Behind the Curtain

 

 

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Kapitel 2

 

„... und dann hab ich, natürlich ganz aus Versehen, mein Fläschchen mit dem Stinkmorchelextrakt über seinen Umhang gekippt!“ Sirius grinste über das ganze Gesicht, als er beim Abendessen die Ereignisse aus der letzten Zaubertrankstunde zum Besten gab.

„Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen!“, fügte James, augenscheinlich gut gelaunt, hinzu.

„War wohl ein bisschen zuviel für sein hochwohlgeborenes Näschen!“

„Näschen?!? Ich weiß ja nicht, was er da im Gesicht hat, aber die Bezeichnung Näschen verdient es mit ziemlicher Sicherheit nicht!“ Der ganze Tisch lachte. Severus Snape war doch eine nie versiegende Gesprächsquelle, besonders wenn ihm die Marauders wieder einmal einen besonders geglückten Streich gespielt hatten.

Die einzige, die nicht lachte, war Florence Potter. Gedankenverloren starrte sie zu ihrem Bruder hinüber, der seiner Lily liebevoll über ihr perfektes, kleines Stupsnäschen strich.
Im Grunde wusste sie selbst nicht, was mit ihr los war. Noch auf dem Rückweg zum Haupteingang des Schlosses hatte sie fest vorgehabt, ja, sich geradezu darauf gefreut, ihren Freunden von ihren Entdeckungen was Snape betraf zu berichten. Bis jetzt hatte sie es jedoch nicht geschafft, auch nur ein Wort davon zu erwähnen. Das mochte zum Teil auch Sirius' Schuld sein, denn an diesem Abend (wie auch an den meisten anderen) stellte es sich als schwierig heraus, seinen Redeschwall zu unterbrechen und sei es auch nur für einen winzigen Moment.

Es gefiel ihm ganz offensichtlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit zu stehen und natürlich entging Florence nicht, dass er ihr von Zeit zu Zeit einen verstohlenen Blick zuwarf, den sie dann aber geflissentlich ignorierte.
Sie wusste, hätte sie erzählt, was sie Snape heute hatte tun sehen, sie hätte ihm die Schau gestohlen und obwohl ihr dieses Wissen einige Befriedigung verschaffte, schwieg sie weiter vor sich hin, während sie in ihrem Abendessen herumstocherte.

„Sag mal, ist alles in Ordnung mit dir?“
Oh nein! Remus war mal wieder auf Sozialarbeitertrip! Nur nichts anmerken lassen. „Ja, alles okay. Bin nur müde.“

Zu ihrer Erleichterung nickte Remus verständnisvoll. „Na ja, ich schätze, es ist dir keiner böse, wenn du heute mal eine halbe Stunde eher zu Bett gehst.“

Damit wandte er sich wieder Sirius zu, der gerade zum 125. Mal erzählte, wie er Snape und Avery die Klamotten aus der Quidditchumkleide geklaut und zur Maulenden Myrthe ins Mädchenklo geworfen hatte. Er hielt sich, was die Lautstärke betraf, so sehr zurück, dass er schon nach wenigen Sätzen (er war gerade bei der Stelle, an der er und James Strohhalme gezogen hatten um zu entscheiden, wer Snapes Unterhosen nehmen musste) die gesamte Aufmerksamkeit der benachbarten Tische auf sich gezogen hatte, die nun ebenfalls interessiert zuhörten - falls es denn jemanden gab, der die Geschichte noch nicht kannte...

Auch die betroffenen Personen, in diesem Fall Severus Snape und sein (soweit Florence das beurteilen konnte) bester Freund Colin Avery schienen hellhörig geworden zu sein und linsten nun mit verkniffenen Gesichtern zu ihnen herüber. Als Sirius mit seiner schönsten Fernsehansagerstimme erzählte, wie Snape, nur mit einem Handtuch bekleidet und bei strömendem Regen quer über den Rasen gestürzt war, sah es für einen Moment so aus, als wolle sich besagter Slytherin auf ihn stürzen. Florence konnte erkennen, dass Avery ihn zurück auf seinen Platz zog und ihm irgendetwas ins Ohr flüsterte, woraufhin er zwar das Gesicht verzog, jedoch keine weiteren Versuche unternahm, auf Sirius loszugehen. Stattdessen heftete er den Blick demonstrativ auf die Tischplatte, wobei ihm sein fettiges, schwarzes Haar wie ein Vorhang vor die Augen fiel.

„Und was glaubt ihr, hat Myrthe gemacht?“

„Sie hat das Zeugs genommen und im Klo runtergespült. Genauso wie die letzten 125 Male, es sei denn, du hast diesmal vor, der Story eine völlig neue Wendung zu geben!“ Florence sprach mit völlig emotionsloser Stimme, ohne die anderen auch nur anzusehen, dann stand sie auf und verließ ohne ein weiteres Wort die Große Halle. Im Vorbeigehen warf sie einen letzten Blick auf Snape, der noch immer das Tischtuch zu studieren schien.
Erst jetzt fiel ihr auf, dass Averys Hand noch immer auf seiner Schulter ruhte...

***



„Sag mal, was sollte den das vorhin beim Essen?“ Lily schien regelrecht aufgebracht über Florence kleinen Auftritt zu sein. Jetzt, da sie zusammen im Schlafsaal hockten (Florence mit einem Buch, Lily mit einer Dose von Oilus Olaf's „Magischer Nachtcreme“) schien sie die Gelegenheit für wie geschaffen zu halten, um die kleine Schwester ihres „Helden“ auszufragen.

„Ich hatte einfach keine Lust, mir die ganze Litanei noch mal anhören zu müssen! Komm schon, er erzählt diese Geschichte beinahe jede Woche...“

„... und es ist doch immer wieder lustig!“ vollendete Lily den Satz für sie. „Nur weil du heute augenscheinlich schlecht gelaunt bist, heißt das noch lange nicht, dass alle anderen genauso trübsinnig dreinblicken müssen wie du!“

Florence versuchte so zu tun, als wäre sie in ihr Buch vertieft und daher unfähig zu antworten. Leider war sie eine so schlechte Schauspielerin, dass sogar Lily sie sofort durchschaute. „Also, was sollte das?“

„Ich war müde... außerdem kannte ich die Pointe sowieso schon. Also bin ich gegangen. Ist das so unverständlich für dich?“

„Du hättest wenigstens bis zum Schluss warten können! Der arme Sirius, er...“

„Sirius hier, Sirius dort...“ Florence verdrehte die Augen. „Weißt du was, nimm ihn doch einfach selbst, wenn du so begeistert von ihm bist!“

Damit legte sie ihr Buch weg, löschte ihr Licht und drehte sich auf die Seite. Diese ablehnende Geste verfehlte ihre Wirkung nicht. Lily verstummte tatsächlich und wandte sich wieder ihrer Nachtcreme zu. Nach wenigen Minuten konnte man an den regelmäßigen Atemzügen hören, dass sie, im Gegensatz zu Florence, eingeschlafen war.

***



Am nächsten Morgen schien alles vergessen zu sein, zumindest was Lily, James und Sirius anbetraf. Jedenfalls erwähnten sie den Vorabend nicht mit einer Silbe, worüber Florence im Grunde froh war. Jetzt, bei Tageslicht, verstand sie selbst nicht mehr so richtig, was sie da geritten hatte. Wahrscheinlich war sie einfach nur in einer schlechten Stimmung gewesen, so, wie Lily gesagt hatte. Während des Frühstücks beteiligte sie sich an allen Gesprächsthemen, lachte und scherzte mit den anderen und hörte sich sogar eine detaillierte Beschreibung von Snapes Unterhose an, die Sirius eigens für sie noch einmal wiederholte (Florence konnte sich dem Gefühl nicht entziehen, dass er Snapes Unterhose langsam besser zu kennen schien als seine eigene ).

Als sie sich schließlich vor der Großen Halle trennten, um ihre jeweiligen Klassenzimmer aufzusuchen, war Florence bester Stimmung. Daran konnte auch die Tatsache nichts ändern, dass sie in der nächsten Stunde „Geschichte der Zauberei“ bei Professor Binns hatten, für sie das absolut langweiligste Fach, das sie sich vorstellen konnte, was nicht zuletzt an ihrer Sitznachbarin Athena Greek lag, die die meiste Zeit damit beschäftigt war, ihr unauffällig unter dem Tisch Bildchen und Zeitungsausschnitte von den „Wandwavers“, den ihrer Meinung nach größten Popstars der Zauberwelt zu zeigen, die ihre Mutter für sie aus der Hexenwoche ausschnitt und ihr dann per Eule zukommen ließ.
Florence konnte nun zwar von sich behaupten, beinahe alles über das Privatleben einer Band zu wissen, kannte jedoch nach wie vor kein einziges Lied der Wandwavers - was, wenn man von dem ausging, was Athena ständig vor sich hin summte, wahrscheinlich auch besser war.

Die Stunde verlief wie erwartet (befürchtet) - Binns redete, Athena redete und Florence hörte keinem von beiden zu. Sogar Sirius' endlose Geschichten über Severus Snape oder James' Quidditch-Vorträge waren interessanter als der 145 und 2 Tage lange Krieg zwischen Gnomen und Gartenzwergen und die Promotiontour zum neuen Album der Wandwavers „Let me be your magic carpet“.
Nun ja, wenigstens hatte sie nun die Möglichkeit, ein wenig Schlaf von letzter Nacht nachzuholen...

Am Ende der Stunde wartete zu ihrer großen Überraschung Sirius Black vor der Tür auf sie. Wie sich herausstellte, hatte er eine halbe Stunde frei und war nun ganz versessen darauf, sie bis in den Kerker hinunter zu begleiten, wo sie als nächstes Zaubertränke hatten.

„Äh... danke Sirius... so muss ich wenigstens nicht allein gehen”, sagte sie mit einem Seitenblick auf ihre beinahe 30 Mann starke Klasse.

„Ist doch kein Problem. Hab mir schon gedacht, dass du dich freust, mich zu sehen!“

Oh Mann! Bestand denn keine Chance, dass er irgendwann begreifen würde, dass er keineswegs so unwiderstehlich war, wie er augenscheinlich anzunehmen schien?
Dank seines Talents, die Stimmungen und Gefühle anderer zu erraten, interpretierte er Florence Haltung ihm gegenüber als Aufforderung, ihren Arm zu nehmen und sie solange zurückzuhalten, bis sie sich außer Hörweite der Gruppe befanden.

„Weißt du Flo, ich finde dich echt in Ordnung...“

Ach was!

„Du bist so... so seltsam...“

„Danke!“

„Nein, ich meine, so anders als die anderen. Eigentlich gar kein richtiges Mädchen...“

„Das habe ich mir immer gewünscht, mal aus dem Mund eines Jungen zu hören.“

„Was ich meine ist, mit dir kann man sich prima über ganz unmädchenhafte Sachen unterhalten. Quidditch und so... das finde ich echt total prima!“
Er grinste sie erleichtert an, offensichtlich hatte er diese kleine Rede schon von längerer Hand vorbereitet gehabt und war nun froh, sie hinter sich zu haben.

„Äh... ich... man tut was man kann.“
Just in diesem Moment blieb Sirius abrupt stehen und Florence wäre beinahe vorn über gefallen, wenn er sie nicht festgehalten hätte.

„Flo, da ist noch mehr! Du bist... einfach...“

Ach du... sein Kopf kam immer näher... und näher...und näher... es sah beinahe so aus, als wolle er sie küssen! Halt, stopp! Doch es half nichts. Noch ehe sie sich's versah, hatte Sirius seine Lippen auf ihre gedrückt.

„Hey, Blacky, was wird denn das wenn's fertig ist? Mund-zu-Mund-Beatmung? Aber lass dir gesagt sein, wenn du so weitermachst, wird sie davon bestimmt nicht wieder lebendig!“
Wie von der Tarantel gestochen drehten sich die beiden um. Hinter ihnen stand Severus Snape und grinste hämisch.
„Oh, hab ich euch zwei Turteltäubchen wohl gestört?“

Von Florences Standpunkt aus gesehen nicht im Geringsten, aber das konnte sie wohl nur schwerlich zugeben.
Sirius hingegen schien das ganze nicht annährend so leicht zu nehmen. Sein Gesicht hatte die Farbe einer überreifen Tomate angenommen und machte den Eindruck, als würde er jeden Moment explodieren.

„Snape... du schleimiger, öliger... äh... Schleimball!“

„Du wiederholst dich!“, sagte Snape mit seelenruhiger Stimme, was Sirius nur noch mehr aufzubringen schien.

„Na warte, dir werd ich's zeigen!“ Anscheinend hatte er vorgehabt, seinen Zauberstab mit einer gezielten Handbewegung aus seinem Umhang zu ziehen, was aber daran scheiterte, dass dieser ganz offensichtlich nicht dort war, wo er hätte sein sollen.

„Oh, Shit!“ Nun ganz offensichtlich nervös begann er hektisch in sämtlichen Taschen seines Umhangs herumzuwühlen, während Snape sich an die gegenüberliegende Wand lehnte und Sirius mit einem Grinsen im Gesicht beobachtete.

„Na, wie küsst unser Black Beauty denn so? Leider werde ich selbst ja nie in diesen Genuss kommen und muss mich deshalb auf Aussagen anderer...“ Weiter kam er nicht. Ein Moment der Unaufmerksamkeit und schon hatte Sirius sich auf ihn gestürzt. Zwar hatte er seinen Zauberstab nicht finden können, im Notfall (und der war jetzt seiner Meinung nach eingetreten) ging es aber auch anders.

Leider wusste Severus Snape im Gegensatz zu seinem Gegner sehr genau, wo er seinen Zauberstab hin gesteckt hatte und so genügten ein paar gemurmelte Worte, um Sirius von sich herunter und an die gegenüberliegende Wand zu katapultieren.

Ohne groß darüber nachzudenken, warf Florence ihre Schulsachen achtlos auf den Boden und ließ sich neben Sirius nieder, der anscheinend noch immer nicht begriffen hatte, was eigentlich passiert war und sich abwesend den Kopf rieb.

„Alles okay mit dir?“

Sirius nickte, dann verengten sich seine Augen zu Schlitzen und richteten sich auf Severus. Doch selbst Zauberer waren nicht in der Lage, mit Blicken zu töten und so erntete Sirius nicht mehr als ein müdes Hochziehen der Mundwinkel als Reaktion.

„Oh, hast du dir dein Köpfchen gestoßen?“

Sirius wollte auf die Füße springen, wurde aber von Florence mit einer gezielten Handbewegung zurückgehalten.

„Oh, fang nicht schon wieder an! Und du...“, damit wandte sie sich mit funkelnden Augen an Severus, „verschwinde!“

Zu ihrer Überraschung antwortete er ihr mit: „Wie Sie wünschen, Miss Potter“, deutete eine Verbeugung an und verschwand hinter der nächsten Ecke.
Sowohl Florence als auch Sirius starrten ihm verwirrt hinterher.

„Na warte... wenn ich den in die Finger kriege...“

„... passiert wahrscheinlich das Gleiche wie gerade eben...“

Damit stand sie auf, packte ihre Schulsachen zusammen und ließ den verdutzten Sirius auf dem Fußboden zurück.

 

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