Das Pokerspiel

 

 

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Autor: Starbuckx





Es ist kalt hier drin.

Es durchdringt mich, läuft durch meine Adern als wäre es Eis, greift in meine Seele bis es mir alle Wärme nimmt, alle guten Erinnerungen, all meine Gefühle und alles was übrig ist, ist die furchtbare Kälte.

Und die Schuld, die verlässt mich nie. Sie ist jetzt ein so großer Teil von mir geworden, daß ich mich jetzt oft frage, wie ich durch all die Jahre in Hogwarts gekommen bin ohne darauf zu achten. Vielleicht ist es weil ich eine Pflicht hatte. Jetzt habe ich nichts.

Ich erinnere mich jetzt viel deutlicher an die Gesichter jedes der Menschen die ich getötet habe, die Angst, die Schreie und die verzweifelten Bitten um Gnade. Ich hatte damals gelacht, aber ich finde es nicht mehr komisch. In der Nacht, wenn ich versuche zu schlafen, höre ich ihre Stimmen und sehe ich ihre verängstigten Gesichter, und ich erlebe wieder die Freude die es mir bereitet hat sie zu töten und die Art wie ich es genossen habe, sie zum Weinen brachte und betteln ließ bevor ich endlich den tödlichen Streich ausgeführt habe.

Das war früher.

Bevor Dumbledore das Risiko einging an mich zu glauben. Bevor ich einen Grund hatte, Gutes zu tun. Damals, als mir nur Macht und Ruhm wichtig war. Als ich noch stolz auf mein dunkles Mal war.

Da war das Leben anders. Alle die zu Voldemort gingen bekamen sofortige Macht und die Leute die bei Dumbledore blieben verbrachten mehr Zeit damit sich zu verstecken als damit zu kämpfen. Ich war auch ein anderer Mensch, jünger, unerfahren, unvorsichtig. Dumbledore war ein Mentor für mich gewesen, und ich respektierte ihn, aber er konnte mir nicht bieten was ich ersehnte. Macht. Also ging ich zu Voldemort.

Ich war nie dumm genug um zu glauben, daß ich auf der richtigen Seite war, aber damals war es mir egal, auf der richtigen Seite zu sein. Ich wollte auf der Seite sein die gewann. und es sah aus als würde Voldemort gewinnen. Er hatte zu viele Anhänger, zu viel Macht, zu wenig Widerstand.

Es ist ironisch, aber die Leute die mich hier her geschickt haben hatten schließlich doch recht. Ich bezahle für meine Verbrechen. Nicht die von denen sie glauben, daß ich sie jetzt begangen habe, sondern für die die ich einmal begangen habe als ich dumm genug war, der richtigen Seite den Rücken zu kehren.

Verräter

So nennen sie mich jetzt. Niemand benutzt noch meinen Namen. Ich bin nur ein Verräter - nein, der größte Verräter von allen. Die Worte erinnern mich an so vieles - an eine Zeit in der ich dem das ich für mich gewählt habe den Rücken kehrte und beschloß zu Dumbledore zu gehen, an geflüsterte Gespräche in dunklen Gängen, an einen alten Mann mit einem freundlichen Lächeln.

Dumbledore.

Er ist jetzt tot, auf ewig verschwunden. Manchmal, wenn ich in die Sterne blicke, kann ich fast sehen wie sich sein Gesicht dort spiegelt, und einen kurzen Augenblick lang bin ich glücklich weil er seinen Frieden gefunden hat.

Aber Glück dauert hier nicht lange.

Sie besuchen mich nicht allzu oft, die Dementoren. Ich habe nur wenige glückliche Erinnerungen, und die die ich habe sind in meinem Herzen verschlossen, weg von der Welt. Nur in solchen unbewachten Augenblicken tauchen sie auf um mir die freundliche Erinnerung an den größten Mann zu nehmen den ich je kannte.

Auch Minerva ist weg. Ich wusste immer, daß sie an seiner Seite sterben würde so wie sie immer gelebt hat. Kämpfend für das an das sie glaubte.

Von den acht die in den letzten Kampf gingen kamen nur drei unversehrt zurück. Albus und Minerva sind für immer verloren, aber sie sind nicht die einzigen. Es scheint, daß Voldemort es schließlich geschafft hat, den Jungen der überlebt hat, Harry Potter zu besiegen. Als sie einer nach dem anderen zurück kamen waren ihre Gesichter tränenüberströmt, und alle dachten er wäre tot. Aber das war nicht der Fall. Schließlich und endlich ist Harry Potter nur... verschwunden.

Niemand, nicht einmal seine engsten Freunde, die die vom Kampf zurückkehrten, wissen was mit ihm passiert ist. Er ist einfach verschwunden.

Manchmal denke ich es wäre vielleicht besser für ihn. Ich denke nicht, daß er überleben könnte was den anderen passiert ist. Azkaban ist Hölle genug für mich, und der letzte Mensch auf der Welt von dem ich je angenommen hätte, daß er mir leid tun könnte ist Harry Potter.

Aber er tut es.

Mr. Weasley und Ms. Granger sind einigermaßen in Ordnung, aber das ist alles was es an guten Nachrichten gibt. Black schwebt in Lebensgefahr, und wenn er stirbt weiß ich nicht ob Lupin es überleben würde. Es scheint, daß Black an jenem Tag Lupins Leben gerettet hat, und Lupin gibt sich die Schuld an dem was seinem Freund passiert ist. Ohne Harry um den er sich kümmern könnte, denke ich, wäre er vielleicht bereit, seinem Freund an einen besseren Ort zu folgen.

Albus und Minerva sind natürlich tot. Und wenn das alleine nicht reichen würde um ihn langsam zu zerreißen, gibt es da noch Ms. Weasley.

Ich denke nicht, daß sie und Potter je zusammen waren, aber es war klar, daß er etwas für sie empfand. Und sie hat ihn immer bewundert. Es ist dumm wenn man mich fragt... warum sollten sie nicht die Zeit nutzen die sie noch hatten?

Nun, es wird nie wieder so sein. Sie ist nur da, liegt in einem Krankenhausbett ohne sich bewegen oder sprechen zu können. Die Ärzte sind immer noch nicht sicher was mit ihr los ist, aber sie haben sehr geringe Hoffnungen, daß sie je wieder das Mädchen wird das sie einmal war.

Manchmal träume ich, daß er auftaucht und es auf einmal besser wird. Black wird sofort gesunde, und Ms Weasley wacht aus ihrem tiefen Schlaf auf um ihn zu begrüßen. Das Leben wird auf einmal heller. Und sie denken lange genug an mich um mich hier raus zu holen.

Dann erwache ich schaudernd, die Dementoren stehen an meinem Bett und sind bereit, mir meinen glücklichsten Gedanken zu nehmen.

Den Glücklichsten.

Wenn mir jemand vor 5 Jahren gesagt hätte, daß mein glücklichster Gedanke etwas mit Harry Potter zu tun hätte, hätte ich nicht gezögert, ihn verrückt zu nennen. Aber jetzt stimmt es. Ich träume, daß Harry Potter zu meiner Rettung kommt. Wie ironisch.

Ich habe immer Dumbledores Entscheidung unterstützt, meine Rolle in all dem geheim zu halten. Wenn ich Erfolg haben sollte durfte niemand wissen, daß ich für Dumbledore arbeitet. Aber er beschloß trotzdem, Harry Potter diese Information anzuvertrauen. Ich dachte immer daß was Potter wusste auch Granger und Weasley früher oder später heraus fanden, und ich hatte Dumbledore widersprochen. Aber er hatte mich nur angelächelt und gesagt ich solle mir keine Gedanken machen. Harry würde nichts sagen.

Das hat er wirklich nicht. Und deswegen bin ich hier.

Wenn er Granger und Weasley bescheid gesagt hätte, wie ich es gedacht hatte, hätten sie aussagen können, daß ich nicht wirklich für Voldemort arbeitete, und ich wäre nicht an diesem furchtbaren Ort. Aber er hat es nicht getan, und ich kann nur beten und hoffen, daß Harry zurückkommt. Wieder frage ich mich, wie ironisch ist das?

Zu sagen, daß er nicht unter meinen Lieblingsschülern war wäre zu freundlich. Ich habe den Jungen verabscheut, und ich kann nicht sagen, daß sich meine Meinung über ihn viel verändert hat. Aber dieser Ort nimmt einem die Kraft, den Willen und die Gefühle. Der einzige Mensch den ich noch hasse bin ich selbst.

Es ist nicht als täte es mir leid, daß ich streng zu ihm war; alle waren viel zu nett. Es ist nicht als würde ich denken er hätte in meinem Unterricht nichts gelernt, denn das hat er. Ich vermute nur, daß man dasselbe auch besser hätte erreichen können.

Gedanken an meine Schüler füllen hier ständig meinen Geist. So kann ich die Zeit herumbringen. Ich erinnere mich an die kleinen Dinge. Ms. Weasleys zögern wenn sie etwas ausprobieren sollte das ihr Partner machte, Potters lächerlicher kleiner Streit mit Malfoy, Longbottoms Ungeschicktheit.

Vor allem an Longbottom denke ich. Der Junge war so ungeschickt wie man nur sein konnte. Nie schaffte er es in meinem Unterricht etwas richtig zu machen. Jetzt ist er tot, eines der ersten Opfer von Voldemort, und ich muß mich fragen ob etwas Freundlichkeit meinerseits etwas geändert hätte. Vielleicht hätte er einen anderen Weg eingeschlagen. Vielleicht... vielleicht... vielleicht.

Ich verbringe viel Zeit damit, darüber nachzudenken was gewesen sein könnte und was gewesen sein sollte. Tausend verschiedene Zukünfte zeigen sich mir: Verschiedene Entscheidungen und verschiedene Ergebnisse. Ich frage mich wie viele ich beeinflusst habe... wie viele etwas falsches getan haben, aufgrund von etwas das ich getan oder gesagt habe.

Ich habe mich nie dafür geschämt was ich war oder wie ich mich benommen habe. Es war notwendig, daß ich mich auf gewisse Weise verhielt um einen gewissen Schein zu wahren, sonst hätte mich Voldemort nicht wieder aufgenommen. Aber während ich darüber nachdenke bedeutet diese Ausflucht immer weniger, und die Schuld frisst mich auf bis ich nur noch in eine Ecke des Zimmers kriechen und sterben will.

Aber das tue ich nicht.

Ich frage mich oft was mich am Leben hält. Es kann nicht Hoffnung sein, denn die Dementoren nehmen sie einem. Es kann nicht Liebe sein, denn ich fühle sie nicht mehr. Ich bin nicht sicher ob ich das je konnte. Es kann keine Loyalität sein, denn es gibt keinen dem ich loyal sein könnte.

Vielleicht ist es nur das Gefühl, daß ich mehr von meinem Leben will. Ich verdiene es, mehr von meinem Leben zu haben. Ich bin schließlich ein Slytherin. Und wer sagt, daß das schlecht ist?



Epilog



Kälte. Aufwachen. Kälte. Essen. Kälte. Schlafen. Kälte

Das ist alles das wir hier tun. Es ist unsere Routine. Es verändert sich nie.

Aber Heute war es so.

Ich hatte einen Besucher.

Nicht viele Zauberer wollen hier herkommen, und noch weniger wollen kommen, um einen Gefangenen zu besuchen. Also stellte das Öffnen meiner Zelle die erste von vielen Überraschungen dar, die dieser Tag mir bringen würde.

Mr Cornelius Fudge kam, herausgeputzt und mit einem Stapel Zeitungen in der Hand herein, die er grinsend neben mir fallen ließ bevor er anfing zu reden.

Ich habe ihm nicht zugehört, wie immer. Es wird immer schwerer, einem Mann wie ihm Aufmerksamkeit zu schenken wenn man ihn einmal gehört hat. Es ist besser wenn man ihn ignoriert und später jemand anders fragt.

Er blieb aber nicht lange, sondern sah mich nur mit einem sehr selbstzufriedenen Gesichtsausdruck an und ging nur Sekunden nach dem er gekommen war wieder hinaus, und ich war zum ersten Mal seit ich hier bin froh, daß ich mit meinen Gedanken alleine war.

Erst später, als ich mich auf die Zeitungen konzentrierte die er mir gebracht hatte, ließ ich mich alles fühlen was ich in den letzten beiden Monaten weggeschlossen hatte: Glück, Angst, Freude, Hoffnung, sie alle rauschten durch mich hindurch als ich auf die Überschriften blickte:

“Harry Potter: Der Junge der wieder überlebt hat.”

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