Snape-Fiction

 

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Disclaimer: Die bekannten Figuren gehören JKR.

Das Gegenteil von Liebe von Maya


Ich haßte. Du haßtest, er haßte, sie haßte, wir haßten, ihr haßtet, sie haßten. Doch keiner haßte so sehr, wie ich dich.

Kühl strich der sanfte Nachtwind über meine kahle Kopfhaut, legte sich vorsichtig um meinen Nacken, ließ mich seine schmale Form mit einem sachten Schauer fühlen. Wie viel Zeit mir vergangen schien, seit meinem vorigen Leben, in dem mir lange Strähnen rotgefärbter Haare ins Gesicht geweht waren, sie in meinem Sichtfeld einen wilden, vom Sturm entfesselten Tanz vollführt hatten. In dem ich sie schließlich, doch immer wieder vergeblich hinter meine Ohren zu fesseln, ihre Energie aus meinen Augen zu streichen versucht hatte.

So wie auch an jenem fernen Abend in den stickigen Räumen des Eberkopfs, als sie sich mal wieder aus eigener Kraft aus meinem unordentlich gebundenen Zopf befreit hatten und ich plötzlich eine Hand auf meiner, nur mit einem dünnen Umhang bedeckten, Schulter gespürt hatte.


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"Hey, was machst du denn hier, Bele?" Wie immer schwang ein warmes Lächeln in der Stimme meines Freundes mit, als er sie mit dieser Frage an mich richtete. Und genau diese Wärme war es auch, die meine, in mir beinahe reflexartig aufsteigende Gereiztheit unterdrückte, sie nur als leichten Hauch in meinem Bauch zuließ und es mir ermöglichte, meine rechte Hand mit einer knappen Bewegung zur linken Schulter zu führen und sie sich auf der seinen niederlegen zu lassen. Seine schmalen Finger brannten kalt unter meinen Kuppen.

"Eigentlich war ich auf der Suche nach etwas Ruhe.", antwortete ich, und stöhnte nur Sekunden später innerlich auf, als ich erschrocken registrierte, was ich da eigentlich gerade gesagt hatte. Warum konnte ich nicht denken, bevor ich den Mund öffnete? Wenigstens ein einziges Mal? Doch scheinbar war ich nicht mit einem allzu großen Maß an Lernfähigkeit gesegnet. Schon spürte ich, wie sich die kühle und ein wenig rauhe Hand meiner Berührung entzog, sie unter meinen Fingern von meinem Körper glitt. Schuldbewußt wandte ich meinen Kopf um und sah in die treuen, braunen Augen Remus Lupins. "Entschuldige, so hab ich das nicht gemeint.", versuchte ich mit leiser Stimme mein Fehlverhalten zu relativieren.

"Kein Problem, ich versteh das.", entgegnete er mit einem breiten Lächeln und soviel Ehrlichkeit, wie wohl nur er in diese Worte legen konnte. "Normalerweise ist hier ja auch echt nichts los. Du konntest schließlich nicht ahnen, daß Albus aus dem gleichen Grund sein Fest von den Drei Besen hierher verlegen würde." Mit einigen Schritten hatte er den kleinen Tisch umrundet und ließ sich auf dem schäbigen Stuhl mir gegenüber nieder, den nicht minder geflickten Umhang schwungvoll über dessen Lehne werfend.

"Heute ist sein Geburtstag, nicht wahr?" Ich ließ meinen Blick von seinem freundlichen Gesicht aus durch den Raum wandern, der vermutlich noch nie so viele Besucher hatte fassen müssen. Abgesehen von einigen kleineren Tischen in der Ecke, in der auch ich saß, waren, so weit ich sehen konnte, alle Plätze besetzt, zwischen ihnen herrschte ein buntes Gewimmel von Zauberern und Hexen, die meisten von ihnen wild gestikulierend in Unterhaltungen verstrickt, nur einige wenige ruhig dasitzend oder zu der leisen Musik tanzend, die gemeinsam mit Lachen und Gesprächsfetzen zu mir hinüber schallte; Eine aufdringliche Welle der Geräusche, die sich beharrlich in meinen Ohren festsetzte, die sich so sehr nach etwas Ruhe und Entspannung sehnten. Beinahe hätte ich gesagt, nach Einsamkeit.

"Ja, und der Menge an Leuten nach zu urteilen, hat er außer Freunden und Verwandten auch den halben Orden eingeladen.", schmunzelte Remus, der offensichtlich meinem Blick gefolgt war, ihn anschließend jedoch zu mir zurück eilen ließ und mich beinahe erschrocken ansah. Ich war heute wohl nicht die Einzige, die sich über eigene Aussagen ärgerte und ein feucht-fröhliches Fest der Fettnäpfchen veranstaltete. Entsprechend geknickt war auch die Miene meines Freundes, als er eilig fortfuhr: "Sorry, schlechter Scherz. Eigentlich - fehlen doch ziemlich viele, wenn ich mich so umsehe. Genau genommen hab auch ich erst heute eher zufällig von der Feier erfahren... Ich vermute, Albus wollte lieber einen etwas, ähm kleineren Kreis."

"Ist schon okay, Remus. Ich werds verkraften und Minderwertigkeitskomplexe bekomm ich deshalb auch nicht.", versuchte ich ihn zu beruhigen. Doch gleichzeitig spürte ich nur zu genau, wie mein Lächeln nur oberflächlich über den leichten Stich hinweg täuschte, den seine Worte in meine Brust gestochen hatten. Glücklicherweise verzichtete Remus auf eine mögliche Bemerkung seinerseits und nahm den ihm dargebotenen Strohhalm dankend an. Nur Sekunden später war sein sorgenvoller Zug um den Mund verschwunden und einer offensichtlich erleichterten Entspannung gewichen.

"Also Ruhe, ja?", nahm er den Ausgangsfaden unseres Gesprächs vorsichtig wieder auf, um dann mit einem schelmischen Lächeln fortzufahren: "Als ich dich hier so allein sitzen sah, dachte ich schon, du seist auf der Pirsch." Auf der Pirsch? Ich spürte, wie sich meine linke Augenbraue irritiert fragend in die Höhe hob, obwohl mich schon längst eine Ahnung beschlichen hatte, worauf Remus hinauswollte. Und ich sollte Recht behalten: "Naja, auf der Suche nach nem flotten Kerl mit Hexenwoche-Cover-Lächeln und so. Warten auf den Traumprinz.", fügte er schließlich unnötigerweise erklärend hinzu. Vielleicht kannte ich ihn einfach zu gut.

"Tun wir das nicht alle?", entgegnete ich leise, wohl wissend, daß ich mich damit auf zerbrechliches Eis wagte und Remus sorgfältig beobachtend. Aber er hatte ja schließlich mit diesem Thema angefangen. Und tatsächlich schien er zwar ein wenig überrascht, aber nicht wütend. Statt dessen neigte er seinen Kopf leicht nachdenklich zur Seite, wie ein neugieriger Vogel und für einen Moment herrschte Schweigen in unserer kleinen Gesprächsrunde. Dann endlich erhob er sich mit einem fröhlichen Grinsen und baute sich mir gegenüber auf. Unwillkürlich verzogen sich meine Mundwinkel, als er daraufhin zu einer schwungvollen Verbeugung ansetzte, von einer eleganten Armbewegung unterstützt: "Nun, dann gestattet Ihr mir vielleicht, mich Euch als Kandidaten auf diesen Posten vorzustellen, holde Maid? Remus Lupin, meines Zeichens ehemaliger Lehrer, zur Zeit und in näheren Zukunft wohl arbeitslos, und als Bestie in den Akten des Ministeriums vermerkt." Seine Augen blitzten amüsiert und doch war die Maskerade so deutlich für mich zu erkennen, als hätte ich sie selbst entworfen, konnte sie nicht über die nur mühsam unterdrückte Verbitterung hinweg täuschen, die sich sowohl in ihnen, wie auch in seiner heiseren Stimme widerspiegelte.

"Du weißt, daß du weit mehr bist, Remus John Lupin. Und zwar etwas ganz besonderes.", entgegnete ich bestimmt und sah in sein so offenes, liebevolles Gesicht. Das Eis unter unseren Füßen knirschte. "Und darum tut es mir auch so leid, dir weh zu tun. Das ist wirklich das letzte, was ich möchte, aber... es geht einfach nicht. Es ist vorbei. Endgültig. Bitte versuch, das zu akzeptieren." Warm flehend richtete ich meine Augen auf die seinen, die sich bei meinen letzten Worten verdunkelt hatten. Wie gerne hätte ich ihn in diesem Augenblick in meine Arme geschlossen, ihn getröstet, die Traurigkeit aus seinem Blick vertrieben. Doch ich konnte es nicht. Es war vorbei. Bittend sah ich ihn an, während er für einige Sekunden still seine auf dem Tisch liegenden Hände musterte. Sich schließlich endlich zu fassen schien und mit einer energischen Bewegung seines Kopfes sein braunes, von grauen Strähnen durchsetztes Haar zurückwarf. Ein gezwungen fröhliches Lächeln, das seine wahren Gefühle nur zaghaft verdecken konnte, spielte um seine Lippen: "Nun denn, suchen wir also weiter... da Kandidat Nummer eins offensichtlich nicht den Geschmack getroffen hat. Wie wärs denn mit..." Er warf einen ganz offensichtlich gespielt tatkräftigen Blick in den Raum, bis er an einem unbestimmte Punkt in der Menschenmenge hängen blieb. "Mit Kandidat Nummer zwei?" Mit einer einladenden Geste wies er mit seiner rechten, leicht unruhigen Hand auf Albus Dumbledore, der in ein dunkel violettes, reich verziertes Gewand gehüllt, in ein Gespräch mit einer der jungen Aurorinnen vertieft war. "Ein etwas älterer Jahrgang zwar, aber in der Gesellschaft hoch angesehen und durchaus rüstig - eher unwahrscheinlich also, daß ihn in absehbarer Zeit ein Herzinfarkt aus Euren Armen reißen würde -, der Euch, werte Suchende, Halt und Weisheit zusammen mit einem Zitronenkeks darbietet und Euch die Krone Grindelwalds mit einem verschwörerischen Zwinkern seiner blauen Augen zu Euren zarten Füßen legt?"

"Remus!", versuchte ich lachend zu protestieren, doch er schien entschlossen, sich nicht unterbrechen zu lassen, fast als wolle er die Fröhlichkeit so lange wie möglich festhalten, an unseren Tisch binden. Schon hatte er seinen nächsten Vorschlag auserkoren: "Oder entscheidet Ihr euch doch für Kandidaten Nummer drei? Den Mann mit den hundert Gesichtern - einschließlich einer geheimnisvoll verschleierten Hexe -, stets umgeben von dem aromatischen Duft Pfeifentabaks und mit der Bereitschaft, Euch, gnädige Dame, einen Unterschlupf zwischen den Kesseln unter seinem Umhang zu gewähren?"

Amüsiert grinsend wollte ich zu einer Antwort ansetzten, als uns eine strenge, weibliche und mir nur zu gut bekannte Stimme unterbrach: "Glaubst du wirklich, daß dies der richtige Ort für dich ist, Kybele?" Ich spürte, wie das Lächeln schlagartig von meinen Lippen wich, während sich mein Inneres mit dem dumpfen Gefühl der Wut erfüllte. Warum mußte sie gerade jetzt und hier auftauchen? Und warum gerade diese, diese eine verdammte Frage?

"Ich glaube, ich bin alt genug, um selbst zu entscheiden, wo ich meine Freizeit verbringe, danke der Nachfrage.", entgegnete ich gereizt, als sich das kühle Gesicht Minerva McGonagalls, umrahmt von hart zurückgehaltenen Haaren in mein Sichtfeld schob, ungefragt, wie es auch ihre Stimme zuvor getan hatte. "Und nur zu deiner Information: Es ist Wasser.", fügte ich eisig hinzu, als ich ihrem Blick zu dem vor mir stehenden Glas folgte.

"Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen, daß du in einen Pub gehst, um dort ein Wasser zu trinken." Natürlich, das mußte ja kommen. Genervt versuchte ich, sie mit meinen Blicken zu vertreiben. Wie immer eine vergebliche Mühe.

"Mach dir keine Sorgen, Minerva. Ich paß schon auf sie auf." Entsetzt richtete ich meine Augen auf Remus und fixierte ihn ungläubig. Das konnte doch nicht wahr sein. Nun fing auch er noch damit an. Hatten sie sich gegen mich verschworen? Wollte vielleicht noch jemand meine privaten Angelegenheiten kommentieren? Nur zu, warum auch nicht.

"Für wen haltet ihr euch eigentlich?", fragte ich aufgebracht. Wut kochte heiß in mir hoch, ließ meine Stimme lauter werden: "Ich muß mich doch vor euch nicht rechtfertigen! Und was ich mit meinem Leben anfange, ist allein meine Sache! Ich bin weder ein Kind, auf das man "aufpassen" muß, noch krank. Ich bin trocken. Und wenn ihr mir das nicht glaubt, dann laßt es halt bleiben."

"Bele...", versuchte Remus beschwichtigend auf mich einzuwirken, doch ich hatte mich schon mit einer schnellen Bewegung erhoben und hinderte ihn mit einer abweisenden Geste meiner Hand daran, weiter zu sprechen.

"Entschuldigt mich.", sagte ich mit vor Wut bebendem Tonfall und stürmte an der Frau vorbei, die sich immer wieder in mein Leben einmischen mußte, ließ sie und Remus hinter mir, der noch einmal den Mund geöffnete hatte, um mich aufzuhalten, jedoch nicht mehr dazu gekommen war, etwas zu sagen. Und das war auch nur gut so. Hitzig drängte ich mich durch die eng beieinander stehenden Tisch, zwischen sich unterhaltenden und trinkenden Hexen hindurch, nur weit fort von den beiden Menschen, die einen solch starken Ärger in mir heraufbeschworen hatten, bis ich schließlich an der gegenüberliegenden Wand des Raumes angekommen war, mich endlich etliche Personen von ihnen trennten und ich durchatmen, meine Wut dämpfen konnte. Auch hier war es, im Gegensatz zur Mitte des Pubs, relativ ruhig, nur wenige Tische waren voll besetzt und zielstrebig wandte ich mich dem in der Ecke zu, an dem nur ein einziger Zauberer saß.

"Darf ich mich setzen?"

"Da ich glücklicherweise nicht der Besitzer dieses noblen Hauses bin, kann ich Ihnen das vermutlich nicht verbieten.", entgegnete der Mann tonlos. Heute schienen es aber auch wirklich alle auf mich abgesehen zu haben. Dies war absolut mein Tag. Die Tatsache, daß der Zauberer nicht einmal den Blick zu mir gehoben hatte, bevor er mir auf so wenig freundliche Art geantwortet hatte, interpretierte ich jedoch großzügig als Hinweis darauf, daß seine Ablehnung nicht auf meine Person bezogen, sondern allgemeinerer Natur war, ließ mich schräg gegenüber von ihm nieder und unterzog ihn einer etwas genaueren Musterung. Er war gänzlich in schwarz gehüllt, selbst die langen, strähnigen Haare, die ihm in sein bleiches, hageres Gesicht fielen, besaßen diese Farbe.

"Severus Snape, richtig?", versuchte ich mich an seinen Namen zu erinnern, der mir im Orden bereits einige Male zu Ohren gekommen war, wie ich auch den Zauberer selbst dort ein oder zwei Mal von weitem gesehen hatte.

"Wenn Sie jemanden zum Reden suchen, muß ich Sie enttäuschen, da sind Sie hier so falsch, wie Sie nur sein können. Vielleicht versuchen Sie es einmal mit einer Kontaktanzeige, das soll angeblich Wunder wirken." Die Kälte in seiner Stimme verriet mir nur zu deutlich, wie erfreut er darüber war, daß ich ihn so unverfroren ansprach.

"Es freut mich ebenfalls, Ihre Bekanntschaft zu machen.", erwiderte ich leicht säuerlich. "Mein Name ist Kybele Biston. Nur damit Sie die Anzeige auch wiedererkennen."

"Sehr aufmerksam. Dann weiß ich ja, welche es zu vermeiden gilt." Noch immer würdigte er mich keines Blickes, starrte statt dessen finster in die Runde der Feiernden, die Arme demonstrativ abweisend vor der Brust verschränkt, die rechte, magere Hand merkwürdig angespannt um den linken Arm gekrallt, so daß sich die Knöchel leicht von der ohnehin unnatürlich blassen Haut abhoben. Da er offensichtlich kein Interesse an einer Unterhaltung hegte, beschloß auch ich ihn zu ignorieren.

"Sie sind Remus` Freundin.", durchbrach er in diesem Augenblick plötzlich das eingetretene Schweigen und überrascht wandte ich mich ihm erneut zu. Doch trotz dieser unerwarteten Aussage blickte er noch immer konsequent an mir vorbei, gerade so, als hätte er nichts von sich gegeben, wäre es eine Halluzination meinerseits gewesen. Aber es war nicht dieses absolute Desinteresse, das die Wut erneut in mir hoch kochen, mich sie drückend heiß in meinem Bauch spüren ließ. Auch die Tatsache, daß es im Grunde eine Feststellung, keine Frage gewesen war, trug daran keine Schuld.

"Ich arbeite für den Orden. Und nein, nicht Remus` Freundin. Ich habe mich von ihm getrennt.", erwiderte ich schärfer, als ich es eigentlich beabsichtigt hatte. Woher nahmen alle Menschen diese Arroganz, mich stets über irgendwelche anderen Personen zu definieren? Zählte ich selbst denn gar nicht, verflucht?

"Tatsächlich?" Zum ersten Mal glaubte ich, ein schwaches Zeichen von vagem Interesse in seiner sonst so distanzierten Stimme wahrgenommen zu haben.

"Ja, tatsächlich.", bekräftigte ich, doch meine Wut war bereits wieder verraucht, meine Energie für Auseinandersetzungen für diesen Abend aufgebraucht. So kam es, das ich deutlich leiser fortfuhr: "Auch wenn er das nicht einsehen will." Schweigen. Beinahe erleichtert nahm ich es zur Kenntnis, lehnte mich erschöpft zurück und schloß für einen Moment die Augen.

"Und Sie arbeiten als Meister der Zaubertränke für Dumbledore, stimmt`s?", fragte ich, während die rauchige Luft und die wild durcheinander gewürfelten Geräusche des Lokals mich erfüllten.

"Wenn Sie sowieso schon alles über mich wissen, warum fragen Sie dann, anstatt meine Biographie einfach ans Schwarze Brett zu hängen?" Natürlich, wie hatte ich auch eine andere Antwort erwarten können. Manche Menschen lernten nun einmal einfach nicht aus ihren Fehlern. Und doch öffnete ich erneut die Augen, war mein Interesse geweckt. Ich wußte, daß er nicht nur Lehrer in Hogwarts, sondern auch des Ordens Spion war, und noch nie in meinem Leben war ich einem Anhänger Lord Voldemorts begegnet. Vermutlich hätte ich auch eine Begegnung mit jedem anderen von ihnen nicht überlebt. Selbst bei diesem vor mir sitzenden, der doch bewiesener Maßen auf unserer Seite stand, beschlich mich ein unbestimmtes Gefühl der Gefahr, zu düster, bedrohlich war alles, was er ausstrahlte.

"Glauben Sie noch an die Ideologie Voldemorts?" Irritiert stellte ich fest, daß er bei der Nennung des Namens beinahe unmerklich zusammenzuckte und ich plötzlich den Eindruck hatte, für einen Moment überkäme ihn das Verlangen, mich dafür zu betrafen, in welcher Weise auch immer. Doch als er nach einer kurzen Pause des Schweigens den schmal zusammengekniffenen Mund öffnete, sprach er beherrscht wie eh und je: "Soll das ein Verhör werden? Sollte Ihnen Ihr jämmerliches Leben auch nur ein klein wenig bedeuten, kann ich Ihnen davon nur abraten." Die Kälte seiner Stimme war schneidend, scharf durchdrang sie die Nebelschwaden des Raumes, stach eisig in meinen Ohren, ließ mich unwillkürlich frösteln. Und für einen Moment durchzuckte mich der Gedanke, er könne seiner Drohung Taten folgen lassen, so konkret, beinahe greifbar schien mir auf einmal die schwarze, tödliche Aura des mir gegenüber sitzenden ehemaligen Gefolgsmann Voldemorts, griff sie einer finsteren Welle nach mir, meinen Empfindungen. Und doch senkte ich meinen Blick nicht, sah statt dessen schweigend zu, wie mir der Zauberer zum ersten Male sein bleiches, kühles Gesicht, seine Augen zuwandte, die so schwarz waren, wie alles an diesem Mann, alle Helligkeit verschluckend, es gemeinsam mit jeder Freude vernichtend. Erneut lief mir ein Schauder den Rücken entlang, stockte mir für eine Sekunde der Atem. Und doch sah ich nicht fort, ließ ich meinen Blick weiter auf ihm ruhen. Denn inmitten der Schatten glaubte ich einen, wenn auch nur winzigen, schnell verflogenen Anflug eines einzigen Gefühls entdeckt zu haben: Angst.

"Warum sind Sie damals zu den Todessern gegangen?", fragte ich vorsichtig, noch immer in die alles verschlingende Leere blickend, die nun wieder allein kalte Distanz auszustrahlen schien. Oder scheinen sollte.

"Ich glaube nicht, daß Sie das etwas angeht." Einmal mehr der bedrohliche Tonfall, der mir nun schon bekannt war. Und doch durchsetzt von einer unterdrückten, resignierten Müdigkeit.

An diesem Abend entschied ich mich für Kandidat Nummer vier: Den dunklen Zauberer mit der regungslosen Maske, hinter der der verletzliche Kern nur zu vermuten war, zugleich gefährlich, zerstörerisch und tragisch in seiner haßerfüllten Einsamkeit.


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Wollige Wärme durchströmte meinen Körper, hüllte ihn ein. Und nur zu deutlich spürte ich, daß dies nicht die Wärme des Bettes war, des weichen, anschmiegsamen Kissens unter meinem Kopf, meiner darauf ruhenden Wange, auf dem sich meine roten Haare ausgebreitet hatten, der Bettdecke, die meinen nackten Körper streichelte. Es war die Wärme des Glücks, die mich erfüllte, mich scheinbar unverwundbar machte, mich noch im Halbschlaf lächeln, meine Hand über das Laken fahren ließ. Doch meine Finger gingen ins Leere und als ich endlich die Augen aufschlug, sah ich, daß das Bett neben mir verlassen war. Fragend wanderte mein Blick weiter und schon erlosch der Hauch von Unruhe in mir, als meine suchenden Augen ihr Ziel fanden.

"Guten Morgen.", sagte ich sanft zu der bereits bekleideten Gestalt, die mir den Rücken zugewandt hatte und offensichtlich mit etwas beschäftigt war, das vor ihr auf der Kommode stand. Zärtlich betrachtete ich die langen, strähnigen Haare, die ihr über den schwarzen Umhang, die knochigen Schulter fielen und unwillkürlich wanderten meine Gedanken zurück zu der vorangegangenen Nacht.

"Nun weiß ich, warum Remus dich verlassen hat." Wie bitte? Vollkommen überrumpelt schüttelte ich leicht den Kopf, in dem Glauben, ich hätte mich verhört. Aber das hatte ich nicht, wenigstens das wurde mir innerhalb der nächsten Sekunde bewußt, wenn ich auch noch immer nicht begriff, was er eigentlich gemeint hatte.

"Ich habe mich von ihm getrennt. Das hab ich dir doch schon erzählt.", erwiderte ich irritierte.

"Das sagen alle, die allein zurück gelassen werden, nicht wahr?" Ungläubig starrte ich auf die dunkle Gestalt zu Füßen des Bettes, die noch immer mit dem Rücken zu mir stand und diese Worte, die ich nicht begreifen konnte, so kalt und spöttisch ausgesprochen hatte, daß sie mir einen tiefen Stich versetzten. Wohin war die Wärme, die Geborgenheit so plötzlich gegangen, wie hatten sie so schnell verfliegen können? Warum? Mit einem Male fröstelnd, zog ich die Bettdecke über meine Brüste, umklammerte sie mit den Armen, suchte Schutz vor der unerwarteten Bedrohung, die mich so verletzlich vorfand und angriff. Vergeblich.

"Was - was ist los, Severus? Warum...", fragte ich unsicher, nicht fähig zu erkennen, was geschehen, was aus dem Mann geworden war, mit dem ich die Nacht verbracht hatte.

"Ja?", wieder war es diese eisige Stimme, die mir einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagen ließ. "Warum so überrascht?" Fassungslos erstarrt mußte ich hilflos beobachten, wie Severus sich endlich zu mir herumdrehte. Wie sein Gesicht in all seiner kühlen Distanz so gar nicht zu meinen Erinnerungen passen wollte. Wie er die Lippen zu einem Lächeln kräuselte, das alles andere als das freundliche, erhoffte, statt dessen voller ironischem Hohn war. "Was hast du gedacht? Daß ich eine traurige Figur auf der Suche nach Erlösung bin? Ein Bekehrter, hinter dessen schwarzer Fassade ein romantisches, sensibles Ich verborgen ist, das du mit deiner Liebe aus den Fesseln einer tragischen Vergangenheit befreien kann?" Sein Lächeln triefte nun vor unverhohlenem Spott. "Da muß ich dich enttäuschen. Ich bin nichts von alledem."


**********************


Irgendwann mußte der Unterricht doch mal zu Ende sein. Auch Zauberschüler konnten schließlich nicht ewig lernen, oder? Seit Stunden, so schien es mir, starrte ich nun schon auf diese verfluchte magische Sanduhr, die einfach nicht schneller laufen wollte. Sandkorn um Sandkorn bewegte sie sich fort und kam doch nicht vom Fleck. Seufzend fuhr ich meinem alten Kater General Tommi über sein weiches, warmes grau getigertes Fell, was ihn veranlaßte, ein zufriedenes Schnurren hören zu lassen. Wenigstens einer, der sich nicht langweilte. Unruhig saß ich, Tommi auf dem Schoß, auf einem der schlichten Holzstühle an dem kleinen Tisch und ließ meinen Blick durch das Zimmer fahren, auf der Suche nach etwas Ablenkung. Doch ich fand nichts. In den Regalen stapelten sich zwar Bücher, doch waren es allesamt Werke zu spannenden Themen wie Zaubertränken. Kein einziger vernünftiger Roman war dabei. Wie unter Zwang wandten sich meine Augen wieder der unsäglichen Uhr zu, die in der Zwischenzeit nicht auch nur ein wenig weitergekommen zu sein schien. Da endlich öffnete sich die schwere Holztür schwungvoll und mit einem dumpfen Knall, der Tommi veranlaßte, empört zu Boden zu springen, obwohl ich versuchte, ihn zu halten. Gerade jetzt, wo ich seine beruhigende Wärme so gerne weiter gespürt hätte, nun, da ich mit plötzlicher Nervosität Severus entgegensah, der inzwischen die Tür hinter sich geschlossen und sich zu mir umgewandt hatte.

"Warum hast du mich mit hierher genommen? Du hättest mich doch schon im Eberkopf abweisen können.", fragte ich unvermittelt, entschlossen, dieses Gespräch so schnell wie möglich hinter mich zu bringen und zugleich breitete sich ein stärker werdendes Gefühl der Unruhe in mir aus. Tief in mir spürte ich Angst, so sehr ich mich auch bemühte, sie zu unterdrücken, während Severus beinahe fragend seine linke Augenbraue in die Höhe hob und mich kühl aus seinen leeren, schwarzen Augen heraus ansah.

"Sagen wir es einmal so: Für das Verhältnis zwischen Remus und mir kann man viele Beschreibungen finden, aber eines ist es bestimmt nicht: Freundschaft." Einen Moment lang glaubte ich, mein Herz würde stehen bleiben. Mein Atem stockte. Geschockt starrte ich in Severus` so furchtbar distanziertes Gesicht, das allein durch die fettigen schwarzen Haare, die in Strähnen über die spitzen Wangen fielen, einen Hauch von Leben zeigte, während sich ein Verdacht in mir ausbreitete, zu furchtbar, um ihn auszusprechen, und doch zu aufdringlich, um ihn zu ignorieren.

"Also empfindest du überhaupt nichts für mich?", fragte ich leise und der Gedanke schoß durch mein aufgewühltes Gehirn, er könnte zu dieser Frage schweigen, sie unbeantwortet, mich in Ungewißheit lassen, er, für den Gefühle kein Gesprächsthema waren, vor allem, wenn es um seine eigenen ging. Doch dann, als ich in seiner Miene nach einer Antwort suchte, wurde mir schlagartig klar, daß er das nicht tun, sich diese Chance nicht entgehen lassen würde.

"Nein.", sagte er. Nicht mehr. Und ich spürte, wie etwas in mir zerbrach. Sich Entsetzen mit Wissen mischte, eine eisige Beklemmung mich erfaßte, mein Inneres zerquetschte, meine Gedanken lähmte. Nein.

"Aber dann... Was ist mit heute Nacht, mit den Nächten zuvor? Warum hast du mit mir geschlafen?" Meine Stimme bebte. Tränen standen in meinen Augen, ließen mein Bild verschwimmen.

"Weil das das einzige ist, zu dem du wenigstens Ansatz weise zu gebrauchen bist."


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"Laß mich hier raus!" Stille in der unendlichen Kälte der Kerker, meines Gefängnisses. "Hast du nicht gehört, Severus? Mach gefälligst die Tür auf!" Meine Stimme überschlug sich, während ich mit geballten Fäusten gegen das hölzerne Bollwerk hämmerte, das mir den Weg nach draußen verweigerte. Wut erfüllt schlug ich auf sie ein, lud meinen Haß an der Tür ab, die nicht einmal eine Delle davontrug, meine Hände hingegen schmerzen ließ. Meine gesamte Kraft zusammen nehmend rüttelte ich an dem silbernen, schlangenkopfförmigen Türgriff, stemmte mich gegen das rauhe, alte Holz, das statt behagliche Wärme zu geben, nur noch einengende Einsamkeit ausstrahlte. "Verflucht!" Erschöpft lehnte ich mich mit dem Rücken an die Tür und gab der vor mir auf dem Steinboden stehenden braunen Reisetasche einen erzürnten Tritt, so daß sie durch das Zimmer schlitterte und erst an dem Wandregal voller Bücher zum Liegen kam. Schwer atmend schloß ich für einen Moment die Augen, spürte allein den Zorn in mir pochen, pulsieren. Stieß mich schließlich von der Tür ab und schwankte auf den kleinen Tisch zu, mich an der kühlen Wand abstützend, erreichte ihn und griff nach einer der darauf stehenden, halbleeren Flaschen, verfehlte sie beim ersten Versuch, unternahm einen zweiten, bekam sie zu fassen. Mich an einer Stuhllehne haltend, setzte ich sie an die Lippen, spürte endlich, wie die Flüssigkeit in mir herunter rann, sie mich von Innen heraus wärmte. Mir neue Kraft schenkte, um zurück zur Tür zu gehen, meine Hände gegen das Holz zu pressen, ihre ungleichmäßige Struktur unter ihnen spürend.

"Severus!" Zu spät hörte ich die hallenden, schnellen Schritte, den gedämpften Zauberspruch, als daß ich rechtzeitig hätte reagieren können. Schon öffnete sich die Tür, schwang nach Innen auf, ließ mich zurücktaumeln. Und dann stand er mir gegenüber, den Zauberstab in seiner Umhangstasche verstauend, den ausdruckslosen Blick stechend auf mich gerichtet.

"Ja, die Tücken der Zauberei. Für manche sind sie offensichtlich unüberwindbar.", sagte er, während ich mit meinem Gleichgewicht kämpfte, mich gerade noch mit einem erneuten Griff zur Stuhllehne fangen konnte. "Und das ist auch besser so," fuhr er fort, den Blick von Verachtung gezeichnet, die sich auch in seiner Stimme nur zu deutlich widerspiegelte, während er die Flaschen musterte, "angesichts der Schwächen einiger dieser Personen."

"Du wagst es, mich zu verurteilen? Wer schüttet denn hier ständig irgendwelche Tränke in sich hinein?", erwiderte ich laut und funkelte ihn zornig aus heißen Augen heraus an.

"Zumindest verliere ich nicht die Kontrolle und ertränke meinen Verstand in Feuerwhiskey und Selbstmitleid.", konterte er betont leise und schon spürte ich, wie er mich mal wieder in die Defensive drängte, wie nur er es verstand. Müde ließ ich mich auf einen der Holzstühle fallen. Es war, als sei mit meiner Wut, meiner Angriffslust auch jegliche Energie aus meinem Körper gewichen, während Severus fortfuhr: "Na komm schon, erzähl mir deine traurige Geschichte: Welch Enttäuschung es für deine Familie war, als sie erfuhr, daß du nicht die Spur von Magie in dir trägst. Daß du ein Squib bist." Die Verachtung war aus seiner Stimme, seinen Gesichtszügen verschwunden, ersetzt worden durch einen absoluten, beinahe amüsierten Ausdruck des Spotts. Diese Ironie, die er so gut beherrschte, die auch dieses Mal wieder das Gefühl einer absoluten Schutzlosigkeit, des Ausgeliefertseins, der Verletzbarkeit in mir hervorrief, es mich, meine Handlungen regieren ließ.

"Meine Familie", antwortete ich bemüht bestimmt, "akzeptiert mich so, wie ich bin. Sie liebt mich!"

"Wie du dich von deinen Kindheitsfreunden verabschieden mußtest, als sie in eine Welt eintraten, zu der du nie Zugang haben würdest."

"Ich-...", begann ich, doch so zaghaft unsicher, daß er es einfach ignorierte: "Wie du in der Einsamkeit jener aufgewachsen bist, die zu keiner der Gesellschaften dazugehören. Und wie du schließlich dein trostloses, erfolgloses Leben nur noch im Rausch ertragen konntest."

"Das ist nicht wahr! Mein Leben ist nicht erfolglos! Ich bin Ministerin für Kontakte zur Zauberergesellschaft." Verzweifelt versuchte ich, Herrin über meine Stimme, über meine außer Kontrolle geratenen Gefühle zu werden, und mußte doch hilflos mit anhören, wie ich versagte, mein Tonfall geisterhaft unscharf wurde: "Ich - ich koordiniere die gesamte Zusammenarbeit des Ordens mit den Muggeln."

"Ja, das stimmt." Severus bleckte seine gelblichen Zähne zu einem sarkastischen Grinsen. "Und wenn du noch einen kräftigen Schluck aus deiner Flasche nimmst, wird dir diese Arbeit vielleicht sogar irgendwie bedeutungsvoll erscheinen."

Verzweifelt nach Hilfe suchend, ließ ich meinen trägen Blick über den Fußboden wandern. Kalte, abweisend graue Steinblöcke, zusammengefügt zu einem Gefängnis ohne Entkommen. Lebendig begraben in einem luftleeren Raum. Tommi. Wie ein letzter Hoffnungsschimmer, einzig möglicher Halt vor dem Fall durchzuckte eine stärker werdende Sehnsucht, ein Name, sein Name mein benebeltes Gehirn. Tommi. Mein Blick wurde fahrig, hektisch, als ich ihn nicht finden konnte. Wo war er, verflucht? Jetzt, in diesem Moment, wo ich ihn so dringend brauchte, wie selten zuvor in meinem Leben. Seine Wärme, sein weiches Fell, seine Nähe. Trost. Dann sah ich ihn. Die Nebelschwaden in meinem Kopf drohten mich endgültig um den Verstand zu bringen. Tommi. Völlig bewegungslos lag er vor seinem leeren Futternapf auf dem zu kalten Boden. Selbst seine Brust rührte sich nicht, als würde er wie ich den Atem anhalten. Zu lange. Leere Augen, die keinen Trost mehr zu geben hatten, keine Hoffnung. Neben dem Napf stand ein kleines, gläsernes Fläschchen. Aus der dunkelroten, Sirup artigen Flüssigkeit in ihrem Inneren stiegen blaue Dämpfe sacht dem unerreichbaren Himmel entgegen.


**********************


Achtlos ließ ich die leere Flasche auf den Platz neben mir fallen. Das rasselnde Motorengeräusch dröhnte in meinen Ohren. Ihre strahlenden Augen blendeten, schmerzten in den meinen, verschwammen, während endlose Reihen hungriger Raubtiere an mir vorbei in die Nacht zischten, zu schnell, um sie zu zählen, animalische Kraft in nur scheinbar zivilisierte Bahnen gelenkt. Und willenlos zog ich mit ihnen, folgte ergeben den voraus eilenden, den Weg bestimmenden kleinen roten Lichtern. Die Schaltung knackte widerborstig, als ich sie mitleidslos in den fünften Gang zwang und dabei vergaß, die Kupplung bis zum Ende durchzutreten. Etwas anderes hatte meine verwaschene Aufmerksamkeit auf sich gezogen, mit einer sachten Berührung meiner Hand meinen Blick auf sich gezogen. Nur zu gerne folgte ich diesem Ruf, senkte meine Augen, gönnte ihnen die wohlverdiente Pause von der schmerzhaften Aussicht. Da lagen sie, unschuldig in ihrer gebrochenen Form. Die Fetzen der Liebesbriefe, die ich an ihn geschrieben hatte, und die niemals gelesen werden würden. In Stücke gerissene Gefühle, Gedanken, Sehnsüchte. Nichts als Worte, die zu unscharf vor meinen Augen tanzten, als daß ich sie hätte erkennen können. Und doch wußte ich nur zu genau, wie sie lauteten. Träge riß ich meinen Blick von ihnen los, hob ihn widerwillig der zu grellen Nacht entgegen. Rote Lichter. Größer als zuvor, höher, eine Warnung aussprechend, die ich nicht verstand. Weiße Augen eines von der Seite auf mich zu rasenden blechernen Monsters. Das Quietschen seiner Bremsen, zu spät. Es war mir egal.


**********************


Mit einem Blinddate hatte es begonnen, mit einem Blinddate würde es enden. Heute. Hier. Jetzt und endgültig.

Eine weitere, kühle Brise wirbelte durch den nächtlichen Park, ließ einige trockene Blätter vorbei fliegen, mich meine schwarze Strickjacke enger um meinen Körper wickeln. Dann endlich sah ich ihn, hörte das unvermeidliche Geräusch des Apparierens, wenn auch leise, vom Wind beinahe verweht. Beobachtete, wie die dunkle, schmale Gestalt in einer geschmeidigen Bewegung herum wirbelte auf der Suche nach möglichen Angreifern. Wie sie schließlich mich erblickte, ihren Zauberstab mit den blassen, knochigen Fingern in der Tasche verschwinden ließ und mit einer knappen Bewegung die Kapuze vom Kopf nahm, das Gesicht entblößte. Dieses weiße Gesicht, das sich so deutlich von der Nacht, von dem Rest des Zauberers abhob, mit der eleganten Hakennase, dem schmalen Mund, den schwarzen Augen und den ebenso gefärbten, langen Haaren, die im Spiel der Luft tanzten. Wie die meinen es einst getan hatten.

"Hallo Severus.", begrüßte ich ihn ruhig.

"Hast mal wieder die Kontrolle verloren, was?" Ich spürte seinen kalten Blick auf mir, meinem Rollstuhl, als er mich musterte.

"Ja.", erwiderte ich und meine Lippen verzogen sich zu einem leichten Lächeln, während ich mir mit meiner rechten Hand über die kahle Kopfhaut fuhr, die glatte Lebendigkeit, die Narbe unter meinen Fingerkuppen wahrnahm.

"Warum hast du mich hierher bestellt?" Distanziertes Desinteresse. Sonst nichts. Dann schweigen. Ja, warum? Irritiert stellte ich fest, daß ich es nicht wußte, daß meine Wut, meine Rachewünsche mit seinem Erscheinen endgültig erloschen war. Was war geblieben?

"Weil sie dich sterben sehen will.", erklang plötzlich eine strenge, kühle Stimme neben mir und unterbrach meine Gedanken, die Ruhe. Eine weibliche Stimme, die ich sofort erkannte, obwohl sie von einem Ausdruck geprägt war, der so gar nicht typisch für sie war: Abgrundtiefer Haß. Die Stimme Minerva McGonagalls. Hastig wandte ich meinen Kopf der Frau zu, die mit erhobenem Zauberstab aus den Schatten der Bäume getreten war.

"Mum, nein!", schrie ich, wollte sie aufhalten, bewahren vor einem Fehler, den sie sich vielleicht niemals würde vergeben können. Einen Fehler, den sie um meinetwillen tat. Doch mein Ruf kam zu spät, hätte vielleicht auch zu einem früheren Zeitpunkt nichts mehr zu verändern vermocht. Schon zischte der unheilbringende, flammend rote Fluch an mir vorbei. Beinahe eine Ewigkeit schien mir seine Reise zu dauern, bis er sein Ziel erreichte, Severus in die schwarz verhüllte Brust traf.

Für einige Sekunden dachte ich, es sei nichts geschehen, der Strahl hätte seine Wirkung verfehlt, so merkwürdig starr wirkte die Situation, Severus. Dann ging er in die Knie, unendlich langsam, doch unaufhaltsam. Sein Zauberstab entglitt seiner feingliedrigen Hand, fiel zerbrochen zu Boden. Schweigen. Das Rauschen des Windes, die sich wiegenden Bäume in meinen betäubten Ohren. Alles Leben verlöscht, als der Fluch sich auf seinen Weg gemacht hatte, das Severus` zu nehmen. Ihn zu bezwingen, dessen Augen noch immer auf meine Mutter gerichtet waren, als sich schließlich ein bizarres Lächeln auf seinem hageren Gesicht ausbreitete, er tonlos zu sprechen begann: "Ja, das wird sie nun wohl. Aber du irrst dich, Minerva. Du allein möchtest das. Ihr ist es völlig gleich, was mit mir, dir oder ihr selbst geschieht. Dem war vielleicht nicht immer so", er schien einen Moment lang zu zögern, dann wurde das kalte Lächeln seiner aufgesprungenen Lippen noch eine Spur breiter, " - vielleicht nicht, bevor sie mir begegnete -, doch jetzt, heute ist es die Wahrheit. Frag sie, was sie empfindet. Ich kann es dir sagen: Nichts. Sie ist genau wie ich." Seine Worte kamen stockend, und doch waren sie nur zu gut zu verstehen. Und ich verstand sie.

"Meine Tochter hat nichts, hörst du, nichts mit dir gemein, du verdammter Scheißkerl." Die Augen meiner Mutter blitzten, ihr Mund war so schmal zusammen gekniffen, wie selbst ich es noch nicht gesehen hatte. Einige ihrer schwarzen Haare hatten sich aus dem Knoten gelöst und fielen weich über ihr hartes, angespanntes Gesicht. Mit einer zornigen Bewegung ihres Zauberstabes schickte sie einen zweiten Fluch auf Severus. Auch dieser traf ihn mitten in die Brust. Er hatte nicht einmal versucht, nicht mehr versuchen können, ihm auszuweichen.

Schon dachte ich, es sei vorbei, als seine Augen sich schlossen, sein Kopf ihm auf die Brust zu sinken begann. Doch plötzlich schien ein Energiestoß durch seinen mageren Körper zu gehen, ließ ein Schauer den weiten schwarzen Umhang beben. Und dann öffnete er noch einmal seine Augen, hob den Blick auf meine Mutter, bewegte die dünnen, bläulichen Lippen - und begann plötzlich zu lachen. Erst leise, dann immer lauter werdend, ein heiseres Lachen, durchsetzt von Wortfetzen: "Mütter - erkennen - nie gerne, daß - ihr Kind - ein gefühlloses - Etwas ist." Ein Hustenanfall schüttelte seinen Körper, ließ ihn inne halten, nach Atem ringen. Als er seine zitternde bleiche Hand von seinem Mund löste, klebte Blut an ihren Fingern. "Doch - das ist es, - was sie ist." Das unheimliche Lachen verstummte schlagartig, als er seinen Blick von meiner Mutter losriß, mir seine Augen zuwandte. Diese endlos schwarzen Tunnel, schwärzer als die Nacht, die uns umgab, selbst ihr weniges Licht verschlingend, wie auch das Lächeln, das um Severus` tote Lippen spielte, als er sich an mich richtete: "Du bist - genau wie ich, - Kybele, und - du weißt es." Ja, ich wußte es.

Ein erneuter Krampf schüttelte seinen mageren Körper, ließ plötzlich jeden Ausdruck, das Lächeln aus seinem Gesicht verschwinden, erlöschen, ihn zu Boden sacken, dort liegen lassen. Ihn sterben. Severus Snape. Todesser Lord Voldemorts und Spion Albus Dumbledores. Einst von mir geliebt, nun von meiner Mutter ermordet. Tot. Meine Liebe, vergangen. Mit ihr der Haß. Geblieben? Nichts.

"Er hatte Recht. Ich fühle nichts.", sagte ich heiser.

"Sag so etwas nicht." Ich hob meinen Blick und sah in die treuen, braunen Augen Remus Lupins. Und doch mußte ich ihn enttäuschen.

"Es ist die Wahrheit." Ich spürte, wie er meine Hand nahm, sie vorsichtig in die seine legte, mit seinen leicht rauhen Fingerkuppen über meine Haut streichelte, sie, mich wärmte, versuchte mich zu schützen, zu heilen. Ich konnte in seinem besorgten Gesicht förmlich sehen, wie er nach den richtigen Worten suchte, die es doch nicht gab: "Das - kommt dir im Moment vielleicht so vor. Aber es wird nicht so bleiben. Du wirst," er zögerte kurz, und seine Stimme wurde unsicher; "jemandem begegnen, der dir hilft, dich befreit, dich wieder Gefühle lehrt. Denn selbst, wenn du sie gerade nicht finden kannst, bist du doch im Grunde deines Herzens fähig sie an zu nehmen und zu geben, zu leben." Sein Ton war zuletzt wieder fester geworden, als wolle er mich und vielleicht auch sich selbst davon überzeugen, daß das, was er sagte, nicht nur kitschige Phrasen, sondern wirklich war.

Unwillkürlich wanderte mein Blick weiter, fort von dem so liebevollen Remus, hin zu der zusammen gesunkenen dunklen Gestalt am Boden, über die sich der schwarze Umhang wie eine schützende und zugleich gefangen nehmende Decke legte, nicht länger wallend, sich nur schwach im Wind regend, ihn einhüllend, wie auch, sonst nur der Tod es tat. So lange hatte er ihn begleitet, doch nun erst waren sie vereint. Die schwarzen fettigen Haare fielen ihm ins starre, weiße Gesicht, über die Augen. Diese rabenschwarzen Augen, so ausdruckslos, so tief, und nun, im Tode, scheinbar lebendiger als jemals zuvor.

"Ja.", sagte ich leise. "Genau wie er."








 

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