Die schwarze Hexe - Kapitel 5: Unsichtbare Wände

 

 

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Kapitel 5: Unsichtbare Wände

Am nächsten Morgen waren die Schüler kaum aus dem Bett zu bekommen, obwohl der Unterricht erst später begann. Als die Fünfte Klasse Kerker2 betrat, waren einige am Gähnen, während die meisten sich lautstark über das Fest des vorigen Abends unterhielten. 

"Ich esse nichts Grünes mehr bis Weihnachten, mir war so schlecht...", rief Ron
"Das war wohl eher die Blutorangenbowle, die um Mitternacht ausgegeben wurde, da hast du ganz schön zugelangt...", lachte Hermione
"Wenn du die ganze Zeit mit jemand anderem tanzt..."
"Eifersüchtig, der Herr?"
"Pah, wenigstens einen Tanz hättest du erübrigen können."
"Du hast eh nur die ganze Zeit auf Snapes Begleiterin geglotzt, gerade dass deine Augen nicht gleich in ihr Dekolletee gefallen sind..."
"Man gönnt sich ja sonst nichts..."
"Ich wüsste aber schon ganz gerne, wer das war..."
"Vielleicht war das ja die Haberfeldt im Original, keiner weiß wie sie wirklich aussieht..."
"Ach du spinnst, niemals!"
"Zumindest war sie nach dem Essen nicht mehr zu sehen und hat doch für die Bowle gesorgt..."
"Frag sie doch!"
"Das würde ich lassen", murmelte Harry als er der Lehrerin gewahr wurde.

Rautgundis Haberfeldt sah an diesem Morgen ganz besonders grauenvoll aus. Ihr Teint kam dem einer Wasserleiche nach drei Tagen ziemlich ähnlich, die Augen waren geschwollen und ihre Wange zierte ein prächtig roter Abdruck von fünf kräftigen Fingern...
Sie stand ruhig an ihrem Pult nahm eine kleine Grabkerze in die Hand und entzündete sie mit einer geschickten Bewegung ihres Zauberstabes. 
"Guten Morgen, es wär mir lieb ihr redet nicht ganz so laut, ich hab einen Mordskater von gestern, diese Bowle hätte ich wirklich nicht ins Ewignachfüllglas tun sollen... bei uns in Bayern ist heute ein Totengedenktag, deshalb habe ich die Kerze entzündet... für meine Familie und Freunde und auch für die vielen Opfer des Kampfes gegen das böse Monster und seine Gesellen... wenn ihr wollt könnt ihr euch gerne für eine Minute anschließen und schweigen, dann fangen wir an."

Im Klassenzimmer war es ganz still. Tränen kullerten aus Nevilles Augen und Harry schluckte in Gedanken an seine Eltern. Die meisten sahen nachdenklich aus, es gab keinen, der niemanden zu betrauern fand.

"So, dann legen wir mal los! Heut muss ich euch dringend um etwas bitten - hört gut zu! Wir lernen heute einen Spruch, der bei der Absicherung von Stadien, Häusern und ähnlichen großen Gebäuden verwendet wird, damit keiner sie entdecken kann. Ich schreibe den Spruch an die Tafel gleich mit dem Gegenspruch. Ihr schreibt ihn ab und dann gehen wir raus aus dem Schloss und probieren ihn aus. Wenn auch nur einer hier drinnen den Spruch ausspricht, leise mitmurmelt oder gar nur laut denkt, kann er eine Katastrophe hervorrufen. Schafft ihr das heute?"

"Jaaa!"

"Na dann wolln wir mal. Kein Laut, einfach mechanisch abschreiben! Zuerst den Lösungsspruch:
"einstürzendeneubautenschafftmanmitaltvertrautem" 
und dann der Spruch:
"machstdeinhausduunsichtbarfindestdudaswunderbar"

Kaum hatte Haberfeldt den Satz zuende geschrieben gab es ein sonderbares Krachen und die Lehrerin samt Tafel war verschwunden. Sekundenlang starrten die Schüler entsetzt nach vorne.

Hermione begriff als erste, was geschehen war. Sie rief gegen die neue Wand des Klassenzimmers. "Hexenmeisterin können Sie mich hören?"
Es ertönte ein heiseres Knarzen und Knirschen, dann bohrte sich eine quietschende Stimme durch die Wand.
"Welcher Idiot war das?! Wenn ich hier herauskomme gibt's eine saftige Strafe... Hermione hast du den Gegenspruch?"

Hermione stellte sich auf und probierte ihr Glück:
"einstürzendeneubautenschafftmanmitaltvertrautem" doch es knackte nur und nichts veränderte sich.

"Das müssen mehrere von euch gewesen sein. Wenn das eure Absicht war... dann geht jetzt und genießt eine Freistunde. Hier braucht's jemanden, der mehr Zauberpower mitbringt - notfalls jemanden von der Quidditchturniersicherung aus dem Ministerium. Ich bin ein absoluter Volltrottel, dass ich so eine Stunde direkt nach einem Fest geplant habe... nun steht nicht rum wie angewurzelt, sondern geht. Ah, und es wäre nett, wenn jemand Hilfe holt, während ich hier Dornröschen spiele. Schafft mir einen Retter herbei, bevor ich hier noch ohne Essen und Trinken verhutzle, es muss nicht unbedingt ein Prinz sein!"

Ron hatte sich halbtot gelacht und kriegte sich kaum mehr ein. Malfoy näherte sich Hermione und schlug vor, dass man sich doch an Snape wenden könne, schließlich habe er doch Unterricht im Nachbarkeller. Da brach auch Harry in schallendes Gelächter aus.

"Ich sehe und höre euch!", rief die quietschende Stimme.

Panikartig verließen die Schüler das Zimmer und immer noch lachend begaben sich die Jungs mit Hermine im Schlepptau zu Snapes Labor. Dumbledore konnte man im Notfall auch noch holen. Ron grinst bei dem Gedanken, dass diese skurile Szene die offensichtliche Rivalität zwischen den Lehrern wohl noch anheizen würde. Was sollte es, sie würden sowieso bestraft werden so sauer wie die Haberfeldt war, da konnte man wenigstens noch etwas Spaß haben...

Snape blickte irritiert auf, als nach kurzen Klopfen vier kichernde Schüler sein Zimmer betraten.
"Ich hoffe ihr habt einen guten Grund hier zu stören, wir sind mitten in einer Prüfung."
Malfoy hatte sich als erster wieder im Griff. "Hexenmeisterin Haberfeldt..."
"Was ist mit ihr?"
"Sie ist ... äh ... eingesperrt..."
"Was heißt eingesperrt?" Snape richtete sich zu seiner vollen Größe auf.
"Wir haben gerade angefangen Sprüche zum Verbergen von Gebäuden aufzuschreiben um sie draußen auszuprobieren... jetzt ist sie unsichtbar und auch die Tafel. Hermione hat den Gegenspruch probiert, aber es hat sich nichts getan. Haberfeldt meint, das kommt davon, dass mehrere wohl den Spruch gemurmelt hätten...", wagte Harry zu äußern.
Ein fieses Grinsen breitete sich über Snapes Gesicht aus. Dann antwortete er gelassen, fast fröhlich:
"Nun, heute schreibe ich Prüfungen, da muss sich die Kollegin mit ihrem Problem leider bis Nachmittag gedulden, die Rückverwandlung ist etwas zeitaufwendig... sagt ihr, ich komme dann so um 16 Uhr vorbei..."
Ron grinste jetzt von einem Ohr zum anderen. So etwa hatte er sich das vorgestellt.
Hermione antwortete etwas säuerlich "Gut, ich werde ihr Bescheid sagen." Dann verließen die Schüler fluchtartig Snapes Labor. 

Hermione überbrachte Haberfeldt die Botschaft Snapes und wurde mit einer ganzen Salve an Schimpftiraden überschüttet. "Einen anderen Deppen habts net gfunden, ha?! Dieser ...! 
Ja, dankschön für's Bitten, Hermione, tut mir leid, da muss ich mich wohl selber beim Schopf packen. Geh raus und nütz die Zeit... ach wenn du vorher vielleicht noch einen Zettel raushängen könntest für die anderen Klassen... ich roll mich jetzt am Pult zusammen und schlaf mal ne Runde..."

Als alle genüsslich beim Mittagessen saßen, hatte Snape leichte Gewissensbisse den anderen zu erzählen, die Hexenmeisterin fühle sich nicht wohl und habe sich hingelegt, aber nur ganz kurz. Dann nahm das Triumpfgefühl wieder überhand, das ihn den ganzen Nachmittagsunterricht begleiten sollte. Gut, sie hatten wirklich phantastisch miteinander getanzt, das hatte den Schrecken über ihre eigenartige Verkleidung wieder wettgemacht, das hieß aber noch lange nicht, dass er ihre anderen Unverschämtheiten einfach so vergessen hatte. Rache ist süß...

Mit elastischem Schritt betrat Severus Snape spät nachmittags Kerker2. Er stoppte in dem leeren Raum; man konnte sich gar nicht vorstellen, dass da irgendwo verborgen ein ganzer Teil des Klassenzimmers abgesperrt war. Er konzentrierte sich und spürte der Magie im Raum nach. Wahrscheinlich hatte einer dieser legasthenischen Schüler dies Desaster verursacht, ein kleiner Buchstabendreher und der ganze Spruch war verdreht. Wie sollte er vorgehen?
"Hexenmeisterin, hören Sie mich?"
Keine Antwort. Hoffentlich ging es ihr gut...
Snape zog seinen Zauberstab, erhob ihn und bewegte ihn in einem komplizierten Schwung über seinem Kopf "gomolasticha erasio!"
Die unsichtbaren Mauern verschwanden, Pult und Tafel kamen wieder zum Vorschein. Am Boden zusammengerollt wie ein kleines Kind lag die Hexenmeisterin in tiefem Schlaf. Auf dem Pult stand ein fast verloschenes Grablicht. Ach ja, heute war ja der Totengedenktag... er biss sich auf die Lippe. Wieviel Tod sie wohl schon gesehen hatte... Er dachte an die Menschen, die vor seinen Augen das Leben gelassen hatten und Trauer breitete sich in ihm aus. Für Sekunden stand er still, dann kniete er sich zu der Lehrerin hinunter. Wie zerbrechlich sie doch aussah. Er strich vorsichtig mit den Fingern über den Abdruck auf ihrer Wange. Sie hätte ihn sicher auch wegzaubern können... das war wohl ihre Art von Protest. Er schüttelte sie an der Schulter. Sie räkelte sich im Schlaf und drehte sich auf den Rücken. Vor seinen Augen tauchte seine Tanzpartnerin mit dem tiefen Dekolletee auf. So wie sie jetzt aussah, konnte er sich gar nicht vorstellen, dass das ein und dieselbe Person sein sollte. Er schüttelte sie noch einmal und endlich machte sie Anstalten aufzuwachen.

Sie schaute ihn an. "Kollege Snape... danke!", krächzte sie heiser und ergriff seine Hand. 
Er zog sie hoch. 
Sie lächelte. "Hoffentlich haben Sie meinen Griff ins Klo genießen können..." 
Auch Snape konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. "Für ein paar Sekunden war ich versucht..." 
Sie knuffte ihn in die Seite. "Ihr breites Grinsen hat im Gesicht schon Falten gezogen, Sie Heuchler, Sie... kommen Sie gemma Essen ich hab einen Bärenhunger." 
Schweigend gingen die Beiden immer noch Hand in Hand zum Speisesaal, wo sie sich, als sie den ersten Schülern begegneten, wie von der Tarantel gestochen losließen und den Rest des Abends schweigend nebeneinander verbrachten.


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