Behind the Curtain

 

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Kapitel 1:




„Kommt ihr mit?“

„Wohin?“

„Zum Quidditchtraining! James und ich haben uns eine neue Taktik ausgedacht. Grob geht es darum, dass der Gegner so lange...“

Florence Potter verdrehte die Augen in Richtung Lily Evans, der Freundin ihres älteren Bruders, mit der zusammen sie gerade Hausaufgaben im Gemeinschaftsraum der Gryffindors gemacht hatte. Das war mal wieder typisch Black: Nichts anderes im Kopf als Quidditch oder (an etwas kreativeren Tagen) Severus Snape ärgern.

„Nein, danke“, unterbrach sie seinen Redeschwall schließlich. „Ich muss noch einen Aufsatz über die Verwandlung von Haushaltsgegenständen in Last-Minute-Weihnachtsgeschenke schreiben.“

„Schade...“ Sirius Blacks Gesicht drückte ehrliches Bedauern aus, eine Tatsache, die Lily dazu veranlasste, einen Überredungsversuch zu starten.
„Ach komm schon, Flo. Der Nachmittag ist noch lang! Außerdem hab ich meinen Aufsatz über dieses Thema bestimmt noch irgendwo rumliegen. Du kannst ihn abschreiben, wenn wir wiederkommen!“

„Super Idee! Die McGonni merkt das doch sowieso nicht. Außerdem bekommst du dann schon mal einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie wir nächste Woche diese luftkranken Bruchpiloten aus Slytherin schlagen werden!“ Mit einer theatralischen Geste, die wohl beeindruckend auf die beiden Mädchen wirken sollte, warf er sein nun schon beinahe schulterlanges, schwarzes Haar zurück.

Florence musste ein Grinsen unterdrücken. Sirius Black war wirklich zum Schießen, wenn er den tollen Typen markierte.

„Also was ist? Kommst du jetzt mit?“

„Ja, tut sie!“ Mit diesen Worten zerrte Lily sie vom Stuhl hoch und so blieb ihr gar nichts anderes übrig, als sich in ihr Schicksal zu fügen und den anderen zum Trainingsgelände zu folgen. James war schon vorausgegangen, weil er der Meinung war, sich länger als die anderen aufwärmen zu müssen, um seine volle Leistungsfähigkeit ausschöpfen zu können.

Als sie noch einmal zum Schlafsaal zurückgingen, um ihre Mäntel zu holen, begann Lily auf einmal, laut zu lachen.

„Was ist denn?“

„Oh Mann, wie kann man denn nur so blind sein? Merkst du denn nicht, dass Sirius ganz versessen auf dich ist?“

„Und?“

„Da fragst du noch? Hey, kleine Flo, das ist Sirius Black, der Junge, für den jedes andere Mädchen einen der Unverzeihlichen aussprechen würde.“

„Eher auf ihn...“, kommentierte Florence trocken. Natürlich wusste sie, dass Black sich für sie interessierte. Leider war dieses Interesse aber durchwegs einseitig und das sagte sie Lily dann auch.

„Du bist komplett verrückt!“ Die rothaarige Fünftklässlerin ließ vor Schreck ihr Make-Up-Täschchen fallen, mit Hilfe desselben sie sich gerade für das Training (oder besser: für James) zurechtmachen wollte.

„Warum? Da ich deinen Worten nach ohnehin die einzige bin, die nichts von ihm will, wird das ja wohl keinen besonders großen Verlust für ihn darstellen...“

„Aber er will dich! Als Drittklässlerin wäre ich stolz gewesen, wenn sich einer aus den oberen Jahrgängen für mich interessiert hätte!“

Auch dieser Versuch rief bei Florence nicht viel mehr hervor als ein unbeteiligtes Schulterzucken.

Lily seufzte. Da sollte einer dieses Mädchen verstehen. In ihren Augen sah sie nicht einmal halb so gut aus wie ihr Bruder und schien auch nicht das geringste Interesse daran zu haben, etwas aus sich zu machen und trotzdem flog ein Junge wie Sirius Black auf sie - den sie dann nicht einmal haben wollte...


Eine halbe Stunde später saßen Lily Evans, Florence Potter, Remus Lupin und Peter Pettigrew zusammen auf dem Zaun, der die Abgrenzung des Übungsfeldes bildete und sahen der Hausmannschaft der Gryffindors beim Training zu. Lily war ganz außer sich vor Entzücken, als James einige gewagte Manöver flog und schließlich sogar auf seinem Besen stehend an ihnen vorüberflog. Für Florence war es einfach unverständlich, wie jemand so versessen auf ein derartig langweiliges Spiel sein konnte. Quidditch war in ihren Augen einfach der hirnverbrannteste Zeitvertreib, den sie sich vorstellen konnte, abgesehen vielleicht von anderen, dabei zuzusehen.

Nachdem sie sich weitere fünf Minuten lang redlich bemüht hatte nicht einzuschlafen, gab sie es auf und ließ sich vom Zaun gleiten.

„Wohin willst du denn?“, fragte Peter, dessen stumpfsinniger Gesichtsausdruck darauf hindeutete, dass er sich offensichtlich genauso sehr langweilte wie Florence, aber nicht deren Mut besaß, einfach aufzustehen und zu gehen.

„Ach, nur ein paar Schritte gehen. Mein Fuß ist eingeschlafen.“

„Soll ich mitkommen?“, bot sich Lily etwas halbherzig an, ohne dabei den Blick auch nur für eine Sekunde von James zu nehmen.

„Nein, nicht nötig. Bleibt nur ruhig sitzen...“
Damit machte sie, dass sie davon kam. Wie sie Remus kannte, käme er in seiner Herzensgüte und manchmal schon nervtötenden Rücksichtnahme auf andere noch auf die Idee, sie zu begleiten. Wahrscheinlich würde auch er versuchen, sie davon zu überzeugen, wie sehr doch der arme Sirius unter ihrer ablehnenden Haltung ihm gegenüber litt.


So entfernte sie sich also soweit vom Quidditchfeld, bis sie außer Sichtweite war und überlegte dann, wo sie hingehen sollte. Eigentlich hatte sie keine Lust, schon wieder nach drinnen zu gehen, obwohl es bereits November und die Luft eisig war. Wenn sie zurück zum Gemeinschaftsraum ging, würde sie sich nur verpflichtet fühlen, an ihrem Verwandlungs- Aufsatz zu arbeiten und das wollte sie unbedingt vermeiden. Also streifte sie noch eine Weile ziellos umher, immer an der Schlossmauer entlang, bis sie zu einem an ein Kloster erinnernden Kreuzgang kam, den sie noch nie zuvor gesehen zu haben glaubte. Besonders überraschte sie dies jedoch nicht, da Hogwarts so ein riesiges und weitläufiges Gemäuer war, dass selbst die Siebtklässler wohl nicht von sich behaupten konnten, jeden einzelnen Winkel zu kennen.

Neugierig geworden bog sie in den auf einer Seite durch eine brüchige Mauer, auf der anderen durch das Schloss selbst begrenzten Weg ein und entdeckte mit Staunen, dass die Wände an diesem Ort über und über mit verzauberten Fresken bedeckt waren. Da es sich um mittelalterliche Darstellungen handelte, stammte ein Großteil der abgebildeten Szenen aus dieser Epoche. Sie verweilte eine Weile bei einem Ritterturnier, bei dem zwei Reiter immer wieder mit ihren Lanzen aufeinander losgingen, um sich gegenseitig vom Pferd zu werfen. Einer der beiden war jedoch zwangsläufig im Nachteil, da ihm durch Wind und Wetter, die an den Farben gezehrt hatten, die Lanze gestutzt worden war und er nun keine Chance gegen seinen noch vollständigen Gegner hatte.

Florence kam zu dem Schluss, dass dies zwar wesentlich lustiger aber auf Dauer auch nicht viel fesselnder als Quidditch war und so ging sie weiter, bis sie auf einmal Stimmen hörte, die aus einer kaum sichtbaren Mauernische zu kommen schienen.

„Und ich hab dir schon 100 Mal gesagt, ich kann den Trank nicht brauen, wenn ich keine Ibogablätter bekomme!“

„Komm schon, ich weiß genau, dass du die jederzeit beschaffen kannst!“

„Und woher willst du das wissen?“

„Weil du abhängig von dem Zeug bist!“

Florence drückte sich gegen die Wand, um näher heranrücken zu können, ohne gesehen zu werden. Um was immer es in diesem seltsamen Dialog auch gehen mochte, es war auf jeden Fall verboten und damit höchst interessant.

Eine Stimme lachte. Ein dunkles, kehliges Lachen. „Das glaubst du doch wohl selbst nicht!“

„Und warum hast du dann immer eine Flasche in deinem Umhang.“

„Reine Vorsichtsmaßnahme. Wenn ich es im Schlafsaal lassen würde, würde es entweder einer von euch oder, noch besser, Professor Quanticus finden.“

„Du traust also nicht einmal den Leuten deines eigenen Hauses?“

„Ich traue grundsätzlich keinem Slytherin. Nicht einmal mir selbst...“


Slytherins also. Sie hätte es sich ja denken können.


„Also was ist jetzt? Krieg ich jetzt eine Flasche oder nicht?“

„Wie du ja selbst schon bemerkt hast, macht diese Mixtur sehr schnell süchtig... Du wirst also sehr vorsichtig sein müssen... andernfalls“, er schnippte mit den Fingern, „wirst du ziemlich schnell ziemlich viel davon brauchen. Und ich weiß nicht, ob ich dir dann noch behilflich sein kann...“

„Verdammt, Sev, ich bin nicht James 'The Saint' Potter! Ich kann, wie du sehr gut weißt, auf mich selbst aufpassen!“


Sev? Die gefährlich sanfte, leise Stimme war ihr schon gleich zu Anfang bekannt vorgekommen. Jetzt wusste sie auch woher. Einer der beiden Jungen war auf jeden Fall Severus Snape, der andere allerhöchster Wahrscheinlichkeit nach ein Mitglied seiner Clique.


„Also gut. Aber du verstehst natürlich, dass ich es nicht umsonst machen kann. Die Zutaten, der Aufwand...“

„Sag schon, was du willst!“

„Dein Vater steht doch in Kontakt zu den Malfoys...“

„Und?“

„Arrangiere mir ein Treffen mit Lucius Malfoy und der Trank gehört dir!“

Florence konnte hören, wie der andere Junge erleichtert aufatmete.

„Nichts leichter als das. Ich werde ihm schreiben. Was willst du von ihm?“

„Das lass meine Sorge sein!“
Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Das schien auch sein Gegenüber verstanden zu haben, denn er sagte: „Dann geh ich jetzt wieder nach drinnen. Ganz schön kalt hier draußen...“

Snape erwiderte nichts.

Florence rettete sich blitzschnell hinter eine Säule, als Evan Rosier, wie sie bereits vermutet hatte ein Mitglied der Slytherin-Gang, aus der Nische heraustrat. Ohne sich noch einmal umzuwenden oder den Pfeiler, hinter dem sie stand auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er den Weg hinunter und verschwand um die Ecke. Nun galt es nur noch zu hoffen, dass Severus Snape es ihm gleichtun würde. Sie hatte das ungute Gefühl, dass die Konsequenzen, die es für sie haben würde, falls er sie entdeckte, nicht gerade erfreulicher Art sein würden.
Doch nichts dergleichen geschah. Severus Snape schien gar nicht daran zu denken, seinen Platz in der Mauernische zu verlassen. Für Florence schien es wie eine halbe Ewigkeit, bis er endlich aus dem Schatten seines Versteckes hinaus in den Gang trat. Er trug einen langen, schwarzen Mantel, die langen, schwarzen Haare fielen ihm strähnig ins Gesicht und verdeckten beinahe vollständig die Sicht auf seine schwarzen Augen, sogar sein Schal trug nicht die Farben seines Hauses sondern war vollkommen in Schwarz gehalten.

Florence schauderte. Im Grunde hatte sie sich nie besonders viele Gedanken über den Slytherin gemacht, den ihr Bruder so erbittert zu hassen schien, doch mit einem Mal verstand sie, woher dieser Hass rührte. Dieser Junge schien in allem was er war und tat das genaue Gegenteil von James zu sein. Und er war offensichtlich gefährlich, sehr gefährlich. Wie er so aus dem Schatten auftauchte, lautlos und lauernd wie ein Raubtier, verstand sie auf einmal, woher die Gerüchte kamen, er sei ein schwarzer Magier, der jeden von ihnen mit einem Wink seines Zauberstabes verfluchen könnte. Wenn es einen Teufel gab, so mutmaßte sie, dann sah er mit ziemlicher Sicherheit aus wie Severus Snape.
Florence fröstelte. Im Stillen betete sie, dass er so schnell wie möglich wieder verschwinden würde.

Leider tat er ihr diesen Gefallen nicht. Stattdessen zog er sich seinen Mantel noch enger um seine schmalen Schultern, verharrte für einen Moment und ging dann zu der niedrigen Mauer, die den Kreuzgang zu einem kleinen, verwilderten Gärtchen hin abgrenzte. Als er sich setzte und mit dem Rücken an einen der Pfeiler lehnte, war Florence klar, dass sie so schnell keine Chance haben würde, ihr Versteck zu verlassen, es sei denn sie wollte es riskieren, gesehen zu werden. Innerlich stöhnte sie auf. Wäre sie doch nur bei den anderen geblieben und hätte das Quidditch-Training über sich ergehen lassen. Mittlerweile war es noch kälter geworden, die Dämmerung brach bereits herein und sie lehnte hinter einer Säule an einem Ort, an dem sie noch nie zuvor gewesen war und sah gezwungenermaßen Severus Snape dabei zu, wie er in seiner Tasche herumkramte und schließlich ein kleines Päckchen zum Vorschein brachte.

Er öffnete es, dann zog er ein kleines Stück Papier heraus, auf das er ein dunkles Pulver streute, das sich in dem Päckchen befinden zu schien, sichtlich bemüht, nicht auch nur einen Krümel zu verschütten.
Florence hatte keine Ahnung, was genau er da machte, aber schon die Tatsache, dass es sich bei ihm um Severus Snape handelte und dass er es an einem Ort wie diesem tat ließ die Vermutung nahe liegen, dass es verboten war.

Er rollte das Blättchen zusammen, verklebte es und holte dann zu ihrer großen Verwunderung eine simple Streichholzschachtel hervor und zündete die Spitze des so entstandenen Röllchens an.
Da fiel ihr plötzlich etwas ein, dass ihr Lily einmal von ihrer älteren Schwester Petunia erzählt hatte. Da die Evans ja eine Muggelfamilie waren, war Lily konsequenterweise auch mit sämtlichen Gewohnheiten derselben vertraut, ein Umstand, der sie zur unerschöpflichen Informationsquelle für all jene Dinge machte, die der Welt der Zauberer fremd waren.
Dazu gehörte eigentlich auch das Rauchen von Zigaretten, eine mehr oder weniger schlechte Angewohnheit vieler Muggel. Angeblich machte es süchtig und Muggelmediziner waren im Moment dabei festzustellen, dass es zudem auch noch völlig ungesund war und letztendlich die Lunge zerstörte.

Alles in allem hörte es sich genau wie etwas an, das Snape, Slytherin und Querkopf, der er nun einmal war, tun würde. Trotzdem wunderte sich Florence ein wenig darüber, dass etwas so unmagisches wie Muggelzigaretten einen Reiz auf ihn ausübte. Betonte er nicht immer wieder, wie verachtenswert und unbedeutend die Muggel doch waren?
Zumindest hatte sie das James und Sirius über ihn sagen hören, aber im Grunde gab es auch keinen Grund, ihre Worte anzuzweifeln. Schließlich bildeten sich die meisten Slytherins unheimlich viel auf ihre reinblütige Herkunft ein.

Dabei fiel ihr ein, dass sie überhaupt keine Ahnung hatte, ob dieser Snape tatsächlich aus einer reinblütigen Familie stammte. Ihre eigenen Eltern waren zwar beide Zauberer, doch eine Großmutter war eine Muggel gewesen und so war es auch in den meisten anderen Familien. Nur sehr wenige konnten von sich behaupten, eine rein magische Blutlinie zu besitzen. Spontan fielen ihr da eigentlich nur die Malfoys ein. Der Name Snape sagte ihr so gut wie gar nichts, was aber nicht viel zu heißen hatte. Vielleicht würde sie James einmal danach fragen... vielleicht, wenn sich Snape dazu bequemen könnte, seine Zigarette etwas schneller zu rauchen und dann einfach zu verschwinden!

Doch selbst nachdem er den Stummel bereits achtlos in den verwilderten Klostergarten geworfen hatte, machte er keine Anstalten, aufzustehen. Stattdessen wandte er den Kopf zur Seite und starrte für eine Weile ins Leere. Anscheinend dachte er über irgendetwas nach.
Oh, verdammt! Wenn er noch lange nachdenken würde, würde sie zu spät zum Abendessen kommen.
Schließlich wandte er sich wieder seiner Manteltasche zu.

'Nein, nicht noch eine Zigarette. Bitte nicht!'

Zu Florences unendlicher Erleichterung holte er dann aber nicht das Päckchen mit dem Tabak heraus, sondern etwas, das, soweit sie es von ihrem Beobachtungsposten aus erkennen konnte, eine vergilbte Fotografie war. Er betrachtete das Bild für eine Weile, wobei sich sein Gesicht auf seltsame Art und Weise veränderte. Die verkniffenen Züge schienen auf einmal weich zu werden - und dann sah es beinahe so aus, als ob er anfangen würde, zu weinen.
Im letzten Moment riss er sich dann aber doch zusammen, setzte seine harte, verschlossene Maske wieder auf, steckte das Bild ein, sprang von der Mauer und rauschte davon, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen.

Florence rieb sich die Augen. Das konnte doch nicht wahr sein!! Severus Snape trieb sich in irgendwelchen stillen Ecken rum, um dubiose Geschäfte zu machen, Zigaretten zu rauchen - und alte Fotos anzustarren! Wenn sie das ihrem Bruder erzählte...

 

 Kapitel 2

 

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