Arkana

 

 

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Kapitel 3


Professor Severus Snape war wohl niemals als heiterer Zauberer zu bezeichnen gewesen, aber im Verlauf der letzten Wochen hatte seine missmutige Stimmung den bisher bestehenden Rekord-Tiefpunkt geschlagen und war weit darunter gerutscht.
Die Wochen seines Krankenhausaufenthalts schienen sich in die Ewigkeit zu ziehen und noch immer war kein Ende in Sicht. Doch was noch schlimmer war, es ging auch kein Stück voran. Sein Tagesablauf hatte sich eingespielt und dabei eine zermürbende Monotonie bekommen. Frühstück, Mittagessen und Abendessen, dazwischen immer wieder Sitzungen bei Mitchell, der sich am Liebsten selbst reden hörte und noch immer eine Antwort von ihm erwartete, ohne einsehen zu wollen, dass Snape ihm diese einfach nicht geben konnte. Und je öfter der Heiler auf die eine oder andere Weise nachbohrte, desto weniger war Snape bereit sich zu bemühen. Seit seine körperliche Gesundheit wieder ganz hergestellt war, ließen ihn die Heiler auch hin und wieder im Park des Hospitals spazieren gehen. Das konnte man als die einzige erfreuliche Abwechslung bezeichnen. Zumindest klärte die kühle Luft die Sinne, auch wenn jeder seiner Schritte von einer Schwester überwacht wurde, die zu allem Überdruss auch noch ein Auge auf ihren Patienten geworfen zu haben schien. Snapes Nerven lagen blank. Er fragte sich wie lange das noch so weiter gehen mochte. Mitchell würde ihn nicht gehen lassen, bevor er nicht seine Antwort hatte. Er kam also kein Stück vorwärts.
Darüber hinaus schien ihn der Rest der Welt in seiner misslichen Lage völlig vergessen zu haben. Snape hatte von vorneherein nicht mit viel Besuch gerechnet und er versuchte sich einzureden, dass er auch gut darauf verzichten konnte, doch dass sich nach vier Wochen Krankenhausaufenthaltes noch keine Menschenseele bei ihm hatte blicken lassen verwunderte ihn schon. Zumindest war er davon ausgegangen, dass Dumbledore ihm einen Besuch abstatten oder ein anderes Mitglied des Ordens sich nach seinem Zustand erkundigen würde. Aber anscheinend interessierte sich niemand mehr für ihn.

An diesem Morgen, an dem eine helle Februar-Sonne durch das kleine Fenster in Snapes Krankenzimmer schien, war der Professor soweit, gar nicht mehr mit Besuch zu rechnen.
"Sooo..." Die helle Stimme sägte an seinen Nerven und Severus erlaubte sich ein leises Seufzen. Jeden Morgen um die gleiche Zeit betrat dieselbe blonde Schwester sein Zimmer um ihm das Frühstück zu bringen. Und jeden Morgen hatte sie das selbe naive Lächeln auf dem Gesicht und auch jeden Morgen kehrte sie genau eine halbe Stunde später wieder zurück, um mit exakt der selben Frage das benutzte Geschirr wieder abzuholen. Es war übrigens auch die selbe Schwester, der Professor hatte sie bis heute nicht nach ihrem Namen gefragt und gedachte es auch nicht zu tun, die ihn auf seinen Spaziergängen begleitete und sie ging Snape maßlos auf die Nerven.
"...ich hoffe, Sie haben brav Ihren Teller aufgegessen."
Ihr Lächeln verbreiterte sich noch und sie bekam dadurch einen noch dämlicheren Gesichtsausdruck, als sie das benutzte Geschirr zurück auf das Tablett räumte.
Der Professor verzichtete wie jeden Morgen auf eine Antwort. Soviel Mühe war die Sache einfach nicht wert. Mit unbewegter Miene beobachtete er, wie sie die Teller aufs Tablett stellte und es hochnahm. Normalerweise hätte das Ritual nun damit geendet, dass sie ihm ein letztes dümmliches Lächeln zuwarf und dann wenigstens für eine gewisse Zeit wieder verschwand. Doch nicht heute... das Lächeln war da, aber sie ging nicht. Stattdessen blickte sie Snape weiterhin an. "Draußen wartet Besuch auf Sie, Professor", verkündete sie und schien sich darüber zu freuen, als wäre es ihr eigener. "Möchten Sie ihn empfangen?"
Snape zog überrascht beide Augenbrauen nach oben.
"Selbstverständlich!" antwortete er kühl und musterte die Schwester abwartend.
"Schön." Sie nickte erfreut und Severus verbiss sich eine Bemerkung angesichts dieser überflüssigen Aussage. Wenigstens drehte sie sich nun um und öffnete die Tür um den Besuch herein zu lassen.
Snape hatte recht genau Vorstellungen davon, wer nun sein Zimmer betreten würde. Höchstwahrscheinlich Dumbledore, oder auch ein anderes Mitglied des Phönix-Ordens... vielleicht Lupin oder McGonagall ... Aber seine Erwartungen erfüllten sich nicht. Stattdessen stand nun Lucius Malfoy in der Tür.
Seine ganze Haltung drückte Arroganz aus, als er auf Snape zuging und im Vorbeigehen der Schwester einen erzürnten Blick gönnte. Ein Malfoy war es nicht gewöhnt, dass man ihn warten ließ. Zum ersten Mal, seitdem Snape sie kannte, war das Lächeln von dem Gesicht der Schwester verschwunden. Sie schien es für das Beste zu halten, das Weite zu suchen und verschwand nun endgültig.
Snape erhob sich, als Malfoy vor ihn getreten war. Malfoys Gebaren, seine aufrechte Haltung, der herablassende Ausdruck in seinen Augen und die Autorität, die er ausstrahlte, vermittelten ihm stets das Gefühl, dass man diesem Mann Respekt entgegenbringen sollte, auch wenn es Severus ganz und gar nicht gefiel. Aber dieses Mal war noch etwas anderes in Malfoys Augen. Der Professor meinte darin Bewunderung zu erkennen. So etwas kam bei Lucius Malfoy höchstens dann vor, wenn er Voldemort persönlich gegenüberstand und Snape konnte sich nicht im geringsten erklären, wie es jetzt dazu kam.
"Lucius?!" begrüßte Snape seinen Gast mit einem kurzen Nicken.
"Ich bitte dich, Severus, bleib sitzen", sagte Malfoy großzügig und neigte zur Begrüßung ebenfalls kurz das stolze Haupt mit dem langen weiß-blonden Haar, doch Snape verzichtete darauf der Aufforderung nachzukommen. Er fühlte sich wohler, wenn er Malfoy auf Augenhöhe gegenüberstand.
Malfoy ignorierte diese Tatsache schlichtweg und fuhr unbeeindruckt fort. "Ich bedauere, dass es mir nicht möglich war dir früher einen Besuch abzustatten, aber du weißt... die Verpflichtungen."
Malfoy lächelte auf eine sehr hochmütige Art entschuldigend.
Snape zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Ich hatte ohnehin nicht erwartet dich hier zu sehen, Lucius", entgegnete er kühl, aber ehrlich.
"Severus...", Lucius Gesicht offenbarte seine Amüsiertheit, "was denkst du von mir?" Glücklicherweise war dies eine rhetorische Frage. Snape hätte sie nur ungern beantworten wollen.
"Dies ist nicht die Umgebung, in der ich mich für gewöhnlich aufhalte", fuhr Lucius fort und blickte sich etwas angewidert um, um seine Worte zu unterstreichen. "Aber ich möchte es doch nicht versäumen dir meine Bewunderung und meinen Dank auszusprechen."
Severus hielt es für das Beste seine Verwunderung über Malfoys Worte zu verbergen. Er sprach heute wahrhaftig in Rätseln, doch Severus hoffte darauf, bald hinter den Sinn zu kommen... allerdings möglichst ohne dabei als völliger Idiot dazustehen.
"Es gibt keinen Grund mir zu danken, Lucius", erwiderte er gelassen.
Mit diesen Worten schien er Malfoy für kurze Zeit aus dem Konzept gebracht zu haben. Lucius musterte ihn einige Sekunden verwirrt, doch dann lachte er kurz und eisig auf.
"Bescheidenheit ist keine schöne Eigenschaft, Severus", sagte er lächelnd. "Damit kommt man nicht weit. Man muss zu seinen Verdiensten stehen. Dumbledore war lange unser größter Dorn im Auge. Nun, da er verschwunden ist, ist der größte Widerstand gebrochen und unser Weg ist geebnet."
"Dumbledore? Verschwunden?"
Jetzt wusste Severus wovon Malfoy sprach und es traf ihn wie ein Schlag. Für einen kurzen Moment entgleisten seine Gesichtszüge, bevor er sich wieder bewusst wurde vor wem er stand. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, riss er sich zusammen.
"Was für ein glücklicher Umstand", fügte er hinzu.
"Den wir dir zu verdanken haben, Severus!"
Malfoy klopfte mehrfach mit dem silbernen Knauf seines Stockes gegen Snapes Brust und drückte damit seinen Stolz aus.
"Es heißt, durch deinen Verrat konnte Dumbledore aus dem Weg geschafft werden."
Noch ein Schlag ins Gesicht. Snapes eisige Maske hielt dem Druck stand, doch in seinem Inneren geriet seine ganze Welt ins wanken. Das konnte nicht sein.
"Es ist nur bedauerlich, dass du Dumbledore nicht in unsere Hände ausgeliefert hast", fuhr Malfoy fort, während in Snapes Kopf die Gedanken rasten. "Aber wir sollten nicht undankbar sein. Ich hatte nur gehofft, du könntest mir sagen, wo Dumbledore sich nun befindet."
Unvermittelt sackte Snape zurück auf seinen Stuhl. Es wurde immer schwerer für ihn die Fassung zu wahren. Das konnte einfach nicht sein. War das die Antwort, die ihm fehlte?
"Nein", stieß er hervor.
Wieder riss er sich zusammen, versuchte seine Gedanken zu ordnen, bekämpfte den Drang, Malfoy einfach aus dem Zimmer zu werfen.
"Nein", wiederholte er noch einmal gefasster und war sich Lucius' durchdringenden und abschätzenden Blick durchaus bewusst. "Im Moment kann ich es dir leider nicht sagen, Lucius. Meine Gesundheit ist leider noch nicht vollkommen hergestellt. Mir fehlen noch einige bedeutende Erinnerungen. Die Heiler sagen, ich brauche Ruhe. Ich werde dir gerne zu einem späteren Zeitpunkt alles berichten, doch im Moment fühle ich mich nicht in der Lage dazu."
Es gefiel Severus nicht vor Malfoy eine Schwäche zugeben zu müssen, vor allem wenn sie zumindest teilweise auch noch vorgetäuscht war, doch es musste jetzt sein.
"Ich denke, es ist besser wenn du jetzt gehst, Lucius."
Malfoy beobachtete Snape einen langen Moment, dann nickte er langsam.
"Bedauerlich", sagte er ruhig, "aber verständlich. Ich werde sehen, ob ich es einrichten kann zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal wiederzukommen. Ich bin wirklich neugierig alles zu erfahren."
Snape nickte zustimmend. "Ich werde versuchen all deine Fragen zu beantworten, sobald ich wieder vollständig genesen bin."
"Dann wünsch ich dir eine gute Besserung."
Malfoy fiel es sichtlich schwer seine Pikiertheit über die plötzliche Zurückweisung Snapes zu verbergen. "Ich bin sicher deine Krankenschwester wird sich rührend um dich kümmern."
Mit diesen zynischen Worten drehte sich Lucius Malfoy auf dem Absatz um und verließ das Zimmer.
Als sich die Tür hinter Malfoy geschlossen hatte, sackte Snape in sich zusammen. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und verbarg das Gesicht in den Händen. Verzweifelt versuchte er seine Gedanken zu ordnen. Das konnte nicht sein! Er würde Dumbledore niemals verraten! An niemanden! Oder doch? Immerhin fehlten ihm noch immer die Erinnerungen. Voldemorts Anhänger waren überzeugt, dass er es war. Und was war mit den Mitgliedern des Phönix-Ordens? Dachten sie auch, dass er Dumbledore verraten hatte? Was wussten sie? Wussten sie etwas, an das er sich nicht mehr erinnern konnte? Was war mit Dumbledore passiert? Es gab so viele Fragen und keine Antworten. Aber er brauchte Antworten.
Snape fasste einen Entschluss. Er konnte nicht mehr länger untätig herumsitzen... jetzt nicht mehr. Er musste Antworten finden. Er musste zurück zu seinen "Freunden".

 
 

Kapitel 2

 

 

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