Befreiung aus Askaban

 

 

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Kapitel 3: Zurück in Godric's Hollow



Harry und Sirius standen gemeinsam mit Mrs. Figg in dem kleinen Flur ihres Hauses. "Viel Glück, ihr zwei", sagte die alte Dame lächelnd. "Das können wir gebrauchen", antwortete Sirius trocken, "wer weiß, wo sich das Amulett befindet, falls es überhaupt noch dort ist." "Ihr schafft das schon, Sirius", sagte Mrs. Figg und ihr Lächeln wurde noch breiter. "Sirius, wie kommen wir denn nach Godric's Hollow?", fragte Harry nun neugierig. "Na, wir apparieren, das ist der schnellste Weg. Portschlüssel kann ich nicht leiden." Harry grinste bei der Aussage seines Paten, denn auch er war nicht gerade ein Freund von dieser Art des Reisens. "Komm jetzt, Harry", sagte Sirius schließlich, "gib mir deine Hand, wir müssen los." Harry trat neben seinem Paten und reichte ihm seine Hand. "Mach's gut Arabella", wandte Sirius sich an Mrs. Figg, "und schreibe Remus einen schönen Gruß von mir, es tut mir leid, dass ich in dieser schweren Zeit nicht für ihn da sein kann, ich ....." "Remus ist erwachsen, Sirius", versuchte die alte Dame Sirius' die Schuldgefühle zu nehmen, "er kommt gut alleine klar, er hat es viele Jahre ohne den Wolfstrank geschafft." Sirius nickte stumm. Dann zog Sirius seinen Zauberstab aus der Tasche und murmelte eine Formel. Das Zimmer um Harry und Sirius löste sich auf und wurde von den Konturen einer alten Straße mit verfallenen Häusern abgelöst. Nachdem sich die Formen verfestigt hatten, bemerkte Harry, dass sie fast an der selben Stelle appariert waren, an der er auch mit Professor Snape angekommen war. Nichts hatte sich seit seinem letzten Besuch verändert. Die alten, verfallenen Häuser wirkten wie schwarze Skelette, die in den Himmel ragten. Es war totenstill, kein Vogel sang und die Strahlen der Sonne schafften es nur spärlich die verlassenen Straßen zu erhellen. Sirius blieb einen Moment wie angewurzelt stehen. "Ich bin seitdem nicht mehr hier gewesen", sagte er leise, mehr zu sich selbst als zu Harry, "Ich habe nicht erwartet, dass es so schlimm ist." "Wie war es denn früher hier?", fragte Harry vorsichtig. Sirius' Augen verklärten sich, als er an die alten Zeiten dachte. "Früher war Godric's Hollow eine blühende, kleine Gemeinde gewesen. Die Menschen waren freundlich und zuvorkommend." "Lebten hier nur Hexen und Zauberer?", fragte Harry neugierig. "Oh nein", antwortete Sirius sofort, "es gab hier zwei oder drei Zaubererfamilien, der Rest waren Muggel." Harry nickte. "Weißt du eigentlich, woher der Name dieses Ortes kommt?", fragte Sirius nun Harry. Dieser schüttelte nur den Kopf und sah Sirius erwartungsvoll an. "Es wird erzählt, dass Godric Gryffindor höchst persönlich hier geboren wurde." "Wirklich?", fragte Harry beeindruckt. "Viele behaupten, dass bis vor wenigen Jahrzehnten noch die Nachfahren seiner Familie hier gelebt haben." "Toll", sagte Harry fasziniert, "meinst du meine Eltern haben sie gekannt?" "Ich weiß nicht", antwortete Sirius, "als wir noch jünger waren haben James und ich ein paar mal versucht sie ausfindig zu machen, aber die Zauberer in Godric's Hollow wollten davon nichts wissen. Sie hielten nichts von diesen Legenden. Irgendwann haben wir es dann aufgegeben." Harry und Sirius gingen gemeinsam die selbe Straße entlang, die Harry vor wenigen Wochen mit Snape gegangen war. Als sie das kleine Dorf verließen konnte Harry schon von weitem das Haus seiner Eltern sehen. Als es in Sicht kam blieb Sirius erneut stehen und atmete scharf ein. "Oh mein Gott, ich hatte es gar nicht so schlimm in Erinnerung", entfuhr es ihm. Langsam gingen sie weiter, und je näher sie kamen, desto zögernder wirkte Sirius. "Was ist?", fragte Harry besorgt. "Ich dachte nicht, dass es mir so viel ausmachen würde, das alles hier wieder zu sehen. Wie oft habe ich James und Lily hier besucht. Sie sind so glücklich gewesen in diesem Haus. Lass uns so schnell wie möglich dieses Amulett holen, ich will hier keinen Augenblick länger bleiben als nötig." Sie gingen weiter und betraten den verwilderten Garten des Hauses. Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch das hohe Unkraut, bis sie die Eingangstür erreicht hatten. Wieder blieb Sirius stehen und betrachtete sich das verwitterte Schild neben der Tür: ‚Hier wohnen James, Lily und Harry Potter'. Sirius schüttelte energisch den Kopf, als wolle er eine alte Erinnerung aus seinem Gedächtnis vertreiben. Dann öffnete er die Eingangstür und sie betraten den geräumigen Korridor. "Es war wirklich einmal ein wunderschönes Haus", sagte Sirius leise, fast ehrfürchtig. Er blickte die breite Treppe hinauf und versank für einen Moment in seinen Erinnerungen. Es war ein wunderschöner Tag. Die Sonne schien hell durch die großen Fenster als Sirius das Haus betrat. "James, wo bist du?", rief er laut. Im selben Moment hörte er ein lautes Poltern von oben und ein junger Mann von zwanzig Jahren kam die Treppe hinunter gestürmt. Er hatte dunkles, wirres Haar und trug eine runde Brille auf der Nase. "Padfoot, alter Junge, du wirst es nicht glauben, stell dir vor, Lily erwartet ein Baby." "Wow, das ist ja Wahnsinn", antwortete Sirius begeistert. "Komm, darauf müssen wir anstoßen", sagte James glücklich und zerrte seinen Freund ins Wohnzimmer. Dort goß er beiden ein Glas Sherry ein und prostete seinem Kumpel zu. "Sirius, du bist mein bester Freund", sagte James nachdem er den ersten Schluck getrunken hatte, "und ich möchte, dass du sein Pate wirst. Wenn Lily und mir irgendwann einmal etwas zustoßen sollte, möchte ich, dass du dich um ihn kümmerst." "Sirius?", fragte Harry laut. "Sirius!" Sirius schreckte zusammen. "Was ist los mit dir?", fragte Harry besorgt. "Nichts", antwortete Sirius traurig, "nur ein paar alte Erinnerungen, nichts weiter. Lass uns jetzt besser dieses Amulett suchen, damit wir hier wieder weg kommen." Gemeinsam schritten sie durch die große Eingangshalle, den Blick starr auf den staubigen Boden gerichtet. An einigen Stellen war der Staub dünner und Fußabdrücke waren zu erkennen, das mussten die Abdrücke von Harry, Snape und Voldemort gewesen sein. "Hier, ich hab es", rief Harry nach wenigen Minuten aufgeregt. Sirius ging sofort zu seinem Patensohn und nahm ihm das Amulett aus der Hand. Er nahm es an der Kette und ließ den Anhänger vor ihren Augen schaukeln. "Äh, Sirius", sagte Harry zögernd. "Was ist?" "Da stimmt etwas nicht", sagte Harry unsicher. "Was denn?", fragte Sirius verwirrt. Harry nahm Sirius das Amulett vorsichtig aus der Hand und betrachtete es genauer. "Die Steine rund um die Münze waren früher rot, jetzt sind sie farblos, und die Münze ist blank, früher war dort ein Bild von Ares, dem Kriegsgott." Sirius nahm die Münze wieder an sich und drehte sie ungläubig in den Händen. "Bist du sicher?", fragte er schließlich. "Ganz sicher", antwortete Harry überzeugt. "Vielleicht weiß Albus eine Antwort darauf. Komm, lass uns gehen." Sirius drehte sich um und verließ das alte Haus seines ehemaligen Freundes. Harry folgte ihm. Als sie den verwilderten Garten hinter sich gelassen hatten nahm Sirius Harrys Hand und sie disapparierten gemeinsam. Es dauerte nur einen kurzen Moment und Harry erkannte den Park, in dem er die vergangene Woche mit Sirius spazieren gegangen war. Es begann bereits dunkel zu werden und die Kieswege und Liegewiesen war verlassen. "Oh, Sirius, ich glaube wir müssen uns beeilen, Onkel Vernon wird toben, wenn wir nach Hause kommen", sagte Harry besorgt. "Vielleicht wird es ja nicht so schlimm", sagte Sirius hoffnungsvoll. Harry blickte ihn zweifelnd an. Dann verwandelte Sirius sich in einen Hund und sie machten sich gemeinsam so schnell sie konnten auf den Heimweg. Als sie den Ligusterweg Nr. 4 endlich erreicht hatten war die Sonne bereits untergegangen. Vielleicht, so dachte Harry, war es sicherer durch den Garten zu gehen. Wenn er Glück hatte konnte er sich vielleicht durch die hintere Küchentür ins Haus schleichen und keiner der Dursleys würde bemerken, dass er so spät nach Hause kam. Sein Plan scheiterte jedoch kläglich, denn die Dursleys saßen gemeinsam im Wohnzimmer vor dem Fernseher und als Harry den ersten Fuß in den Garten gesetzt hatte sprang Tante Petunia wie von der Tarantel gestochen auf und eilte in den Garten. "Da bist du ja endlich, du Taugenichts. Zu Hause drückst du dich vor der Arbeit und anderen Leuten schneidest du bis in die Nacht hinein die Hecken." Harry blickte seine Tante verständnislos an. "Du brauchst gar nicht so scheinheilig zu tun, Mrs. Figg hat vorhin nämlich angerufen und sich entschuldigt, dass sie dich so lange aufhält. Daran hättest du ja auch selbst denken können. Dein Onkel und ich waren ganz krank vor Sorge." Harry musste sich zusammenreißen um keinen Lachanfall zu bekommen. "Außerdem", fuhr Tante Petunia ungerührt fort, "hat Mrs. Figg darum gebeten, dass du ihr morgen den Rasen mähst und das Unkraut jätest, ich habe ihr gesagt, dass du um zehn Uhr bei ihr bist. Es schadet gar nichts, wenn du auch mal unseren Nachbarn etwas zur Hand gehst. Schließlich ist Mrs. Figg nicht mehr die Jüngste." Nun konnte sich Harry das Grinsen endgültig nicht mehr verkneifen. "Aber das mache ich doch gerne, Tante Petunia", sagte er fröhlich. "Geh jetzt auf dein Zimmer", sagte seine Tante ohne weiter darauf einzugehen und Harry beeilte sich aus der Reichweite der Dursleys zu kommen. Sirius trottete in seine Hütte und machte es sich dort bequem. Gute, alte Arabella, dachte er, hat für alles eine Lösung.

***

Der Vollmond schien bereits durch die Fenster seines Büros als Albus Dumbledore sich von seinem Denkarium abwandte. Er hatte sich an diesem Abend viele Erinnerungen an seinen Zaubertranklehrer und ihren gemeinsamen Kampf angesehen. Nachdem die letzte Erinnerung des Denkariums verblasst war, erhob sich Dumbledore und machte sich auf den Weg zu den Kerkern, um Harrys Tarnumhang zu suchen. Die Flure von Hogwarts waren verlassen und Dumbledores Schritte hallten unnatürlich laut in den steinernen Fluren. Nach einem langen Abstieg hatte er endlich das Klassenzimmer für Zaubertränke erreicht. Er öffnete die Tür und betrat den verwaisten Raum. Obwohl hier nun schon seit über einem Monat kein Unterricht mehr stattgefunden hatte, war die Luft noch immer geschwängert von undefinierbarem Gestank. Dumbledore rümpfte unwillkürlich die Nase. Severus hat diese Gerüche geliebt, dachte er wehmütig. Als er sich weiter in dem düsteren Raum umsah, fiel sein Blick auf den Lehrertisch direkt vor der Tafel. Auf dem Tisch waren fein säuberlich mindestens ein Dutzend kleine und große Fläschchen aufgereiht. Scheinbar hatte Severus vor seinem Aufbruch mit Harry noch den Unterricht für den nächsten Tag vorbereitet. Dumbledore trat hinter den Tisch und betrachtete sich die Zutaten genauer. Er war kein Experte was Zaubertränke anging und konnte nicht all zu viel mit den Inhalten der Flaschen anfangen. Das Rezept, das neben den Ingredienzien lag, sah sehr kompliziert aus, aber allem Anschein nach, sollte es wohl eine Lösung zur Schriftenidentifizierung werden. Dumbledore schüttelte verwirrt den Kopf. Dann wandte er sich ab und ging zu Severus' Bürotür. Nun würde der komplizierteste Teil seines Vorhabens beginnen. Er wußte, dass Severus seine Türen immer mit mehreren kniffligen Zauberformeln schützte, um Eindringlinge abzuwehren, zu Schlüsseln hatte er kein Vertrauen. Fast eine Stunde zauberte Dumbledore an der Tür zu Severus' Büro herum und in einer weniger dringlichen Situation hätte er bestimmt aufgegeben, aber er benötigte den Tarnumhang unbedingt. Nachdem Dumbledore schon fast so weit war, aufzugeben hörte er plötzlich ein leises KLICK und die Tür sprang auf. Erleichtert atmete er auf und betrat das kleine Büro. Dumbledore blickte sich suchend um. Auf den Regalen an den Wänden standen unzählige Bücher und zahllose große und kleine Gefäße aus denen undefinierbare Kreaturen mit toten Augen in den verlassenen Raum stierten. Dumbledore schüttelte angewidert den Kopf und fragte sich unwillkürlich, ob Severus diese Geschöpfe noch aus einem anderen Grund hatte außer um den Schülern, die zur Bestrafung in sein Büro zitiert wurden, Angst zu machen. Mit Sicherheit erfüllten sie diesen Zweck erstklassig. Er sah sich weiter suchend um. Wo konnte Severus nur den Umhang haben, überlegte er und ging zu dem großen, dunklen Schreibtisch in der Mitte des Raums. Der Tisch war absolut aufgeräumt, fast steril. Bis auf ein paar Zaubertrankbücher und einigen Werken über Verteidigungsflüche war der Schreibtisch leer. Dumbledore runzelte die Stirn. Er hatte noch nie einen Schreibtisch gesehen, auf dem nicht mindestens ein privates Photo stand, doch der Tisch war wie das restliche Büro: kalt, steril und geradezu unpersönlich. Typisch Severus, dachte er. Er ging um den Schreibtisch herum und öffnete eine Schublade nach der anderen, um nach dem Umhang zu suchen. Auch hier waren nur fachbezogene Dinge, nicht einmal eine persönliche Notiz hatte sich in dieses Arbeitszimmer verirrt. Als Dumbledore die letzte Schublade öffnete breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. Dort lag, sorgfältig zusammengelegt, der Tarnumhang. Sein fließender Stoff glänzte geheimnisvoll in dem spärlich erleuchteten Raum. Dumbledore nahm den Umhang an sich, schloß die Schublade sorgfältig und verließ das Büro seines Zaubertranklehrers. Er machte sich nicht die Mühe die Tür wieder mit den selben Sprüchen zu verschließen, wahrscheinlich hätte er sich sowieso nicht an alle erinnert, und so versiegelte er sie lediglich mit einem einfachen Zauber. Dann kehrte er zurück in sein Büro.

***

Am nächsten Morgen war Harry schon früh auf den Beinen. Er wollte so schnell wie möglich zu Mrs. Figg um zu vermeiden, dass Onkel Vernon oder Tante Petunia es sich noch anders überlegten. Um kurz nach acht schlich er sich nach unten in die Küche und holte für sich und Sirius etwas zum Frühstücken. Glücklicherweise schliefen die Dursleys noch. Dann ging er in den Garten um ‚Hektor' zu holen. Der Hund kam ihm bereits schwanzwedelnd entgegen und gemeinsam verließen sie eilig den Garten des Ligusterwegs Nr. 4. Obwohl es noch viel zu früh war, gingen sie direkt zu Mrs. Figg. Die alte Dame schien sie schon erwartet zu haben, denn kaum hatten sie geklingelt, öffnete sie bereits die Tür. "Hallo ihr Zwei. Ich dachte mir schon, dass ihr etwas früher kommen würdet. Kommt herein." Sie schloss die Tür hinter ihrem Besuch und Sirius verwandelte sich zurück in einen Menschen. Da sie noch etwas Zeit hatten, lud Mrs. Figg ihr Gäste zu einem üppigen Frühstück ein, das Harry und Sirius nicht ablehnen konnten. Der Vormittag verging quälend langsam und alle atmeten auf, als es Zeit wurde aufzubrechen. Mrs. Figg machte ein Feuer im Kamin und griff dann nach einer kleinen Dose, die auf dem Kaminsims stand. Sie öffnete den Deckel und hielt sie Sirius vor die Nase. "Flohpulver? Hogwarts ist doch mit Flohpulver überhaupt nicht erreichbar", sagte er überrascht. Mrs. Figg lächelte. "Albus hat den Kamin in seinem Büro kurzzeitig an das Flohnetzwerk angeschlossen. Er ist allerdings nur von meinem Kamin aus erreichbar." "Ach so, keine schlechte Idee", antwortete Sirius, nahm eine Fingerspitze des Pulvers, das sich in der Dose befand und warf es in die Flammen. Sofort verfärbte sich das Feuer grün. Sirius trat in die Flammen, sagte laut und deutlich "Hogwarts" und verschwand. Dann reichte Mrs. Figg Harry die Dose. Auch Harry nahm eine Prise, warf sie in die Flammen, trat hinein und sagte seinen Zielort. Nachdem er diesen ausgesprochen hatte, begann die turbulente Reise. Er wirbelte an unzähligen Kaminen vorbei bis ihm fast schlecht wurde. Nach einer halben Ewigkeit verlangsamte sich endlich seine Reise und er landete in einem Kamin. Hustend trat er aus den Flammen und klopfte sich den Ruß von den Kleidern. Als er sich umsah, erkannte er Professor Dumbledores Büro. Der Direktor saß an seinem Schreibtisch und lächelte ihm freundlich entgegen. Sirius stand bereits neben ihm. Als Harry sich wieder zum Kamin umblickte, kam auch Mrs. Figg in Hogwarts an. "Da seid ihr ja", sagte Dumbledore freundlich, "dann können wir ja loslegen." Die Besucher setzten sich erwartungsvoll auf drei Stühle vor dem großen Schreibtisch. "Habt ihr das Amulett?", fragte der Direktor ohne Umschweife. "Ja, haben wir", begann Sirius langsam, "aber ich glaube du solltest es dir mal ansehen." "Wieso, was ist damit?", fragte Dumbledore stirnrunzelnd. Sirius zog ohne eine weitere Erklärung das Amulett aus der Tasche und legte es vor Dumbledore auf den Tisch. Der Direktor nahm es und betrachtete es eingehend ohne ein Wort. Niemand wagte etwas zu sagen. Schließlich blickte Dumbledore in die Runde und fragte: "Habt ihr es so gefunden?" Harry und Sirius nickten. "Hm, interessant", sagte Dumbledore langsam und drehte das Amulett erneut in den Händen. "Ich denke", sagte er schließlich, "dieses Amulett wird zukünftig weder uns noch Voldemort helfen." "Ja, aber was ist denn damit passiert?", fragte Harry neugierig. "Ich kann es dir nicht genau sagen, Harry, aber ich vermute, dass es bei der Konfrontation mit dem Zauberstab deines Vaters irgendwie magisch überladen wurde. Man könnte auch sagen die Reliquie des Ares hat gegen die des Poseidon verloren. Höchst interessant", sagte Dumbledore. "Heißt das, es ist, ...... äh, kaputt?", fragte Harry weiter. "Ja, so könnte man es nennen", antwortete der Direktor. "Harry, zeigst du mir bitte mal den Zauberstab deines Vaters? Ist dir daran irgend etwas aufgefallen, seit du von Voldemort zurück bist?", fragte Dumbledore weiter. "Nein, mir ist nichts aufgefallen, er hat eigentlich ganz normal funktioniert", antwortete Harry, zog aber trotzdem seinen Zauberstab aus der Tasche und reichte ihn Dumbledore. Dumbledore nahm den Stab entgegen und untersuchte auch ihn eingehend. Er schwang ihn durch die Luft und goldene Funken traten aus seiner Spitze. Nach einigen Minuten legte er ihn vor Harry auf den Tisch und sagte: "Scheint alles in Ordnung zu sein. Wirklich sehr interessant." Dann bückte er sich und holte den Tarnumhang unter dem Tisch hervor. "Mein Umhang", rief Harry begeistert. "Ja", sagte Dumbledore, "auch ich war nicht untätig. Ich muss dich allerdings bitten, Harry, ihn mir noch einige Zeit zu überlassen. Ich verspreche dir, du bekommst ihn unbeschadet zurück." Harry zögerte einen kurzen Moment, dann antwortete er: "Natürlich Professor, kein Problem. Aber wofür brauchen sie ihn denn?" "Hm, nur für den Notfall", antwortete Dumbledore ausweichend. "Albus, etwas anderes", schaltete sich nun Mrs. Figg in das Gespräch ein, "hast du etwas beim Zaubereiministerium erreicht?" "Wie man es nimmt", antwortete Dumbledore, "ich habe heute morgen mit der neuen Sekretärin von Cornelius Fudge gesprochen. Sie hat mir fest zugesagt, dass der Minister sich mit mir am Mittwoch treffen will." "Aber Albus", warf Sirius empört ein, "heute ist erst Sonntag." "Ja, ich weiß, aber dies ist eine Chance, die wir nutzen müssen. Vor diesem Gespräch werden wir nichts unternehmen. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir Severus ganz legal aus Askaban herausbekommen." "Wenn wir wenigstens wüßten wie es ihm geht", sagte Sirius etwas bitter. "Albus", sagte Mrs. Figg plötzlich aufgeregt, "hast du eigentlich noch die Kugel?" "Welche Kugel?" fragte Dumbledore verwirrt. "Na, die Observationskugel." "Oh, Arabella", sagte Dumbledore begeistert, "du bist ein Genie." Sofort sprang er von seinem Platz auf, ging zu seinem Schrank und begann aufgeregt darin herumzuwühlen. "Was sucht er denn?", fragte Harry seinen Pate leise. "Wart's nur ab", sagte Sirius geheimnisvoll und grinste. "Ah, hier ist sie ja", hörten sie Dumbledore schließlich aus den Tiefen seines Schrankes heraus. Als er zurück zu seinem Tisch kam hielt er eine klatschergroße Wahrsagekugel in den Händen. Sirius und Arabella starrten erwartungsvoll auf die Kugel. Harry beobachtete sie nur verständnislos. "Wollen sie jetzt etwa wahrsagen?", fragte er verwirrt. "Nein, pass auf, Harry, diese Kugel zeigt nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart, sie ist fast wie ein Überwachungssystem der Muggel. Mein Gott, ich hatte sie fast vergessen. Wer weiß, was ich noch so alles in diesem Schrank habe." Dumbledore nahm seinen Zauberstab, berührte die Kugel behutsam und sagte leise: "Severus Snape." Die Kugel begann sich zu trüben, Nebelschwaden zogen durch ihr Inneres, bis sie völlig matt war. Als sie schließlich wieder klar wurde, sah Harry einen kleinen Raum, mit steinernen Wänden. Alles schien sehr düster und unfreundlich. Als er genauer hinsah erkannte er eine zusammengekrümmte Gestalt auf dem Boden. Es war Severus Snape. Zuerst dachte Harry er würde schlafen, aber bei genauerem Hinsehen bemerkte er, dass Snape die Augen geöffnet hatte. Mit leerem Blick starrte er gegen die Wand. Sein Gesicht blutig war, sein Hemd war an einigen Stellen zerrissen und offenbarte schwarze Blutergüsse. "Merlin steh uns bei", entfuhr es Dumbledore. "Was haben die mit ihm gemacht?", rief Mrs. Figg aufgeregt. Sie hatte große Mühe ihre Stimme unter Kontrolle zu halten. "Die waren sehr gründlich", sagte Sirius nüchtern. "Sirius!", ermahnte Dumbledore ihn empört. "'Tschuldigung, aber du mußt zugeben, sie haben keine Zeit verloren. Willst du immer noch warten?" Dumbledore atmete mehrmals tief durch, dann antwortete er: "Wir müssen. Uns bleibt keine andere Wahl. Was nützt es uns, und vor allem was nützt es Severus, wenn wir ihn aus Askaban herausholen und er den Rest seines Lebens auf der Flucht ist?" "Und, wo ist das Problem?", fragte Sirius zurück. "Sirius", sagte nun Mrs. Figg ungehalten, "hinter ihm wären dann das Ministerium UND Voldemort her, meinst du nicht auch, dass das ein bisschen viel ist?" "Ist ja schon gut", murrte Sirius etwas beleidigt. "So schwer es uns auch fällt, wir werden warten. Vielleicht wendet sich am Mittwoch alles zum Guten. Wir dürfen die Hoffnung nicht aufgeben", sagte Dumbledore in einem Ton, der jede weitere Diskussion unterband. "Ich denke wir werden dieses Treffen bis auf weiteres vertagen, sobald ich neue Informationen habe werde ich euch kontaktieren." Damit beendete Dumbledore die Zusammenkunft. Harry, Sirius und Mrs. Figg verabschiedeten sich niedergeschlagen und machten sich auf den Heimweg, zurück durch den Kamin.

***

Die Schreie der sterbenden Menschen in seinen Ohren machten Severus beinahe wahnsinnig. Er versuchte sich die Ohren zuzuhalten, aber seine Hände waren noch immer auf dem Rücken gefesselt. Doch selbst das hätte ihn nicht vor ihrem Leid bewahrt, denn die Schreie kamen nicht von außen, sie waren in seinem Kopf. Ihre Stimmen flehten um Gnade, doch er konnte ihnen nicht helfen, er hatte sie bereits vor Jahren getötet. Vor seinem geistigen Auge erschien das Bild eines gemütlichen Wohnzimmers. Im Kamin flackerte ein fröhliches Feuer. Ein kleines Mädchen, höchstens acht Jahre alt, saß auf dem Sofa und weinte um seine Mutter. Sie hielt ihren toten Körper in den Armen und blickte den schwarz gekleideten Mann, der vor ihr stand, mit großen, unschuldigen Augen an. Neben dem Kind lag ihr lebloser Vater. Der Mann hob langsam seinen Zauberstab. Ein grüner Blitz schoss aus seiner Spitze und ihr Weinen verstummte. Die Kleine sackte in sich zusammen und war tot. Severus stöhnte bei dieser Erinnerung vor Kummer laut auf. Es war die Tochter eines alten Freundes, seines besten Freundes, gewesen und er hatte innerhalb von Minuten die ganze Familie ausgerottet, auf Geheiß des dunklen Lords. So vielen Leben hatte er gewaltsam ein Ende bereitet, so viele Menschen waren grundlos gestorben, weil der dunkle Lord es so verlangt hatte. Severus lag zusammengekrümmt auf dem feuchten, kalten Boden. Seine verschlissene Kleidung war immer noch nass und er zitterte am ganzen Leib. Sein Körper war übersäht von Blutergüssen, seine linke Gesichtshälfte war bedeckt mit getrocknetem Blut. Er war am Ende seiner Kräfte. Ganz langsam verhallten die Schreie in seinem Kopf, die Visionen wurden blasser und eine gnädige Ruhe breitete sich aus. Dann öffnete sich die Tür zu seiner Zelle und drei Personen traten ein. Severus versuchte in ihre Richtung zu schauen, konnte aber nur ihre Füße erkennen. Er war nicht in der Lage seinen Kopf zu heben. Roger Colby stand in der geöffneten Zellentür und starrte auf den geschundenen Körper, der auf dem Boden vor ihm lag. Neben ihm standen der Wachmann und Thomas Loyer, die keine Miene bei dem Anblick, der sich ihnen bot, verzogen. "Was ist denn hier geschehen?", fragte Colby und hatte dabei Mühe seine Fassung zu bewahren. Loyer und der Aufseher sahen sich kurz an, sagten jedoch kein Wort. "Was in Merlins Namen ist hier geschehen, Mr. Loyer?", wiederholte Colby seine Frage und starrte seinen Mitarbeiter an. Thomas Loyer blickte seinen Kollegen verwirrt an und antwortete mit leicht zitternder Stimme: "Ich weiß nicht Sir, ich habe keine Erklärung dafür", dann wandte er sich an den Wachmann: "Mr. Keith, können Sie uns das alles hier erklären?" Der Aufseher schluckte hart und antwortete nach einer kurzen Pause: "Sir, er begann zu randalieren, rannte gegen die Wände. Daraufhin haben wir einen Dementor vor seiner Tür postiert, um ihn ruhig zu stellen." Roger Colby starrte immer noch auf Severus, dann wandte er sich an den Wachmann: "Mr. Keith, wollen sie mir damit etwa sagen, dass dieser Mann seit zwei Tagen gefesselt ist?" "Ja Sir, selbstverständlich, sonst hätte er sich noch etwas angetan, es war zu seiner eigenen Sicherheit." "Dann ist es doch kein Wunder, dass er durchdreht, wie würden Sie reagieren, wenn Sie fast zwei Tage nichts trinken? Na los, geben Sie ihm etwas, und nehmen Sie ihm die Fesseln ab, es ist ja wohl äußerst unwahrscheinlich, dass er uns in diesem Zustand angreift." Der Wachmann nickte, zog seinen Zauberstab aus dem Umhang, ließ die Fesseln an Severus Handgelenken verschwinden und füllte den leeren Wasserkrug. Dann kniete er sich neben Severus und griff nach seiner Schulter um ihn aufzusetzen. Bei der Berührung des Aufsehers zuckte Severus stöhnend zusammen und starrte ihn angstvoll an. Er versuchte sich aus seinem Griff heraus zu winden, war aber zu schwach. Adam Keith nahm den Krug, setzte ihn Severus wortlos an die Lippen und flößte ihm Wasser ein. Als die ersten Tropfen Severus' Kehle hinunter rannen bekam er einen heftigen Hustanfall und spuckte das Wasser hustend wieder aus. Der Wachmann, der von einem Teil des Wassers getroffen wurde, setzte wütend den Krug ab, holte aus und verpasste Severus eine kräftige Ohrfeige. "Verdammte Ratte", zischte er. "Mr. Keith, bitte", sagte Colby scharf, "geben Sie ihm das Wasser, nicht mehr." "Ja, Sir", knurrte der Wachmann und flößte Severus einen weiteren Schluck Wasser ein. "Zum Verhören taugt der nicht mehr", wandte sich nun Loyer fast teilnahmslos an seinen Kollegen. "Nein, ich werde Minister Fudge kontaktieren und fragen, was wir mit ihm machen sollen. Eigentlich müsste er für mindestens zwei Wochen auf die Krankenstation, aber ohne die Zustimmung des Ministers darf ich ihn nicht verlegen." Roger Colby trat etwas zur Seite und zog einen kleinen Handspiegel aus seinem Umhang. Er berührte das Glas mit der Spitze seines Zauberstabes und sagte leise: "Cornelius Fudge." Sofort begann das Glas des Spiegels matt zu leuchten und einen Moment später antwortete eine Stimme. Thomas Loyer beugte sich neugierig zu seinem Kollegen, aber die Stimme war so leise, dass die Umstehenden sie nicht verstehen konnten. "Entschuldigen Sie bitte die Störung, Minister, aber es gibt hier ein Problem. Der inhaftierte Hogwarts-Lehrer ist in einem ziemlich üblen Zustand, ich wollte Sie um einen Verlegungsbefehl auf die Krankenstation bitten", sagte Colby in den Spiegel. Die Stimme aus dem Spiegel antwortete etwas und Colby starrte ihn fassungslos an. "Aber Sir", begann er, wurde aber von der Stimme im Spiegel barsch unterbrochen. "Ja Sir", antwortete Colby demütig, "aber Sir, sollen wir wenigstens einen Arzt holen und die Befragungen für ein paar Tage aussetzen? In diesem Zustand kann er uns keine Auskunft geben." Wieder antwortete die Stimme, diesmal in noch barscherem Ton. "Ja Sir, danke Sir, wünsche einen schönen Tag und entschuldigen Sie die Störung", sagte Colby bitter und steckte den Spiegel wieder in seinen Umhang. "Und?", fragte sein Kollege und blickte ihn erwartungsvoll an. "Die Befragungen werden planmäßig fortgesetzt", antwortete Colby tonlos und ließ dabei den Blick sinken. "Er darf nicht auf die Krankenstation und der Minister hält es auch nicht für nötig, dass ein Arzt vorbeikommt und sich die Verletzungen ansieht. Ich habe nichts dagegen hart mit einem Death Eater umzugehen, sie sind Abschaum, aber was er hier von uns verlangt, ist gegen jede Moral." "Also weiter nach Plan", wiederholte Loyer ohne auf den Rest zu achten, was Colby gesagt hatte. "Mr. Keith", wandte er sich an den Aufseher, "setzen Sie den Gefangenen auf den Stuhl, stehen kann er wohl nicht mehr." Der Wachmann nickte, rückte den Stuhl, der an der Wand gestanden hatte, in die Mitte des Raums und zerrte Severus auf den Stuhl. Severus stöhnte vor Schmerzen. Colby trat auf Severus zu, bückte sich und blickte ihm direkt ins Gesicht. "Kannst du mich hören, Snape?", fragte er so emotionslos wie möglich. "Ich bin doch nicht taub", stöhnte Severus leise und hob leicht seinen Kopf. "Noch eine freche Antwort und ich fahre sofort mit der Befragung fort, du hast ja sicher gehört was der Minister angeordnet hat", fauchte Colby, "aber da ich ein Mensch bin und kein Schlächter werde ich morgen wieder kommen. Sammle bis dahin deine Kräfte, du wirst sie brauchen." Dann wandte er sich von Snape ab. "Aber Sir", sagte Loyer bestürzt, "der Minister hat doch angeordnet ohne Verzögerungen fortzufahren." "Mr. Loyer", sagte Colby scharf, "wollen Sie mir bitte verraten, was er uns in diesem Zustand sagen soll? Wir werden morgen fortfahren. Sorgen Sie dafür, dass er heute abend etwas zu essen bekommt und besorgen Sie ihm trockene Klamotten, er ist ja klatschnass. Krank nützt er uns nichts. Wir treffen uns später im Ministerium." Mit diesen Worten drehte Colby sich um und verließ die Zelle. Der Wachmann starrte Loyer fragend an. "Soll ich .....", begann er. "NEIN", sagte Loyer kalt, "fesseln Sie ihn an dem Stuhl, damit er nicht zusammenbricht und sich noch mehr verletzt. Den Dementor werden wir heute Nacht nicht brauchen, ich denke er ist jetzt artig." "Und was ist mit dem Essen?", fragte der Wachmann weiter. "Kein Essen, keine trockenen Sachen", sagte Loyer kalt, "das ist hier kein Hotel. Nur wer sich kooperativ zeigt bekommt Vergünstigungen." Der Aufseher nickte und zog seinen Zauberstab aus dem Umhang. Mit einem kurzen Wink fesselte er Severus an dem Stuhl, auf dem er saß. Dann verließen die beiden Männer die Zelle und ließen Severus alleine.
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