Ein Rabe namens Snape

 

 

Zurück

 

Zurück zur
Startseite


 

Kapitel 4

 


***************************************


Harry schwankte leicht, als er plötzlich festen Boden unter seinen Füßen spürte. Sie waren bei einem alten Schloss angekommen, das auf einem Hügel mit Blick auf einen großen See lag. Zuerst sah Harry das Schloss nicht, weil es so dicht mit Efeu bewachsen war, dass es sich kaum gegen den reich bewachsenen Hügel dahinter abhob. Nachdem sie durch die schweren Holztüren getreten waren, wurden sie in eine große, reich geschmückte Halle geführt. "Wo sind wir? Wer wohnt hier?", flüsterte Harry Charlie zu. Der zuckte nur mit den Schultern.

"Kommt herein, kommt herein", grüßte Dumbledore die Neuankömmlinge. "Erfrischungsgetränke stehen auf den Tischen an der Wand. Bitte nehmt Platz." Reihen von Stühlen waren so aufgestellt, dass sie auf eine erhabene Bühne blickten, in deren Mitte ein Podium stand. Der Raum schien zu wachsen, als immer mehr Leute ankamen.

"Hi, Neville", lächelte Ginny.

"Hallo Leute, habt ihr schon meine Großmutter kennen gelernt?", Neville zeigte auf die grauhaarige Dame mit dem ausgeblichenen Geier auf ihrem Hut und der roten Handtasche. Während Ron, Ginny, Harry und Hermione vorgestellt wurden, begann Snape in seiner Tasche unruhig zu werden und krächzte. 'Potter, mach die Tasche auf und lass mich raus!'

Neville schaute sich um und wisperte Harry zu: "Ist das Snape?"

Erstaunt entgegnete Harry: "Woher weißt du von Snape?"

"Ron hat es mir erzählt", flüsterte Neville zurück. Harry öffnete die Tasche und hob den schwarzen Vogel auf seine Schulter. "Scht."

'Sag nicht immer 'Scht' zu mir, Potter. Stell dich lieber so, dass ich mehr sehen kann." KRÄCHZ! KREISCH! Nevilles Großmutter hatte sich zu dem Vogel gebeugte, um ihn sich besser ansehen zu können, aber beim Anblick des lebensgroßen, ausgestopften Geiers auf ihrem Hut rastete Snape aus. Er flatterte mit den Flügeln und plusterte sich zu seiner vollen Größe auf, während er nach dem Zierrat auf dem Hut schnappte.

Alle lachten, und Harry drückte den aufgeregten Raben an seine Brust: "Ist schon in Ordnung, Junge. Ist doch bloß ein Hut. Scht."

"Dieser Hut, ich hasse diesen Hut!", krächzte Snape erbost.

Da tippte jemand Harry auf die Schulter. "Harry, das ist mein Papa. Papa, das ist Harry Potter", stellte Luna ihren Vater vor.

Harry setzte Snape zurück auf seine Schulter, um Mr. Lovegood die Hand zu geben: "Mr. Lovegood, ich möchte Ihnen wirklich dafür danken, dass Sie letztes Schuljahr diese Artikel gedruckt haben."

"Keine Ursache, mein Junge. Wow, Harry Potter, wie er leibt und lebt", sagte Lunas Vater ehrfürchtig und hörte gar nicht mehr auf, Harrys Hand zu schütteln. "Ich freue mich so, dich endlich zu treffen. Luna erzählt so wenig von dir."

'Jetzt reicht es aber, sonst schwillt dem Jungen noch der Kopf so an, dass er nicht mehr durch den Kamin passt', dachte Snape.

"Ist das Snape?", fragte Luna neugierig.

"Ja, hat Ron dir auch von ihm erzählt?"

'Ich kriege diesen Weasley noch', nahm sich Snape innerlich vor.

"Nein, Ginny war's. Hi, Professor." Luna hob ihre Hand, um den Vogel zu streicheln, aber zog sie schnell wieder zurück, als Snape nach ihr schnappte. 'Diese Weasley kriege ich auch noch. Geh endlich weiter, Potter.'

"Nun, uhm, es war nett, Sie kennen zu lernen, Mr. Lovegood. Entschuldigen Sie mich bitte, ich muss Professor Dumbledore finden." Harry beendete das ewige Händeschütteln, um einen Platz zu finden.

Während Harry und Ron sich in die erste Reihe setzten, kam Dumbledore zu ihnen. "Hallo, Harry, wie war dein Sommer?", grüßte er.

"Hallo Professor. Tatsächlich war es lange nicht so langweilig wie es vielleicht gewesen wäre, wenn ich mich nicht um diesen kleinen Kerl hier hätte kümmern müssen." Harry zeigte auf den Raben auf seiner Schulter. "Mein Cousin hat ein Paintballgewehr zum Geburtstag bekommen und hat seitdem alle Katzen und Vögel der Nachbarschaft mit Farbe beschossen. Dieser arme kleine Piepmatz hat seinen Flügel gebrochen, als er vom Baum fiel."

"Ah ja, Hagrid hat mir von Professor Snape erzählt." Dumbledore streckte seine Hand aus, und der schwarze Vogel kletterte hinauf und krächzte freundlich. "Hallo du, Mr. Rabe."

'Direktor, ich bin's doch, Severus Snape. Schauen Sie mich an, schauen Sie nur richtig hin!'

Harry beugte sich zum Direktor und wisperte: "Kommt Professor Snape auch? Ich möchte nicht unbedingt von ihm dabei erwischt werden, wie ich den Raben mit Professor Snape anrede."

Dumbledore gluckste: "Ich verstehe."

"Nun, er hat lautstark protestiert, als ich ihn Sirius nennen wollte." Snape schüttelte bei Harrys Worten angewidert seine Federn. "Und er schien recht zufrieden, als ich dann Professor Snape vorschlug."

"Arthur hat mir erzählt, du hättest einen Zauberstab gefunden."

'Ja, Potter, zeig ihm meinen Zauberstab.'

"Oh ja, natürlich!" Harry zog den 'geborgten' Zauberstab aus der Tasche und zeigte ihn dem Direktor.

"Wow!", rief Ron überrascht. "Er lässt Professor Dumbledore den Zauberstab anfassen."

Der Rabe sprang sogar auf Dumbledores freie Hand, die nicht den Zauberstab hielt, und drehte sich dort mehrmals um sich selbst. Dann pickte er vorsichtig nach den eingravierten Initialen am Griff: 'Das bin ich, ich bin S.S.'

"Schaut euch das an!" Mit offenem Mund beobachtete Ron das merkwürdige Verhalten des Vogels.

"Harry, dies ist der Zauberstab von Professor Snape. Er wird seit mehreren Wochen vermisst", verkündete Dumbledore. Der Rabe breitete seine Flügel aus und nickte wild mit dem Kopf. 'Ja, gut, jetzt stellen Sie schon die Verbindung her.'

Ron lachte: "Nun, da habt ihr es! Harry hat Snape gefunden, und er war die ganze Zeit bei ihm." Der Vogel hörte auf, sich auf Dumbledores Hand herumzudrehen und starrte den schlaksigen Rotschopf an, der sich vor Lachen krümmte und mit den Füßen trampelte. 'Wie macht er das nur?' wunderte sich Snape.

"Oooh, wieder der böse Blick", kicherte Ron. Dumbledore seufzte und steckte Snapes Zauberstab in seine Tasche.

"Ich muss jetzt die Versammlung eröffnen, Harry, aber ich würde gerne später mit dir reden. Hier, nimm bitte deinen Vogel." Harry streckte seine Hand aus, aber offensichtlich wollte der Rabe Dumbledore nicht verlassen. 'Nein, gehen Sie nicht weg! Albus! Direktor?' Energisch stopfte Harry den schwarzen Vogel wieder in seine Tasche und ließ einen halben Keks hinterher fallen.

Harry erfuhr nichts auf der Zusammenkunft, was er nicht schon aus dem Tagespropheten oder durch die Weasleys gewusst hätte. Das Treffen war hauptsächlich dazu gedacht, neue erwachsene Mitglieder aufzunehmen, aber Dumbledores Armee wurde auch vorgestellt. Deshalb waren Harry und seine DA Kameraden zusammen mit ihren Eltern eingeladen worden. Snape war wieder auf Harrys Schoß geklettert. Gegen Ende des Treffens verkündete Dumbledore schließlich, dass sie für das neue Schuljahr immer noch nach einem Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste suchten, möglicherweise auch nach einem Vertretungslehrer für Zaubertränke. Bei dieser Gelegenheit gab er bekannt, dass Severus Snape verschwunden war, fragte nach Hinweisen und rief zu besonderer Aufmerksamkeit auf. "Allzeit wachsam!", rief Alastor Moody wie auf Stichwort von hinten durch den Raum.

Als Snapes Name erwähnt wurde, sprang der Rabe von Harrys Schoß herunter und lief laut krächzend und flügelschlagend auf die Bühne zu. 'Ich bin hier! Verwandeln Sie mich zurück, Direktor!' Ron schrie: "Schaut, dort läuft Snape!" Der ganze Saal brach in Gelächter aus. Dumbledore zuckte mit den Schultern und beendete das Treffen, während das Lachen langsam verstummte und einem allgemeinen Geplauder wich.

Harry fing schnell seinen Vogel ein und hielt ihn an den Beinen fest. Charlies Tipps vom Morgen halfen ihm, den Vogel zu bändigen, ohne dass er an den Fingern verletzt wurde. Jedoch schaffte er es nicht, ihn am Krächzen zu hindern.

Dumbledore legte seinen Arm um Harrys Schulter: "Dein Vogel ist schon einer, was, Harry? Und wie ist es jetzt mit unserem Gespräch? Komm bitte mit mir." Der große, weißhaarige Zauberer führte den Teenager in ein angrenzendes Versammlungszimmer. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch umgeben von einigen Stühlen. Astronomische Tabellen und Zaubererkarten hingen an den Wänden. Leider hatte Harry keine Gelegenheit, sie sich genauer anzusehen, denn Arthur Weasley, Mad-Eye Moody und Professor McGonagall waren ihm dicht gefolgt. Fawkes, Dumbledores Feuervogel, flog auf die Schulter des Direktors und ließ sich dort nieder.

Dumbledore hatte schon zu reden begonnen, noch ehe alle Platz genommen hatte. "Harry, wie ich bereits in der Versammlung erwähnt habe, wird Professor Snape seit einigen Wochen vermisst. Ich bin mir sicher, dass du seinen Zauberstab gefunden hast."

Harry setzte sich, aber der Rabe krächzte in seiner Tasche und bohrte und knuffte ihn in den Magen. Sobald die Tasche geöffnet wurde, sprang er in Harrys Schoß, dann auf den Tisch. "Ich muss mich für meinen Raben entschuldigen, Sir. Er hat einiges mitgemacht und will mich, seit wir zum Fuchsbau gekommen sind, nicht aus seiner Nähe lassen."

"Ist schon in Ordnung, Harry", unterbrach ihn McGonagall, "aber wie bist du an Professor Snapes Zauberstab gekommen?"

"Moment, ich komme gleich dazu. In der Nacht als ich Snape, diesen Snape hier, gefunden habe, ist Hedwig auf die Jagd geflogen und kam mit dem Zauberstab zurück. Ich habe sie gebeten, mir zu zeigen, wo sie den Stab gefunden hat, und sie flog zu dem Baum im Vorgarten. Auf dem Ast, zu dem sie geflogen ist, war ein grüner Farbfleck. Ich glaube, das war die Stelle, wo der Rabe von meinem Cousin abgeschossen wurde."

"Kann ich den Zauberstab mal sehen, Albus?", fragte Moody und rollte sein magisches Auge. Als ihm der Stab gereicht wurde, krächzte Snape und rannte aufgeregt über den Tisch. 'Nein, nicht Priori Incantatem. Albus, lassen Sie das nicht zu!'

"Harry, bring deinen Vogel unter Kontrolle", knurrte Moody verstimmt. Harry lehnte sich vor und zog Snape mit beiden Händen zurück.

"Alastor, nur den letzten Zauberspruch bitte", sagte Dumbledore.

Moody grummelte, fügte sich aber. "Protego. Es war Protego. Scheint, als hätte er sich duelliert."

Moody stellte sich vor eine große Karte von London, die an einer Wand des Versammlungsraumes hing, und benutzte seinen Zauberstab als Zeigestock. "Wir wissen, dass Snape zuletzt im Tropfenden Kessel gesehen wurde. Er verließ das Lokal gegen vier Uhr morgens. Kurz danach wurde die Muggel-Polizei wegen nächtlicher Ruhestörung durch Betrunkene in den Hyde Park gerufen. Die Beschreibung der Randalierer passt auf eine Gruppe von Zauberern in schwarzen Roben. Sie waren verschwunden noch ehe die Polizisten dort ankamen. Zeugen sahen, wie sie sich in Luft auflösten."

"Sir, hatte Professor Snape einen Raben?", fragte Harry.

"Nein, Harry. Warum?", erwiderte Dumbledore.

"Nun, Charlie meinte, der Rabe könnte an Zauberer gewöhnt sein. Mir kommt es auch so vor, als gäbe es eine Verbindung zu dem Zauberstab, weil er sehr auf ihn aufpasst. Deshalb dachte ich, dass der Rabe bestimmt dem Besitzer des Zauberstabes gehört."

Während die Zauberer diskutierten, wo Professor Snape geblieben sein könnte und versuchten, seine Spur auf der Karte nachzuvollziehen, hatte der Rabe eine Unterhaltung mit Dumbledores Phönix.

"Fawkes", krächzte Snape, "kannst du mich verstehen?"

"Woher kennst du meinen Namen, Rabe?"

"Ich bin Severus Snape. Ich bin in einen Raben verwandelt worden. Bitte hilf mir, dass jemand mich versteht. Kannst du mit Dumbledore kommunizieren?"

"Nicht direkt", trillerte der Phönix. Es klang, als ob er kichern würde. "Wie hast du Harry dazu gebracht, dir deinen eigenen Namen zu geben?"

"Das ist reiner Zufall. Es sollte wohl ein Witz sein. Er hat keine Ahnung, dass ich es tatsächlich bin." Snape hopste vom Tisch herunter auf Harrys Schoß und pickte an der Tasche, in der sich Rons Zeichnung befand. Harry zog das Pergament heraus und legte es samt Raben auf den Tisch. Snape pickte an dem aufgerollten Bild herum und schob es zu dem Feuervogel hinüber. "Schau dir dieses Bild an. Das hat der Weasley-Junge gezeichnet, um sich über seinen Professor lustig zu machen."

Fawkes hüpfte herunter und stolzierte über den Tisch, seine Federn graziös hinter sich herziehend. Da er das Pergament nicht selbst aufrollen konnte, marschierte er damit zu Professor McGonagall. Er flatterte auf ihre Schulter, um eine bessere Sicht zu haben. Sie rollte das Pergament auf, und sogleich fingen ihre Schultern an in leisem Gelächter zu wackeln. Snape rannte zu ihr, kletterte auf ihre Hand und pickte wieder an dem Bild herum: 'Minerva, bitte verwandeln Sie mich zurück. Dies hier (pick) bin ich.' Dann starrte er sie eindringlich an.

"Harry", flüsterte sie mit geschürzten Lippen und gekräuselter Nase, "bitte nimm deinen Vogel hier weg."

Als Snape von McGonagalls Hand gehoben wurde, sah er verzweifelt den Phönix an: "Fawkes, sie versteht mich nicht."

"Nette Zeichnung", trällerte Fawkes gelassen, während McGonagall dem Bild erlaubte sich selbständig wieder aufzurollen. Sie schob es über den Tisch zu Harry hin.

Fawkes segelte von ihrer Schulter, um das Pergament aufzuheben. Er landete damit auf der Schulter des Direktors, der das Pergament entrollte und anfing, amüsiert zu kichern. Snape watschelte zu Dumbledore hin und veranstaltete das gleiche Pick-und-Anstarr-Spielchen wie bei McGonagall, doch auch diesmal nicht mit dem gewünschten Erfolg. Kaum auf ihn achtend lehnte sich Dumbledore zur Verwandlungslehrerin: "Minerva, Sie müssen wirklich mal mit dem jungen Weasley darüber sprechen, dass man sich nicht über seine Lehrer lustig machen soll." Sie nickte und verzog ihre Lippen, um ein Grinsen zu verbergen.

'Nein! Denken Sie doch mal logisch, Albus! Moody, was ist nun mit Ihrer ständigen Wachsamkeit? PASST ENDLICH MAL AUF!" krächzte Snape und schlug wie wild mit seinen Flügeln auf den Tisch.

"Harry, du sollst deinen Vogel unter Kontrolle halten", knurrte Moody gereizt, "oder ich verwandle ihn in Severus Snape und beende damit die verflixte Sucherei. Ich habe dem Kerl ohnehin nie getraut. Und ich tue das hier nur als persönlichen Gefallen für Sie, Albus. Ich begreife wirklich nicht, welche wiedergutmachenden Charaktereigenschaften Sie in diesem übellaunigen Idioten zu erkennen glauben."

'Ja! Ja! Verwandeln Sie mich!', krächzte Snape aufgeregt und hielt seine Flügel ausgebreitet.

Doch wieder fand Snape sich in Harrys Tasche. Der Reißverschluss wurde zugezogen, und der Rabe konnte sich nicht mehr bewegen. 'Nein!', seufzte Snape, 'Das doch nicht.'

***



In der Nacht, während Harry und Ron schliefen, krächzte Snape von seiner Schuhbox aus: "Hedwig, bist du wach?"

"Natürlich, ich bin nachtaktiv, Dummi", schuhuhte Hedwig leise zurück.

Snape erzählte ihr von dem Treffen mit Dumbledore und seiner Unterhaltung mit Fawkes. "Mr. Potter hat die Zeichnung auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Bitte bringe sie morgen früh zum Direktor ins Büro. Wenn er es dann immer noch nicht kapiert, kann Fawkes es ihm vielleicht erklären. Es ist wirklich unglaublich, wie begriffsstutzig der alte Mann sein kann!" Snape drehte den Kopf und zupfte an einer seiner langen Schwanzfedern. "UGH! Au! Nimm die bitte auch mit."

"Der Direktor ist ein viel beschäftigter Mann, Professor", schuhuhte Hedwig. "Bei ihm im Büro fliegen ständig Eulen ein und aus. Ich hasse es, mich in einer Schlange anstellen zu müssen."

***



Am nächsten Tag zur Frühstückszeit kam Hedwig am Lehrertisch an. "Hallo, du. Du bist Harrys Eule, nicht wahr?" Dumbledore bot Hedwig ein Stück Melone aus seinem Fruchtsalat an. "Nicht das schon wieder. Warum schickt mir Harry das?", sagte der alte Zauberer leise zu ihr, als er das Pergament erkannte. Hedwig schüttelte langsam ihren Kopf. "Nicht von Harry? Von wem dann?" Hedwig hob die Rabenfeder auf, die aus der Pergamentrolle gefallen war, als Dumbledore sie aufgerollt hatte, und zeigte sie dem Direktor. "Eine Feder von Harrys Rabe?"

Während sie den Direktor und die weiße Eule beobachtete, brachte Sibyll Trelawney das Bild mit der Feder in Verbindung und schnappte nach Luft. "Direktor, ein Rabe ist ein sicheres Todesomen. Will uns jemand sagen, dass Severus tot ist? Sind wir nach dem Treffen gestern Abend einen Schritt weiter gekommen, ihn zu finden? Tut mir leid, aber ich konnte nicht an der Versammlung teilnehmen."

Wenn Hedwig ihre Augen hätte rollen und sich gegen die Stirn klopfen können, hätte sie es bestimmt getan. Stattdessen schüttelte sie ihren Kopf und zauste ihre Federn. Sie kletterte auf die Hand des Direktors und versuchte, auf den grünen Streifen im Haar des Zauberers auf der Zeichnung zu deuten. Hedwig schuhuhte: 'Hören Sie bloß nicht auf sie! Außerdem ist sie mir unheimlich.'

"Severus, Severus, wo sind Sie nur?" Müde schüttelte Dumbledore den Kopf und rieb sich die Nase. Hedwig schuhuhte wieder und zeigte auf Rons Signatur, aber der Direktor schaute nicht hin.

"Was haben Sie denn da, Direktor?" Hagrid kam von seinem Platz am anderen Ende des Tisches herüber.

Dumbledore seufzte. "Harrys Rabe versuchte letzte Nacht, mir diese Zeichnung zu geben. Der junge Mr. Weasley hat sie als Karikatur von Severus gezeichnet, weil Harry den Vogel Professor Snape genannt hat."

Hagrid kicherte: "Der Rabe will Ihnen wohl was sagen, Perfesser."

"Ich wünschte nur", seufzte der Direktor, "ich wüsste was."

***



Harry vergrub sich in seinen Sommerhausaufgaben. Jedes Mal, wenn er auch nur länger als eine halbe Stunde Pause machte, kam der schwarze Vogel und machte Theater, bis er sich wieder an seine Bücher setzte. Snape schritt den Schreibtisch oder Tisch entlang, wo Harry gerade saß und arbeitete. Er wich Harry praktisch nicht von der Seite. Wenn Harry, aus welchem Grund auch immer, wegging, machte der Rabe einen solchen Aufstand, dass dem Jungen nichts anderes übrig blieb, als ihn mitzunehmen. Besonders versuchte Snape, Rons Eule Pigwidgeon aus dem Weg zu gehen, denn sie ging ihm unglaublich auf die Nerven.

Sein erstes Zusammentreffen mit Pig war, wenn es nach ihm ginge, auch sein letztes. "Hi, ich bin Pig. Nun, eigentlich heiße ich Pigwidgeon, aber sie nennen mich kurz Pig. Wie heißt du? Warum sind deine Federn so schwarz? Nimmst du etwas besonderes, um sie so zum Glänzen zu bringen? Die Öle müssen deine Federn doch sehr schwer machen, aber du siehst wasserdicht aus. Sprüht Harry dich mit kaltem Wasser ein? Manchmal macht Ron das mit mir, wenn ich nicht ruhig bin. Ich mag Ron. Magst du Ron auch? Und was ist mit Harry? Harry ist immer sehr nett zu mir." Die kleine Eule redete unglaublich schnell und machte nicht mal eine Pause um Luft zu holen.

KRÄCHZ!! "HALT DEN SCHNABEL!"

"Das ist aber nicht gerade nett. Du bist kein netter Vogel. Bist du überhaupt ein Rabe? Dein Schnabel ist mindestens so groß wie der von einem Tukan, aber ein Tukan hat seine Farben auf dem Schnabel, nicht am Kopf. Wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich eigentlich noch nie einen Tukan getroffen, aber einen Raben auch noch nicht. Vielleicht bist du ja eine Fledermaus-"

KRAH! KRÄCHZ! "POTTER, KOMM HER!!! SCHNELL!!!"

***



"Harry, mach endlich mal 'ne Pause," rief Ron und stürmte in ihr gemeinsames Schlafzimmer, wo Harry gerade über seinen Hausaufgaben saß. "Lass uns eine Partie Zaubererschach spielen."

"Aber ich muss noch eine ganze Menge Stoff nachholen, Ron."

"Komm, ich schlage dich schnell und schmerzlos. Seit du hier bist, hast du die ganze Zeit nur gebüffelt."

"Hast du deine Aufgaben alle schon erledigt?", fragte Harry und fuhr sich mit den Händen durch die Haare, um sie noch ein wenig mehr durcheinander zu bringen.

"Ja, aber Hermine meinte, ich solle für Flitwick noch mehr schreiben. Sie ist ein ganz schöner Sklaventreiber."

"Und Snape ist nicht besser." Harry zeigte auf den Raben. "Aber du hast recht. Ich brauche wirklich eine Pause. Nur mach's kurz, damit ich mit Verwandlung weiter machen kann."

"Super!" Ron holte sein Schachspiel aus der Truhe. Er stellte es auf dem Bett auf, wo Harry sich zu ihm setzte und die schwarzen Figuren wählte. Snape verfolgte den Fortgang des Spiels von Harrys Schulter aus. Ron hatte Harry schnell in die Ecke gedrängt und war zum entscheidenden Schlag bereit.

Als Harry seine Hand auf seine Königin zu bewegte, hüpfte Snape von seiner Schulter auf seinen Schoß, dann auf seine Hand. 'Das ist eine Falle, Potter', warnte der Rabe. Die Spielfiguren protestierten, als Snape mit seinem Schnabel den König anhob und ihn dann fallen ließ. Vorsichtig zog Harry den Vogel zurück in seinen Schoß und wollte wieder nach der Königin greifen, aber Snape krächzte laut und hüpfte erneut auf Harrys Hand, um nach seinen Knöcheln zu picken.

"Au, dummer Vogel!" Krächz! "Na gut, er hat mich ja schon so gut wie geschlagen, ich ziehe also mit dem König", verkündete Harry. "Nun zufrieden, Professor?"

Ron schlug sich mit der Hand gegen die Stirn und nahm Harry die Königin. Trotzdem dauerte das Spiel noch eine ganze Stunde, während der Harry die Ratschläge des Vogels befolgte. Schließlich gewann er das Spiel. "Hey, ich habe es geschafft! Ich habe dich geschlagen!" Krächz! "Entschuldigung, WIR haben dich geschlagen, Ron."

Ron lachte: "Wovon redest du, Kumpel? Snape hat alle Züge bestimmt und sehr effektiv verhindert, dass du mir in die Falle gehst."

'Nun ja, vielleicht hat Weasley doch ab und an mal einen Geistesblitz', krächzte Snape zufrieden. Er lief stolz um das Schachbrett herum und warf die verbliebenen Figuren um.

"Ich muss mich wieder an die Arbeit machen. Ruf mich zum Essen, Kumpel. Vielleicht können wir danach noch 'ne Runde fliegen."

"Genau", rief Ron, als er das Zimmer verließ, "und danke für das Spiel." An der Tür wandte sich der Rotschopf noch einmal um: "Hey, lass uns morgen in die Winkelgasse gehen und Fred und George in ihrem neuen Laden besuchen."

"Klasse Idee! Ich bin dabei", strahlte Harry.

"Cool! Ich schicke Pig voraus, um sie zu warnen." Ron rannte aus dem Zimmer und fing an, nach der winzigen Eule zu suchen.

Mit einem tiefen Seufzer setzte sich Harry zurück an den Schreibtisch. "Nun, Professor, an was soll ich jetzt arbeiten?" Snape hüpfte von Harrys Schulter auf die Tischplatte und holte das Pergament mit den Aufgaben für Zaubertränke hervor.

"Die muss ich doch gar nicht machen, dummer Vogel. Zaubertränke für Fortgeschrittene nehme ich nicht. Ich hatte in meiner Prüfung letztes Jahr nur ein 'befriedigend', und das reicht nicht. Ich bin bestimmt nicht schlecht in Zaubertränke. Vielleicht würde ich es sogar ganz gerne machen, wenn mein Professor nicht immer auf mir herum hacken würde mit seinen gemeinen Bemerkungen. Ich werde wohl meine Pläne, Auror zu werden, begraben müssen." Harry schob das Pergament samt Vogel zur Seite und kramte sein Aufgabenheft für Verwandlung hervor.

'Merlin hilf uns falls Harry Potter Auror wird. Wer würde uns dann vor Harry Potter schützen?', dachte Snape während er die Federn an der Unterseite seiner Flügel putzte.




 

Kapitel 3

Kapitel 5

 

Zurück