Blutsbande - Kapitel 3: Snape hat auch ein Problem

 

 

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Kapitel 3: Snape hat auch ein Problem



Severus Snape hatte bereits miserable Laune, noch bevor er richtig aufgewacht war.
Nicht genug damit, dass er dieses Jahr schon wieder nicht Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichten durfte, nein, es musste so ein Lackaffe wie Mayflower diesen Job bekommen. Und ausgerechnet diesem Schönling hatte Laryssa gestern den ganzen Abend lang schöne Augen gemacht! 

Snape seufzte, als er an sie dachte.

Laryssa Twinkleto. Nie zuvor hatte er etwas so Schönes gesehen, er hätte nicht einmal geahnt, dass ein Mensch überhaupt so wunderbar aussehen konnte. Die Sonne schien aufzugehen, wenn sie neben einem stand.

‚Und seit wann machst du dir etwas aus Sonnenschein', fragte eine sarkastische Stimme in seinem Inneren.

‚Seit mich ihr Strahlen getroffen hat', dachte Snape trotzig zurück. 

Er wusste nur zu genau, dass sein Äußeres niemals mit dem eines Narcissus Mayflower konkurrieren konnte (trotzdem er sich eigens für sie etwas zurechtgemacht hatte), doch seiner Meinung nach hatte er wesentlich mehr zu bieten. Was der schöne Narzissus über die dunklen Künste zu wissen schien, hatte er selbst, Severus, im kleinen Finger. Und von der Macht und der Magie, die in Zaubertränken steckte, hatte Mayflower schlichtweg nicht die geringste Ahnung.
Trotz allem (und obwohl Snape das niemals zugeben würde), der Kunst des Zaubertrankbrauens gehörte seine ganze Liebe. Na ja, vielleicht nicht die ganze, denn einen kleinen Teil davon hatte er an Laryssa Twinkleto verschenkt. Doch unglücklicherweise schien sie das nicht weiter zu interessieren.

Die wunderschöne Laryssa hatte Snape zwar freundlich, jedoch absolut unverbindlich behandelt und seine Einladung gestern zum Nachmittagstee schlichtweg ausgeschlagen. Außerdem zeigte sie an Zaubertränken nicht das leiseste Interesse. 

‚Weiber', dachte Snape verbittert ‚zu dämlich, um das Wesentliche zu erkennen. Beschäftigen sich lieber mit solchem Schwachsinn wie der Wahrsagerei - und fallen dann auch noch auf solche Dummschwätzer wie Mayflower herein!'

Er beschloß, dass es sinnlos wäre, seine kostbare Zeit weiter in eine hoffnungslose Liebe zu investieren, Laryssa nicht weiter zu beachten, sie am besten ganz zu vergessen. Doch es tat weh, es tat furchtbar weh!

Wenn ihn auch sein messerscharfer Verstand niemals im Stich ließ, ein weiterer Teil von ihm, der nämlich, der Liebe empfinden konnte, war immer noch ein kleines bisschen lebendig. Snape verachtete sich selbst für diese ‚Schwäche', doch er hätte alles dafür gegeben, dass Laryssa ihn einmal so anlächelte, wie diesen Mayflower.

‚Genug damit' befand er, stand auf und marschierte ins Badezimmer. ‚Vielleicht könnte es trotzdem nicht schaden, wenn ich etwas mehr Aufmerksamkeit auf mein Äußeres verwenden würde', dachte er dann. ‚Ich habe mich lange genug gehen lassen!'

‚Soviel zum Thema ‚wir sind an Laryssa nicht länger interessiert', spottete seine innere Stimme und Snape hätte diesem kleinen Teufelchen in seinem Gehirn nicht zum ersten mal am liebsten den Hals umgedreht. 

Wutentbrannt drehte er die Wasserhähne auf, nahm ein ausgiebiges Bad und schrubbte sich - bereits zum zweiten mal in dieser Woche - einschließlich seiner Haare. Anschließend verwendete er sogar einen Hauch von Rasierwasser, das seit Ewigkeiten unbenutzt herumstand. Aus seinem Kleiderschrank förderte er dann tatsächlich noch einen neuen Umhang zutage - und als er sich dann, erfrischt und in sauberer Kleidung im Spiegel betrachtete, gefiel ihm, was er sah. 

‚Auf diese Idee hätte ich eigentlich schon viel früher kommen können', dachte er, als er sich auf den Weg zum Frühstück machte. 

In Gedanken ging er den heutigen Unterricht durch. Vierte Klasse Hufflepuffs - kein Problem. Dann Drittklässler, Ravenclaw und Slytherin gemeinsam. Auch das erforderte keine weitere Vorbereitung. Gleich nach dem Mittagessen waren heute die Siebtklässler an der Reihe, Slytherin zusammen mit Gryffindor.

Snape schnaubte verächtlich durch die Nase. Nicht genug, dass er sich da mit diesem Potter, der altklugen Granger und dem unfähigen Longbottom herumärgern musste - nein, Gryffindor hatte anscheinend Verstärkung bekommen. Und zwar in Form von dieser Rotznase McElwood, die ein ganz besonders loses Mundwerk zu haben schien. Das hatte er ja bereits an ihrem ersten Abend feststellen dürfen.
Na bestens, Snape war gerade in der richtigen Stimmung für so etwas, der würde er Manieren beibringen! Einem Severus Snape tanzte niemand auf der Nase herum!
Und mit diesen Aussichten fühlte er sich gleich etwas besser. 

Schwungvoll rauschte er ein einem Trupp Schüler vorbei, betrat die große Halle und nahm am Frühstückstisch Platz.

***


"Habt ihr Snape gerade gesehen? Der ist ja kaum wiederzuerkennen!" Die kleine Schülerschar, an der Snape gerade vorbeigekommen war, stand etwas ratlos im Flur.

"Er muß tatsächlich mal gebadet haben", wunderte sich Kevin Conolly, ein Viertklässler aus Ravenclaw.

"Ja, und ein paar neue Klamotten hat er sich wohl auch zugelegt." Das war Molly Muldone aus Hufflepuff.

"Und er roch richtig gut", seufzte ein weiteres Mädchen.
"Ihr werdet doch jetzt nicht anfangen, von Snape zu schwärmen?", spottete Kevin.
Einige der Mädchen erröteten. "Das wohl nicht gerade", meinte Molly, "aber so sieht er richtig … attraktiv aus!"

"Als ob wir mit Mayflower noch nicht genug hätten", stöhnte Kevins Freund Frederic und wurde dafür von allen anwesenden Mädchen mit wüsten Beschimpfungen überhäuft.

Allerdings schien Mollys Meinung von vielen anderen Schülerinnen ebenfalls geteilt zu werden. Während des Frühstücks wurde eifrig getuschelt - und wohl zum ersten mal in seinem Leben bekam Snape diverse bewundernde Blicke und hin und wieder sogar ein freundliches Lächeln zugeworfen. 

Und Snape, der das sehr wohl mitbekam, musste sich eingestehen, dass er es genoß. 

Narcissus Mayflower hatte ihn bei seinem Morgengruß etwas irritiert gemustert und sich wohl gefragt, ob der Zaubertrankmeister nun eine ernstzunehmende Konkurrenz darstellte. Anscheinend war er dann zu dem Schluß gekommen, dass dem nicht so sei, hatte sein idiotisches Grinsen aufgesetzt und sich ein paar Stühle weiter entfernt niedergelassen.

‚Na warte', dachte Snape höhnisch. ‚Wollen doch mal sehen, ob Laryssa dich noch immer für den Mittelpunkt des Universums hält.' 

Doch zu seinem Leidwesen schien Miss Twinkleto genau davon nach wie vor überzeugt zu sein. Sie hatte ihm zwar höflich einen guten Morgen gewünscht, sich dann aber sofort Narcissus zugewandt und mit ihm ein intensives Gespräch begonnen.

Snapes kurzes Hochgefühl endete in einer jähen Bruchlandung. Was interessierte es ihn, wenn ihn die Schülerinnen anhimmelten? Was sollte er mit diesem jungen Gemüse, wenn daneben eine Frau wie Laryssa … Er zwang sich, an etwas anderes zu denken. ‚Vergiß sie, du musst sie einfach vergessen', ermahnte er sich selbst. ‚Das kann doch nicht so schwierig sein!'

Verzweifelt auf der Suche nach einer Ablenkung ließ er seinen Blick über die versammelte Schülerschaft schweifen. Pansy Parkinson am Slytherintisch zwinkerte ihm ganz ungeniert zu, was Snape einerseits amüsierte, gleichzeitig aber auch ärgerte. ‚Diese dumme Gans, was bildet die sich eigentlich ein?'

Er schaute weiter zu den Gryffindors, und selbst dort schien man ihn heute etwas wohlwollender als sonst zu betrachten.

Bis auf - natürlich, Emily McElwood. Sie ließ ihren spöttischen Blick zwischen ihm und Miss Twinkleto hin- und herwandern, als ob sie genau wüsste, was es mit seiner neuen Erscheinung auf sich hatte - und auch, dass die ganze Mühe vergeblich gewesen war. 

‚Unverschämtes Gör', dachte Snape und spürte, wie ihm die Galle hochstieg. Doch als er noch einmal zu ihr hinüberschaute, glaubte er, so etwas wie … Mitleid in ihren Augen zu sehen. Das gab ihm den Rest. Alles konnte er ertragen, doch Mitleid, das war zuviel. ‚Wir sprechen uns heute noch, junge Dame', dachte er, warf seine Serviette in den Teller und verließ mit seinem gewohnt finsteren Gesichtsausdruck die Halle.

***


"Komisch, was hat er denn plötzlich", wunderte sich Hermine. "Ich hatte schon angefangen zu hoffen, dass er etwas umgänglicher geworden wäre."

"Eher würde McGonagall im Minirock zum Unterricht erscheinen", sagte Ron und alles lachte.

Emily hätte die Antwort darauf gewußt, doch sie schwieg lieber. Was nützte es zu verbreiten, dass der allseits so gefürchtete Snape Liebeskummer hatte? Wenn die anderen keine Augen im Kopf hatten, die offensichtlichen Tatsachen zu bemerken, war das deren Problem. Und was Snape anging - nun, der konnte ihr egal sein, außerdem tat er ihr irgendwie leid. 

Allerdings war sie davon überzeugt, dass sie mit Snape Ärger bekommen würde. Emily verfügte über eine scharfe Beobachtungsgabe und war auch sehr gut darin, die Blicke anderer Menschen zu deuten. 

Und so, wie Snape sie gerade eben angesehen hatte, war ihr klar, dass Snape wusste, dass sie von seinem Zustand wusste … Und der Zaubertrankmeister war keiner von den Menschen, die so etwas einfach wegstecken würden. Emily richtete sich in Gedanken schon einmal auf eine härtere Konfrontation während der Zaubertrankstunde ein. Nicht, dass sie davor Angst gehabt hätte, denn seit der Sache mit Lennard … 

Sie zwang sich, an etwas anderes zu denken. Bloß nicht daran mehr Gedanken verschwenden, als es unbedingt nötig war - die Nächte waren schließlich schon schlimm genug. Doch das, womit sie sich herumquälen musste, war so entsetzlich, dass ihr nichts anderes mehr Angst machen konnte. 

‚Wenigstens etwas Positives hat die Sache', dachte Emily voller Galgenhumor.
"Du hast die letzte Nacht schon wieder so schlecht geschlafen", wurde sie von Hermine aus ihren Gedanken gerissen. "Du hast dich ständig herumgewälzt - und manchmal sogar geschrien. Ich bin dauernd davon aufgewacht!"

"Das tut mir leid", sagte Emily nur. Was hätte sie auch sonst sagen sollen?

"Ist das bei dir ein Dauerzustand oder hört das auch mal wieder aus", wollte Hermine jetzt wissen. 

Emily schaute ziemlich verlegen drein. "Ich fürchte, das wird noch eine Weile so bleiben", meinte sie. "Jedenfalls solange, bis ich …" Verdammt, sie musste besser aufpassen! Beinahe hätte sie schon wieder zuviel verraten.

"Vielleicht solltest du mal zu Madame Pomfrey gehen", schlug Hermine freundlich vor. "Die Schulschwester", erklärte sie, als Emily sie nur verständnislos anschaute. "Deine Nächte scheinen dir nämlich gar nicht gut zu bekommen, du siehst mit jedem Tag elender aus!"

Das wusste Emily selbst nur zu gut, doch ihr Aussehen war so ziemlich das letzte, worüber sie sich im Moment Gedanken machte. Sie hatte weiß Gott andere Probleme! ‚Dabei haben mir früher alle gesagt, aus mir würde einmal eine richtige Schönheit werden', dachte sie bitter. ‚Doch damit ist es wohl für immer vorbei, seit diesem verfluchten Abend, an dem ich …' Und wieder musste sie ihre Gedanken in andere Bahnen zwingen, anderenfalls würde die Quälerei auch noch tagsüber losgehen. 

"Und denkst du an dein Versprechen", wechselte Hermine taktvoll das Thema.
Emily musste einen Augenblick lang überlegen, dann lächelte sie. "Ja, ich werde mich zusammennehmen und versuchen, für Gryffindor nicht noch mehr Punkte zu verlieren", versprach sie noch einmal.

"Danke, das ist wirklich nett von dir", entgegnete Hermine.

Emily musste immer noch lächeln, jetzt allerdings etwas wehmütig. ‚Sie sind so jung, so unschuldig', dachte sie. ‚Und sie ahnen nicht einmal, wie glücklich sie sind, sich nur um solche Kleinigkeiten wie etwa einen gewonnenen Hauspokal Sorgen machen zu müssen.' Und Emily kam sich, wie so oft in letzter Zeit, unendlich alt vor. Ein Kind, dem man etliche Jahre der Unbeschwertheit gestohlen hatte, das viel zu früh und viel zu plötzlich hatte erwachsen werden müssen. 

"Es wird Zeit, McGonagall wartet", verkündete Seamus Finnigan kurz darauf. "Mal sehen, wie sie die gestrige Krähe weggesteckt hat."

‚Vielleicht kann ich ja wenigstens das wieder in Ordnung bringen', überlegte Emily, als sie den anderen hinterherzockelte. Was allerdings die Stunde bei Snape anging, konnte sie für nichts garantieren. 

"Und danach haben wir ENDLICH Verteidigung gegen die dunklen Künste!" Parvati war schon ganz aufgeregt.

"Versprich dir davon mal nicht zuviel", meinte Dean Thomas. "Ich hab von einigen, die gestern bei ihm die erste Stunde gehabt haben, schon so einiges gehört."
"Und?", wollte Lavander Brown wissen.

"Tja, unser schöner Narcissus ist wohl nicht ganz so schlimm wie seinerzeit Gilderoy Lockheart", berichtete Dean, "aber viel fehlt wohl nicht!"

Zumindest die Jungen stöhnten auf. 

"Das hat uns gerade noch gefehlt - und ausgerechnet in Verteidigung gegen die dunklen Künste", meinte Harry verärgert. "Dabei wollte ich gerade dort tatsächlich noch was lernen!"

Die Mädchen waren jedoch nicht so leicht zu entmutigen.
"Ich denke, wir können sehr wohl noch was bei ihm lernen", versetzte Lavander herausfordernd.

"Klar, wenn du noch ein paar Make-up-Tips benötigen solltest …" Ron konnte es nicht lassen.

"Schauen wir doch erst mal, wie es wird. Und übrigens, wenn deine verehrte Miss Twinkleto tatsächlich mehr drauf haben sollte als die Trelawney, fresse ich meinen Besen", giftete Parvati zurück.

Ron errötete. Er hatte es tatsächlich hinbekommen, Wahrsagen in seinem Stundenplan unterzubringen. Und heute Nachmittag würde die erste Stunde stattfinden. 

Harry seufzte.

"Der Tag kann ja heiter werden", meinte er nur.


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