Blutsbande - Kapitel 11: Imperio

 

 

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Kapitel 11: Imperio


Miss Laryssa Twinkletwo war überaus unzufrieden mit der Entwicklung der Dinge und stocherte wütend in ihrem Essen herum.
Normalerweise konnte sie sich darauf verlassen, dass ihr sämtliche Männer zu Füßen lagen - selbst so furchteinflößende, wie dieser Professor Snape neben ihr. Doch bei Narcissus Mayflower schienen all ihre Verführungskünste zu versagen.
Laryssa konnte machen, was sie wollte, Mayflower behandelte sie nett, höflich und galant, doch zu mehr als einem kleinen harmlosen Flirt hatte sie ihn noch nicht bewegen können.
Laryssa verstand das nicht. Was machte sie nur verkehrt?
Sie hatte zwar schon versucht, einen Blick in seine Zukunft zu werfen, mehrfach sogar, doch leider hatte sie überhaupt nichts erkennen können. Weder ob sie selbst in Narcissus' Zukunft eine Rolle spielen würde (was sie sich sehentlichst wünschte), noch sonst etwas. Dabei schien er so unkompliziert und leicht durchschaubar - gefiel sie ihm etwa nicht?

Sie schob diesen Gedanken rasch wieder beiseite, der durfte in ihrem Universum überhaupt nicht vorkommen.
Ob er eine andere hatte? Den Eindruck erweckte er allerdings auch nicht, das einzige weibliche Wesen, das ihn etwas näher zu interessieren schien, war - die kleine McElwood.
Das verstand Laryssa nun am allerwenigsten, was hatte dieses unattraktive Geschöpf schließlich zu bieten?

Obwohl, heute sah die Kleine ja mal etwas besser aus. Und mit etwas vernünftigerer Kleidung und vielleicht etwas Make-up im Gesicht könnte sie sogar halbwegs hübsch sein. Allerdings immer noch Welten entfernt von der strahlenden Erscheinung einer Laryssa Twinkletwo.
Aber wenn der einzige Weg zu Narcissus an Emily vorbeiführte, würde sie sich eben darauf einstellen. Laryssa lächelte triumphierend.
‚Er wäre der erste, den ich nicht bekommen würde', dachte sie und wandte sich mit frischem Ehrgeiz Professor Mayflower zu.

"Mir ist da etwas ganz eigenartiges aufgefallen, Narcissus", flötete sie.

"Ach ja, und worüber?" Sonderlich interessiert wirkte er nicht. Noch nicht.

"Etwas, was die kleine McElwood betrifft", fuhr Laryssa fort, woraufhin sich Mayflower augenblicklich zu ihr umdrehte.

"Und was hast du über sie herausgefunden", erkundigte er sich jetzt. Jegliches Desinteresse war aus seiner Stimme verschwunden und Laryssa verspürte einen kleinen Stich der Eifersucht.

"Ich habe gestern Abend einmal für sie in die Karten geschaut." Das entsprach sogar der Wahrheit. Nachdem sie sich schon nicht selbst in Mayflowers Zukunft hatte erkennen können, wollte sie wenigstens wissen, ob eine Konkurrentin diesen Platz einnehmen würde… doch das würde sie natürlich Narcissus nicht erzählen. "Nachdem du mich ja nicht besucht hast…", fuhr sie anklagend fort, doch er ging nicht auf ihren quengelnden Ton ein, sondern wartete ab.

"Ich habe mehrere Kombinationen gelegt", fuhr Laryssa schließlich fort, "doch alle haben dasselbe ergeben!" Sie machte eine dramatische Kunstpause.

"Emily wird das Ende des Schuljahres nicht erleben", schloß sie dann.

"Du meinst, sie werden sie vorher rauswerfen?" Mayflower lächelte ein wenig spöttisch.

"Aber nein, das ist es nicht", beeilte sich Laryssa zu versichern. "Emily ist in Gefahr, der Schatten des Todes schwebt bereits über ihr…"

"Dann sollten wir sie schnellstens warnen", fand Mayflower und klang jetzt sogar besorgt. Laryssa fühlten einen weiteren Stich. "Das Mädchen sollte wissen, in welcher Lage sie sich befindet… Miss McElwood!"
Er hob seine Stimme über den Lärmpegel der gerade aufbrechenden Schülerschar. "Würden Sie bitte kurz einen Moment herkommen?"

Emily hatte sich zuerst überlegt, ob sie das einfach ignorieren sollte, doch Lavander schob sie bereits in Richtung Lehrertisch. "Nun stell dich nicht so an, hier gibt es etliche, die liebend gerne mit dir tauschen würden", zischte sie.

Da wäre ich mir mal nicht so sicher', dachte Emily, als sie vor Mayflower zum Stehen kam. "Was gibt es? Ich muß gleich zum Unterricht…" Sie bemühte sich zwar, ihre Stimme nicht all zu ungeduldig klingen zu lassen, doch ganz gelang es ihr nicht.

"Miss Twinkleto war so freundlich, für Sie die Karten zu legen", berichtete Mayflower eifrig.
"Na und?" Jetzt klang Emily definitiv gelangweilt.
"Und? Sie hat dabei Ungeheuerliches herausgefunden…"

"Meine liebe Emily", schaltete sich Laryssa ein, "Sie müssen gut auf sich Acht geben", tönte sie. "Anderenfalls…"

"Anderenfalls könnten Sie sterben", beendete Mayflower dramatisch den Satz.

"Wir müssen alle irgendwann sterben", entgegnete Emily gelassen.


"Aber nicht innerhalb der nächsten Zeit", meinte Laryssa. "Die Gefahr, in der Sie schweben, existiert jetzt - und nicht erst in 50 Jahren!"

Emily hatte noch immer ihr überlegenes Lächeln auf den Lippen. "Erzählen Sie mir doch auch mal etwas, was ich noch nicht weiß", sagte sie dann, drehte sich brüsk um und verließ die Halle.
‚Die Lieblingsmasche aller Möchtegernwahrsager', dachte sie verächtlich. ‚Eine Todesprophezeiung macht sich doch immer gut. Die schöne Laryssa hat ja keine Ahnung, dass sie diesmal ziemlich richtig liegt.'
Emily war ziemlich ärgerlich über das Ganze. Alle Lehrer hatten diesen Schwachsinn mitbekommen, und wem sie bis jetzt noch nicht aufgefallen war, würde spätestens jetzt anfangen, neugierig zu werden.
‚Und das ist wirklich das letzte, was ich gebrauchen kann', dachte Emily wütend.
Sie hatte nur einen einzigen Versuch, also musste ihr Plan auf Anhieb funktionieren. Wenn sie dabei beobachtet wurde… gar nicht auszudenken!


"He Vogelscheuche", wurde sie plötzlich von einem Slytherin angeschnauzt. "Paß gefälligst auf, wo du hintrampelst!"

Emily murmelte eine Entschuldigung. Sie war so in Gedanken gewesen, dass sie nicht gemerkt hatte, wie sie jemand anderes versehentlich angerempelt hatte.

Normalerweise war es ihr egal, was man zu ihr sagte - doch langsam begannen die boshaften Bezeichnungen, mit denen sie vor allem von den Slytherins bedacht wurde, weh zu tun. Irgendein Widerhaken hatte sich in ihrer Seele verfangen und ließ sich nicht mehr so ohne weiteres herausziehen. Und Emily wunderte sich sehr darüber, hatte sie doch geglaubt, gegen diese Dinge längst immun zu sein.



***



"Das ist ja ein Ding!" Harry pfiff durch die Zähne, als Hermine ihnen auf dem Gang ausführlich erzählt hatte, was in dem Buch über die spezielle Form des Vincireo-Bandes zu finden gewesen war.

"Es heißt nicht, dass es auch wirklich zutrifft", meinte Hermine, "aber es passt einfach alles viel zu gut zusammen."

"Anathema Consanguiniti…", sinnierte Ron. "Wenn es tatsächlich das ist, weiß Emily wahrscheinlich gar nicht, auf was sie sich da eingelassen hat."

"Ich denke vielmehr, sie weiß es nur zu gut", entgegnete Hermine. "Oder was glaubt ihr, warum sie alles versucht, dass niemand Näheres über sie erfährt?"

"Klar, so was würde wohl niemand freiwillig an die große Glocke hängen", stimmte Harry zu. "Und wer ihr das angetan hat…"

"Soso, Gryffindors Elite wieder mal beisammen", schnauzte es plötzlich hinter ihnen. Natürlich, Snape auf dem Weg in die Verließe. "Dürfte ich erfahren, was Sie um diese Zeit hier zu suchen haben?"

"Wir… sind auf dem Weg zum Unterricht", stotterte Ron.

"Dann sollten Sie den Gang auch zum Gehen benutzen und nicht als öffentliches Diskussionsforum", entgegnete Snape kalt. "Fünfzehn Punkte Abzug für Gryffindor."

Die drei Freunde schauten betreten zu Boden.
"Natürlich für jeden von Ihnen", setzte Snape noch hinzu und lächelte boshaft, bevor er über die Treppe in die Tiefe verschwand.

"Dieses Ekel", flüsterte Ron.

"Wir sind auch selber Schuld, wir wissen doch, dass er hier vorbeikommen muß, wenn er in seine Katakomben geht!" Hermine schien sich über sich selbst mehr zu ärgern, als über Snape. "Was meint ihr, wie viel hat er von unserem Gespräch mitbekommen?"

"Schwer zu sagen", meinte Harry. "Einiges mit Sicherheit… aber vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn er es weiß."

"Du tickst wohl nicht mehr richtig!" Ron war regelrecht empört. "Wenn Snape von dem Consanguiniti weiß, wird er Emily das garantiert aufs Butterbrot schmieren… und wer weiß, wem sonst noch alles!"

"Ich glaube irgendwie nicht, dass er ihr schaden will", meinte Harry nachdenklich. "Und Emily braucht Hilfe, das dürfte ja wohl klar sein."

"Doch nicht von Snape!" Ron war nicht zu überzeugen. "Der verfolgt ausschließlich seine eigenen Interessen. Wer ihm dabei nützlich ist - gut, wer nicht, hat Pech gehabt."

"Hoffen wir, dass Harry Recht hat, wenigstens ein bisschen", meinte Hermine dazu. "Denn wir müssen jetzt wohl davon ausgehen, dass Snape dasselbe weiß, wie wir auch."



***



Snape hatte von dem Gespräch zwar nicht einmal die Hälfte mitgehört, doch das war auch gar nicht nötig. Interessant war lediglich, dass die drei zu demselben Schluß gelangt waren, wie er selbst bereits in der Nacht davor. Es sprach ja auch alles dafür und Snape hätte es brennend interessiert, wer Emilys Gegenpart bei der ganzen Sache war, doch das würde sie ihm freiwillig wohl niemals erzählen.

"Der Fluch der Blutsbande also", murmelte Snape leise vor sich hin. ‚Wirklich sehr interessant. Und so, wie die Dinge liegen, beginnt damit für Emily ein Wettlauf gegen die Zeit… und der Preis ist kein geringerer als ihr Leben.'
Snape fand es bewundernswert, wie Emily Miss Twinkletwo's Warnung so gelassen hatte wegstecken können.
‚Gibt es eigentlich überhaupt nichts, wovor sie Angst hat?', wunderte er sich noch, bevor er sein Klassenzimmer betrat.



***



Als Emily nach dem Abendessen den Weg zu Snapes Labor einschlug, freute sie sich einerseits auf die Arbeit - andererseits war sie aber auch etwas besorgt. Die Tatsache, dass Snape heute Hermine, Ron und Harry so viele Punkte abgezogen hatte, sprach nicht unbedingt dafür, dass er sonderlich gute Laune hatte.

Ihre Befürchtungen schienen jedoch unbegründet, denn als sie den Raum betrat, war Snape bereits emsig an seinem großen Arbeitstisch beschäftigt - und lächelte ihr freundlich entgegen.
"Guten Abend, Miss McElwood", begrüßte er sie. "Ich habe Ihren Trank auch schon fertig, so dass wir gleich anfangen können."

‚Es ist nicht zu glauben', dachte Emily. ‚Wenn man mit ihm alleine ist, kann er richtig nett sein - doch kaum ist er außerhalb seiner Räume, wird er unausstehlich.'

Emily lächelte zurück. "Dann das Unangenehme zuerst", entschied sie sich, griff nach dem bereitstehenden Becher mit der scheußlich schmeckenden Flüssigkeit und leerte ihn.

"Nehmen Sie besser einen Schluck Tee hinterher", meinte Snape und stellte ihr eine volle Tasse hin, die Emily dankbar annahm.
‚Und anscheinend trinkt er Tee zu allen Tages- und Nachtzeiten', überlegte Emily und das gefiel ihr irgendwie, denn sie hatte dieselbe Angewohnheit.

"Und um was genau geht es denn nun bei Ihrem Projekt?" Sie hatte sich diese Frage im Laufe des Tages öfter gestellt, war aber zu keinem Ergebnis gekommen.

Snape wies mit einer ausholenden Geste auf die reiche Auswahl an Zutaten, die auf dem Tisch ausgebreitet lagen. "Fällt Ihnen dazu vielleicht schon etwas ein?"

Emily musterte die einzelnen Haufen und überlegte. "Brauchen wir das alles?"

Snape nickte. "Dies und noch so einiges mehr"; meinte er. "Nun? Keine Idee?"

Emily macht plötzlich große Augen. "Doch nicht etwa…", sie stockte und Snapes Lächeln wurde breiter. "Ich sehe schon, ich habe mich nicht in Ihren Fähigkeiten getäuscht", sagte er.

"Der Effingo?", fragte Emily, noch immer völlig ungläubig.

"Der Effingo", wiederholte Snape. "Besser gesagt, wenn wir ihn denn hinbekommen."

Noch niemand hatte es je fertiggebracht, einen wirksamen Effingo-Trank zu brauen. Sollte es jemals gelingen, würde das in die Geschichte der Zauberei eingehen.
‚Eigentlich hätte ich es mir denken können', dachte Emily amüsiert. ‚Mit etwas Geringerem hätte er sich nie zufriedengegeben.'

"Und was wissen Sie über den Effingo?", erkundigte sich Snape jetzt.

"Nicht sehr viel", musste Emily zugeben. "Es ist ein Verdoppelungstrank, der es einem Menschen erlaubt, gleichzeitig an verschiedenen Orten zu sein. Man kann sich damit sozusagen seinen eigenen Zwilling schaffen."

"Gut ausgedrückt, Sie wissen mehr als die meisten."

"Aber ich habe keine Ahnung, wie man ihn braut", hielt Emily dagegen.

Snape lächelte schon wieder. "Wenn die jemand hätte, wäre dieser Trank kein Geheimnis mehr. Und Sie wissen wenigstens schon einmal, was an Zutaten hineingehört. Leider sind noch nicht alle bekannt, irgendetwas hat immer gefehlt - und dieses fehlende Glied gedenke ich zu finden!" Ehrgeiz loderte in seinen Augen und Emily fühlte, wie sie von seiner Begeisterung angesteckt wurde. Der Effingo… eine unglaubliche Herausforderung!

Snape zog einige Folianten zu Rate. "Zumindest ist die Basis bekannt", meinte er. "Auf die müssen wir dann irgendwie aufbauen. Schon die Grundzutaten müssen zum Teil wochenlang gekocht werden - und dann kommen ständig neue hinzu. Aber wir haben ja Zeit…"

‚Wenn es nur so wäre', dachte Emily und wünschte sich zum erstenmal voller Verzweiflung, sie möge lange genug am Leben bleiben, um die Vollendung dieses Trankes miterleben zu können. Doch sie hatte das starke Gefühl, dass Lennard ihr nicht mehr soviel Zeit lassen würde…
Rasch schob sie diese Gedanken wieder einmal beiseite. Sie hatte so wenig Freude, dass sie das bisschen, was ihr blieb, wenigstens auch genießen wollte.
Dennoch, eine kleine, eine klitzekleine Hoffnung hegte sie nach wie vor…

"Womit fangen wir an - und was ist meine Aufgabe", sagte sie dann und reckte entschlossen das Kinn vor. In ihren Augen brannte dasselbe Feuer des Forscherdranges wie auch bei Snape - und er bemerkte es.

"Zuerst brauchen wir Kröteninnereien - und zwar eine ganze Menge", entgegnete er und wies auf einen Eimer, in dem sich eine stattliche Anzahl toter Tiere befand.

"Dann werde ich sie ausnehmen", meinte Emily, zog den Eimer zu sich heran und ergriff eines der scharfen Messer, die ebenfalls auf dem Tisch herumlagen. "Ich reiße mich zwar nicht gerade um diese Arbeit, aber was muß das muß."

Snape beschloß, sich bei ihr über nichts mehr zu wundern. Bis jetzt hatte noch jedes Mädchen bei dieser Arbeit vor Abscheu gewürgt (wahrscheinlich war das auch ein Grund, warum es kaum Frauen gab, die wirkliche Meister dieses Faches waren), doch Emily machte sich unerschrocken ans Werk.
Snape beobachtete eine Weile lang das geschickte Hantieren ihrer Finger und musste sich beinahe von diesem Anblick losreißen. Die Kleine hatte eine großartige Zukunft auf diesem Gebiet vor sich, das stand fest.

Plötzlich löste sich eine Haarsträhne aus Emilys Zopf und fiel ihr mitten ins Gesicht. Sie versuchte zwar, sie mit dem Ellenbogen zur Seite zu wischen, doch mit wenig Erfolg, das Ding war hartnäckig und fiel immer wieder zurück.
Wütend warf sie einen Blick auf ihre mit Krötenblut verschmierten Hände, mit denen sie sich natürlich nicht durchs Gesicht fahren wollte.
"Ich fürchte, ich muß Sie noch einmal bitten, Ihr Badezimmer benutzen zu dürfen", meinte sie mit verlegenem Lächeln. "Nur zum Händewaschen."

"Sie kennen ja den Weg", meinte Snape. "Aber warten Sie, das geht auch einfacher. Darf ich?"
Mit diesen Worten trat er auf sie zu, schob die widerspenstige Strähne mit zwei Fingern beiseite und befestigte sie wieder in Emilys Zopf. Eine harmlose Geste, doch irgendwie machte es ihn verlegen, als ob sie eine Intimität getauscht hätten.
Hastig zog er seine Hand zurück.
"So besser?"

"Ja, danke", entgegnete sie - und wünschte sich gleichzeitig, die Strähne würde sich wieder selbständig machen. Irgendwie hatte sie diese kaum wahrnehmbare Berührung auf ihrer Haut elektrisiert.
‚Dumme Gans', schalt sie sich in Gedanken. ‚Schließlich hat er dich schon durch halb Hogwarts getragen, du hast dich an seiner Brust ausgeheult - und bei alledem hast du nichts dabei gefunden. Was stellst du dich also jetzt so an?'

"Außerdem ist da hinten auch ein kleines Waschbecken", meinte Snape dann und wies in die hintere Ecke des Raumes.
‚Aha, das fällt ihm jetzt ein', überlegte Emily - und ärgerte sich über diesen Gedanken. ‚Mach nur so weiter, du bist ja bald so schlimm wie Lavander!'

"Ich denke, das genügt", meinte Snape nach einer Weile und Emily ging sich die Hände säubern.
Er füllte die Kröteninnereien in einen großen Kessel, stellte ihn auf ein steinernes Podest auf dem Boden und entzündete ein kleines Feuer darunter.
"Als nächstes benötigen wir drei Barthaare einer Ratte."

"Na fein, jetzt also auf zur Rattenjagd", lachte Emily. "Ein Glück, dass wir nichts von draußen aus dem See brauchen."

"Alles halb so schlimm", entgegnete Snape schon beinahe fröhlich. Er begann, sich in ihrer Gegenwart wohlzufühlen. "Eine Ratte habe ich schon." Er holte einen kleinen Käfig von einem der Regale. "Allerdings gibt es da ein Problem…"

"Lassen Sie mich raten: Die Ratte hat etwas dagegen, ihre Barthaare herauszurücken!"
"So könnte man es ausdrücken", meinte Snape.
Die Ratte war ein ziemlich wohlgenährtes Exemplar und blickte die beiden aus intelligenten Augen an. Dann zeigte sie eindrucksvolle, gelbe Zähne.

Snape öffnete die Käfigtüre. "Ich habe das schon öfter gemacht", erklärte er. "Ich hole das Vieh jetzt raus, halte sie fest…" und im nächsten Moment war die Ratte entwischt.

"Verdammt", fluchte er. "Das Theater hatte ich doch erst letzte Woche!"

Die Ratte war irgendwo unter einem Regal verschwunden.

"Das haben wir gleich", meinte Emily und holte ihren Zauberstab hervor.
"Imperio", rief sie und augenblicklich kam die Ratte brav wieder zum Vorschein, lief am Tischbein hinauf und ließ sich, oben angekommen, geduldig von Emily drei Barthaare entnehmen. Emily schob sie dann in den Käfig zurück.

"Das Problem wäre auch gelöst", meinte sie.

Snape schaute sie restlos verblüfft an. "Was… was haben Sie da gerade gemacht?"

Emily schaute ihn an und musste über seinem Gesichtsausdruck beinahe laut herauslachen.
"Das war doch wohl offensichtlich."

"Schon, aber… das war der Imperius…"

"Sicher", entgegnete Emily gelassen. "Und manchmal sehr nützlich…"

Snape nahm ihr die Rattenhaare aus der Hand und warf sie in den Kessel. "Das muß jetzt eh eine Weile kochen", meinte er. "In der Zwischenzeit würde ich gerne erfahren, wo sie den Umgang mit dem Imperius gelernt haben!"

Emily zuckte mit den Schultern. "Wenn man die Augen offenhält, bekommt man so einiges mit", entgegnete sie. "Und so schwierig ist er ja nun auch nicht…"

"Doch, ist er", widersprach Snape. "Es erfordert Kraft und sehr viel Übung, um mit den unverzeihlichen Flüchen umgehen zu können. An wem haben Sie also geübt?

"An Käfern, Mäusen, Katzen - einmal sogar an einem Pferd", meinte sie.

"Nie an einem Menschen?"

"Natürlich nicht, ich habe keine Sehnsucht nach Askaban!"

"Wie sieht es mit dem Cruciatus aus? Haben Sie den auch schon… ausprobiert?"

"Nein, niemals", entgegnete Emily entschieden. "Ich würde nie einem Lebewesen solche Schmerzen zufügen!"

"Und… Avada Kedavra?"

"Na ja", meinte sie leise. "Bei Stubenfliegen bekomme ich es hin, bei allem, was größer ist, hat es nicht funktioniert."

Snape hielt den Atem an. Ein siebzehnjähriges Mädchen, das mit den unverzeihlichen Flüchen herumexperimentierte?

"Aber warum?", fragte er schließlich und hatte beinahe Angst vor der Antwort.

"Weil ich es kann", meinte Emily leise. ‚Leider noch lange nicht gut genug', dachte sie. "Und weil die schwarze Seite der Magie… nun, auch reizvoll sein kann."

"Sie wissen, wie gefährlich es ist, sich damit zu beschäftigen?" Snape war fasziniert.
Was steckte wohl noch alles in dieser so harmlos und unscheinbar wirkenden Gestalt?

"Ich weiß es nur zu gut", meinte sie. "Wenn man so früh damit in Berührung kommt, wie ich, wird man recht schnell wieder davon kuriert. Wenn ich mich jetzt mit den unverzeihlichen Flüchen beschäftige, ist es so eine Art… Hobby von mir, das niemandem schadet." Sie biß sich auf die Lippen. Was für eine dicke, gewaltige Lüge.

"Ich habe auch schon in jungen Jahren damit Bekanntschaft geschlossen", knurrte Snape. "Und sehen Sie, was es mir eingebracht hat?" Er schob seinen Ärmel ein wenig zurück und entblößte das dunkle Mal, das auf seinem Unterarm prangte.
"Ich bin gezeichnet für den Rest meines Lebens und das nur, weil ich damals zu dumm gewesen bin, es besser zu wissen!"

Er hatte eigentlich erwartet, dass Emily vor Voldemorts Mal zurückschrecken würde, doch sie betrachtete es lediglich mit einem langen Blick.
"Es gibt verschiedene Arten von Stigmata", sagte sie dann leise. "Und nicht jedes kann man sehen. Das ist irgendwie ein bisschen wie mit Narben, die unsichtbaren tun am längsten und am heftigsten weh."

"Was wissen Sie denn schon von solchen Dingen", meinte er verwundert. "Dazu sind Sie noch viel zu jung!"

Emily schaute ihn traurig an. "An Jahren vielleicht", entgegnete sie. "Aber manchmal geschehen Dinge, die einen zwingen, vor seiner Zeit älter zu werden."

Snape war betroffen. Damit hatte sie ziemlich genau das ausgedrückt, was er in seiner eigenen Jugend gefühlt hatte.
Er fasste sie an ihren schmalen Schultern. "Wollen Sie mir nicht doch die ganze Geschichte erzählen", fragte er sanft. "Sie tragen da eine Bürde, die zu schwer für Sie ist…"

"Ich kann es nicht", meinte sie leise. "Ich gäbe alles darum, wenn ich es jemandem erzählen könnte, doch der Vincireo ist stark…"
Sie lehnte ihre Stirn an seine Brust und fühlte wieder einmal die Tränen aufsteigen, doch sie beherrschte sich.
‚Du darfst nicht schwach werden', ermahnte sie sich. ‚Es ist zu gefährlich, niemand kann dir helfen - und du darfst niemandem vertrauen!'

Snape hatte den plötzlichen Wunsch, sie einfach festzuhalten, doch er beherrschte sich ebenfalls. "Nur der Vincireo?", fragte er stattdessen. "Was ist mit dem Fluch der Blutsbande?"

Sie erstarrte.

"Dann stimmt es also?"

Emily nickte mit einer kaum wahrnehmbaren Bewegung. "Bitte", flüsterte sie. "Ich möchte nicht, dass das sonst jemand erfährt:"

Er hob sanft ihr Kinn und schaute ihr direkt in die Augen. "Von mir wird es niemand erfahren", versprach er ihr. "Aber Potter und seine Freunde haben es bereits selbst herausgefunden."

"Verdammt", fluchte sie. "verdammtverdammtverdammt! Es geht aber auch wirklich alles schief!"

"Warum darf es eigentlich niemand erfahren? So schlimm ist es ja auch nicht."

"Weil…", begann sie und stockte dann. ‚Weil es bei der ganzen Sache nicht nur um mich geht', wäre die richtige Antwort gewesen, doch die musste sie für sich behalten.

"Bitte fragen Sie nicht weiter", meinte sie nur.

"Vielleicht ein andermal? Wenn Sie es sich überlegen, Sie können jederzeit zu mir kommen, denn irgendwann wird es zu schwer für Sie alleine."

"Ich werde darüber nachdenken", sagte Emily. Es war ein überaus verlockendes Angebot, doch sie wusste, dass sie niemals darauf würde zurückkommen dürfen.

"Wir sollten jetzt besser die Bärlappwurzel dem Trank hinzufügen", meinte sie dann. "Die fehlt nämlich für heute noch."

"Dann sollten Sie sie jetzt zerkleinern." Er akzeptierte ihren Themenwechsel, denn in ihrer Situation hätte er sich genauso verhalten, hätte niemandem vertraut und schon gar niemanden um Hilfe gebeten.
Doch sie war so schwach …

‚Sie ist wesentlich stärker, als du es damals gewesen bist', ließ sich seine innere Stimme einmal wieder vernehmen. ‚Unterschätze sie nicht!'

Emily hatte den Bärlapp in kleine Scheiben geschnitten und fügte diese jetzt dem Trank zu, der heftig aufschäumte.

"Das muß jetzt bis morgen vor sich hin köcheln", sagte Snape. "Dann kommen die nächsten Zutaten."

Emily schloß daraus, dass sie für heute entlassen war. "Soll ich dann morgen wiederkommen", fragte sie zögernd.

"Sehr gerne", entgegnete er und sie wandte sich zum Gehen.
"Dann Gute Nacht, Professor."

"Warten Sie."
Emily drehte sich um.
"Ich dachte… na ja, trinken Sie noch eine Tasse Tee mit mir?"

Sie lächelte ein wenig. "Auch sehr gerne, aber…"

"Ich stelle auch keine unbequemen Fragen mehr", versprach Snape.

"Dann streiche ich das ‚aber'."

Und Snape hielt sein Versprechen. Sie sprachen noch eine Weile über Zaubertränke aller Art und Emily erzählte von ihrer Großmutter, die ebenfalls viel von dieser Kunst verstand - und daß Emily in ihre Fußstapfen treten wollte.

"Die Voraussetzungen dafür haben Sie jedenfalls", meinte Snape. "Sie können einmal ganz groß auf diesem Gebiet werden…"

"Wir werden sehen", sagte Emily. "Und jetzt ist es wirklich spät genug, ich gehe besser schlafen." Sie erhob sich. "Dann noch einmal gute Nacht, und bis morgen."

"Schlafen Sie gut, Miss McElwood."

Emily ging, begleitet von Snape, zur Tür. Auf Höhe des Tisches blieb sie jedoch mit ihrem weiten Ärmel an der Kante hängen und riß ihn sich beinahe ab.

"Diese Kleidung ist nicht gerade sehr praktisch", meinte Snape. "Sie hätten damit auch an dem kochenden Kessel hängen bleiben können. Und außerdem…" Er lächelte etwas. "Außerdem ist sie nicht unbedingt sehr kleidsam für Sie."

Emily errötete. "Vielleicht haben Sie Recht", sagte sie verlegen. "Bevor ich mir also aus Versehen den kochenden Trank überschütte, werde ich mal sehen, ob ich nicht etwas Praktischeres zum Anziehen auftreiben kann."

Mit diesen Worten verschwand sie und zog die Tür von außen ins Schloß.

Und Snape ertappte sich einen Moment lang bei dem Gedanken, was dieses ‚Praktische' dann wohl sein würde…


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