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Kapitel 20: Wer die Wahl hat…

 

Harry hörte wie Ron vor sich hin murmelte: „Er hat es doch gut gemeint. Er wollte doch nur helfen.“
Ja, natürlich hatte Dumbledore es gut gemeint, das tat er immer und er war immer gerne bereit zu helfen. Das einzige Problem dabei war, dass es ihn nie wirklich interessierte, ob die Person, um die es ging, seine Hilfe überhaupt haben wollte. Harry hatte diese „Hilfe“ mehr als einmal erhalten und so manches Mal wäre er froh darüber gewesen, wenn Dumbledore sich einfach herausgehalten hätte. Wenn er so zurückdachte, dann fragte er sich ab und zu ernsthaft, ob Dumbledore es nicht eventuell geplant haben könnte, dass er den Weg in das Gringotts-Verließ der Schule fand, ob es nicht von Anfang an seine Idee gewesen war, dass Harry den Stein der Weisen verteidigen sollte. Es hatte ihm genauso genommen sehr dabei geholfen, erwachsen zu werden, das Band zwischen seinen Freunden zu stärken, sich seines eigenen Potentials bewusst zu werden und den Respekt vieler seiner Mitschüler zu ernten. Auf der anderen Seite hätte es ihn ohne weiteres locker das Leben kosten können.


Im Inneren der Blase war Albus Dumbledore sehr nahe daran einen Wutanfall zu haben. Er stürmte in seinem Büro auf und ab und gestikulierte wild mit den Armen und schrie abwechselnd die beiden Personen an, die vor seinem chaotischen Schreibtisch standen. Eine der beiden Figuren war Minerva McGonagall, die immer geradeaus auf einen Punkt an der Wand hinter dem Schreibtisch starrte, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Die andere Gestalt war ein außerordentlich selbstzufrieden aussehender Severus Snape. Der Junge versuchte, eher halbherzig, ein Lächeln zu unterdrücken.
„Wie kannst du nur, Minerva? Und dann auch noch hinter meinem Rücken! Ich dachte, wir hätten darin übereingestimmt, dass es für uns alle die beste Lösung wäre, wenn er die Ferien über hier bleibt.“
McGonagalls Stimme war ruhig und ihre Augen verließen nicht für eine Sekunde die Wand.
„Nein, Albus, wir waren uns nicht einig, du hast es so beschlossen. Und ich habe nicht hinter deinem Rücken gehandelt. Der Brief kam hier an, als du nicht da warst, ich habe mich dem als stellvertretende Schulleiterin angenommen und habe dich sofort nach deiner Rückkehr davon in Kenntnis gesetzt.“
Der alte Zauberer hielt vor ihr inne und schenkte ihr einen äußerst unfreundlichen Blick, den sie vollkommen ignorierte. Snapes Mundwinkel bewegten sich dabei nur ein klitzeklein wenig.
„Aber jetzt ist es zu spät, Minerva!“
Dumbledore brüllte direkt in ihr Gesicht und brachte damit ihre Brille zum Beschlagen.
„Du hast zurück geschrieben, dass wir über dieses Angebot nachdenken sollten und uns überlegen, was denn nun am besten für den Jungen ist. Du hättest ihm schlichtweg eine Absage erteilen sollen. Wie können wir JETZT dieses Angebot noch ausschlagen?“
Zu guter Letzt sah sie ihn an.
„Das kannst du nicht. Und das solltest du auch nicht. Ihn dorthin zu schicken ist in der Tat das beste für ihn und dort wird er eben so sicher sein, wie er es hier ist. Also, soll ich jetzt hier weiterhin stehen bleiben, damit ich mich länger von dir anbrüllen lassen kann, oder soll ich Lord Malfoy hereinbitten?“
Dumbledore starrte sie noch einen Augenblick länger an und schien sich offenbar zu fragen, ob es wirklich so eine gute Idee gewesen war, sie zu seiner Rechten Hand zu machen. Dann schritt er auf seinen Schreibtisch zu, rückte seine Roben zurecht, fuhr sich mit zitternden Fingern durch seinen Bart und murmelte etwas in eben diesen.
McGonagall holte einmal tief Luft und ermunterte den so stillen Slytherin an ihrer Seite mit einem warmen Blick, ehe sie davonging. Snape betrachtete den Schulleiter eine Zeit lang, den Kopf auf eine Seite gelegt. Eine schwarze Harrsträhne hing ihm in die Augen, aber er machte sich nicht die Mühe sie aus seinem Blickfeld zu schieben.
„Warum möchten Sie mich unbedingt hier behalten? Ich werde doch nur in jedermanns Weg sein, mich dort aufhalten, wo es die Lehrer eigentlich gewohnt sind während der Ferien unter sich zu sein. Und Sie werden die meiste Zeit sowieso nicht da sein.“
Der Direktor schob ein paar Papiere auf seinem Schreibtisch zurecht. „Um genau zu sein, hatte ich immer den Eindruck, Sie würden die Gesellschaft älterer Menschen um sich schätzen und dass Sie gerne Ihre freie Zeit in der Bibliothek oder unten im Kerker verbringen würden, wenn wir Sie nur lassen. Wie kommt es, dass es Ihnen so schrecklich vorkommt hier bleiben zu müssen?“
Der Junge lächelte. „Ich habe sie zuerst gefragt.“
Der Schulleiter hielt in seinem vorgeschobenen Versuch inne, Ordnung auf seinem Schreibtisch zu machen und lächelte, wenn auch leicht gezwungen, zurück.
"Mr. Snape, ich denke, dass Sie eine unglaubliche Gabe haben, intellektuell wie auch magisch und ich weiß auch, dass es dort draußen eine Menge Menschen gibt, die sich nur zu gerne diese Vorzüge zu nutze machen möchten. Hier aber können wir Ihnen dabei behilflich sein, sich frei, aber sicher zu entfalten.“
Snape sah nachdenklich drein, die Worte seines Lehrers für einige Augenblicke erwägend, und nickte dann.
„Ich mag die Gesellschaft derer, die älter sind als ich es bin“, beantwortete er nun die Frage des Direktors, „aber ich schätze mal, dass das auch daran liegt, dass ich nie eine andere Wahl hatte, ehe ich nach Hogwarts kam. Wenn ich nun also die Wahl habe“, er machte eine rhetorische Pause, ehe er weiterredete, „dann würde ich es vorziehen, die Ferien mit denjenigen zu verbringen, die in den vergangenen Jahren meine Freunde geworden sind.“
Dieses Mal nickte der Schulleiter.


Er lügt, dachte Harry. Dumbledore lügt. Der einzige Grund, warum er Snape in Hogwarts behalten wollte, war der, um sein eigenes Gewissen zu beruhigen.


Es folgte nun eine Reihe von Erinnerungen, die Snape alle an verschiedenen Orten und umgeben von den verschiedensten Menschen, verbrachte. Der einzige rote Faden durch all dieses Durcheinander war die ständige Präsenz von Lucius Malfoy und ein stetiges, entspanntes Lächeln auf dem Gesicht des dunkelhaarigen Slytherin. Es schien so, als ob er sogar etwas Farbe bekommen hatte.
Ausflüge in die Zaubererwelt sowie in die der Muggel schossen vorüber, kurze Einblicke von Versammlungen in äußerst eleganten, wenngleich auch ziemlich finsteren Umgebungen und Eindrücke von Partys. Harry war sich sicher, für den Bruchteil einer Sekunde einen Blick auf eine Hochzeitszeremonie erhascht zu haben, wo Narzissa Black ganz in weiße, lange Roben gehüllt war.
Alles wurde wieder etwas langsamerund schließlich kamen sie in einer großen Bibliothek zum Halt. Hauselfen rannten eilfertig umher, Getränke und Häppchen servierend. Vornehm gekleidete Leute standen neben den Regalen, als handelte es sich um dekorative Statuen, nur dass sie scheinbar alle eifrig miteinander diskutierten. Snape hing mehr oder weniger entspannt in einem der Sessel und tat so, as lese er ein Buch mit dem Titel „Gegenzauber – die irrtümliche Verurteilung einer unterschätzten Kunst“, wobei er allerdings missbilligend zu Lucius Malfoy und Narzissa, dessen offenbar frisch angetrauten Frau herüber sah. Die beiden drückten sich in einer dunklen Ecke herum, wo sie sich gegenseitig alberne Kosenamen zuflüsterten und immer und immer wieder an den Ringen an ihrer jeweils linken Hand herumfingerten.
Das Geräusch schwerer Stiefel auf dem hölzernen Parkettboden ließ jeden aus der jeweiligen Pose hochschrecken. Sekunden später betrat eine imposante Figur die Bibliothek und ging schnurstracks auf Lord und Lady Malfoy zu, die beide ihre Köpfe beugten.
Snape legte sein Buch beiseite, die Seite, die er vorgegeben hatte zu lesen sorgfältig markierend, um sich dann zu den anderen zu gesellen, die sich in einem Teil des Zimmers aufhielten, der ein großes Fenster besaß. Das Fenster allerdings wurde gerade in diesem Augenblick durch schwere, dunkle Vorhänge verhängt und die Leute begannen es sich auf den reichlich mit Kissen versehenen, hübsch verzierten Stühlen bequem zu machen. Für alle gab es keinen Platz, also nahmen die jüngeren ihre üblichen Plätze bei den Versammlungen weiter hinten ein.


Harry tat sein Bestes, um seine Aufmerksamkeit auf irgendetwas in dem Raum zu richten, nur eben nicht auf diese anschwellende Stimme, die nun aus der Blase zu vernehmen war. Es war die Stimme, die ihn in seinen Träumen verfolgt hatte, die ihn bis ins Mark erschütterte und die selbst jetzt seine Seele gefangen nahm. Den vollkommen wahnsinnigen Ausführungen folgend von wegen reinblütiger Überlegenheit, Muggel–Unterlegenheit und die Schuld, die diese ihnen zurückzahlen mussten, war ja schon schlimm genug anzuhören. Doch diese charismatische Stimme machte es unglaublich schwer, das hier zu ignorieren.
Hermine saß neben ihm, verloren in ihren Gedanken, eine Strähne ihres nun heillos verknoteten Haares um ihren rechten Zeigefinger gewunden, starrte mit offenem Mund auf diese Szene. Eine steile Falte machte sich zwischen ihren leicht buschigen Augenbrauen bemerkbar und schien sich dort auch recht wohl zu fühlen.
Die anderen Mitglieder des Ordens schienen dem gleichen Dilemma erlegen zu sein, hin- und hergerissen zwischen Faszination und tiefer Abscheu, denn wie es Harry vorkam, gab es nicht einen einzigen, der fähig war, sich dem Anblick in der Erinnerung zu entziehen. Selbst Lupin sah vollkommen gebannt aus und murmelte Tonks leise irgendwelche Kommentare zu, wobei diese jedoch lebhaft mit dem Kopf schüttelte, es allerdings nicht fertig brachte, ihre Augen von dem Redner zu lösen.

Als die Rede zu Ende war, gab es donnernden Applaus, der am lautesten schien, wo Malfoy mit seinen üblichen Freunden Hof hielt. Snape lehnte an einem der Bücherregale und klatschte höflich, jedoch ohne viel Enthusiasmus.
Elegant schritt Voldemort herüber zu der Gruppe junger Leute und die Menge teilte sich vor ihm, wie das Rote Meer es für Moses getan hatte. Die gebeugten Köpfe schienen ihm zuzusagen und ein geheimnisvolles Lächeln breitete sich auf seinem irgendwie alterslosen Gesicht wieder.
„Der junge Lord und die junge Lady Malfoy, wie ich sehe. Meinen Glückwunsch an euch beide und die inständige Bitte, mir mein Nichterscheinen bei eurer Vermählung nachzusehen und hiermit meine Entschuldigung anzunehmen. Ich hatte bedauerlicherweise anderweitig wichtiges zu erledigen. Ich denke, ihr werdet das verstehen.“
„Selbstverständlich verstehen wir das“, stammelte Narzissa und errötete auf entzückende Weise. Lucius himmelte sie an.
„Lucius“, Voldemort wandte sich direkt an den blonden, jungen Mann, „würdest du bitte später zu mir in das Arbeitszimmer deines Vaters kommen? Ich habe einige interessante Entdeckungen gemacht, die ich gerne mit dir diskutieren würde.“
Lucius errötete ebenso sehr wie Narzissa es nur Sekunden vorher getan hatte. „Es ist mir eine Ehre, Mylord.“
Voldemort lächelte ein zufriedenes kleines Lächeln und ging weiter nach hinten.
„Severus, komm, drehen wir eine Runde.“
Er sah nicht einmal den geschockten Ausdruck und die sich plötzlich ausbreitende Panik auf dem Gesicht des Jugendlichen, als er zur Tür schritt und in den Garten trat. Snape schluckte schwer und begann, ihm auf unsicheren Beinen zu folgen, während ihm seine Freunde aufmunternd auf den Rücken klopften. Er holte den älteren Mann bei einem Beet voll gelber Rosen ein, die in der Nachmittagssonne leuchteten.
„Severus, wo hast du dein Herz?“
Unglaublich blaue Augen starrten in tiefdunkle, höfliches Interesse strahlte aus ihnen.
„Ich bin mir nicht… ganz sicher, was Sie meinen, Mylord“, murmelte Snape und sah rasch in eine andere Richtung.
„Was ich meine, Severus“, fuhr Voldemort fort, während er weiter entlang der Beete verschiedenster Blumen schritt, „ist, dass ich bei dir die Leidenschaft vermisse, die ich eigentlich gewohnt bin, wenn ich meine Reden halte. Wenn ich mir die Menge ansehe, dann kann ich förmlich sehen, wie mir ihre Herzen zufliegen und sie mir folgen. Nur deines, deines spüre ich nicht.“
Ein weiterer neugieriger Blick traf Snapes verängstigtes Gesicht.
„Nun, ich weiß, dass ich ein begnadeter Redner bin, dementsprechend schließe ich mal aus, dass es an mir liegt, wenn ich es nicht schaffe, deine Leidenschaft zu entfesseln. Es muß also etwas anderes sein.“
Vor einer verschnörkelten Eisensitzbank hielt er an und lud den jüngeren Zauberer dazu ein sich darauf niederzulassen. Vorsichtig setzte sich Snape ganz an das andere Ende der Bank und wagte es letztendlich, den anderen Mann anzusehen, doch noch immer zu durcheinander, um sofort eine Antwort zu geben.
Voldemort seufzte. „Lord Malfoy hat mir von deiner Familie erzählt und ich habe mir die Freiheit herausgenommen, ein paar persönliche Nachforschungen anzustellen. Ich hatte das Vergnügen, deinen Vater zu treffen und ich muss sagen, ich bin ziemlich beeindruckt.“
Panik lag auf Snapes jungem Gesicht, als er krampfhaft versuchte eine geeignete Erwiderung zu finden. Das brauchte er aber eigentlich gar nicht, denn Voldemort fuhr fort: „Ich bin von dir beeindruckt, dass du so lange überlebt hast, wo du der Gnade eines Mannes ausgesetzt warst, der dem Wahnsinn so sehr verfallen ist, wie dein Vater. Bitte versteh mich nicht falsch, Severus, er ist sicherlich ein Genie, aber er ist ebenso sicher mental mehr als nur unstabil.“
Er rückte zu dem jungen Mann hinüber und legte eine Hand auf dessen Arm.
„Severus, deine Mutter ist tot. Er hat sie ein paar Tage nachdem dieser alte Narr sie besucht und versucht hat sich in Dinge einzumischen, die ihn gar nichts angehen, getötet.“
Snape starrte ins Nichts, als Tränen seinen Blick verschleierten. Ein tiefer Seufzer schien sich in seiner Brust aufzubauen, doch er ließ ihn nicht entweichen.
Für eine Weile sagte oder tat Voldemort nichts. Seine Hand lag noch immer auf Snapes Arm und beruhigte ihn ein wenig, linderte das Zittern. Als der dunkelhaarige Junge endlich zu ihm aufsah, war das Lächeln des älteren Mannes verschwunden. Ein eindringlicher Blick lag in seinen Augen, als er fragte: „Möchtest du, dass ich ihn für dich töte? Oder soll ich dir zeigen, wie man so etwas macht, damit du das selbst erledigen kannst?“


 

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