Snape-Fiction

 

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Gute Vorsätze der Gespensterseelen
von Albireo und MayaCalptrae



"Ich werde dort nicht hinein gehen."

"Doch, Professor, Sie müssen. Wir haben doch darüber gesprochen."

"Wie können Sie es wagen, so mit mir zu reden, Draco? Zehn Punkte Abzug-..."

"Severus!", unterbrach Dracos Mutter den Meister der Zaubertränke mit schneidender, vor Anspannung leicht bebender Stimme und lenkte so seinen stechend schwarzen Blick fort von Dracos Gesicht, hin zu dem ihren, das beinahe so bleich war wie das Snapes und merkwürdig fließend überging in das Weiß ihrer langen Haare. Drei Gespenster, die zitternd vor einer massiven, steinernen Tür standen, als warteten sie darauf, dass ein erlösender Windhauch sie davon trüge, fort von diesem Ort, fort in eine Zukunft, an der dieser Tag, der Silvesterabend weit hinter ihnen liegen, eine Zukunft, in der sie diesen Tag überlebt haben würden. "Du kannst dich nicht länger in unserem Haus verkriechen. Du kannst nicht noch einem Treffen fernbleiben, du mußt dich endlich einmal zeigen. Er wird misstrauisch werden."

"Misstrauisch? Er soll mir misstrauen? Mir?" Ein heiseres, kaum hörbares Lachen entfuhr seinen schmalen Lippen, als Snape sein eingefallenes Gesicht dem fernen, sternenlosen Himmel entgegen und seine fettigen Haarsträhnen aus den verzerrten Augen warf. "Nach allem, was ich für ihn getan habe?" Gebannt beobachtete Draco, wie Snape plötzlich erstarrte, verstummte, sein flackernder Blick sich ins Leere fokussierte, als lauschte er mit allen Sinnen dem Echo seiner eigenen Worte. "Was ich getan habe", wiederholte er schließlich tonlos, den Kopf senkend. Schwarze Strähnen kehrten vor seine Augen zurück, während sich lange Finger in Handballen gruben, als müssten sie zur Ablenkung herhalten von dem, was nicht hätte geschehen dürfen, von der Tat, die Draco am Leben erhalten, von einer Tat, die seine Seele gerettet hatte. Eine Seele, freigekauft zum Preis einer anderen.

"Er hat allen Grund, misstrauisch zu sein", fuhr Snape schließlich fort, und doch war es, als stünde er gerade erst am Beginn seiner Rede, seien alle vorhergehenden Worte hinter seinen Gedanken zurückgefallen und hätten den Blick freigegebenen auf diesen einen Satz, der dort geduldig auf seine Entdeckung gewartet hatte. "Denn heute Abend werde ich ihn töten."

Entsetzt wich Draco einen Schritt zurück und starrte alarmiert auf das beinahe zufriedene Lächeln, das sich auf den Lippen seines Professors ausgebreitet hatte. Doch bevor er etwas entgegnen konnte, hatte seine Mutter bereits das Wort ergriffen: "So geht das nicht. Es tut mir Leid, Severus, aber du lässt mir keine andere Wahl: Imperio."

Dracos ungläubiger Blick flog zu seiner Mutter, die diesen ruhig erwiderte. "Wir werden jetzt diesen Raum betreten. Wir sorgen dafür, dass man uns sieht, und dann verschwinden wir so schnell es geht. Und du, Severus, wirst dich beherrschen. Wir wollen schließlich alle heil dort wieder heraus kommen", befahl sie mit fester Stimme. Sie schenkte Draco ein kurzes, ermutigendes Lächeln, dann richtete sie ihre Konzentration auf Snape, der folgsam auf die Tür zutrat und mit jener Selbstsicherheit anklopfte, die Draco aus vergangenen Tagen von ihm gewohnt war, und die Draco unwillkürlich innerlich aufatmen ließ. Sein verkrampfter Magen entspannte sich ein wenig.

Von Drinnen waren bereits leise Schritte zu hören, da wandte Snape noch einmal sein Gesicht zu ihnen herum. Das irre Funkeln war in die Augen, der Fanatismus in die Züge des Professors zurückgekehrt. "Ich habe sowohl deine wie auch Albus´ Bitte erfüllt", flüsterte er, und Draco fröstelte unter dem kalten Wind, den er plötzlich allzu deutlich auf seinem Körper spürte, spürte, wie er seine warme Winterkleidung durchfraß. "Ich habe lange genug Befehlen gehorcht, Narcissa."

Draco setzte zu einer Erwiderung an, doch sie blieb unausgesprochen, denn in diesem Moment öffnete sich die schwere Eingangstür und Charles Goyle erschien im Türrahmen.

"Snape. Welch Freude, dass du uns auch mal wieder mit deiner Anwesenheit beehrst. Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um all die Gerüchte, die über deinen… Geisteszustand kursieren?" Sein rohes Gesicht verzog sich hämisch.

Snape ließ seinen von Wahn durchsetzten Blick noch kurz auf Draco und Narcissa ruhen, dann glitt, wie ein Hauch des kühlen Windes, die übliche Maske der Selbstbeherrschung über seine Züge und verhüllte jede verräterische Emotion. Er drehte sich zu Goyle um. "Ich freue mich ebenso, dich zu sehen, Goyle", stellte er zynisch fest, und fügte hinzu: "Im Übrigen sollte dir zu denken geben, dass es bei dir nicht nur Gerüchte sind, die über deinen Geisteszustand im Umlauf sind." Damit ließ er ihn, wie auch seine Begleiter stehen, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, rauschte an ihm vorbei, und verschwand im Inneren des düsteren Hauses.

Draco fühlte, wie ihn eine Woge jener Ohnmacht überkam, die ihm im letzten Jahr eine wankelmütige, doch schlußendlich treue Weggefährtin geworden war, eine Weggefährtin, die sein Vater immer von ihm fernzuhalten verstanden hatte - bis er ihm genommen worden war und sie statt seiner an seine Seite getreten war. Lieber wäre er alleine geblieben.

Unsicher kreuzte sich sein Blick mit dem seiner Mutter. Er hätte viel dafür gegeben, behaupten zu können, er brauche keine neue Weggefährtin, er habe sie - doch so viel sie auch in den vergangenen Monaten gemeinsam durchlitten hatten, sie war ihm noch immer fern, entfremdet in einer Zeit, als er noch dachte, sein Vater würde immer für ihn sorgen.

Ein schmales, aufgeriebenes Lächeln huschte über ihr bleiches Gesicht, dann betrat auch sie mit einem steifen, nur oberflächlich freundlichen "Charles" die große Eingangshalle und enteilte Dracos Sichtfeld.

"Und, Draco? Meinst du, es wird noch was in diesem Jahr?" Die vertraute Stimme Goyles ließ Draco unwillkürlich in dessen schmutzig-braune, stumpfe Augen aufschauen. Nur einen Sekundenbruchteil hielt er seinem Blick stand, dann senkte Draco ausweichend den seinen und huschte wortlos an der bulligen Gestalt vorbei. Die Demütigungen der zurückliegenden Wochen hatten Spuren hinterlassen, an seinem Stolz gekratzt und seine spöttische Überlegenheit brüchig gemacht.

In seinem Rücken hörte er das kränklich-heisere, unangenehme Lachen, über das er sich in einem anderen Leben stets amüsiert hatte, doch er ignorierte es, durchmaß statt dessen die von Fackeln zitternd erhellte Halle mit schnellen, beinahe hektischen Schritten, registrierte nur schemenhaft die Spiegel, Gemälde und Symbole an den Wänden, zu flüchtig, als dass er sie nicht sofort wieder vergessen hätte, ging schließlich zu einem Rennen über, das von unheilvoller Ahnung getrieben wurde. Erst als er die hölzerne, weit geöffnete Flügeltür beinahe erreicht hatte, verlangsamten sich seine Bewegungen, stockte er. Wie in einem Traum gefangen blieb er im Türrahmen stehen, und alleine sein sich zusammenziehender Magen und die grotesk zivilisierte, friedliche Musik drangen in seine Wahrnehmung. Seine Augen glitten, rasten über die Versammlung von Roben, Farben, die sich vor ihm auftat, und die er nicht beachtete, einzig auf der Suche nach dem Schwarz eines Umhangs und langer, strähniger Haare, die irgendwo aus diesem bunten Meer herausstechen mußten. Ihm wurde schlecht, als er daran dachte, was passieren würde, wenn er den Meister der Zaubertränke vor ihm selbst finden, wenn Snape über seine Mutter siegen würde.

Endlich blieb sein Blick an einer Figur hängen. Das Schwarz war im Schatten verschwunden, untergetaucht in der Masse, wie Snape es so gut vermochte, doch immerhin; leuchtend stach ihm helles Blond in die Augen. Draco löste sich aus seiner Starre und schritt erleichtert auf die Gestalt seiner Mutter zu.

"Draco." Erstaunt drehte er sich mitten in der Bewegung herum, gerade noch gelang es ihm, eine unverfängliche Miene aufzusetzen. "Schön, dass es dir wieder besser geht..." Überrascht sah Draco, dass es Pansy war, die auf ihn zukam. Natürlich hatten sie früher oft darüber geredet, wie stolz ihre Eltern sein würden, wenn sie beide erst einmal in den Kreis der Todesser aufgenommen worden wären, aber sie hier nun wirklich zu sehen, nach allem, was er erlebt, erfahren hatte...was machte sie hier? Einen kurzen Augenblick lang überkam ihn das Verlangen, sie anzuschreien, sie solle nach Hause gehen - doch dann lächelte er einfach nur unverbindlich und ließ sie stehen. Was sie hier machte? Sie erfüllte ihrer aller Bestimmung.

Aufatmend bemerkte Draco, dass seine Mutter noch nicht gänzlich aus seinem Blickfeld verschwunden, von der bunten Welle der Festumhänge verschlungen worden war, und schnellen Schrittes machte er sich daran, sie einzuholen, folgte ihren wippenden, blonden Haaren, ließ sich von ihnen leiten durch die Masse der Körper, die zu dicht gedrängt waren, als dass sein Versuch, den Kontakt mit ihnen zu vermeiden, von Erfolg gekrönt hätte sein können. Durch das leise Wispern, das ihn begleitete, die halblauten Begrüßungen und alt gewordenen Scherze, die das laue Gefühl der Gefahr, der Feindseligkeit weiter in ihm wachsen ließen.

Endlich erreichte er seine Mutter und Snape, die derart angespannt in der heiter feiernden Zaubererschar standen, dass es jedem, der ihnen auch nur einen flüchtigen Blick zuwarf, ins Auge springen musste. Und dann? Mühsam versuchte Draco, sich zu beruhigen. Er durfte jetzt nicht die Nerven verlieren. Sie würden nur gerade so lange bleiben, wie es die Etikette von ihnen verlangte. Die anderen Zauberer waren viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, als dass sie Argwohn schöpfen könnten. Wenn nur seine Mutter nicht die Kontrolle über Snape verlor. Wenn nur der Dunkle Lord ihnen nicht zu nahe...

"Narcissa. Draco." Rote Augen bewegten sich auf sie zu - wenn sie doch nur nicht auf schwarze trafen... "Und - welch schmerzlich vermißter Anblick - Severus!" Irgendetwas gefror in Dracos Innerem. Dieses Irgendetwas nannte sich Hoffnung.

"Wie schön, dass ihr es doch einrichten konntet." Kalter Zynismus wurde von einer fast weichen Stimme ummantelt. Entsetzt beobachtete Draco, wie der Dunkle Lord sich durch seine Gäste schlängelte, hier und dort ein Lächeln verteilte, und doch nicht inne hielt, statt dessen unaufhaltsam näher kam, die langen klauenartigen Finger beinahe sanft ein Glas Rotwein vor ihm her balancierend. Konnte ein Mensch wie Voldemort freundlich aussehen? Mussten nicht all die feinen Muskeln eines ehrlichen Lächelns schon lange verkümmert, sie, die hilflosen Zuschauer ungezählter Grausamkeiten schon lange vor Trauer eingegangen sein?

"Ihr bleibt hier", zischte seine Mutter in diesem Augenblick und riß ihn und sich selbst aus der Starre, in der sie kurzzeitig vereinigt gewesen waren. Zu lange? Energischen Schrittes eilte sie dem Dunklen Lord entgegen, die Lippen zu einem entschlossen erfreuten Ausdruck zusammen gepreßt. Erleichtert atmete Draco auf, als die beiden sich schließlich trafen und in einiger, wie er hoffte, zunächst sicherer Entfernung stehen blieben. Unwillkürlich gebannt ließ Draco seinen Blick auf der Szene ruhen; Niemals zuvor hatte er den Dunklen Lord eine Maske tragen sehen. Doch was sonst, als eben dies konnte es sein? Die angedeutete Verbeugung, mit der er Dracos Mutter begrüßte, das mit einem Wink herbeigezauberte Weinglas, das er ihr mit einer charmanten Handbewegung überreichte? Das beinahe selbstironische Lächeln, mit dem er auf seinen festlich verzierten Umhang deutete, sich über seine eigene Eitelkeit zu amüsieren schien?

Je länger Draco dabei zusah, wie der Dunkle Lord, Herrscher über eine tödliche Armee, den höflichen Gastgeber gab, desto mehr ekelte er sich vor ihm, und vor sich selbst, der Faszination, die er beim Anblick dieser zuvorkommenden Gewandtheit, verschmolzen mit dem dunklen Bann, der von der schwarzen Macht ausging, empfand. Er schauderte, riß sich gewaltsam los von dem Mann, der die Herzen zu verführen vermochte, seinem Meister.

Doch zu lange schon war er unaufmerksam gewesen, denn als er sich hastig umsah, war es zu spät: Snape war verschwunden.

"Professor Snape?", fragte Draco, so laut er sich in dieser Gesellschaft traute; es geriet eher zu einem stummen Hilferuf. Orientierungslos setzte er sich in Bewegung, hörte eine helle Stimme zwitschern: "... und was sind deine Vorsätze fürs neue Jahr...", lief weiter, streifte rote Seide, bestickten Damast, teuren Samt, trudelte durch ein kreischend farbenfrohes Durcheinander, glaubte, schwarze Haare auszumachen, hetzte weiter, panisch, weil sie sich in Richtung des Dunklen Lords bewegten, verlor sie wieder aus den Augen.

"Ja, wen haben wir denn da?", höhnte eine tiefe Stimme. "Der kleine Malfoy - ich wußte nicht, dass auch Versager eingeladen sind..." Dracos Bewegungen stockten.

"Vermutlich hat er darum gewinselt", erwiderte eine Frau. "Das ist doch das Einzige, was der kann: winselt, weil er zu ärmlich ist, den Todesfluch auszusprechen, winselt, wenn ihm die gerechte Strafe angedeiht..." Draco atmete tief ein, er wußte, dass er sich nicht provozieren lassen durfte - und doch wirbelte er schließlich herum, zog zornig seinen Zauberstab aus einer Tasche seines Umhangs -

"Wie rührend." Dracos Wut strandete an den amüsierten, grausamen Augen Igebert Jugsons, lief auf Grund wie ein außer Kontrolle geratenes Schiff. "Aber was willst du mit dem Zauberstab - wenn du nicht fähig bist, ihn zu benutzen?" Draco zuckte wie von einer Ohrfeige getroffen zusammen.

Eine Frau trat vor und spottete mit aufgesetzt mütterlicher Stimme: "Steck den Zauberstab weg, mein Kleiner, du könntest sonst noch jemanden verletzten." Die Umstehenden lachten, und Jugson fügte hinzu: "Nana, meine Liebe, sei nicht so streng mit ihm; er ist doch noch ein Kind - und bei den Genen...wohin, sagtest du noch einmal, Draco, hat sich dein unfähiger Vater verkrochen?"

Draco machte einen raschen Schritt auf ihn zu, packte Jugson am Kragen und hielt ihm seinen Zauberstab an die Kehle. Das Lachen verstummte schlagartig und während die anderen Zauberer blutbegierig auf die beiden Zauberer starrten, beobachtete Draco mit Genugtuung, dass Jugson, der einen halben Kopf kleiner war als er, eine Spur fahler wurde. "Wage es nie wieder, meine Familie zu beleidigen", fauchte Draco mit bebender Stimme, so laut, dass jeder es hätte hören müssen, wäre die Musik nicht gewesen, "du verdammter..." Er verstummte. Über Jugsons Schulter hinweg hatte er Snape erblickt, eher im Augenwinkel erahnt - und sofort hatte er sich wieder unter Kontrolle. Mit einer harten, verabscheuenden Geste stieß er Jugson von sich fort und ging schweigend an ihm vorbei, seine ganze Aufmerksamkeit auf Snape fokussierend.

"Hey, Malfoy, wo hast du denn Snape gelassen?", meinte irgendjemand. "Seht mal, Leute, Malfoy hat seinen Babysitter verloren..." Sie, ihr Lachen war Draco gleichgültig, er reagierte auch nicht auf die Stimme, die erwiderte: "Laßt ihn in Ruhe, ihr Idioten."

Schließlich blieb er stehen, die Augen auf den Meister der Zaubertränke gerichtet, der vor einem Plakat stand und seine Umwelt vergessen zu haben schien. Seine weißen Finger fuhren über Buchstaben, die die Worte formten: "..wegen des Mordes an Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore." Draco kannte dieses Plakat, wie jeder Zauberer; es war ein, sein Steckbrief: "Gesucht: Severus Snape."

Dracos Blick glitt zurück von dem Stück Pergament zu Snape. Schwarze Augen bohrten sich in die seinen, versteckt hinter einem Vorhang aus fettigen Haaren, und doch zu direkt.

"Professor Snape...", setzte Draco an. Snape ließ ihn verstummen, indem er seinen Blick noch einmal auf das Plakat richtete, seine Finger noch einmal über den Namen Dumbledores strichen. Dann ließ er die Hand langsam sinken, drehte sich zu Draco um.

"Sie brauchen mich nicht mehr Professor zu nennen, Draco", meinte Snape tonlos, und setzte mit einem Anflug seines alten Sarkasmus´ hinzu: "Mein Arbeitsvertrag mit dem Direktor Hogwarts´ dürfte wohl als aufgelöst betrachtet werden..." Seine Hand zitterte. Als hätte er Dracos Beobachtung gespürt, verbarg Snape sie; seine schwarz umhüllten Arme schlangen sich um seinen dürren Körper, beinahe Schutz und Wärme suchend wie die Blätter einer langsam verwelkenden Eisblume, die der Sonne entgegen strebten, die schon lange hinter dem Horizont des arktischen Winters verschwunden, gestorben, nein, vom Frierenden selbst ermordet worden war. Plötzlich wirkte der Meister der Zaubertränke, als würde es nicht eines Voldemorts bedürfen, ihn zu zerbrechen - und beinahe wünschte Draco sich in diesem Moment den sonst so gefürchteten, doch unerschütterlich kalten, abweisenden Eisfelsen Snape zurück. Er, Draco, hatte ihn zu dem gemacht, was er heute war. Für ihn hatte sich der Meister der Zaubertränke in den Wahnsinn gestürzt. Wie sollte er diese Schuld jemals abtragen, sich jemals verzeihen können?

"Sie werden immer mein Lehrer bleiben. Professor", erwiderte Draco schließlich schlicht; er wollte etwas Nettes sagen, und merkte, wie wenig Übung er darin hatte. Unsicher sah er Snape an, und eine hilflose Leere breitete sich in ihm aus, als Snape seine Arme noch ein wenig fester um sich legte, wie einen Schutz vor den Erinnerungen, die mit dem simplen Wort "Professor" verbunden waren.

"Es tut mir Leid, ich dachte...", murmelte Draco. Seit neustem wußte er genau, wie sehr Worte weh tun konnten, eine Kunst, Demütigungen zu verbreiten, die er früher gut, nie jedoch so perfekt wie sein schwarzhaariger Gegenüber selbst beherrscht hatte. Auf Snapes Mundwinkel legte sich ein zögerliches, schmales Lächeln, und Draco begann, sich wieder ein wenig zu entspannen - doch dann gefroren Snapes Züge plötzlich. Mit wachsender Angst vor dem, was geschehen würde, beobachtete Draco, wie Snape seine Arme in einer geschmeidigen, ruhigen Bewegung entfaltete, seine zusammengesunkene Gestalt sich aufrichtete. Snapes bohrender Blick schoß auf einen Punkt irgendwo neben Draco.

"Bemüh dich nicht, Bellatrix. Nicht einmal wenn ich tot wäre, gelänge es dir, in meinen Kopf einzudringen", zischte er finster. Draco sog scharf die Luft ein. Das hatte ihm noch gefehlt. Wie im Hohn über das plötzliche Verlangen, nur noch wegzurennen, legte sich eine kalte Hand auf seine Schulter. Draco zuckte zusammen, wagte es kaum, zu atmen, geschweige denn, sich umzuwenden, tat es schließlich doch, und sah in die wahnsinnigen Augen seiner Tante Bella, die ihm entgegen leuchteten. "Versager!", schrieen sie ihn an, spürten das Echo vergangener Worte auf, beschworen es herauf: "Du solltest stolz sein, Draco, dass er dir diese glorreiche Aufgabe anvertraut hat!" War er nicht stolz gewesen?

Snape fuhr unterdessen fort: "Niemandem von euch wird das jemals gelingen. Niemandem, hört ihr? Raus aus meinem Kopf! Verschwindet!" Ein kalter Schauer lief über Dracos Rücken, während er mit ansah, wie ein gefährliches Funkeln in Snapes Blick trat, er spürte, wie sich Bellas Finger zornig in sein Fleisch gruben - "niemand." Das beinhaltete auch ihren Lord. In einem leisen Anflug von Panik blickte Draco sich um, hatte er es gehört? Er blickte in unbedeutende Gesichter.

"Du solltest aufpassen, was du sagst, Snape." Schrill klang die Stimme in Dracos Ohr wider, als sie fortfuhr: "Du wirst doch nicht etwa den Verstand verlieren?" Draco atmete tief ein, löste sich dann entschlossen aus ihrem harten Griff und erwiderte mit fester Stimme: "Du weißt, dass das die Auswirkungen des Fluchs sind, den Dumbledore ihm auf den Hals gehetzt hat, bevor er ihn endgültig vernichtete. Ich nehme an, du erinnerst dich an diesen triumphalen Sieg?" Draco zwang sich, Bella in die Augen zu sehen; er hoffte, sie mit seiner offensiven Lüge zum Schweigen gebracht zu haben.

Bella lachte kurz auf, zwischen Hohn und verborgenem Neid schwankend, dann zischte sie schadenfroh: "Ein Sieg, den nicht du errungen hast, nicht wahr, Draco?" Wie gerne hätte Draco etwas erwidert. Doch er blieb stumm; aus dem Augenwinkel heraus konnte er sehen, dass die Umstehenden mittlerweile auf die Szene aufmerksam geworden waren und sie nun gespannt beobachteten, mit einander tuschelten.

"Verschwindet, hab ich gesagt. Verschwindet ihr dreckigen kleinen Schlammblüter!" Draco seufzte innerlich auf. Sonst war Snape doch auch nicht so gesprächig, konnte er nicht vielleicht zu einem etwas weniger heiklen Zeitpunkt seine Liebe zu ausschweifenden, hochverräterischen Reden entdecken - und wo verdammt war eigentlich seine Mutter? Er fühlte sich verloren in diesem Meer der Todesser, das sich nur ungern beschimpfen ließ. Empörtes Gemurmel rauschte um seine Ohren.

"Ihr glaubt, ihr seid erhaben, mächtig. Doch ihr irrt euch - nichts seit ihr, nichts als ein Haufen Dreck, nichts im Vergleich zu ihm." Draco konnte förmlich spüren, wie sich die Atmosphäre auflud, die Stimmung der Zuschauer sich wandelte von spöttischem Amüsement und Neugier zu gefährlicher Wut.

Unterdessen setzte Snape zum finalen Vernichtungsschlag seiner selbst an, den er, Draco doch hätte verhindern müssen. "Ihr seid nichts im Vergleich zu Albus Dumble-..."

"Wir sind nichts im Vergleich zu Albus Dumbledores Bezwinger", unterbrach ihn in diesem Augenblick eine zu ungewohnter Lautstärke getriebene Stimme, und Dracos Mutter trat aus der Anonymität der Zauberer heraus, bahnte sich den Weg in die ungeteilte Aufmerksamkeit. "Wer würde das bestreiten?" Ein geradezu herausforderndes Lächeln umspielte ihre dezent geschminkten Lippen, als sie ihren unruhigen Blick betont langsam über die sie umringende Zauberergesellschaft schweifen ließ. "Trinken wir auf den Triumphator, den mächtigsten Zauberer aller Zeiten, trinken wir auf den Dunklen Lord." Sie erhob in einer etwas zu ruckartigen Geste ihr Glas: Eine berühmte Schauspielerin, einsam zurückgelassen von ihrem Partner, ohne Schutz auf sich selbst gestellt, auf den Brettern, die die Welt bedeuteten. Auf denen sie um ihrer dreien Leben spielte, in der beinahe theatralischen Haltung innehielt, wartete, wartete auf die Reaktionen des Publikums. Wenn nur die anderen das leichte Vibrieren ihres Tonfalls überhört hatten, das so deutlich in Dracos Ohren widergehallt war, wenn sie es nur für die begeisterte Hingabe an ihren gemeinsamen Meister hielten.

Dann, endlich brandete der ersehnte Applaus auf, folgten die Zuschauer ihrer Bewegung. "Auf den Dunklen Lord!", ging es raunend durch die Reihen, wurde weitergereicht, bis der gesamte Raum davon erfüllt schien.

"Der Dunkle Lord?", flüsterte Snape, seine Stimme kaum mehr als ein leiser Zwischenton in den orchestralen Klängen die ihn und Draco plötzlich umgaben.

"Kommen Sie, Professor", entgegnete Draco fest, um den orientierungslos umher wandernden Blick Snapes einzufangen, ihn auf sich zu konzentrieren, bevor er einen anderen, folgenschweren Fixpunkt finden konnte. Einen Moment schien Dracos Hand ihm nicht zu gehorchen, instinktiv zu zögern, dann spürte er, wie sie sich sachte um den schmalen, von warmem Stoff umhüllten Arm Snapes legte. "Kommen Sie."

Langsam bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, den Meister der Zaubertränke vorsichtig leitend. Wo er auf Widerstand zu treffen gefürchtet hatte, folgte ihm stille Gleichgültigkeit.

"Geht jetzt. Ich komme so schnell wie möglich nach." Ein schwacher Windhauch an Dracos Ohr, ein kurzes Aufblitzen des blonden, langen Haares, das das seine war, schon war seine Mutter wieder zwischen den Feiernden untergetaucht. Gehen, endlich fort von hier. Zielstrebig näherte sich Draco mit Snape dem Ausgang der großen Halle. Erst jetzt bemerkte er, wie verkrampft sich die Finger seiner freien Hand bisher um seinen Zauberstab in der verborgenen Tasche seines Umhanges gekrallt hatten, erlaubte er es ihnen, sich zu lösen, sich selbst, zum ersten Mal das Geschehen um sich herum bewußt wahrzunehmen: Die fröhlich plaudernden Menschen in ihren farbenfrohen Roben, die den selben Ausdruck der Festlichkeit ausstrahlten, wie die Gesichter der sie tragenden Personen. Die leutseligen Ehemänner, die ihre teuer gekleideten Gattinnen miteinander bekannt machten und stolz auf ihre Kinder blickten. Wie gut sein Vater hier hinein passen würde. Wie gut er selbst hier hinein passte. So elegant, so wohlerzogen, so zivilisiert. Es schien, als könnten die fehlenden Masken und farbenfrohen Gewänder sogar den Anwesenden selbst vortäuschen, dies wäre der Fall, sie keine Mörder, Folterer und Vergewaltiger. Früher einmal hatte er nichts sehnlicher gewünscht, als so zu sein, wie sie. Doch nicht mehr. Niemals wollte er ihnen gleich werden, die Taten begehen, die sie mit Vergnügen verübten. Niemals das Opfer seines Lehrers mit Füßen treten. Niemals einen Mord begehen. Konnte es einen besseren Vorsatz geben für das Jahr, das in wenigen Minuten beginnen sollte? Niemals einen Mord.

Unwillkürlich drängte er sich näher an den ihm beinahe willenlos folgenden Meister der Zaubertränke. An ihn, der allein in seiner schwarzen Robe dem Bild eines wahren Todessers entsprach, und der doch so stark aus der sie umringenden, feiernden Menge hervorstach, als wäre er irrtümlich aus einer anderen Welt hier hineingeraten. Doch jetzt endlich konnten sie, wenn schon nicht diese Welt, so doch diesen Raum, dieses unsägliche Fest verlassen, nur wenige Meter noch trennten sie von der Tür, die sie hinaus geleiten sollte.

"Severus. Draco. Ihr wollt mich doch nicht bereits verlassen?" Mit weit aufgerissenen Augen hielt Draco mitten in seiner befreiten Bewegung inne, starrte dem Dunklen Lord entgegen, der wie aus dem Nichts vor ihnen erschienen war. "So kurz vor dem neuen Jahr? Nur wenige Minuten vor dem Feuerwerk?" Eine spöttische Handbewegung unterstrich das angedeutete Lächeln auf den kaum vorhandenen Lippen ihres Meisters. "Das könnt ihr mir und meinen Gästen doch nicht antun", fuhr er fort und ließ seinen Blick über die feiernden Zauberer gleiten.

Doch Draco blieb keine Zeit, sich um die Erwartungen ihres Gastgebers zu sorgen. Eine andere, gefährliche Bewegung in seinem Rücken riss seine Aufmerksamkeit auf sich: Es war Snape, der, die schwarzen flackernden Augen auf den sich halb umgewandten Dunklen Lord geheftet, den Zauberstab gezogen und mit tödlicher Ruhe auf ihres Meisters Brust gerichtet hatte. Das Wort der Warnung, das Draco seinem Lehrer hatte zuwerfen wollen, blieb irgendwo auf dem Weg zu seinen erstarrten Lippen hängen. Ein rascher Blick zurück zu ihrem Lord bestätigte seine Befürchtungen, ließ ihn mit ansehen, wie dieser sich ruhig wieder zu ihnen herum drehte. Im nächsten Moment musste er die Gefahr erkennen, sie abwenden, ihn, Draco und Snape vernichten.

Nichts geschah. Als Draco den roten Augen des Dunklen Lords folgte, trafen sie auf einen Meister der Zaubertränke, der unbewegt, beinahe teilnahmslos neben ihnen stand. Der Zauberstab, selbst der Hass schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Draco spürte, wie sich seine Augenbrauen irritiert zusammenzogen. Wie war das möglich? Dann endlich sah er sie: In der Ecke der Halle, inmitten der lachenden Menschenschar stand seine Mutter, die fahlen Gesichtszüge in Konzentration erstarrt.

Kalter Schweiß breitete sich auf seiner frierenden Haut aus, während Draco seine Beine zwang, auf den Dunklen Lord zuzugehen, ihm die Sicht auf seine Mutter, auf Snape zu nehmen. Dann stand er ihm gegenüber, allein, ihm, den viele für den größten Legilimentiker ihrer Zeit hielten.

"Du fürchtest dich vor mir, Draco." Es war vorbei. Er würde dieses Jahr, diesen Tag nicht überleben.

"Du weißt, dass viele meiner Getreuen der Meinung sind, ich hätte - dein Versagen nicht hart genug bestraft." Ein Zittern lief unaufhaltsam Dracos leicht gebeugten Rücken hinunter, setzte sich schließlich als bebende Schwäche in seinen Beinen fest.

"Ich bin bereit, für mein Versagen zu bezahlen", erwiderte er und hörte selbst, wie schwach die Worte aus seinem Mund heraus fielen, die er doch mit der gebotenen Demut und Festigkeit hatte vorbringen wollen.

Ein schrilles Lachen lenkte seinen Blick fort von den glitzernden, roten Augen, hin zu den sich beinahe widerwillig entblößenden Zähnen des Dunklen Lord. "Nein, Draco, das bist du nicht. Du willst nicht bestraft werden. Du fürchtest meine Strafe." Ja, er fürchtete sie. Er fürchtete die Schmerzen, er fürchtete den Tod. Er fürchtete um die Menschen, die außer ihm durch sein Versagen sterben würden.

"Ja, mein Lord, das tue ich." Es hatte keinen Sinn, in der Gegenwart seines Meisters zu lügen. Zu viele hatte er daran scheitern sehen, um diesen törichten Fehler auch nur zu versuchen. "Verzeiht mir, mein Lord", fuhr er leise fort und senkte den Blick, während er fieberhaft sein Gehirn durchforstete auf der Suche nach seinen zu bescheidenen Fähigkeiten der Okklumentik. Vergeblich. Sein Inneres erbebte im Takt ungesagter Folterflüche, seine Knie drohten endgültig ihren Dienst zu versagen. Im verzweifelten Versuch, alle anderen Gefühle und Gedanken dahinter verbergen zu können, konzentrierte er sich auf seine Furcht, versank in ihr in der vagen Hoffnung, dass sein Meister sich mit ihr zufriedengäbe, mit ihr, die er so genoß an seinen Opfern zu beobachten. So erstarrte Draco in seiner Furcht, die er nicht heraufbeschwören, kaum verstärken mußte. Und wartete.

"Wir werden sehen, Draco, wir werden sehen...", mit einem süffisanten Grinsen balancierte der Dunkle Lord seinen Zauberstab auf seinen dürren Fingern, " ...im nächsten Jahr.", fuhr er endlich fort - und war verschwunden.

Einen Moment lang starrte Draco auf die Stelle, an der noch vor einer Sekunde der Tod mit ihm eine für seine Verhältnisse gepflegte Konversation betrieben hatte, gab seinem stockenden Herzen die Gelegenheit, seinen Takt wieder zu finden, dann schnappte er sich erneut Snape und zog ihn mit sich. Hastete gemeinsam mit diesem blindlings durch die Hallentür, durchquerte eilig die Eingangshalle, deren Fackeln seine Schritte in flackerndes Licht tauchten.

Erst als die schwere Eingangstür donnernd hinter ihnen ins Schloß gefallen war, gönnte er sich selbst und dem Meister der Zaubertränke eine Pause. Schwer atmend ließ er sich gegen die massive steinerne Mauer fallen, sog begierig die kühle Nachtluft in seine zu lange krampfhaft zusammen gepressten Lungen. Die ersten Schneeflocken dieses Winters fielen auf sein sich langsam lösendes Gesicht.

Für einen Moment noch genoss Draco die Unbeschwertheit des gefrorenen Regens, dann wandte er sich wieder Snape zu, der still neben ihm stand, die verhangenen Augen in die Nacht gerichtet. Beinahe sanft spielte der Winterwind mit seinen langen Haaren, verfing sich in seinem flatternden Umhang. Snape zitterte leicht.

"Lassen Sie uns nach Hause gehen, Professor Snape", sagte Draco freundlich.

Langsam drehte Snape ihm das Gesicht zu. "Nach Hause?", echote er tonlos. Seine Augen sahen direkt durch Draco hindurch. Das Zittern verstärkte sich.

"Professor, was...?", setzte Draco an, verstummte jedoch. Snape war mit dem Rücken gegen die kahlen Steine gesackt, seine ineinander gekrallten Hände bebten, sein Kopf war auf die Brust gesunken. Die Anstrengungen, der Wahnsinn der letzten Zeit forderte seinen Tribut - wie auch der Kampf gegen den Fluch von Dracos Mutter.

"Narcissa." Die finstere Stimme Snapes durchschnitt die friedliche Nacht. Immer hatte Draco den Meister der Zaubertränke mit Respekt von seiner Mutter sprechen hören - doch davon war in diesem Moment nichts geblieben. Snape hob den Blick, sah Draco aus orientierungslosen, doch klaren Augen an, deren Kälte Draco frösteln ließ. Seine Mutter hatte endgültig die Kontrolle verloren.

"Es ging nicht anders, Sir, Sie..." Snape brachte ihn zum Schweigen: "Ich werde ihn töten." Energisch stieß Snape sich von der Mauer ab, blieb kurz mit umherschweifenden, suchenden Augen stehen. Dann setzte er sich unter Dracos entsetztem Blick in Bewegung, machte einige langsame Schritte, stockte. Rasch folgte Draco ihm, und erreichte ihn gerade noch rechtzeitig, bevor Snapes Beine nachgaben und er zusammen sank. Draco fing ihn auf, hielt ihn fest.

"Sie können den Dunklen Lord nicht töten, Sir. Niemand kann das", flüsterte er. Mühsam richtete sich Snape in seinen Armen auf, sah ihm durch ins Gesicht fallende Strähnen entgegen.

"Das haben sie bei ihm auch gesagt", erwiderte er leise, löste sich abweisend von Draco und wankte unsicher weiter, nicht einmal registrierend, dass es die falsche Richtung war, in der er seinen Meister finden wollte. "Und doch - habe ich es getan", setzte er im Gehen mit einem merkwürdig heiser anmutenden Anflug von Hysterie in der dunklen Stimme hinzu. Draco beobachtete hilflos, Snape vorsichtig folgend, wie er taumelte, sich noch einmal fing, schließlich stehen blieb und in angestrengt festem Tonfall, sich zu Draco umdrehend, bekräftigte: "Ich werde ihn töten." Er machte noch einen weiteren Schritt, dann verließen ihn seine Kräfte, erschöpft lehnte er sich an einen alten Baum. Draco eilte zu ihm, zögerte kurz, legte ihm dann unsicher die Hand auf die Schulter. Snape zuckte zusammen.

"Kommen Sie, Professor, wir gehen", wiederholte Draco ruhig.

"Ich muß ihn töten", entgegnete der Meister der Zaubertränke schlicht, nahezu beschwörend, bevor er ein wenig an der groben Rinde des Baumes herab glitt und verbittert die Augen schloß. Draco betrachtete einen Moment nachdenklich seinen ehemaligen Lehrer, dann legte er Snapes Arm um seinen Nacken und richtete sich auf.

"Ich weiß, Professor", flüsterte er, "aber jetzt ist nicht die Zeit dafür." Snape öffnete die Augen, sein Gesicht war versteinert und undurchdringlich wie eh und je. "Kommen Sie", sagte Draco sanft, und setzte sich in Bewegung, Snape stützend, dessen Widerstand zumindest für diesen Tag gebrochen schien.

Der Schnee knirschte leise unter ihren Füßen, während sie die lange Allee entlang gingen, dem mächtigen schmiedeeisernen Tor entgegen, das sowohl die Grenze des Geländes wie auch den Disapparationspunkt markierte. Riesige Bäume zogen unnatürlich dunkel an ihnen vorüber, unberührt von der gnädigen Decke des Schnees erdrückten sie die beiden durch die Nacht stolpernden Menschen mit eben jener Aura der Unsterblichkeit, der ihr aller Meister so unerbittlich nachjagte. Wenn sie doch schon am Tor wären, diesen verfluchten Ort endlich verlassen könnten.

"Ich kann das nicht, Albus. Bitte mich nicht darum, nicht um dies." Es war nur ein leises Wispern, das den bläulichen Lippen Snapes entwich, der, die leeren Augen auf den Boden gerichtet, zu einem Menschen zu sprechen begann, den nur eben diese Augen zu sehen vermochten. "Ich werde es nicht tun. Hast du verstanden, ich mache da nicht mit!"

"Ich muß noch einmal mit ihm sprechen, ihm sagen, dass ich es nicht tun werde." Langsam hob er seinen Kopf: "Wissen Sie Draco, ich werde einfach noch einmal mit Albus reden. Das ist doch ein guter Vorsatz fürs neue Jahr, oder? Ich werde ihm sagen, daß ich das nicht für ihn tun werde. Ich werde es ihm erklären. Ich kann es nicht. Verstehen Sie, Draco, ich kann es nicht. Das wird er doch einsehen müssen?"

Der Arm Snapes drohte Draco zu entgleiten, löste sich von seiner Schulter. Gerade noch rechtzeitig gelang es Draco, seine Fassung wieder zu erlangen, seinen Griff um die Taille des Professors zu verstärken, weiter auf das rettende Tor zuzustreben. "Ja, ich denke, das wird er, Sir", entgegnete er schließlich, doch nur allzu schwach. Was sollte er sagen? Wie auf eine Frage antworten, die längst entschieden, deren Hoffnung lange vernichtet war? Ein Vorsatz, so ernst ausgesprochen - und doch unmöglich ihn zu erfüllen. Um seiner Willen war dieser Vorsatz gebrochen worden, in dem Augenblick, als Snape ihn davor bewahrte zum Mörder zu werden, ihm die Chance gab, an diesem Abend einen eigenen Vorsatz zu fassen: Niemals einen Mord.

"Aber ich habe ja bereits- ich habe - ich habe es - ich -." Ohnmächtig beobachtete Draco, wie der Meister der Zaubertränke seine Lippen aufeinander preßte, als wollte er sie auf diese Weise gewaltsam davon abhalten, weitere Worte zu formen, Gedanken auszusprechen, die er mit einem ruckartigen Schütteln des Kopfes zu vertreiben, sie hinter anderen zu verstecken suchte, auf dass er sie niemals wieder fände. Endlich kehrte so etwas wie Ruhe in seinen Blick zurück, als er diesen streng auf Draco richtete und mit kalter Stimme fortfuhr: "Haben Sie Ihre Hausarbeit fertig, Draco? Mindestens fünf Seiten Pergament, darunter werde ich Ihnen kein zufriedenstellendes Zeugnis ausstellen können."

Eine schemenhafte Gestalt huschte durch die Bäume am Wegesrand, während das irre Funkeln in die Augen Snapes zurückkehrte. Wahrscheinlich ein Todesser, dem es in der Halle zu langweilig geworden war. Wer sonst konnte sich auf diesem Gelände -

Reflexartig und doch zu spät wirbelte Draco, Snape loslassend, herum, als ihn die Wucht seiner plötzlich aufgeschreckten Gedanken traf. Ein Todesser!

"Wer ist da?", rief Draco, vergeblich darum bemüht, sicher zu klingen. Niemand antwortete, und doch war ihm, als könnte er kleine Äste unter dem Gewicht eines Menschen zerbrechen hören, wahrnehmen, wie der Schnee fest getreten wurde und gestreifte Büsche knisterten.

Hektisch gruben seine Finger in der Tasche nach seinem Zauberstab, fanden ihn nicht, kramten weiter, schlossen sich schließlich um das glatte Holz und richteten es ziellos in den dunklen Wald. Spähend drehte er sich um sich selbst, bis sein Blick an Snape hängen blieb, und der panische Kloß in seinem Hals schrumpfte in sich zusammen. Der Meister der Zaubertränke stand neben ihm, hatte mit dem Instinkt eines Todessers seinen Zauberstab gezückt und lauschte nun konzentriert und mit einer Ruhe, die Draco unwillkürlich aufatmen ließ, in die Nacht.

"Snape. Ich freue mich, dich so bald wieder zu sehen." Eine dunkle Gestalt löste sich aus den Schatten, und kam langsam, beinahe feierlich auf sie zu. Draco erkannte die Stimme sofort, die schadenfroh hinzufügte: "Und, vor allem, dich zu hören." Der ungebetene Gast kehrte in Dracos Hals zurück und drohte, ihm den Atem zu nehmen, während Bellas Gesicht aus dem Dunkel der Nacht auftauchte. Draco mit Mißachtung strafend, richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Snape, auf dessen Zauberstab, der drohend auf ihr Herz deutete.

"Der Dunkle Lord wird zufrieden mit mir sein, meinst du nicht auch, Snape?" Bella lachte triumphierend auf.

Draco wartete, betete, Snape möge etwas erwidern, Bella Einhalt gebieten. Doch Snape blieb stumm. Unsicher folgte Draco schließlich dem genüßlichen Blick seiner Tante, der noch immer auf dem Meister der Zaubertränke ruhte, und sein Mut, all seine Hoffnung sank. Snape hatte seinen Zauberstab von ihr genommen, sah gleichgültig in weite Ferne. Erst eine Bewegung vermochte es, Draco von diesem Anblick loszureißen.

"Bleib stehen, Bella!" Er konnte das Zittern in seiner eigenen Stimme spüren, keine Frage, dass sie es gehört hatte. Sie drehte sich zu ihm herum, verhöhnend langsam. Er konnte ihre Augen, ihre gewöhnlich von bleischweren Lidern bedeckten Augen, gierig glitzern sehen, ihre Züge verzogen sich zu einer fanatischen Euphorie.

"Ich wußte schon lange, dass du nicht mehr auf unserer Seite stehst, Snape", frohlockte sie mit vor Freude unnatürlich hoher Stimme. "Und jetzt, endlich habe ich den Beweis dafür. Jetzt endlich wird der Dunkle Lord mir glauben müssen. Und er wird erkennen, dass er nur einen wahrhaft treuen Todesser hat: Mich." Ein irres Lachen drang aus ihrer Kehle. Snape reagierte nicht.

Mit einer beiläufigen Geste warf sie sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht, um sich schlußendlich doch noch an Draco zu wenden. "Na na, Draco. Nimm den Zauberstab runter. Du und ich wissen doch, dass du zu so etwas gar nicht in der Lage bist." Überheblich lächelte sie ihm zu, befand es nicht einmal für nötig, ihren eigenen Zauberstab auf ihn zu richten. Dann wirbelte sie, ihres Sieges gewiß, herum und schritt seelenruhig die Allee hinab, die Draco und Snape so mühsam hinter sich gebracht hatten.

Draco starrte ihr nach. Sein Blick suchte Snape neben sich, und glitt ins Leere, kehrte schließlich zu Bella zurück. Verzweifelt zielte er mit seinem Zauberstab auf die langsam kleiner werdende Gestalt, senkte ihn wieder, drehte sich abermals in der Hoffnung auf Beistand zu Snape herum, vergeblich. Er spürte kalte Feuchtigkeit auf seinem Gesicht, wußte nicht, ob es Schnee war oder Tränen. Wieder hob er seine zitternde Hand, als könnte er die Wirklichkeit damit zwingen, sich als Alptraum zu entlarven, aus dem es ein Erwachen gab. Er war kein Mörder - Snape hatte ihn an jenem Abend auf dem Astronomieturm davor gerettet.

"Avada Kedavra."

Vage spürte Draco, wie seine Beine unter ihm nachgaben, er in die Knie ging. Wie der feuchte Schnee seinen Umhang durchtränkte, ebenso wie er wohl den Snapes durchtränkte, der irgendwo hinter ihm an einem Baum zu Boden gesunken war. Wie er auch die helle Festrobe der von ihm, Draco, getöteten Bella beinahe schüchtern dunkel zu färben wagte, um sie der Dunkelheit anzugleichen, der Dunkelheit des Himmels, in dem in diesem Augenblick das Feuerwerk des Dunklen Lords zu leuchten begann, es höhnisch funkelte und lachte angesichts der Welt zu seinen Füßen und der Vorsätze der in dieser Welt rastlos umherstreifenden Menschen, die doch nichts als Gespenster - und Mörder waren.


ENDE

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