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Kapitel 5: Katzen und Eulen

 


Harry durchstöberte seine Taschen nach einem Taschentuch. Als er eines gefunden hatte, zerknittert, aber sauber, bot er es Hermine an, die es dankbar in Empfang nahm. Keiner von ihnen hatte es gewagt, auch nur einen Laut von sich zu geben. Als er wieder in die Halle hinunter sah, bemerkte er, daß Mrs. Weasley sich hingesetzt hatte, blaß im Gesicht und an ihren Mann gelehnt, beinahe ein Abbild ihrer Tochter, die sich an ihren Bruder schmiegte. Lupin saß in einem weiteren Stuhl und kaute nervös an der Nagelhaut seines linken Zeigefingers herum. Er sah eindeutig tief betroffen aus.

Innerhalb der Blase zogen kurze, spotartige Szenen vorüber. Snape Senior, wie er versuchte, seinen schreienden Jungen in die Bibliothek zu zerren. Streitereien in einer sehr sauberen Küche, während denen der Vater beide, sowohl Sohn als auch Ehefrau anbrüllte. Ein Szenenwechsel. Etwas, das aussah, wie ein dunkler Keller - ein Kerker. Der Ablauf verlangsamte sich und die Stimmen wurden wieder hörbar.

Viele der Bücher, waren offensichtlich von dem Raum oben hierher in den Keller befördert worden, ebenso wie der Tisch und zwei der Stühle. In der rechten Ecke des Raumes, simmerte ein Kessel über einem offenen Feuer und allerlei Gläser und Büchsen standen in den hiesigen Regalen. Der Junge war nun älter, mindestens sechs, aber nichtsdestotrotz immer noch erstaunlich klein. Sein Haar war gewachsen und fiel ihm ständig ins Gesicht. Mit einer ungehaltenen Bewegung wischte er es nach hinten und stopfte es hinter die Ohren, während er etwas auseinander nahm, was irritierender Weise sehr nach einem kleinen Kätzchen aussah. Sein Vater saß auf der anderen Seite des Tisches und schrieb Etiketten, die er auf die frisch gefüllten Gläser klebte.
"Vater?" Die Stimme war so leise, dass man sie kaum vernehmen konnte. "Sir?"
Snape Senior hob den Kopf und sah seinen Sohn aus kalten Augen an. "Was? Ist dir schon wieder schlecht? Möchtest du noch eine Pause machen?" Er hatte es nicht gesagt, aber es lag eine eindeutige Drohung in der Stimme, daß das wohl besser nicht der Grund für die Unterbrechung sein sollte.
"Nein, ich bin in Ordnung. Und ich bin fast fertig", fügte der Junge hastig hinzu und hielt ein blutverschmiertes Organ hoch, während er vorsichtig ein winziges, stolzes Lächeln wagte. Sein Vater nickte, beugte sich wieder vor und schrieb mehr Etiketten.
"Was ist es also?"
"Ich habe mich nur gefragt, Sir... Ich bin doch schon fast sieben und..." Seine Stimme wurde immer leiser und das wenige an Mut, das er noch übrig hatte, schien ihn auch noch verlassen zu wollen. Schnell holte er tief Atem und sagte: "Ich habe nur überlegt, wann ich denn zur Schule komme, Sir."
Ohne aufzusehen erwiderte der Vater: "Was denkst du, ist das, was wir hier machen? Und du hast bereits vor zwei Jahren damit angefangen."
Die kleine Klinge stoppte mit dem durchtrennen von Muskeln und Sehnen, gleichwohl der Kopf des Jungen über den toten Körper des Kätzchens gebeugt blieb.
"Ich hatte immer angenommen, daß ich in eine normale Schule gehe, wie all die anderen Kinder auch. Zumindest für die ersten paar Jahre, bevor ich..."
"Deine Mutter und ich haben entschieden, daß es besser für dich ist, wenn du nicht mit Muggelkindern zusammenkommst. Auch wenn andere Zaubererfamilien das nicht weiter zu stören scheint."
Er erhob sich, ging herüber zu dem Regal und stellte das beschriftet Glas auf eine freie Stelle, dann wandte er sich um, um durch das Haar seines Sohnes zu streichen.
"Du hast dein magisches Talent schon so früh gezeigt, Severus, daß es ein Verbrechen wäre, sich nicht weiter darauf zu konzentrieren."
Zum ersten Mal enthielt seine Stimme so etwas wie Stolz und er schaffte es sogar, dem Jungen, der gerade damit beschäftigt war sein zerstruwweltes, ungekämmtes Haar wieder in Ordnung zu bringen, ein aufmunterndes Lächeln zu schenken.
"Außerdem, was willst du überhaupt in einer Muggelschule? Lesen? Schreiben? Rechnen? Du könntest wohl eher deinen beschränkten Muggellehrern noch was beibringen."
Der Mann lachte in sich hinein, als hätte er gerade einen äußerst komischen Witz erzählt.
"Aber Susanna ist zu Schule gegangen, als sie..."
Der Junge hatte keine Möglichkeit seinen Satz zu Ende zu bringen, denn der Vater hatte ihn bereits am Kragen seiner abgetragenen, unordentlichen Roben gepackt. Ihre Gesichter nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, wisperte er mit tödlicher Stimme: "Ich habe dir gesagt, du sollst ihren Namen nie wieder in den Mund nehmen. Und ich bin mir sicher, daß ich es dir mehr als einmal gesagt habe. Braucht dein Hirn eine kleine Gedächtnisauffrischung?"
Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er die rechte Hand des Jungen und tauchte sie in den brodelnden Inhalt des Kessels. Das Kind biß sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuschreien, dennoch entkam ihm ein leichtes Wimmern.
"Du machst das hier fertig und fängst mit dem nächsten an. Dann kannst du rauf kommen und deine Mutter nach deiner Hand sehen lassen."
Die Tränen zurückhaltend, die sich deutlich ihren Weg aus den Augenwinkeln bahnen wollten, verstaute der junge Snape die Organe der Katze in einigen leeren Gläsern, füllte sie mit einer Flüssigkeit auf, schrieb die Etiketten und reihte sie vorsichtig am Rand des Tisches auf. Dann ging er herüber zu einem Korb, der in der Ecke nahe der Feuerstelle stand, öffnete den Deckel mit seiner verbrannten, rechten Hand und langte mit der linken hinein. Ohne hinzusehen, zog er ein weiteres Kätzchen heraus, setzte es auf der Tischplatte ab und deutete mit dem Reservezauberstab seines Vaters darauf.
"Avada Kedavra", sagte er mit leicht gebrochener Stimme. Das Kätzchen fiel, ohne einen Laut von sich zu geben, hin. Sich immer noch auf die Unterlippe beißend, drehte er den winzigen Körper behutsam auf den Rücken, nahm erneut die Klinge und begann mit dem sezieren.

Harry hörte jemanden aus der Richtung, wo er vermutete, daß sich Tonks gegen die Wand gelehnt hatte, würgen. Doch es war nicht genug Zeit, die Reaktionen der anderen genauer unter die Lupe zu nehmen, weil sich bereits wieder neue Bilder formten und dieses Mal, erkannte Harry die Umgebung. Es war die Winkelgasse.

Ein vermutlich elf Jahre alter Severus Snape marschierte an der Hand seiner Mutter die Straße entlang. Sein Vater war nirgendwo zu sehen, was vielleicht die entspannte Haltung des Jungen und sein breites Lächeln im Gesicht erklärte. Seine Erscheinung war irgendwie anders und nicht nur deshalb, weil er ein gutes Stück gewachsen war. Es schien, als ob seine Nase mindestens einmal gebrochen worden war und es niemanden interessiert hatte, sie wieder ordentlich zusammenwachsen zu lassen. Gerade jetzt war er emsig damit beschäftigt, seine Mutter in die Richtung von Eeylops Eulenkaufhaus zu ziehen. Sie allerdings, schien andere Pläne zu haben.
"Nein Severus, alles der Reihe nach. Wir werden jetzt erst deine Bücher kaufen und dann, während ich mich um den Nachschub an Zutaten für die Tränke deines Vaters kümmere, wirst du bei Ollivander bleiben und dir deinen Zauberstab aussuchen."
"Muß ich wirklich alleine gehen, Mutter?"
Der Junge schien absolut verschreckt bei dem Gedanken, aber die Mutter war viel zu bestimmt, als dass sie den großen, verängstigten Augen und der sich festklammernden Hand nachgegeben hätte.
"Ja, mußt du und keine Diskussionen. Komm schon, Severus, du bist doch jetzt ein großer Junge. In ein paar Wochen wirst du zum ersten Mal nach Hogwarts fahren und da mußt du dich ja auch alleine zurechtfinden."
Sie zog ihr murrendes Kind hinter sich her und zu Flourish und Blotts hinein. Drinnen überreichte sie dem Mann hinter dem Verkaufstresen eine vertraut aussehende Liste und drehte sich dann herum, langsam durch den Laden streifend, die Titel der Bücher in ihrer Nähe in Augenschein nehmend. Plötzlich schrie sie leise vor Freude auf, hastete in eine Ecke des Ladens und kehrte mit triumphierenden Lächeln zurück, in ihren Armen hielt sie ein dickes Buch.
"Dein Vater hat schon seit einer Ewigkeit nach diesem Buch gesucht", erklärte sie atemlos, als sie es ihrem Sohn zeigte. Er schenkte dem Buch einen halbherzigen Blick, seine Gedanken scheinbar immer noch einerseits mit der beängstigenden Aussicht beschäftigt, allein zu Ollivanders zu müssen und andererseits mit der höchst erfreulichen Angelegenheit eine Eule zu kaufen. Seine Mutter fügte den wertvollen Fund dem Stapel an Büchern auf dem Tresen hinzu, bezahlte, verstaute die Sachen und verließ den Laden. Schleunigst folgte er ihr.
Der nächste Halt war vor dem schäbig aussehenden Laden, der die besten Zauberstäbe Englands verkaufte - Ollivanders.
"Da, bitte; ich denke nicht, daß du mehr brauchen wirst." Mit diesen Worten drückte ihm die Mutter ein paar golden schimmernder Münzen in die Hand.
"Wenn ich fertig bin, dann hole ich dich hier wieder ab. Warte auf mich drinnen, oder hier draußen, das ist mir egal, aber geh nicht irgendwo anders hin. Ist das klar, Severus?"
Der Junge nickte und schaute sehnsüchtig seiner Mutter hinterher, wie sie die Straße hinunterging. Ihr Haar glänzte in der Sonne und mit jedem ihrer Schritte tanzten ihre langen Locken. Er seufzte, legte seine Hand auf den Türknauf, seufzte noch einmal und betrat den Laden.
Ein helles Glöckchen erklang und ließ ihn beinahe vor Schreck aus der eigenen Haut springen. Wachsam sah er sich in dem kleinen Raum um, überfüllt mit schmalen Schachteln und von einem komischen, verstaubten Geruch durchdrungen. Von irgendwo hinter den hohen Stapeln, hörte er eine sanfte Stimme.
"Der junge Severus Snape, nehme ich an?"
Ein weißhaariger Kopf, mit blassen, beinahe farblosen Augen kam hinter den aufgetürmten Schachteln hervor, gefolgt von einem kleinen, schmalen aber aufrechten Körper.
"Ich bin erfreut zu sehen, daß, obwohl dein Vater ja selber eine Kreation von Gregorovich bevorzugt, er sich dafür entschlossen hat, dich deinen Zauberstab bei mir kaufen zu lassen. Sehr erfreut sogar."
Das ständige Lächeln auf dem Gesicht von Mr. Ollivander schien den Jungen etwas aus der Fassung zu bringen, denn er begann unruhig von einem Fuß auf den anderen zu treten. Der alte Zauberer hatte das scheinbar mitbekommen, denn er sagte: "Ach komm, es gibt keinen Grund, nervös zu werden. Alle jungen Zauberer müssen von ihrem Zauberstab ausgesucht werden und bis jetzt hat es noch jeder überlebt."
Er zwinkerte mit einem seiner verhangenen Augen und überredete den ängstlichen Jungen zu einem Lächeln. Zusammen kamen sie nun zum Messen des zukünftigen Zauberstabbesitzers vom Kopf bis zu den Füßen und nach einer Weile deutete eine langgliedrige Hand in Richtung des einen Schachtelstapels. Ein grüner Behälter schoß daraus hervor, sauste in ihre Richtung und landete direkt auf Mr. Ollivanders ausgestreckter Hand. Nachdem er ihn mit einer dramatischen Geste geöffnet hatte bemerkte der Ladenbesitzer: "Dies sollte genau die richtige Wahl für dich sein."
Da er dabei auf den Stab schaute und nicht auf den Jungen, war es nicht ganz deutlich, wem diese Worte eigentlich galten.
"Eiche und ein Kern aus der Faser eines Hirschherzens, elf Zoll, sehr beweglich und flexibel, dennoch nicht leicht zu handhaben. Komm, schwinge ihn einmal."
Er trat ein paar vorsichtige Schritte zurück, eindeutig darauf vorbereitet, sich zu ducken, wenn es nötig sein sollte, nur für den Fall, daß sich der Zauberstab doch anders entscheiden sollte, wie sein Hersteller. Er hatte es jedoch gut getroffen, denn ein kleiner Schauer silberner Funken brach aus der Spitze des Stabes hervor und umhüllten den Jungen, der mittlerweile in dem Licht ein breites, glückliches Lächeln aufgesetzt hatte. Sechs Galleonen und ein eingewickeltes Paket wechselten gerade die Besitzer, als Snapes Mutter den Laden betrat. Mr. Ollivanders Lächeln schien eingefroren zu sein, als sie die üblichen Nichtigkeiten austauschten und er starrte dem Paar noch eine ganze Zeitlang nachdenklich hinterher, nachdem sie seinen Laden verlassen hatten.
Kaum waren sie wieder draußen auf der Straße, als der kleine Junge auch schon pflichtbewußt seiner Mutter einige der vielen Päckchen abnahm und begann, neben ihr her zu spazieren und aufgeregt zu plappern.
"Es war überhaupt nicht schlimm, Mutter, ganz wie du es gesagt hast. Er war wirklich nett und ich habe den besten Zauberstab überhaupt! Möchtest du ihn sehen? Er ist aus Eichenholz und... ."
"Severus, dafür haben wir jetzt keine Zeit. Dein Vater wir sicherlich schon auf uns warten und ich möchte ihm wirklich das Buch geben, das ich gefunden habe", unterbrach ihn seine Mutter, und begann noch schneller zu gehen, nun da sie nicht mehr so viele Sachen tragen mußte. Da war ein erwartungsvolles Lächeln auf ihrem Gesicht, ihren Sohn schien sie kaum noch wahrzunehmen.
"Aber Mutter, was ist denn mit der Eule?" Er war stocksteif stehen geblieben, weil sie geradewegs an dem Laden mit den herrlichen Vögeln im Schaufenster, die in ihren Käfigen schliefen oder ihn mit einem Augen unter ihren Flügeln hinweg ansahen, vorbeigegangen waren.
"Es tut mir Leid, Severus, aber nachdem ich dieses außerordentliche Buch gekauft habe, ist einfach nicht mehr genug Geld übrig für eine Eule. Vielleicht ein anderes Mal."
Letztendlich hatte sie bemerkt, daß er ihr nicht mehr folgte und drehte sich ungeduldig herum.
"Für den Anfang kannst du eine der Schuleulen nehmen, um uns Nachrichten zu senden und wenn du zu Weihnachten zu Besuch kommst, dann reden wir noch mal darüber, in Ordnung? Außerdem kannst du froh sein, dass wir dir den Zauberstab gekauft haben. Meiner Meinung nach hättest du genauso gut weiterhin den alten Stab deines Vaters benutzen können."
Sie sah ihn nicht einmal an aber liebkoste das Buch in ihrem Arm mit liebevollen Fingern. Dem Ausdruck seines Gesichtes nach zu schließen führte der Junge eine stille Diskussion in seinem Kopf. Zum Schluß trottete er herüber zu seiner Mutter und folgte ihr ohne ein weiteres Wort, seinen Kopf ließ er hängen, während sie glücklich lächelte, völlig in ihren Gedanken gefangen.


 

Kapitel 4

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