdrücklich vor den Spiegel und trat dann zurück. Er kannte seinen größten Wunsch, wusste genau, was der Zauber ihm zeigen würde.

Jetzt kam es nur auf sie an. Wenn er sich geirrt hatte, wenn ihre Gefühle nicht so tief wie seine gingen... wenn ihr andere Dinge wichtiger waren - dann würde das entgültig einen Schlussstrich bedeuten. Er würde sich nicht mit Halbheiten zufrieden geben. Wollte geliebt werden, nicht nur aus Mitleid oder Interesse ihr Nächster sein. Also wartete er ab.

Hermine sah in den Spiegel und fragte sich, ob sie wirklich wollte, dass er ihr die Entscheidung abnahm. Gab es denn überhaupt eine Zukunft für sie? Wollte sie wirklich mit ihm zusammen sein? Auf Dauer, nicht nur auf absehbare Zeit? Wäre sie wirklich in der Lage, mehr in ihm zu sehen, als einen Vertrauten, einen Mentor?

Als würde der Spiegel ihre Ängste verstehen, zeigte er ihr eine ganze Weile einfach nur ihre Reflektion.

Langsam wurde Severus nervös und ungeduldig. Wie konnte es so lange dauern?

"Und? Was zeigt er dir?"

Sie drehte ihren Kopf zu ihm um. Fing seine Unsicherheit und Furcht ein. Spürte seine Hoffnung und auch seine Liebe. Er würde sie auf Händen tragen, und hatte er ein wenig Glück nicht verdient? Er hatte so lange alles entbehrt. Ein letzter kurzer Blick auf den Spiegel und dann wand sie sich ihm entgültig zu.

"Dich."

Er war so erleichtert, dass er fast zusammengebrochen wäre. So glücklich lächeln hatte sie ihn noch nie gesehen. Er umarmte sie, als gäbe es kein Morgen.

"Für immer. Hörst du? Für immer und ewig werde ich dich lieben!"

Lachend wirbelte er sie durch den Raum. Er wirkte um Jahre jünger und sie fiel in sein Lachen mit ein.

Beschwingt hob er sie auf seine Arme und küsste immer wieder ihre Stirn und die braunen Locken. Er würde sie in seine Gemächer tragen und der Liebe Ausdruck verleihen. Niemals wieder alleine!

Als er sie zur Tür trug, warf sie einen letzten Blick zurück auf den Spiegel. Die glänzende Oberfläche warf ihren geheimsten Wunsch zurück. In ihren Augen glitzerten kurz Tränen, doch sie blinzelte sie weg.

Wenn kümmerte es schon, was der Spiegel zeigte? Er liebte sie, und sie fühlte sich ihm näher als jedem Anderen.

Wen kümmert es schon, was der Spiegel zeigt!


Kapitel 16

Epilog

 

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