Beyond the Heart - Kapitel 2

 

 

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Kapitel 2



Erzählt von Harry Potter:



Als ich meine Augen öffne, denke ich zuerst, ich bin im Himmel. Ein kleiner Irrtum wegen der sich bewegenden Wolken an den Wänden und der Decke zusammen mit dem Sonnenlicht, das von hinter mir in den Raum strahlt. Dies und die Tatsache, dass der Boden um mich herum aus einem flauschigen, weichen und angenehm warmen Material in weißer Farbe besteht. Es sieht aus, als würde es ein feiner Nebel bedecken. Aber dann setze ich mich auf und stelle fest, dass ich in einem Bett gelegen habe und mit einer weißen Daunendecke zugedeckt war. Eine prächtige frettchenähnliche Kreatur (nur etwas flauschiger und mit einem längeren Schwanz, mehr so wie eine Art Angorafrettchen mit einem drei Fuß langen Schwanz) kuschelt sich an mich. Als sie bemerkt, dass ich mich bewegt habe, quiekt sie und rennt meinen Körper empor um sich auf meiner Schulter niederzulassen und seinen langen Schwanz um meinen Körper zu legen.

Ich kichere und knuddele es sanft, während ich mich frage, wo Severus sein könnte. Und wo bin ich überhaupt? Ich war im wahrsten Sinne des Wortes ein Zombie als wir gestern hier ankamen und habe nichts gesehen oder gehört. Probiert ihr mal dreizehn Stunden auf einem Besen fliegen, das schafft einen ganz schön. Besonders Severus. Es war einfach unbezahlbar seinen Gesichtsausdruck zu sehen, nachdem er beinahe gegen den Berg geknallt wäre.

Dann plötzlich höre ich ein Klopfen und die Tür in der Wand mir gegenüber öffnet sich und gibt den Blick frei auf Severus. Er trägt verwaschene Jeans und ein schwarzes Sport-T-Shirt, auf dessen Brust in Silber das Wort "Slytherin" prangt. Er hat ein trauriges Lächeln in seinem für ihn untypisch freundlichen Gesicht.

"Guten Morgen Harry," sagt er sanft. "Wie ich sehe, hast du Honey bereits kennen gelernt."

Ich runzele die Stirn. Wer ist Honey?

Er muss meinen Gesichtsausdruck gesehen haben, denn er lacht leise in sich hinein und zeigt auf die Kreatur auf meiner Schulter. Ich lächele verlegen und schaue zu Boden.

"Wie kommst du zu einer Kreatur wie ihr?", frage ich, obwohl ich dem veränderten Severus noch nicht so ganz traue.

Ich höre ein seltsames Geräusch und schaue gerade rechtzeitig auf, um einen traurigen, beschämten und vor allem schuldbewussten Ausdruck über Severus' Gesicht huschen zu sehen. Irgendetwas stimmt nicht.

"Sie gehört mir seit ich klein bin," antwortet er schließlich. "Ich wollte sie eines Tages meinem Kind geben, aber das ist nun unmöglich."

Er schaut auf, aber er schafft es nicht, zu lächeln. Der ernste Gesichtsausdruck ist seinem Lehrergesichtsausdruck so ähnlich, dass es mich schaudert. Ich habe recht. Irgendetwas stimmt nicht. Irgendetwas ist hier geschehen, etwas furchtbares.

"Es gibt Frühstück", sagt Severus dann abrupt. "Klopf einfach auf die Wand neben der Tür, dort findest du deine Habseligkeiten. Zieh dich bitte an und komm herunter."

Ich nicke und grübele über die Art und Weise, wie Severus auf meine eigentlich unschuldig scheinende Frage reagiert hat. Und auch über die Tatsache, dass er mir erzählt hat, er könne Honey nicht seinem Kind weitergeben. Er ist doch sogar alt genug, um ein Kind in meinem Alter zu haben (Sirius hat mir ererzählt, dass er sechsunddreißig ist, also genauso alt wie er). Es ist doch allgemein bekannt, dass Männer in diesem Alter durchaus Kinder produzieren können. Er sollte also absolut in der Lage sein, Honey nun seinem Kind geben zu können.

Ich beschließe, die Sache erst mal für eine Weile auf sich beruhen zu lassen. Vor allem deshalb, weil ich wirklich ausgesprochen hungrig bin. Daher tue ich, was Severus mir sagte. Aber man stelle sich mal meine Überraschung vor, als ich mich vor einem Wandschrank finde, der randvoll ist mit Muggelkleidung in meiner Größe. Das ist wirkliche eine Neuheit für mich, nachdem ich mein ganzes Leben lang immer nur Dudleys abgelegte Sachen getragen habe.

Ich entscheide mich schnell für ein paar Jeans und ein einfaches smaragdgrünes T-Shirt mit einem Drachen und ziehe mich rasch an. Dann öffne ich die Tür und trete hinaus in die Realität. Oder vielmehr auf eine Balustrade, die einmal um das riesige Wohnzimmer herum führt, welches darunter liegt. Ein Wohnzimmer das wider Erwarten nicht komplett in grün und silber eingerichtet ist sondern in nachtblau und weiß. Es ist hell und einladend möbliert, mit einer Couch und einem passenden kleinen Tisch an einer offenen Feuerstelle. Außerdem sind noch einige kleine Gruppen von gemütlichen Sesseln und Tischen geschmackvoll über den Rest des Raumes verteilt.

Zehn Fuß entfernt von mir, sehe ich eine Treppe aus poliertem Holz, die hinabführt. Und da Severus mich gebeten hatte runterzukommen, tue ich was er gesagt hat. Allerdings bringt es nicht viel, denn Severus ist nicht im Wohnzimmer. Nach dem Fenster neben der Tür, welche mir am nächsten ist, zu urteilen, führt sie nach draußen und damit wohl nicht zu Severus. Deshalb probiere ich mal die Tür zu meiner Rechten und finde dahinter ein geräumiges Büro. Die zweite Tür, die ich ausprobiere, führt ebenfalls nach draußen, aber in einen prächtigen Innengarten. Auf der anderen Seite kann ich die Küche erkennen. Mit Severus darin, der offensichtlich etwas zubereitet. Vorsichtig suche ich mir meinen Weg auf die andere Seite und öffne die Küchentür.

"Severus?", frage ich.

Er fährt hoch, wirbelt herum und starrt mich an. Sein Gesichtsausdruck verrät Überraschung und ziemliche Verwirrung.

"Und warum kommst du auf diesem Weg, Harry?" fragte er mit einem nun amüsierten Gesichtsausdruck, "wenn doch eine Treppe direkt hierher führt?"

Ich schaue ihn ratlos an. Ich habe keine Treppe gesehen, die in die Küche führt. Severus seufzt und dreht sich zum Herd, um den Kessel von der Platte zu nehmen, als dessen Inhalt zu kochen anfängt. Währendessen kommt ein pelziger Wirbelwind aus dem Nichts und rennt an mir hoch. Überrascht schreie ich kurz auf, womit ich Severus zum zweiten Mal an diesem Tag dazu bringe, aufzufahren. Aber als er sich umdreht lächelt er.

"Es gibt keinen Grund sie allein zu lassen", erklärt er mir, mit einem sanften leisen Lachen in der Stimme. "Sie wird dich immer wiederfinden. Und um auf die Treppe zurückzukommen... du musst einfach den Namen des Raumes sagen, in den du gelangen möchtest. Dieses Haus ist in zwei Teilen gebaut, die keine innere Verbindung miteinander haben, verstehst du? Deshalb werden sie durch eine magische Treppe verbunden."

Ich nicke betreten. Ich sollte mir doch denken können, dass ein Zauberer in einem Zaubererlandhaus lebt. Selbstverständlich kann die Treppe sich bewegen.

"Aber das konntest du nicht wissen", fährt Severus zu meiner Überraschung fort.

Er muss mein Gesicht gesehen haben, denn er grinst mich an, aber nicht so wie er es sonst immer tut. Dieses Grinsen ist einfach harmlos. Du bist dir nicht sicher, aber du weißt, dass er nichts spezielles damit meint. Dann deutet er zu meiner Linken und macht mich auf einen Tisch aufmerksam, der überladen ist mit Essen.

"Frühstück", sagt er sanft lächelnd. "Und wenn du genug isst, dann darfst du mir all die Fragen stellen, die du mir stellen möchtest, wie ich dir ansehe."

Es ist überflüssig zu erwähnen, dass ich mich auf das Essen stürze. Da ich genauso hungrig wie neugierig bin, ist es einfach klasse. Severus folgt mir, allerdings nicht so schnell. Er setzt sich mir gegenüber und schaut mir eine Weile beim Essen zu. Dabei trinkt er eine seltsame Flüssigkeit die weder Tee noch Kaffee ist.

Es ist einfach das seltsamste Frühstück, das ich je gegessen habe. Fleisch, Brot und Butter, zusammen mit Karotten, Salat und Äpfeln ergeben eine sehr ausgewogene Mahlzeit. Wenn ich es nicht selber gegessen hätte, hätte ich nie geglaubt, dass Severus weiß, wie man sich gesund ernährt. Aber ich kann nicht bis in alle Ewigkeit essen. Als ich schließlich mein Glas absetze und schenkt Severus mir ein amüsiertes Lächeln, eines der Dinge, die diese letzten zwei Tage so seltsam machen.

"Ein Versprechen ist ein Versprechen," sagt er. "Frag drauflos, Harry!"

Ich lächele.

"Also zuerst," beginne ich mit schüchterner Stimme. "Wie kommt es, dass du auf einmal so nett zu mir bist. Seit meinem ersten Jahr in Hogwarts hast du nichts anders gemacht, als mich zu beschimpfen und zu beleidigen."

Severus seufzt und setzt seine Tasse ab, um mir direkt in die Augen zu sehen.

"Um das zu beantworten Junge, um diese Frage zu beantworten," sagt er ernst, "muss ich einige Erinnerungen ausgraben, die für uns beide nicht sehr schön sind."

Ich recke mein Kinn. "Ich möchte es dennoch wissen," sage ich stur.

"Na schön," ist seine einzige Antwort.



Erzählt von Severus Snape:



Es ist ein geradezu bizarres Gefühl, in meiner Küche zu sitzen und einen Jungen wie Harry zu beobachten, wie er mich erwartungsvoll anschaut und mein altes Haustier Honey auf seiner Schulter hat. Und es ist ein seltsames Gefühl, zu lächeln, ohne sich dafür schuldig zu fühlen, mein wahres Selbst, das ich zur Bestrafung tief in mir vergraben hatte, sich zeigen zu lassen. Denn hier in meinem Zuhause sind noch immer die Schatten des alten Severus Snape übrig, die mich aus der Vergangenheit beobachten. Den Todesser und einen von Voldemorts engsten Männern, einen der boshaftesten und gefährlichsten Männer jener Zeit. Nicht zu vergessen, es fühlt sich auch seltsam an, die Person zu sein, die ich wirklich bin und nicht diejenige, die ich in Hogwarts, besonders jemandem wie Harry gegenüber, nur als Schutzschild spiele.

Er weiß genau worauf er Antworten will, ich muss sie ihm geben. Aber ich weiß nicht, wie ich antworten soll. Denn wenn ich es tue, muss ich einige Dinge enthüllen. Dinge die ich lieber in der Vergangenheit ruhen lassen würde.

"Ich bin auch eine Waise und ich war es, seit ich ein ganz kleines Kind war."

Das ist nicht die Einleitung, die ich vorgesehen hatte. Doch nach einem Blick auf Harrys Gesicht zu urteilen, ist sie eigentlich sehr gut.

"Meine Eltern, Duncan und Zarah Snape starben, als ich sechs Monate alt war oder so, wurde mir erzählt. Anscheinend waren sie ausgegangen um einen alten Freund, Riddle, zu besuchen. Mich ließen sie bei einem Babysitter. Sie kamen nie zurück. Jedenfalls, im Gegensatz zu dir, wuchs ich nicht bei Verwandten auf. Ich wuchs in einem Waisenhaus auf. In dem selben Waisenhaus in dem Tom Riddle einst lebte. Und sie haben mich und alle anderen dort genauso behandelt, wie die Dursleys dich behandelt haben."

Es tut weh daran zu denken, auch wenn es schon so lange her ist, lange vergessen, Geschichte. Aber gleichzeitig tut es auch gut, mit jemandem darüber zu sprechen. Und Harry hört zu. Ich kann es in seinen Augen sehen, in seiner Körperhaltung lesen. Er scheint bewegt.

"Ich denke, dass ist der Hauptgrund, weshalb ich dich gehasst habe. Die Tatsache, dass ich James nicht mochte hat wirklich nichts damit zu tun. Es war einfach die Tatsache, dass du von reichen Verwandten in ein wunderschönes Haus aufgenommen wurdest, während ich in ein fürchterliches Waisenhaus aufgenommen wurde, wo niemand mich liebte, obwohl unsere beiden Leben bis hierhin so ähnlich verlaufen sind."

Da ist weder Mitleid noch Zorn in seinen Augen. Ich bin wirklich dankbar dafür. Niemand mag bemitleidet werden. Wie auch immer, was ich wirklich sehe ist, Anteilnahme und heraufdämmerndes Verständnis. Und nicht zuletzt Tränen.


"Die Dursleys lieben mich nicht," sagt er mit fester, kontrollierter Stimme; doch dann erzittert sie vor Emotionen. "Sie haben mich immer gehasst und sie hassen mich noch."

"Ich weiß," antworte ich leise. "Jetzt. Ich habe es schließlich letzten Sommer verstanden, als ich kam, um dich abzuholen. Du hast in der Hölle gelebt, nicht in dem Paradies, in dem ich dich immer gesehen habe. Und das war der Anfang der Veränderung. Ich konnte dich nicht einfach dort lassen, mit diesen entsetzlichen Leuten. Schon damals habe ich sofort, als ich nach Hogwarts zurückkam eine Vereinbarung mit Dumbledore getroffen, dass ich mich in diesem Sommer um dich kümmere."

"Danke," antwortet Harry sanft. "Es bedeutet mir mehr, als du dir vorstellen kannst."

Ich nicke leicht und bemerke, dass mir ebenso wie Harry Tränen über die Wangen laufen. Mit einer raschen Bewegung bewege ich mich auf Harry zu und finde mich auf halbem Weg in einer warmen Umarmung, die wir beide so sehr gebraucht haben, wieder. Sein dünner Körper fühlt sich gegen meinen so zerbrechlich an und ich bin nicht gerade sehr massig. Er weiß nicht warum ich so dünn bin, warum ich ständig Gewicht verliere. Aber er braucht es nicht zu wissen. Außer wenn er danach fragt. Vielleicht werde ich ihm dann eines Tages von meiner Familie erzählen. Aber nicht heute. Ich bin jetzt nicht bereit dazu.

Stattdessen verliere ich mich mit großem Behagen in der Umarmung, in der ich endlich den Trost finde, den ich so dringend brauche. Und in diesem Augenblick weiß ich, dass ich die Chance haben könnte, doch wieder eine Familie zu haben. Vielleicht....



Erzählt von Harry Potter



Ich verstehe warum er mich überhaupt nicht mochte. Ich verstehe es wirklich. Trotzdem wünschte ich, ich hätte es früher gewusst, vielleicht hätte ich ihm dann helfen können zu verstehen. Denn ich fühle, dass dies das erste Mal ist, dass er es sich erlaubt Schmerz zu zeigen. So wie es das erste Mal ist, dass ich dasselbe tue.

Seine Eltern zu verlieren ist eine fürchterliche Sache. Vielleicht noch viel schlimmer wenn man sie sogar kannte. So gesehen haben Sev und ich es leichter, wenn man es so nennen will. Doch sind wir beide unter schrecklichen Umständen aufgewachsen. Er im Waisenhaus, ich bei den Dursleys. Ich würde niemandem weder das eine noch das andere wünschen.

Er ist dünner als ich dachte. Aber vielleicht ist das auch gar nicht so befremdlich. Ich würde ebenfalls Magenprobleme haben, wenn ich so oft Voldemort treffen müsste wie dieser Mann. Aber ich fühle, dass da noch mehr dahintersteckt. Etwas, das er mir nicht erzählt. Aber ich mache ihm keine Vorwürfe deswegen. Diese Offenbarung ist nur ein kleiner Schritt von vielen, aber ein sehr wichtiger.

Ich spüre wie er mich fester umarmt und ich tue dasselbe, wobei ich sein T-Shirt mit meinen Tränen durchnässe. Irgendwie fühle ich mich ihm auf eine bestimmte Art so unheimlich nahe. Nicht einmal Sirius habe ich mich je so nah gefühlt. Vielleicht weil ich ihn länger kenne, aber ich glaube nicht, dass es das ist. Ich denke, dass es eher die Ähnlichkeiten unseres Aufwachsens sind. Wir verstehen wie es ist, wenn man ohne Liebe aufwächst und das bringt uns näher.

Damit meine ich nicht, dass ich Sirius nicht liebe, denn das tue ich. Und ich meine nicht, dass ich Sev mehr liebe. Ich meine einfach, dass wir uns auf eine Art und Weise verstehen, wie Sirius und ich es niemals könnten. Aber es wäre natürlich noch schöner, wenn Sirius hier ebenfalls dazugehören könnte.

Als ich die Sache mit meinen Eltern erfuhr dachte ich, dass meine Chance eine Familie zu haben für immer verloren wäre. Jetzt weiß ich, dass dem nicht so ist. Aber ich wünsche mir trotzdem, dass Severus mir erzählen würde, was ihn wirklich so quält......


Kapitel 1

Kapitel 3

 

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